Nr. 20. Dienstag, den 24. Januar 1888. S. Jahrgang. Mmlturger Echo. Da» Hamburger Echo erscheint täglich, außer Montags. — Der AbonnementSpreiS beträgt vierteljährlich im Borans exN. Bringegeld * 3,60. Nr. des PostkatalogS 2505 Bei Anzeigen wird die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 25 4 berechnet. — Anzeigen-Annahme in der Expedition, sowie bei allen Jnseraten-BürcauS' Redaktion und Expedition: Hamburg, Große Theaterstraße 44. — Verantwortlicher Redakteur: Otto Drolten in Hamburg. *^— iii WILL! t.LJ.,1. U- ■""L.L 1 !—! 1 . i. -.1... ■ .11. .1 -HBI »iiimi ,, u.l—i.mi — M her WMWe. Reichstag. Dritte Lesung des Gesetzentwurfs, betr. die Einführung der Gewerbeordnung in Elsaß- Lothringen. Dazu beantragt Henneberg (NL-), den Bundes- rath zu ersuchen, recht bald eine einheitliche Regelung der Dampfkesselgesetzgebur'g für das ganze Reich hcrbei- zusühren Gesetz und Resolution werden angenommen. Es folgt die Fortsetzung der Berathung des Etats des Jnnerm Baumbach (F.) hebt beim Reichsversicherungsamt hervor, daß die Vertrauensmänner der Berufsgenossen - schaften meist solche der Arbeitgeber seien, was nicht zweckentsprechend. Die Thätigkeit des Reichs-Bersiche- rungsamteS sei eine zu langsame, daher auch die Unzu - träglichkeiten mit den Vertretern der Arbeitern. Wann der Gesetzentwurf, betr. die Alters- und Jnvalidenversor- gung komme? Staatssekretär v. Bötticher tritt dem Vorredner entgegen. In Bezug auf die letztere Frage könne er einen genauen Termin nicht angeben. Barth (F.) findet die Verwoltungskosten der Berufsgenossenschaften zu hoch und wünscht, daß die Vorlage, berr. die Altersversorgung, recht bald an's Haus kommen möge. Grillenbcrger (SD.): Die Arbeiter seien in der Unfallversicherung nicht genügend vertreten, und daraus resultiren viele Unzuträglichkeiten. Die ganze Organi- sation sei übrigens eine Arbeitgeber-Organisation. Er werde gegen die Altersversorgung rc. stimmen. Nach einigen Bemerkungen seitens Wobsky (NL.), v. Bötticher und Gamp (RP.) wird der Titel ge^ nehmigt. Die Kommission des Reichstags für den Gesetz - entwurf, betr. den Ausschluß der Oeffentlichkeit bei Gerichtsverhandlungen, nahm den § 175, Ab- sah 1, deS Gerichtsversassungsgesetzes in folgender Fassung an: lieber die Ausschließung der Oeffentlichkcit wird in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt, sofern eine der bei der Verhandlung betheiligten Personen dies be - antragt oder das Gericht die nichtöffentliche Verhandlung für angemessen erachtet. Bei Verkündung des Beschlusses ist anzugeben, ob die Ausschließung aus Gründen der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung und ins - besondere der öffentlichen Gefährdung der Staatssicher - heit erfolgte. Die einmaligen Ausgaben zur Durchführung deS neuen Militärgesetzes sollen nach einer An- dkutung des Kriegsmiuisters einen Zinsaufwand von jährlich 8 Millionen Mark erheischen, was ungefähr einer Kapitalaufwendung von 230 Millionen Mark entsprechen würde. Die Summe wird immer größer. Die zukünftige Wehrkraft des Deutschen Reiches berechnet Major a. D. Hinze in der „Nation" aus 7 Jahrgänge aktive Armee mit 1 059 000 Mann, aus 5 Jahrgänge Landwehr mit 598 000 Mann und aus 7 Jahrgänge geübter Ersatzreserve 1. Klasse mit 96 000 Mann, zusammen 1 753 000 Mann. Hierzu kommen die Jahrgänge 1876 — 1867 mit 993 000 Mann Land - sturm. Zu eigentlich kriegerischer Thätigkeit sind jedoch nur die obigen 1 753 000 Mann verwendbar, zu denen erst unter der Wirkung des neuen Gesetzes hinzutreten: 7 Jahrgänge Landwehr zweites Aufgebot 723 000 Mann, 3 Jahrgänge Landsturm