6 Jahrgang. Das „Hamburger Echo" erscheint täglich, außer Montags. Der Jlboiinementspreis (iiifl. „Die Neue Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. des Post, katalogs 2761) ohne Bringegkld vierteljährl.Kl.4,20; durch die Kolportöre wöchentl. 36 frei in's Haus. Verantivortlicher Redaktör: Emil Fischer in Hamburg. Mittwoch, den 13 Juli 1893. Auz ei gen werden die fünsgespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 30 4, für den Slrbeitsmarkt, Vcriuicthnugs- und Familicnauzcigeu mit 20 4 berechnet. Auzcigeu-Aunahme in der Expedition (bis 6 Uhr Abds.), sowie in sämmtl. Annoncen-BüreanS Redaktion und Expedition: Grohe Theatcrstraßc 44 in Hamburg. Hierzu eine Beilage. Hüben wie drüben. * Die bescheidenen Sympathicen, welche die Träger des „neuen Kurses" durch ihr gentlemännisches Auf - treten gegen den zornwüthigen Exkanzler auch bei uns erregt haben, sind bedeutend abgekühlt worden durch zwei bundesräthliche Beschlüsse, womit dieser gesetz- gebeude Körper — der, wie es scheint, die Reminis - zenzen au den seligen Bundestag nicht einschlafen lasten will — seine Session als Schlußopus gekrönt hat. Der schon x-mal vom Reichstag gefaßte Beschluß, den Reichs- boteu Diäten zu bewilligen, wurde vom Buudesrath wieder eiuiual abgelehut, und die Reform der M il i t är- strasgerichtsordnung wurde in einer Weise be - schlossen, die eine Satire aus die Bezeichnung Reform ist. Die Llblehuuug der Diäten trägt das kapitalisten - staatliche Stigma deutlich an der Stirn, sie ist nichts als eine Repressalie gegen die Arbeiterklasse. Die verbündeten Regierungen beweisen damit, daß sie den Staat als ein Institut auffassen, in dem die be° sitzende Klasse tonangebend sein, die prodnzirende Klasse dagegen, die Arbeiter, von der Theilnahme an der Gesetz - gebung möglichst ausgeschlossen bleiben sollen, und liefern abermals einen greifbaren Beleg für die sozialdenio- kratische Lehre, daß der „Staat" nichts ist als der Pro - kurist der besitzenden, ansbentenden Klassen. Die Arbeiter sollen von den Besitzenden bevormundet werden. Das wollen nun freilich auch die Reichstagsmit - glieder sämmtlicher bürgerlicher Parteien. Wenn die - selben gleichwohl zum großen Theil für Diäten gestimmt haben, so mögen die Einen ihr Votum in der Hoffnung abgegeben haben, daß der Reichstagsbeschluß ja doch nur ein platonischer sein wird, bei Anderen wird das peku - niäre Parteiinteresse überwogen haben, und Andere er - blicken in der Verweigerung von Diäten keinen Riegel gegen das vermehrte Eindringen des sozialdemokratischen Elements. Es darf wohl angenommen werden, daß die ver - bündeten Regierungen den Reichstag nicht vor den Kopf gestoßen hätten, wüßten sie sich nicht in Uebereinstimmung mit der Klasse der Großkapitalisten, welcher das allge - meine Wahlrecht ein Dorn int Auge ist und die in der Diätculosigkcit das „unentbehrliche Gegengewicht" erblickt. Die Rädelsführerin der Möchtegern-Umstürzler des allge - meinen Wahlrechts, die „Kölnische Zeitung", hat dem Be- chluß eine frohlockende Belobigung ertheilt und die Antrag - steller moralisch abgekanzelt, weil sie dem Reich diese finanzielle Last aufhalsen wollten. Wie vortrefflich dem Organ der Schienenflicker und Verwilliger der exorbitan - testen Militärforderungen diese moralische Entrüstung zu Gesicht steht