Nr. 7. Sonntag, den !). Oktober 1887. 1. Jahrgang. DaS Hamburger Echo erscheint täglich, außer Montags. — Der Abonnementspreis beträgt vierteljährlich M. 3,60, pr. Nummer 5 4. Bei Anzeigen wird die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 25 4 berechnet. — Anzeigen-Annahme in der Expedition, sowie bei allen Jnseraten-Biireanx. Redaktion und Expedition: Hamburg, Große Bleichen 63».— Verantwortlicher Redakteur: Otto Stötten in Hamburg. Hierzu eine Beilage. Von -er Weltbhne. Zur parlamentarischen Session wird osfiziöserseits dahin Stellung genommen, daß der Reichs - tag vor dem preußischen Landtage, und zwar bereits im nächsten Monat, einberufen werden soll. Die preußische Regierung wird, w,e ossrzlöö ge. meldet wird, au* in der nächsten Session des preußischen Landtages darauf verzichten, den Versuch einer Reform der direkten Steuern 8« erneuern. Bezüglich des Warrant-Systems ist eine Ge. s e tz e s v 0 r l a g e in Aussicht genommen. Der Entwurf ist bereits so weit gefördert, daß er in naher Zeit dem Bundesrath wird vorgelegt werden können. Innerhalb der Berufsgenossenschaftcn wird der Plan erörtert, die Genosfenschalten auch zum Träger einer Feuerversicherung für die Berufs - genossenschasten bezw. ihre gewerblichen Betriebe, Fabrik - anlagen, Waarenlager u. s. w. zu machen. Man hat eine Berficherung aus Gegenseitigkeit ohne Beitrittszwang im Auge. „Da die Organisation der Bcrufsgenossen- schäften" — so wird das Unternehmen begründet — „schon vorbanden ist, so läßt die Hinzufügung der Feuer - versicherung sich um so leichter bewerkstelligen. Dadurch werden die Kosten für die Verwaltung der Feuer- Versicherung bedeutend verringert; auch ist schon damit die Gewähr gegeben, daß die Versicherung der gewerb. lichen Betriebe sich billiger stellt, als bei anderen An - stalten." Der badische Nationalliberalismus dürste nach der „Frkst. Ztg." aus den Wahlen zum badischen Landtag mit einem Gewinn von 8 Mandaten hervor - gehen. Dagegen haben die Demokraten zwei und die Ultio montanen fünf Sitze verloren. Die Ur - sache deS Verlustes der Letzteren wird auf die Zänke- reien zwischen „Gemäßigten" und „Extremen" zurück- geführt. Straßburg, 6. Oktober. Wie das „Els. Journal" meldet, ist das „S i ö c l e" in Elsaß-Lothringen verboten worden; dieses Blatt zählte im Reichslande etwa 500 Abonnenten. Eine gleiche Maßregel ist auch gegen die „Lant er ne" ergriffen worden. In Lothriuge« ist der seit längerer Zeit erwartete Normal-Lehrplan für den deutschen Unterricht in den einklassigen Schulen des sran- zösischen Sprachgebietes mit dem Beginn des Wintersemesters in Kraft gesetzt worden. Die Vorarbeiten, d. h. die Aufstellung des Projekts für einen schiffbaren Kanal von Straßburg nach Ludwigshafen sind zum Abschluß gelangt. Nach diesem Projekt soll der Kanal auf reichsländischem Gebiete von Straßburg über Wanzerheim, Bischweiler, Schirrhofen, Sustlenheim, Barstfeld, Kesseldorf und Sulz geführt werden, während aut baierischem Gebiete die Projektirungs- arbeiten für zwei Linien aus geführt wurde», die Limen Germersheim - Speyer - Ludwigshafen und Schleithal- Landau - Neustadt - Ludwigshafen. Sobald die Wahl zwischen diesen beiden Linien getroffen sein wird, soll den gesetzgebenden Faktoren eine Vorlage in Betreff des Kanalbaues zugehen. Zum sozialdemokratischen Parteitag wird dem .Berl. Volksbl." aus St. Gallen noch Folgendes mitgetheilt: „Der Parteitag der deutschen Sozialdemo, kratie beschäftigte sich gestern und heute mit der Haltung der fozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstage und in den Landtagen der Einzelstaaten. Referenten waren die Abgg. Hasenclever, Bebel und Singer. Es wurden die einzelnen Fragen, zu denen die sozialdemokratischen Abgeordneten Stellung zu nehmen gehabt hatten, vo» den Rednern aus der Versammlung einer eingehenden Kritik unterzogen. Auch die Frage der Dawpfersubven- tion, zu welcher die frühere Fraktion der Sozialdemo, kratie im Reichstage in ihrer Majorität eine nicht un- bedingt ablehnende Haltung eingenommen hatte, führte zu einer lebhaften Erörterung, bei welcher sich die gegen- seiligen Anschauungen abklärten. Zum Schluffe wurde vom Parteitag eine Resolution angenommen, die unter Anerkennung der positiven Thätigkeit der Abgeordneten dieselben auffordert, ihre kritische und oppositionelle Thätigkeit weiter zu üben. — Heule, Dienstag, Nachmittag hielt Herr Auer einen interessanten Vortrag über Zoll- und Steuersysteme, der mit viel einschlägigem Material versehen war und die lebhafte Anerkennung der Ver- sammlung sand. Derselbe Redner erörterte auch die Arbeiterschutzgesetzgebung unter allseitiger Zustimmung. Schließlich gelangte eine Resolution zur Abstimmung, die sich gegen Schutzzölle u»d Monopole ausspricht und bezüglich der Sozialresvrm betont, daß es den herrschen - den Klassen an dem erforderlichen guten Willen fehle, eine durchgr eisende Sozialreform durchzuführen, wie sich bei den Reichstagsverhandlungen gezeigt habe. — Die Diskussion über niese Vorträge und über die Resolution begann D'enstag Nachmittag." Oesterreich. Wie ans Lemberg gemeldet wird wurde in einer Versammlung polnischer Notabilitälen beschlossen, der in Posen gegründeten Rettungs- bank, deren Aufgabe cs ist, der preußischen ttolonisa- tionSkommission entgegen zu wirken, mit dem Beitrage von M. 1 200 000 zu Hülse zu kommen. In allen gali - zischen Städten und Bezirken werden zu diesem Behufe Agitalionskomites eingesetzt werden. Der dritte Theil deS Betrages soll durch Sammlungen in den Städten, die übrigen zwei Drittkheile sollen vom Großgrundbesitz ausgebracht werden. Mit der Leitung der Aktion wurden Graf Arthur Potocki, ferner die Fürsten Adam Sapieha und Georg Czartoryski betraut. jiopenhagcn, 4. Oktober. („Voss. Ztg.") „Mit der Eröffnung des Reichstags ist die schreckliche Zeit der Zahlen gekommen. Alle Blätter füllen ihre Spalten mit langen Auszügen aus dec Staatsrechnung und dem neuen Voranschläge, m't Betrachtungen über die provi - sorische Wirthschrft und ihre Folgen für die Finanzen und für die wirthschaftliche Lage des Landes. Die Staatsrechnung für 1886/87 schließt mit einem Defizit, mögen die Regieruiigssedern es zugestehen oder nicht. Die Ausgaben betrugen 58 100 000 Kronen, die Einnahmen 54 800 000, die Staatskasse mußte von ihren Ersparnissen za. 2j Millionen Kronen zur Bestreitung der laufenden Bedürfniffe hergeben. Allerdings sind für die Amortisirung der Staatsschuld 4 700 000 Kronen ausgegebeu, so daß sich die finanzielle Lage des StaateS nicht verschlechtert hat. Dasselbe läßt sich von der wirthschastlichen Lage nicht sagen, der Handel siecht dahin, eS zeigt sich bas an dem Minderertrage der Zölle, vielmehr aber noch an dem Herabgehen der Staatseifenbahneinnahmen, die aus 3 700 000 Kronen ver - anschlagt sind und nur 1 900 000 Kr. brachten. Nahezu die Hälfte der ganzen ordentlichen Staatseinnahmen ist für militärische Zwecke verwendet, es entfallen aus das Kriegsministerium 10 300 000 Kr., auf die Marine 6 500 000 Kronen und auf die Befestigungsarbeiten und die Beschaffung von Kriegsmaterial 5 900 000 Kr. — Der