Nr. 61. Dienstag, den 13. Dezember 1887. 1. Jahrgang. Hamburger Echo erscheint täglich, außer Montags. — Der AbonnewentSpreis beträgt vierteljährlich im Voraus cxN. Bringegeld K. 3,60. Nr. des PostkaialvzS 2410 b. Bei Anzeigen wird die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 25 4 berechnet. — Anzeigen-Annahme in der Expedition, sowie bei allen Jnseraten-BüreauS Redaktion und Expedition: Hamburg, Große Theaterstratze 44. — Verantwortlicher Redakteur: Otto Stolte« in Hamburg. $on der WeltWne. Reichstag. Erster Gegenstand der Berathung ist die -Vorlage, bett Einführung der Gewerbeordnung in Elsaß, --oihringen. Untcrstaatssckreiä: Studt besürworiet dieselbe. Auch Grad(E!s) ist dafür, wünscht aber die Fortlassung der «usnuhmen. Sabor (SD.) warnt davor, aus dem Um - stande, daß erst nach sechszehnjähriger Zugehörigkeit des ^andes die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung erngeführt werden solle, zu schließen, daß die Verhältnisse eine l'sthere Einführung derselben unnöthiq gemacht hätten, -bisher hätten die Arbeitgeber aus eigener Jniiia- uve Alles gethan. Auch im vielgerühmten Mül - hausen wären die Verhältnisse arge, die Arbeitgeber steßen sich arge Willkür zu Schulden kommen. noch folgenden Redner sprechen sich alle für die Borlage aus. Es folgt die zweite Beroibung des Gesetz- ^rlwurfs, betr. den Ausschluß der Oeffenilichkeit bei Gerichtsverhandlungen. Derselbe wird vom Justizsekretär Schelling empfohlen. Rintele« (Z.) äuße.r Bedenlen und will daher Kommissionsberathung. Klemm (K.) stimmt zu, währerd Singer (SD.) hervorhebt, daß schon j tzt Eozialistenprozesse unter Ausschluß der Oeffenilichkeit stattgefundcn hätten, das Staatsintercsse also schon j tzt genügend gewährleistet sei. Man wolle aber manche Dinge aut den Gerichtsverhandlungen nicht an die Deffentlichkeit dringen lassen. Er erinnere namentlich an, den Breslauer Sozialistenprozeß, bei welchem den Belastungszeugen das Anklagematerial zugänglich ge - macht . worden sei und ein Belastungszeuge mit der Anklageschrift in der Hand ausgesagt habe. Gehe die Vorlage durch, so werde das Institut der „Kron - zeugen" noch mehr zunehmen. Seine Partei lehne daS Gesetz ab. Retubabcn will das Gesetz ohne Kom- n itß.onoberathung, Winvrtzorft aber x,er nicht annebmen. P>ie Vorlage wird einer Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen. Nächste Sitzung heute. T.-O.: Zweite i. sung der Kornzoll Vorlage. Der Bundcörath hat in seiner letzten Sitzung den kleinen Belagern ngSzu st and für Frank- fort a. M. und Umgegend auf ein Jahr geneh- M'gt, und zwar in demselben Umfang der Maßregel wie bisher. Die zweite Lesung der Kornzollvorlage soll heute im Reichstage stattstnaen — wenn alle agrarischen Abgeordneten im Reichstage anwesend sind. Ob daS Wehrgesetz noch vor Weihnachten erledigt werden wird, wird davon abhängen, ob die Regierung Werth darauf legt. An einer sehr günstigen Aus - nahme deS EefktzentwursS durch eine bedeutende Mehrheit 'st nach der uat.-lib. „Magdeb. Zeitung" nicht zu zweifeln. Der BolkSwirthschaftsrath hat die B-stimmung in der Regierungsvorlage, welche die BerufSgenoffen- schäften zu Trägern der Versicherung macht, argenommen. Zwei Anträge, welche dahinaehen, den Arbeitervertretern in den Vorständen eben so viel Stimmen zu geben wie den Arbeitgebern und die Arbeiter vor Maßregelurgen wegen Verlassens der Arbeit behuks Theilnahme an d n Gknosfenschastsgeschäslen zu schützen, wurden so gut wie e nftimmig angenommen. Auch das Prinzip des Deckungs- Verfahrens wurde mit ziemlich erheblicher Mehrheit an - genommen, jedoch mit der Abänderung, daß für den Bedarf statt 4 nur für den Tag und Kopf angesetzt werden. Ferner wurde ein Antrag angenommen, wonach das Reich überall genau ebenso