I Wenn der Reichstag „hinten wäre wie er vorne sein sollte", so würde er so lange Repressalien üben gegen Regierungsvorlagen, bis der Bnndesrath mürbe geworben- Daran ist natürlich nicht zu denken. Das Proletariat aber, das auch ohne Diäten 36 Abgeordnete in den Reichstag geschickt hat, wird den Herren am grünen Tisch — die sich ihre Dienste des Staates ja sehr gut bezahlen lassen — bei den nächsten Wahlen den Beweis liefern, daß das „Gegengewicht" federleicht emporschnellt vor der Wucht der sozialdemokratischen Propaganda. Haben wir mit den vorigen Wahlen den Bismarck ge - worfen und sein Schandgesetz, so werden wir mit der nächsten Wahl dem System Bismarck — das der „neue Kurs" so liebevoll hätschelt, während er den Urheber selbst als das kennen gelernt hat Und kennen lehrt, wofür wir ihn von jeher verzollt haben — den Lebensnerv durchschneiden. Mau kann es wirklich den freilich von Tag zu Tag zusammeuschmelzenden Anhängern des Exhansmeiers nicht verargen, wenn sie sich über die ihrem Heros applizirten Maulschellen erbosen, während man doch fein „Werk" so zärtlich behütet und in seinem System fort - wurstelt. Mehr als durch alle im „Reichsauzeiger" ver- öffentlichteit Erlasse würde der rebellische Abgesägte uiedergeschmettert werden, wenn man sich oben endlich entschließen würde, das Staatsschiff in einen wahrhaft volksthümlichen Kurs zu lenken. Man bemüht sich offiziell und offiziös, das monar - chische Prinzip, den Cäsarismns, als ein Glück für das deutsche Volk hinzustelleii, angeblich als „Gegengewicht" gegen die Uebermacht des Kapitals. Diese Flause wird durch nichts besser Lügen gestraft, als durch den Mili - tarismus und speziell auch den buudesräthlicheu Beschluß betreffs Militärstrafgerichtsorduuug, worin sich ja das „monarchische Prinzip" besonders scharf ansprägt I — Um uns indessen vor Schwärinerei für Bourgeois- Republikcu zu bewahre», dafür sorge» diese selbst hiu, länglich. Die Ausführungen unseres Mitarbeiters in unserer Nr. 158 über die bürgerliche Freiheit der Ameri - kaner haben rasch eine traurige Illustration erfahren durch die Vorgänge in Pittsburg. Diese große Stadt im Mississippibecken ist das Birmingham von Amerika, die Stadt der Maschinen, der Kohle und des Eisens; sie liegt im Zentrum der großen Kohlenregion Amerikas und ist wohl die industriereichste Stadt dieses Welttheils. Ueberall vernimmt mau das Pusten und Stöhnen der Danipfmaschiuen, den Klang von Hammer und Ambos, den dumpfen Schlag des Dampfhammers. Wenn mau des Nachts die Stadt verläßt, geben Einem Myriaden von Fenergarben das Geleite, die aus den Schloten der Schmelzwerke und Erzgießereien hervorlohen und hoch in die Rauchwolken emporschießen. Amerikanisch großartig; aber ebenso kleinartig wie bei uns, ausbeuterisch, beutegierig und gewaltthälig ist der Kapitalisntus jenseits des großen Wassers. Und wenn hüben in Arbeiterbewegungen gewisse Staats - behörden sich einseitig ans Seiten des Kapitals stellen und Militär und Polizei gegen Streikende marschiren lassen, Soldaten in Staatsdruckereieu kommandiren u. s. w., so unterhält drüben das Kapital seine Privatpolizei und Privatmilitär. Die berüchtigten Piukerton'schen De - tektivs sind die L a n z k n e ch t e der m o d e r n e n kapitalistischen Raubritter der Union, „Ordnungs"banditen, die gegen