erstes Aufgebot 270 000 Mann. Zu den obigen gerechnet 2 746 000 Mann, welche nach Eintritt der vollen Wirkung des Gesetzes auf den Land - sturm, sich noch mit 3 weiteren Jahrgängen desselben um 218 000 Mann, also auf rund 2 960 000 Mann kriegSsertig Durchgebildeter berechnen. Hinter dieser kriegssertigen Wehrkraft steht nun aber eine noch größere Zahl unausgebildeter Wehrfähiger, welche sich int Herbst 1888 aus den verschiedenen Reirutenkategorieen mit fol - genden Zahlen zusammensetzen dürsten: 10 Jahrgänge 1888—79 Ersatz - reserve 19 Jahrgänge 1888—70 Land - sturm erstes Aufgebot 3 Jahrgänge 1869—67 Land - sturm zweites Aufgebot.... 3 jüngste Jahrgänge 1889—91 Landsturm erstes Aufgebot. 885 000 „ Unausgebildete zusammen .. 3 255 000 Mann, öu denen später noch drei weitere Jahrgänge des Land- sturmes zweites Aufgebot mit 225 000 Mann hinzu- treten würden, so daß die Summe aller unausgebildeten Wehrfähigen aus 3 480 000 Mann angenommen werden kann. Die gesammte Wehrkraft des Deutschen Reiches an Kombattanten würde also bei dem äußersten Aufgebot aller 28 Jahrgänge Wehrpflichtiger und Wehrfähiger nicht weniger als 6 440 000 Mann, exklusive Offiziere, betragen, das sind bei 47 Millionen Einwohnern 13,7 pZt. der Bevölkerung. Die gesammlen Staatsschulden des König - reichs Preußen belaufen sich nach den dem Eiatsent- wurf für 1888/89 beigegebenen Erläuterungen zur Zeit auf 4 425 104 506 Mark; zur Verzinsung dieser Summe sind jährlich 176 148 161 Mark erforderlich. Die baierischc Regierung erachtet, wie der „Fränktsebe Kurier" schreibt, die Expatriirung im neuen Sozialistengesetz für verei'abarlich mit den baieriscken Reservateechten. Sie argumentirt dabei an - scheinend wie folgt: In Art. 4 der Reichsverfassung, wo Heimattzs- und Niederlassungsverhältnisse und Staats- bürgerrecht der Reichsgesetzgebungskompetenz im Ach gemeinen unterstellt sind, mit der Maßgabe, daß die erfteren, nicht aber das letztere, in Baiern der eigenen Gesetzgebung verbleibt, ist eie Reichskompetenz. Bestim - mungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit, wie sie jetzt geplant sind, aufzustellen, statuirt. Da nun nach Art. 14 des baierischen Heimathsgefetzes „die Heimath mit dem Verluste des baierischen Jndigenais verloren geht", so fällt auch für diese Personen das in Art. 13 des baierischen Heimathsgefetzes ihnen als Folge der Heimath gewährleistete „Recht, in dem Gemeindebezirke der Heimath sich auszuhalten", hinweg. Müuchcu, 21. Januar. („Frkf. Ztg.") Gegenüber der Frage, was sagt der V a t i k o n zu dem S o z i a - ltstengesetz? bemerkt der „Baier Kurier", daß die Situation eine andere als Bei dem Septeunat, und daß etne Zustimmung zu dem Gesetz seitens des Zentrums ausgeschlossen sei, die gradezu ein moralischer Selbstmord wäre. Diese Ansicht wird, soweit mir bekannt ist, von den baierischen Zentrums-Abgeordneten getheilt. In Bezug auf die Chance» des Sozialisten - gesetzes schreibt man der „Frkft. Ztg." aus Berlin, daß die Meinung der Führer des Zentrums und der Nationalliberalen im Reichstage dahin gehe: „das Ge - setz wird abgelehnt, abgelehnt unter allen Umständen, auch wenn Fürst Bismarck sich d.rfür in's Zeug legt. Das Höchste, was die Regierung erreichen wird, ist die Verlängerung des bestehenden Gesetzes auf zwei Jahre." Die Hoffnung der „Norddeutschen", daß die ablehnenden Stimmen in der Presse von „Parteimännern" he,rühren und für die „ernsten Politiker" des Parlaments nicht entscheidend seien, sei irrig. Der freisinnige Abgeordnete Barth schreibt in der „Nation", es fei unter den freisinnigen Mitgliedern des