beitragen soll, wie Arbeiter und Arbeitgeber. Dagegen wurde der An - trag, die Ouittuugsbücher so zu gistalten, daß daraus nicht ersehen werden kann, wie lange die Versicherten bei den einzelnen Arbeitgebern beschästigt waren, aus dem Grunde abgelehnt, weil dadurch dem Betrug Thür und Thor geöffnet reü.br. Die Diskussion über die Quitluiigs- btcher deckte eine Anzahl praktischer Schwierigkeiten auf, welchen bei den Ausführungsbestimmungen jedenfalls Rechnung getragen werden muß. Jastrov, 10. Dezember. Bei der heutigen Ersatz- Wahl eines Abgeordneten zum Landtage für den achten Wahlbezirk des Regierungsbezirkes Marienwerder sind insgesammt 346 Stimmen abgegeben worden. Davon erhielt Landrath Conrad in Flatow (kons.) 275, Ritter- gutSbesitzer von Pradzynski (Pole) 67 Stimmen. Elfterer ist mithin gewählt. Wie ein „Philosoph" über das allgemeine Wahlrecht und dessen Wirkungen denkt. Noch ist der Gesetzentwurf wegen Verlängerung der Legis - laturperioden des Reichstages nicht eingebracht und schon beginnt der Sturmlauf gegen das g l e i ch e W a h l r e ch t. In der jüngsten Nummer der „Gegenwart" eröffnet Eduard von Hartmann den Reigen. Mach der Meinung dieses pessimistischen Schriftstellers ist das gleiche Wahlrecht so ziemlich an «llcn Uebeln, von denen wir im Deutschen Reiche heim- oesucht werden, schuld: „Es sa.'ktionirt staatsrechtlich den Sieg der Unbildung über die Bildung, der Unerfahren - heit , Unwisfenheit, Gedankenlosigkeit und Rohheit über die Erfahrung, Weisheit, Besonnenheit und Erudition, der Tummhiit über die Klugheit, des stumpfsinnigen Leichtsinns über die feinfühlige Vorsicht und Gewissen - haftigkeit." Natürlich sind es auch die Folgen ves gleichen Wahlrechts, welche die Regierung in die Zwangslage gebracht haben — sich auf die reaktionären Elemente zu stützen. Hartmann sagt: „Die nvthwendige Folge des allgemeinen WahlrecltS ist, daß, je länger je mehr der Radikalismus und die Reaktion sich des Stimmviehs bemächtigen, und die besonnenen und ge - mäßigten Mittelparteien zwischen diesen Extremen wie zwischen zwei Mühlsteinen zerrieb'n werden. Die Regie - rung, welche sich auf die radikalen Parteien nicht stützen darf, und auf die Mittelparteien nicht mehr stützen kann, wird dadurch mit Noihwmdigkeit und wider Willen den reaktionären Mächten in die Arme getrieben und muß Anlehnung suchen bei der katholischen und evange- lischen Kirche und dem Großgrundbesitz, deren Hülfe sie theüs mit Preisgebung staatlicher Rechte, theils durch Bewilligung agrarischer Begehrlichkeit theuer genug be - zahlen muß. Was wir heute sehen, sind aber erst schwache Anfänge von dem, was bei Fortdauer deS Zeichen Wahlrechts sich noihwendig entwickeln muß." Dre weitere Entwicklung auf Grundlage des gleichen Wahlrechts müßte im Sin e dieses Gedankens zur Alleinherrschast der Kirche und des Bgrarierthums führen, xbrr v. Hartmann kommt aber zu einem ganz anderen Soitujie, er sagt: „Wer die völlige Demokiatisirung des politischen Lebens abwehren will, der muß mit der Kor - rektur des Reichswah'ges.tzes den Antang machen." Es ist also in Wahrheit nicht die Reaktion, sondern die Demokratisirung, welche der Philosoph des Unbewußten befürchtet. Nach ihm hätte man das Uebel an der Wurzel, d. h. am gleichen Wahlrecht längst anqea äffen, wenn sich »ui eine praktische brauchbare Art un • Wie,-, da, geboten hätte, um die Allgemeinh.Z ^'ahlberechti- gung mit der Proportionalität von Rechten und Leistungen zu bet hinten, ohne darum die direkte und geheime Wahl preiszugeben." Brauchen wir erst zu sagen, daß Herr v. Hartmann das Rä:hsel in der einfachsten Weise, ganz in der Srt von Kolumbus gelöst Hai, wenn fein Projekt, welches er „das allge - meine, direkte, geheime, ungleiche Wahlrecht" nennt, auch