eine Löhnung von zwei Dollars täglich sich dem Kapital zur Verfügung 1 stellen und Arbeiter, die ihnen niemals etwas zu Leide gethan, tobt oder zu Krüppeln schießen, grade so wie das Militär, nur daß diesem die bigott-cäsaristisch- patriotische Phrase „Mit Gott für König und Vaterland" vorgeleiert wird, wogegen der Pinkerton'sche Lanzknechi für den almighty dollar schießt und haut. Von her Weltbnhne. Jede Aufklärung über die Arbeitervcrhält- nisse ist dem Unternehmerthum ein Dorn im Auge. Ihre Parole ist: Im Dunkeln ist gut munkeln. So lauge nicht offizielle Mittheiluugen darüber vorliegen, leugnen die Herren mit einer unübertrefflichen Unver - frorenheit die schändlichsten Mißstände. Mit Händen und Füßen wehren sie sich, daß authentisch Licht über diese Dinge verbreitet werde. So schreibt die „Deutsche V-ckksw. Korrespondenz" zu den beabsichtigten Erhebnugen im Buchdruckergewerbc: „Daß der Herr Minister für Handel und Gewerbe zum Gaudium des sozialdemokratischen „Correspondeuteu" dem verunglückten Buchdruckerstreik nachträglich noch zu einer Art von „Erfolg" verhilft, indem er ihn zum Slus- gaugspunkt eines Erlasses nimmt, muß doch eiuiger- maßen Wunder nehmen. Wenn der Herr Minister die Gesundheitsverhältnisse der Buchdrucker verbessern will, so ist das gewiß eine sehr lobenswerthe Absicht — ganz abgesehen davon, ob denn in den Druckereien derartige Zustände obwalten, die ein solches Einschreiten zur Pflicht machten. In Berlin haben bereits Untersuchungen in dieser Richtung stattgefunden, die unseres Wissens ein durchaus negatives Resultat ergeben haben; ob aber dem Frieden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer damit gedient ist, wenn man an nebensächlich bei Streiks vor - gebrachte Behauptungen Ministerialerlasse knüpft, möchte wohl zu bezweifeln erlaubt sein. Aber auch nach anderer Richtung hin muß dieser Erlaß Bedenken erregen. Im Reiche haben Reichsregierung und Reichstag soeben eine besondere Kommission für Arbeiterstatistik eingesetzt, weil man empfunden hatte, daß Maßregeln aus dem Gebiete der Arbeitergesetzgebuug besser vorbereitet werden müßten, als es bisher geschehen. Diese Kommission dürfte als eine Art Friedeuspfand bezeichnet werde» dafür, daß auf diesem Gebiete küuftig die Dinge erst g r ü n d l i ch unter - sucht werden sollten, bevor man Bestimmung über sie trifft. Der Erlaß des Herrn preußischen Ministers für f anbei und Gewerbe greift doch aber unmittelbar in die ompeteiiz der Konunission für Arbeiterstatistik hinein; wozu war die letztere nöthig, tuen» man doch wieder auf durch die fliegierungspräsideuten vorzunehntende Krankenkassen-Ermittlungen hin derartige Dinge einleiten wollte? Untersucht man rcichsstatistisch die Verhältnisse der Bäcker betreffs ganz derselben Gesichtspunkte, wes- halb nicht auch die der Buchdrucker, falls man eine gründliche und sorgfältige/Untersüchung will?" Die „Gründlichkeit", welche den Herren angeblich so sehr am Herzen liegt, muß nur den Vorwand abgeben für eine Verzögerung, bezw. Hiutauhaltung der Unter - suchungen. Jede Galgeusrist ist unseren Profitjägern er- ivünscht. Daß die Herren die statistische Reichskommis - sion als Deckung vorschieben, ist bezeichnend; es zeigt, welche Aufgabe das kapitalistische Uuteruehmerthum der Konunissiou zugedacht hat: ein Hemmschnh