Reichstages nicht ein einziger, „der nicht bedauerte, daß das Sozialistengesetz jemals zur Existenz gelangt ist. Das gilt auch für die- jenigen, die seiner Zeit dafür gestimmt haben. Man lernt eben Ausnahmegesetze nur durch die Praxis in ihrer ganzen Verwerflichkeit kennen und es liegt im Wesen jedes auf diskretionären Polizeibefugnissen ausgebauteu Ausnahmegesetzes, daß diese Praxis von Jahr zu Jahr strenger wird. So sehen wir denn auch das Sozialistengesetz am Ende des ersten Dezenniums in einer Realität vor uns stehen, wie sie sich am Anfänge desselben kein Mensch träumen ließ. Die verschärfte Praxis erzeugt dann weiter verschärfte Gesetzesbestimmungen und damit ist die Schraube ohne Ende glücklich hergeftellt." Diese hier niedergelegte Erkenntniß ist dem Herrn vom Freisinn etwas spät gekommen, wenn man an die Maigesetze, und was drum und dran hing, denkt. Gegen die „Schrckkenstribunalc" wendet sich eine Zuschrift des nationalliberalen „Frankfurter Journals" aus richterlichen Kreisen: „Wohl fein Stand hat so sehr Anlaß, gegen den Entwurf des neuen Sozialistengesetzes Protest zu erheben, als der Richter- stand, da ihm dadurch das moralisch Unmögliche nnge- fonnen wird. . . . Denn es sollen nach der Gesetzes - vorlage die Gerichte wegen der geringfügigsten Über - tretung des von der Theilnahme an einer verbotenen Verbindung handelnden Paragraphen unseres Strafgesetz, buchs auf Entziehung der Staatsangehörigkeit erkennen können, ohne daß auch nur erwiesen ist, daß der Ange- klagte die fragliche Agitation geschäftsmäßig betreibt.... Weil es der Polizei nicht gelungen ist, die Hauptschuldi- gen, welche den Vertrieb leiten, zu ermitteln, so will man ohne weiteres Federlesen an dem ersten Besten, welcher im Besitz eines sozialdemokratischen Blattes be - troffen wird, ein Exempel „znm größeren Schreckniß der Umgegend" ftatniren, indem man ihn exilirt und hierzu sollen sich unsere Gerichte als „Schreckenstribunale" hergeben l" Durch die Blätter geht folgende Notiz: Der fast einzig dastehende Fall, daß eines Politischen Ver- gehens angeklagte Personen in Ketten gelegt sind, haben wir aus dem Poscncr Sozialistcnprozcß zu berichten Der Hauptangeklagte Student SlawinSkt und der polnische Reichstagskandidat für Posen, Ja- nischewskl, werden täglich bis in den Sitzungs aal in Ketten geschlossen vorgeführt. Erst auf dem Korridor werden ihnen dieselben abgenommen und bei jeder Pause, 750 000 Mann, 1 368 000 , 252 000 „ sowie bei der Zurückführuug in'S Grfängniß dort wieder angelegt. Der Erstere ist am 7. März v I. in Hast genommen und bereits an diesem Tage in Ketten gelegt Worden. Als Grund dieser ungewöhnlichcn Maßregel wird eine Auskunft bezeichnet, die durch Vermittelung des deutschen Generalkonsuls von dem russischen Staats- anwalt in Warschau ertheilt worden ist, Inhalts deren der Angeklagte S. im ZJahre 1884 in die Nihilisten- affäre des Friedensrichters Bardowski verwickelt war, bei welcher ein mit ihm zusammen wahnhafter Mann zur Erlangung seiner Freiheit auf einen Polizeibeamten einen Schuß abgefeuert hat. — Janischemski ist im April v. I. wegen Verbreitung einer zum Klaffenkampf aufreizenden Broschüre zu zwei Jahren und einer Woche Gefängniß verurtheilt und sofort verhaftet worden. Auch ihm wurden hierbei Ketten angelegt, weil im Jahre 1882, als er mit dem jetzt in Paris befindlichen Student Miendelsohn zusammen in Untersuchungshaft war, nach Ueberführung des Letzteren in die 'Strafanstalt bei Plötzensee die eisernen Traillen seiner Zelle durchgefeilt gefunden worden waren. Die Kelten trägt Janifchewski bis zum heutigen