Voranschlag für 1887/88 berechnet die Ein - nahmen auf 53 777 872 Kr., die Ausgaben auf 55 858 705 Kr.; die etatsmäßigen Ausgaben für Heer und Marine sind so ziemlich dieselben geblieben wie im lausenden Finanzjahre, aber die außerordentlichen Aus - gaben für die Befestigung u. s. w. sind auf 8 Millionen Kronen gestiegen. Wenn man dabei berücksichtigt, daß die Verzinsung der Staatsschuld über 7 Millionen Kronen erfordert, so wird man leicht verstehen, daß die Mittel für die eigentlichen Kulturausgaben des Staats knapp sind. So stehen dem Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichts kaum zwei Millionen zur Verfügung, eine Summe, mit der zwar Staunenswerthes geleistet wird, die aber doch nicht im Entferntesten aus - reicht, um Schule und Kirche, Kunst und Wisseirichast auf der Höhe moderner Anforderung zu erhalten. Wenn nicht der große Bildungsdrang, die Opferwilligkeit und die freiwillige Thätigkeit des Volkes vorhanden wären, so könnte ein Staat, der 22 Millionen für den Milita - rismus und zwei Millionen für Kirchen, Schulen und Bildungsanstalten ausgicbt, seine Kulturausgabe nie und nimmer erfüllen." Auö Paris meldet man der „Voss. Ztg ", daß Graf M ü n st e r, der deutsche Botschafter, am Freitag A 50 000 in einem Check auf das Bankhaus Erlanger als Entschädigung für die Familie B r i g n 0 n aus- gezahlt und gleichzeitig eine Note überreicht habe, durch welche die Angelegenheit endgültig erledigt wird. Die eventuelle Bestrafung des Soldaten Kaufmann bleibe dem pflichtmäßigen Ermessen des Militärgerichts überlassen. Paris, 6. Oktober. Mehrere Blätter befürworten im Hinblick auf die immer wahrscheinlicher bevorstehende M i n i st e r k r i s i s , man möge die beiden Portefeuilles, von weichen die nationale Sicherheit abhänge, daS des Auswärtigen und des Krieges, vor dem häufigen Wechsel der Leitung bewahren und im Besitze ih,er jetzigen In - haber Flourens und Fcrron lassen. Das „Echo de Paris" erklärt sich mit dem Vorschläge bezüglich des Kiiegsministeiinms völlig cinverstansen, beiorgt aber, daß er augeficylS der parlamenlari>cyen Spaltungen unausführbar fei. — M a n d e t, der französische Konsul in L a u r i u m, ist ab gesetzt worden, weil er dem tn Griechenland reisenden Sohne des Grafen von Paris Aufmerksamkeiten erwiesen hat. — Der, wie gestern be - reits telegraphisch gemeldet, plötzlich abgefetzte General C a s f a r e l hat unter Mithülfe eines noch ungenannten Senators mit dem Orden der Ehrenlegion Handel getrieben. Man vermuthet, daß er auch am Verrätst des Mobilifirnngsplanes durch Aubanel an den „Figaro" beseitigt war. Die Presse fordert die Berhastung des Generals. Rom, 7. Oktober. Die Abendblätter fordern die Regierung zu nachdrücklichster Wachsamkeit betreffs Marokkos auf. Bei seiner Ankunft in Italien äußerte sich Crispi nach dem „B. T." dahin, er habe die feste Ueberzeugung, der europäische Friede fei, falls nicht Unvorher - gesehenes eintrete, auf lange Jahre gesichert. Madrid, 6. Oktober. Die an der algicrisch-marok- kanischen Grenze konzentrirten französischen Truppen erhielten Befehl, sich zum Einmärsche in Marokko bereit zu halten. Madrid, 7. Okidr. Gestern hat hier einFrauen- a u f st a n d der Polizei viel zu schaffen gemacht. Mehrere Tausend Arbeiterinnen einer Zigarrenfabrik hatten sich gegen die beabsichtigte Herabsetzung des Lohnes ausgelehnt und sich dabei derartig geberdet, daß die Polizei zur Wiederherstellung der Ordnung herbei - gerufen werden mußte. Die Frauen verbarrikadirten jedoch Thüren und Fenster der Fabrik, versperrten