für die Fest- stellung der Thatsacheu auf dem Gebiet der Arbeits- Verhältnisse zu sein. Exkanzlcrischc Ansichten von einst. Gegen - über dem Abgeordneten Waldeck sagte der damals freilich noch nicht als „Säknlarmensch" verrufene Ex- kanzler bei der Berathnng der Vorlage über die Koste» des schleswig-holsteinischen Krieges in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. Juni 1865: „Sie können sich darüber nicht täuschen, ans dem Gebiet der auswärtigen Politik am allerweuigsten, daß Sie die vom König eingesetzte Regierung von der Politik Preußens im Auslände nicht zu trennen vermögen. Sie haben weder die Macht noch das Recht dazu. E s gießt keine andere preußische Politik thatsächlich, als diejenige, ivelche die vom König eingesetzte Regierung be - treibt. Bekämpfen Sie diese Politik, so bekämpfen Sie die Politik Ihres eigenen Vater - landes im Bunde mit dem dem Vaterlande gegen- überstehende» Auslande." Das hindert den Abgedaukteii heute nicht, die Politik der vom König eingesetzten Regiernug und damit seine eigenen Ansichten von ehemals zu bekämpsen. „Große" Männer haben das Recht, ihre Meinungen zu wechseln, wie gewöhnliche Sterbliche das Hemd. Für die Mensch - heit ein recht lehrreiches Kapitel/ Der Exhcros wird in seinen Ansprüchen an den Beifall der Zeitgenossen immer bescheidener. Wie die „Hamb. Nachr." vor einigen Tagen triuniphirend der Welt verkündeten, ivollten sich die Verehrer des Exge - waltigen „aus ganz Württemberg" am letzten Sonntag von der Sonne Seiner Gnade bescheinen lassen. Und richtig kamen „ans ganz Württemberg", hauptsächlich aber aus Stuttgart, Heilbrouu und Ulm, 600 Mäuuleiu und Weiblein in nationalliberalcr Gesiiiuungstüchtigkeit nach Kissingen. Der Schwabenstreich nahm seine» vro- grammmäßigen Verlauf. Mit der dem „großen Real - politiker" eigenen Findigkeit „konstatirte" der Herzog in seiner auf die Hochrufe replizireuden Aussprache, es freue ihn, zu sehen, daß die „Mehrheit seiner Lands - leute" (600 Schwaben und Schwäbinnen gegen 49 Millionen Deutsche) mit den „Angriffen auf ihn" nicht einverstanden sei. Dann redete er »och Einiges von der Erhaltung des Friedens, die auch uaeh Osten hin inöglich fei, „wenn die Diplomatie geschickt sei". Geschickt ist natürlich nur die B i s m a r ck' s ch e Diplomatie. Die Selbstbeweihräucherung scheint dem „großen" Mann nun einmal zur Lebeusansgabe geworden zu sein. Wie wird das den biederen Schwaben imponirt haben, sich als die „Mehrheit der Landslente" bezeichnen zu hören. BiSmarrk tobtnrgcrn zu wolle», soll nach den „Hamb. Nachr." die Absicht der Bismarckfeinde sein. Man höre: „In der d e in o k r a t i s ch - f o z i a l i st i s ch e n Presse — aber freilich nur vorwiegend, nicht aus - schließlich in dieser — feiert zur Zeit der alte Haß gegen den Fürsten Bismarck wahre Orgien geifernder Wnth, die sich hauptsächlich gegen die Person des früheren Reichskanzlers richtet. Es ist hierbei vielleicht die instinktive Fnreht wirksam, daß ihr das Rezept (soll wohl Konzept heißen? R. d. „©."), das sie jetzt zur Verfügung zu haben glaubt, von Seiten des Fürsten doch noch ver - dorben werden könnte. Die Beschimpfungen und Ver- leuntbungen, die gegen bie Person des ersten Kanzlers in der genannten Presse gerichtet werden, sind selbst für das Talent des Herrn Eugen