Tage, da die von ihm hiergegen er- hobenen Beschwerden zurückgewiesen worden sind." Mannheim, 21. Januar. Die heute erfchiemn» Nr. 3 der „Pfälzischen freien Presse" wurde auf Grund des § 11 des Sozialistengesetzes vom Bezirksamte in Ludwigshafen mit Beschlag Belegt Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „Dem Ver- nehmen nach sind außer der auf das Jnnungswescn bezüglichen Frage den Gewerbekammern der östlichen Provinzen folgende Fragen zur Beant- Wortung zugestellt worden: Welche Erfahrungen sind bezüglich des H a u s i r- handelS gemacht und ist danach das Bedürfniß zu einer weiteren Beschränkung desselben anzuerkeunen? — Welche Maßnahmen würden bejahenden Falls hierfür in Aussicht zu nehmen sein? Empfiehlt sich die Einführung einer B r o t t a x e nach der Richtung, daß die Backer ihr Brot nach festem Gewicht verkaufen müssen? Empfiehlt sich eine Einschränkung der ösfentlichenLustbarkeiten und durch ivelche Mittel? Ist eine stärkere Heranziehung der Großindustrie zu den Kommun allasten insbesondere zu den Wegebaulasten, gerechtfertigt? Eine Reihe weiterer Fragen betrifft vorwiegend landwirthschaftliche Interessen, indem sich dieselben auf das Verfahren bei den Preisiiotirungen auf bin Ge- treibe- und Biehniärkten, auf die Kreditverhältnisse beim landwirthschaftlichen Grundbesitz, die Hebung der Obst- fultur, die Abdeckerei - Berhälrnisse, die Schutzmaßregeln gegen die Verbreitung der Viehseuchen, die Verbesserung der Pferdezucht, die Ausnahme von Abwässern aus Fa - briken und gewerblichen Anlagen in Privatflüsse und anderes erstrecken. Der Werkmeister-Verein z» Herford in West- falen hat an den Reichstag eine Eingabe gerichtet, in welcher gefordert wird, daß die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches Über die Handlungsgehülfen a ch bei der Bemtheilung der Rechtsverbältiiisse der in Fabriken angestellten Werkmeister und der technischen Beamten zur 5"w-ndung kommen Der konservative Abgeordnete von Kleist-Retzow hat die Vertretung der Eingabe im Reichstage übernommen. ... Wen Su$te«Bend)te der Handelskammer 11 c t Preise Mühlhausen, Worbis und Heiligenstadt «nd Zigarren-Jndustric im dortigen Bezirke während des Jahres 1886 sehr geringe (Ertrag- ufle abgeworfen. Das ungünstige Ecgebniß wird, aBg'c- eben von der Zunabme der Konkurrenz, dem hohen r rc *] e „ ^s Sumatra-Tabaks zugeschrieben, welcher bei Herstellung der Deckblätter fast ausschließlich zur Ver- vendung kommt. Die amerikanischen Händler, welche eit einigen Jahren große Quantitäten dieses Tabaks kaufen, vermögen bei den in Amerika herrschenden Absatzverhältnissen höhere Preise als die deutschen Fabrikanten zu zahlen. Auf billige Beschaffung von Sumatra-Tabak, sowie von Decktabak überhaupt tst daher nach dem Berichte zur Zeit wenig Aussicht vorhanden. Die Handelskammer macht in Folge dessen daraus aufmerksam, daß eS für Deutschland von unermeßlichem Nutzen sein würde, wenn es gelänge, in den deutsch-afrikanischen Schutzgebieten einen guten, leichten, dem holländischen ähnlichen Decktabak zu er - zeugen. So viel uns bekannt ist (bemerken hierzu die offiziösen „Berk. Pol. Nachr.') haben die Versuche des Tabakbaues in Ostafrika und in Kamerun insofern be - reits günstige Resultate ergeben, als feftgestellt ist, daß verschiedene daselbst bezogene Tabaksorten dem Sumatra - tabak an Güte gleichstehen. Aehnliche Aussichten bieten ich auch in Neu-Guinea, wo die Bodenverhältnisse und die klimatischen Bedingungen denen von Sumatra ähn - lich sind. Die osfiziöse Notiz fügt hinzu: „Es wäre daher gewiß - a : wünschen, wenn deutscher Unterneh-