so der Polizei den Einlaß und schleuderten auf dieselbe auch die mannigfaltigsten Gegenstände, ohne jedoch Jemanden zu verletzen. Erst noch mehreren Stunden und nach langen Verhandlungen mit der Polizei hielten es viele für gervthen, in verhälfnißmäßiger Ordnung die Fabrik zu v-rlassen ; mit dem Rest scheint man dann rasch fertig geworden zu sein. Warschau, 6. Oktober. Neuerdings wurden 75 deutsche Familien und zahlreiche junge Männer aus Polen ausgewiesen. Weitere Ausweisungen sollen bevorstehen. Die Russifizirungsmaßnahmen im Westgebiete üben eingehenden Meldungen zufolge auf die dortige nichtrulfische Bevölkerung eine sehr aus- regende Wirkung, welche die Regierung offenbar be - unruhigt, da der Generalguvernör von Wilna, General K a ch a n 0 w , für nöthig fand, folgende Kund - gebung zu verbreiten: „Böswillige Hetzer verbreiten unter Euch (dem Volk der Zamaiten und Litauer) das falsche Gerücht, als wolle man Euren katholischen Glauben beeinträchtigen und Euch zur rechtgläubigen Kirche überführen. Dieses Gerücht ist eitel Lug und Trug. Die Regierung wünscht eiiizig und allein, daß Ihr Euch Eurer Nationalität nicht schämt, litauisch beten und litauische Predigten hören sollet, daß Ihr aber auch russisch lernet, um die Sprache Eurer Kaisers zu kennen und um zu wissen, wt° Ihr rm Gericht und bei der Behörde zu verfahren habt. Dasselbe bezieht sich aber auch auf Anders- gläubige. Ihr Lutheraner sollt ebenso gut 1 russisch kennen und in Euren Schulen russisch und nicht deutsch unterrichtet werden ; Ihr Hebräer sollt ebenso im Handel und Wandel russisch zu sprechen verstehen und nicht mit Deutschland liebäugeln, denn Ihr Alle seid russische Unterthanen." Ein vom Großfürsten Nikolaus vonRnß land an Bord deS französischen DampserS „Uruguay" in Dünkirchen ausgebrachter Toast erregt, wie man der „W.-Z." ans Berlin berichtet, dort großes Auf- sehen. „Wenn derselbe in der Form, in welcher er aus - gebracht sein soll, wirklich gehalten war, so würde damit der wahre Stand der russisch.deutschen Beziehungen in ein eigenthümliches Licht gestellt werden, selbst wenn als mildernder Umstand die Thatsache in Betracht gezogen würde, daß der Toast, wie cs heißt, am Schlüsse eines trefflichen Diners erfolgte." Nach den vorliegenden Be- richten soll der Großfürst gesagt haben: „Frankreich arbeitet an der Vorbereitung der Revanche, und cs thut gut daran; aber es beweist auch große Klugheit, indem *?°„ n ,^ cn , unaufhörlichen HerauSiorderimgeii Deutschlands nicht sortreißen läßt. Möge es sortfahren, sich vorzubereiten, seine Ausrüstung zu vervollkommnen und aus seinen Soldaten jene Helden zu machen, deren Großihaten die Geschichte verherrlicht hat. Auch Ruß- land seinerseils bleibt nicht unthätig Bor Allem arbeitet eä daran, den deutschen Einfluß zu zerstören. Man möge es wissen, daß unsere ganze Familie Frankreich liebt! Alle Bemühungen des Zaren zielen daraus ab, den deutschen Einfluß zu brechen, der früher unter unseren Hohen Beamten sehr bedeutend war. Bald aber wird unsere ganze Regierung ausschließlich aus Männern zusammengesetzt fein, die Frankreich heben. Bis dahin soll Frankreich sich aber zu keinen übereilten Schritten sortreißen lassen, denn heme würde es noch schwer fallen, unser Bündniß für den Fall eines Krieges zu erhalten. Bald ober werden alle Hindernisse verschwunden und ich selbst werde der Erste fein, mich im Falle eines Krieges in die französische Armee einzureihen, die ich von ganzem Herzen liebe. Viele Russen, seien Sie dessen sicher, werden meinem Beispiel folgen."