Richter unerreichbar, und das will viel sagen. Andererseits ist uns die Sucht einzelner Blätter aufgefallen, dem Fürste» Bismarck die heitere Gemüthsverfassung, von der wir gesprochen habe», abzustreiten und dafür eine krankhafte Reizung seines G a l l c n o r g a n s zu behaupten. Wenn sich fein neuer Blind oder Kullmann mobil machen läßt, so soll wenigstens d ii r ch V e r d e r b e u d e r K i s s i >i g e r Kur ii a ch t h e i l i g auf die Gesundheit des F ü r ft e 11 eingewirkt werden. So ungefähr ist der Eindruck, den diese Zornesausbrüche machen. Wir müsse diese Hoffnung zu Schanden machen; der Fürst befindet sich vollkommen guter Laune. Wenn es nicht gelingt, einen neuen Blind oder Kullmann auf ihn los- zulaffeu, so wird der Zweck, ihn durch Aerger um's Leben ober um das ihm verbliebene Maß von Gesundheit zu Bringen, noch lange nicht erreicht werden." Das ist wahrhaftig mehr zum Todtlachen als zum Todtärgern. Wer wünscht denn den Tod Jemandes, der sich ihm so äußerst nützlich erweist? Der alte Reichs - nörgler leistet der demokratisch gesinnten Menschheit in seiner neuesten Position entschieden bessere Dienste, als da er noch im Besitze der Macht war, indem er das Volk von der blinden Verehrung „großer" Männer zu heilen sich bemüht. Wir können deshalb nur wünschen, daß er noch recht lange in bisheriger Weise fortfahren möge. Manchen Nationalliberalen mag freilich bei dem neuesten Thun seines „Heros" schon der Gedanke beschlichen haben: Wenn er nur tobt wäre, anstatt sich seinen „Nnhnieskranz" systematisch selbst zu zerpflücken. Wir fühlen uns von solchen Anwanblungen vollständig frei und wünsche» dem Exgewaltigen, wie wir schon vor mehreren Jahren bemerkten, eventuell ein längeres Leben, als er sich selbst wünscht. Die Bergarbeiter haben unter dem Drucke kapi - talistischer Geschäftspraktiken ganz besonders zu leiden; private Grubenbesitzer und staatliche Bergwerksver - waltungen ziehen ziemlich am gleichen Strange, wo es gilt, den Antheil der Arbeiter am Produktioiisertrage möglichst niedrig zu halten. Im Saarrevier, wo der Fiskus als Grubenherr herrscht, mehren sich, wie die „Frkf. Ztg." berichtet, die amtlichen Mittheiluugen, welche eine Herabsetzung der Bergarbeiter -Löhne in Aussicht stellen. Auch in Ensdorf (Berginspektion I) wurde den dieser Tage versammelt geweseneu Gruben- Ansschußmitgliedeni vom Bergrath Wenke eine solche angekündigt. Ferner hat Freiherr von Stumm als Mit - glied des Neunkirchener Gemeinderaths in dessen letzter Sitzung von der Möglichkeit einer Herabsetzung der Löhne gesprochen, wen» der Rückgang der Absatzverhältnisse der Gruben fortschreite. Mit dem Staat als Unternehmer ist nicht zu spaßen, weil — der Kapitalismus, dem er tributpflichtig ist, nicht mit sich spaßen läßt. — Im rheinisch- westfälischen Kohlenbergbau scheint man dagegen größere Arbeiterent- laffungen zu planen. Das Organ der Berg- werksbesitzer, der „Glückauf", forbert hierzu un - umwunden in scharfer Sprache auf. Ankuüpfend au die Mittheilung, daß die Leistung der Berg - leute (pro Kopf der Gesammt-Belegschast im Ober-Berg- amtsbezirk Dortmund) im 1. Quartale 1892 erheblich niedriger gewesen ist, als vorher (61,8 Tonnen, gegen 76,7 Tonnen int entsprechenden Quartale 1889 und 67,1 Tonnen im 4. Quartale 1891) führt dieses Blatt aus: „Die