etwas verwickelt ist. Es begründet sich auf einem System proportionaler Abstufung von Rechten und Pflichten, welches den Einfluß des Einzelnen auf die Wahl von seinem Alter, seiner Bildung, seiner Familie, seiner Dienst- und Steuerpflichr, von Gewerbebetrieb und Ber. mögen abhängig machen soll. Die Sache läuft natürlich auf ein verwäsfertes Klassensystem hinaus, der redliche Arbeiter, der für sich allein zu sorgen und verhältniß- mäßig am schwerst'n belastet ist, behält seine einzige Stimme, der Wohlhabende, mit Gütern, Bildung und Kindern Gesegnete kann es mit leichtem Bemühen auf zwei Dutzend Stimmen bringen. Bei dem Hartmanu'scheu ungleichen Wahlrecht würde die Würdigkeit nach PointS bemesseii. Da gießt es zunächst die Altersprämie. Der Jüngling von 21—35 Jahren erhält eine Stimme, der reife Mann von 35-55 bereit 2, und das höhere Älter 3. Dann kommt die Prämie des Kinder - reichthums : Jeder Bürger giebt nicht bloS feine Bahl - stimme für sich, sondern auch für seine Frau und für jedes seiner lebenden Kinder ab. Dann kommt die Prämie für den „Gedienten", denn ihm „darf man mehr staatsbitdende und staatserhaltende Kraft und mehr politisches Berständniß und Opferwilligkeit für das Wohl des Vaterlandes zutraucn, als dem nicht Gedienten." Der Gediente hat also eine Stimme mehr abzugeben als der Nichtgediente, ersterer erhält überdies für jeden mit - gemachten Krieg eine Stimme mehr. Dann kommen die Biwungsvrämien, die Leute mit Freiwilligen-Zeugnissen erhalten 2, Abiturienten 3, Studenten nach der Prüfung sogar 4 Stimmen. Dann kommen die Prämien für die Wohlhabenden und Reichen. Die Unbemittelten erhalten auf Grund ihrer direkten Steuerleistung (für Ein- kommen bis zu Jyl. 1500) keine, der Mittel - stand eine und die Wohlhabenden zwei Exirastimmen. Die Begründung zu diesem Vorschläge ist einfach klassisch: „Abgesehen von dem aus höhere Leistungen gegründeten Anspruch haben die Wohlhabenden auch dadurch das Recht, ihre Stimme mehr beachtet zu sehen, weil sie ein größeres Interesse an der Erhaltung und dem Ge - deihen des Vaterlandes haben, das ihren Wohlstand be - dingt und zu schützen berufen ist." Der Kuriosität wegen nehmen wir von dieser „politischen Philosophie deS Unbewußten" Notiz. Diese Philosoph-e ist um so unbewußter, als dadurch, daß sie in die Wirklichkeit um- gesetzt würbe, schließlich boch bas Gegentheil von bem erreicht werben würbe, was erreicht werden soll. Denn so sehr dies System auch auf die Begünstigung der be - vorzugten Klassen hinausläuft, so würde die ungeheure M- hrzahl der Kinder- und Soldaten - Stimmprämien dabei boch ber Masse zufallen, bas ungleiche Stimmrecht also grabe das Gegentheil von bem herbeisühren, waS der Vertreter deS Pessimismus vermeiden will. Die sozialdemokratische« Laudtagsabgcord- »etc« i« Sachsen haben folgendes Zirkular versandt: „Wie Ihnen nicht unbekannt sein wird, beschloß vor zwei Jahren der äanbtag auf Vorschlag der Re - gierung, die Hälfte des Grundsteuerertrages den Schul- verbänden zu überweisen und liegt dem gegenwärtigen Landtag ein gleicher Antrag für die Jahre 1888 und 1889 vor. UnS liegt nun sehr viel daran, zu wissen, wie in den einzelnen Gemeinden diese Zuweisung ber halben Grunbsteuer verwendet worden ist: a) ob man das Schulgeld verringerte? ober b) die Schulumlagen ermäßigte oder c) wie sonst die Verwendung stattfand. Wir ersuchen Sie uns möglichst bald gewiffenhaft Auskunft zu geben. Namentlich liegt uns auch daran, Auskunft zu erhalten, wie es in den Dörfern mit ber Angelegenheit gehalten würbe. Ferner fragen wir an: ob in Ihrer ober in Ihnen bekannten Gemeinden es üblich ist, daß die Liste der so - genannten böswilligen Steuerrestan'en auf Anordnung der Gemeindebehörde auch in den Restaurationen und