vorhandene Arbeiterzahl steht tu gar keinem Verhältnisse zur Förderung, und es ist unbedingte Pflicht der Grubenverwaltungen, die erstere ganz energisch zu reduziren. Sie können es mit gutem Gewissen thnn, denn sie sind nicht schuld daran, daß dieselbe so über Ge- bühr gestiegen ist. Thun sie das nicht, dann tragen sie selber die Verantwortung, wenn die Rentabilität der Bergwerke binnen Kurzem in noch ungünstigere Bahnen kommt, wie sie früher war." Interessant ist die Aenße- rung „Sie könne» es mit gutem Gewissen thun, denn sie sind nicht schuld daran, daß dieselbe (also die Zahl der Arbeiter) so über bie Gebühr gestiegen ist." Ja, wer hat benn bie Pente in so großer Zahl eingestellt? Doch nur die Grubenverwaltniigen. Wie die „Ordnmigsmänner" das Gesetz ver - höhne», zeigt folgender Vorgang in Spandan: Der Zigarrenhändler Max Merker besitzt daselbst ein Hauptverkaufsgeschäft und drei Filiale». Am vorigen Sonntag hielt er die Geschäfte, de» Bestimmungen ent - sprechend, geschlossen. In der Woche äußerte er, am nächsten Sonntag werde er sein Geschäft nach wie vor betreiben, er werde es einmal darauf ankommen lasten. Und er hielt Wort. Am zweiten Sonntag waren alle vier Läden vom Morgen bis zum späten Abend offen, und die Kunden, bie in großer Zahl zuströmten, weil alle anbereu Geschäfte geschlossen waren, gingen ein unb aus. Der Verkauf würbe offen betrieben. Sämmtliche andere Geschäftsleute der Stadt, die bas Gesetz befolgten, sinb empört über ben Vorgang. Der Gesetzesverächter ist ein eifriger Anhänger der söge- nannten staatseihaltenben Partei (konservativ) unb Antisemit von reinstem Wasser. Hoffentlich werben bie kompetenten Behörben es nicht an der nöthigeii Energie fehlen lassen, um dem zum Schutz der Arbeiter erlassenen Gesetz gegenüber diesem Gesetzeshöhuer Achtung zu ver - schaffen. Und das hat mit feinem Reife», der Reife - kanzler gethan. In Wie n sind wegen der demonstra - tiven Exzesse und Widersetzlichkeit gegen die Polizei bei Ankunft Bismarcks von der Behörde 16 deutsch- nationale und antisemitische Studenten - verbindungen der Wiener Universität, welche Schöncrers Anhang unter der Studentenschaft bilde», vo» der Behörde aufgelöst worden. Wien, 11. Juli. Im Abgeordnetenhause begann heute die allgemeine Berathnng über die Wührungsregelung. Vierzehn Abgeordnete hatte» sich gegen und zwölf für die Vorlage zum Wort gemeldet. Der erste Redner, Abgeordneter Erin (Jung - tscheche), erklärte, die Währungsregeluiig sei als eine Folge der Dreibniidpolitik anzuseheu. Die unter deutsch- magyarischer Flagge segelnde Orientpolitik der Regierung werde ein End: mit Schrecken nehmen. Bei aller Aner - kennung der Lauterkeit der Gesiuiinng unb bes guten Willens bes Finanzministers müsse er bie Vorlage ans allen Gesichtspunkten entschiebeii ablehnen. Es sprachen bann noch Schlesinger gegen, Treuinfels, Baerenreiter unb Jawarski für bie Annahme der Vorlage; Letzterer im Namen bes Polenklubs. Die Regierung brachte int Herrenhause einen Gesetzentwurf ein, betreffend das Urheberrecht au Werken der Literatur, Kunst und Photographie. Pest, 11. Juli. Im Abge ordnet en Hanse erklärte bei der Berathnng über die Valuta-Vorlagen der Finanzminister Weckerle, hinsichtlich der Relation seien alle berechtigten Ansprüche in wohlwollendster Weise berücksichtigt