Bergniigungslokaliläten öffentlich aus hängt? Bejahenden Falls bitten wir, uns den Namen der Gemeinde und der unterzeichneten Behörde, ferrer die Zahl ber Re- stauten, deren Namen anzugeben sind, mitzutheilen. Kann uns eine Originalliste übersandt werden, so ist uns dies sehr angenehm. Ein dr ttes Anliegen betrifft die Betheiltgung von Vereinen und Verbindungen, welche alS nicht politische Vereine gelten, bei der Agitation zu den Reichs- und Lundtagswahlen. Haben z.' B. Militär- rtfp. Krieger- vereine oder Turnvereine, F uerwetzrvereine, Innungen re. sich offiziell bei der Wahlagitation in Ihrem Wahlkreis betheiligt? Im bejahenden Falle: wie heißen diese Vereine und sind Jynen Ausrufe oder Beschlüsse dieser Vereine hekannt? Nönnen Sie uns Aufrufe ober ber- gle.chen n Origiuui einR-beu, so bitten wir darum. Wir —Sie hie Beantwortung bisf-’v Fragen an einen der unterzenyaeie». ^„zusenden. Wir rechnen auf streng sachliche und wahrheitsgetreue Berichter - stattung. Unterzeichnet ist dieses Zirkular von den 5 Lanb- tagsabgeorbneten Bebel, Geyer, Kaden, Stolle und v. Vollmar." Berlin, den 11. Dezember. Das deutsche Z e n t r a l - K o m i t e für die Weltausstellung in Barcelona hat sich heute Vormittag kovstituirt. Zu Vorsitzenden wurden gewählt: Generaldirektor Richter (Vereiniate Königs- und Laurahütle) und Generalkonsul Eugen Landau, Berlin. Dem Komite gehören außerdem an: Stahl, Direktor des „Volkan" Bredow bei Stettin; Dr. I. Websky, Kommerzienrath, Mitglied des Reichs- tags ; Dietrich, Geheimer Kommerzier.rath, äeilin ; E. Behrens, Mitglied des Aeltesten-Kolleglums, Berlin; Carl Drewsen, Vorsitzender deS Vereins deutscher Pavierfabrikanten, Lachendorf bei Celle; Daniel JeitteleS, Eßlingen; Geir. Körting, Hannover; Kalle u. Ko., Biebrich a. Rhein; Hermann Paffavant, Komweizienrath, Vizepräsident ber Handelskammer, Frankfurt a M.; Carl Weibert, Kommerzienrath, erster Vorsitzender ber Handels- und Gewerbekammer für Ober-Baiern; R. Koch, Direktor ber Deutschen Bank, Berlin; Js. Loewe, in Firma Lubwig Loewe u. Ko., Bertin; Paul Barnewitz, Generaldirektor, Mitglied der Handelskammer für Ober - Schlesien, Neudeck O.-S.; Grunwald, Mitglied der Handels- lammer, Breslau; Ose. Schmitz, König!. Span. G-neral- Konsul, Köln; A. Askenassy, Jngeniör, Frankfurt a. M.; Otto Braunfels, Firma Jacob S. H Stern, Köuigl. Span. Konsul, Frankfurt a. M.; Ose. Gladenbeck, Berlin; Arthur Gwinner, Berlin; Siegm. Leonhard, Köuigl. Span. Konsul, Breslau; Man. Av. Seeger, Königl. Konsul, Leipzig; Herm. Fritsch, in Firma Schimmel u. Ko., Leipzig; C. G. Röder, Leipzig; R. Eisenmann, General-Konsul, Berlin; Karl Kaufmann, Direktor der Berliner Kunstbruck-Verlagsanstatt; S. Gerson, in Firma Gerson u. Weber, Hos-Möbelfabrikant, Stuttgart; P. Schiebmayer, Stuttgart; Rud. MagnuS, in Firma L. Dahlheim u. Ko., Berlin; B. W. Vogt, Vorsitzender des Vereins Berliner Kaufleute und In- bustricller, Berlin; Konrn-erzienrath Lüdecke, Berlin. DaS Komite wird bemnächst burch einen Aufruf zur Bc- schickung ber Ausstellung anregen. v Eine sehr bemerkctiSwcrthc Ansicht über die Sozialdemokratie und über die Nationalliberalen äußert ber freisinnige Reichstagsabgeordnete für Laubarr- Görlitz, Stadtrath a. D. L ü b e r s , in einer Zuschrift an ben „N. Görl. Anz." auf den Versuch ber Görlitzer Natioualliveralen, ihm einen Makel anzuhksten, weil Oie Sozialdemokraten für ihn gestimmt haben. Die Ansicht, welche Jeder aus offenkundigen Thatsacheu heraus auf ihre Berechtigung prüfen kann, lautet wie folgt: „Soweit die Sozialdemokraiie für die politische Gleichberechtigung der Arbeiter mit ben zur Zeit bevorzugten Bevölkerungs - klaffen kämpft, werbe ich sie in diesem Kampfe unter- 1 stützen. Dem demokratischen und dem staatlichen Sozia.