worden. Eine künstliche Beein - flussung des Goldagios habe nicht ftattgcfiuiben. Seit Oktober vorige» Jahres wären seitens der ungarischen Regierung keine Goldkünfe vorgenommen. Der Minister widerlegte ferner das Gerücht, als ob die Goldkäufe nur zum Zweck der Beschaffung eines Kriegsschatzes veran - staltet werden sollten und fieilte die Regelung der Bank - frage in Verbindung mit, obligatorischer Rechnung in Kronengold, sowie bie endgültige Feststellung des Silber- kourauts in nächste Aussicht. Das Resultat der englische» Wahlen stellt sich mit Abschluß des Montag auf: 195 Konservative, 31 Unionisten, 168 Gladstoiieaiier, 5 Parnelliten und 30 Antiparnelliten. Die Konservativen gewannen 13/ bie Unionisten 7 und die Gladstoneaner 50 Sitze. Die von den Gladstoneanern erhofften Fortschritte kommen sehr langsain/ Eine große Versammlnng der Arbeiter - partei fand am Montag Abend in Brüssel zu Gunsten bes allgemeinen Stimm rechts statt. Die Redner erklärten, falls die konstituirenden Kammern das allgemeine Stimmrecht nicht aiinehmen sollten, werde der Geueral-Streik erklärt werden. Nach Schluß des Meetings durchzog, wie her Telegraph meldet, ein Trupp von za. 1000 Sozialisten unter Abstngung der Mar - seillaise die Straßen. Die Sicherheitsmannschasteu waren in beträchtlicher Stärke zur Stelle. Ein Zwischenfall ist, soweit bekannt, nicht vorgekommen. Die französische Deputirtenkannner stand am Montag vollständig unter dem Eindruck der Hiobs - botschaften aus den Kolonieen und der Ausgang der Ver - handlungen über eine Interpellation, betreffend die Vor - gänge in Dahomeh, ist wenigstens eine partielle M i n i st e r k r i s i s, die eventuell auch zu einer allge - meinen werden kann. Pourguörh befragte nämlich die Regierung über die Verwendung der drei Millionen, welche die Kamiuer für die Expedition in Dahomeh bewilligt hat. Man habe in unbegreiflicher Langsamkeit gehandelt und Behanzin Zeit gewährt, sich zu verproviantiren und zu verstärkeii. Dieser Tage habe er die Franzosen ange - griffen und zum Rückzüge gezwungen. Der Redner wünscht Auskunft darüber, warum von 1000 Freiwilligen, die sich gemeldet hätten, nur 124 eingeschifft, und warum die Freuideulegion nicht herangezogen worden und wem in Dahomeh das Kommando antiertraut fei ? Der Mariueminister Cavaiguac führte ans, nach der Be - willigung des Kredits von drei Millionen habe bie 8ie- giernng sich beeilt, ben Truppeubestand in Dahomeh von 500 auf 2000 Mann zu bringen. Oberst Dobbs habe aus ben senegalesischen Stämmen Freiwillige ausgehoben, woburch man die Zahl ber europäische» Soldaten habe beschränken können. Die Verhängung der Blokade habe bis zum 18. Juni verschoben werden müssen, weil man, um sie durchzusühren, auch einer entsprechenden Macht zu Lande bedurft habe. P o u r q u e r y findet die Er - klärung des Ministers nicht befriedigend, vor Allem sei keine Einheitlichkeit im Oberbefehl vorhanden. Minister Cavaignac erwidert, bis Ende Juli werde Frank - reich in Dahomeh über 2000 Mann verfügen, ohne die Fremdeulegion in Anspruch nehmen zu müssen. Die Eiiiheitlichkeit des Oberbefehls liege in der Hand des Ministers. Provost de Launay meint, die Unterscheidung in einen Oberbefehl über die Landtruppe» und einen solchen über die Marilietruppe» sei tierhängnißvoll. Cleineneeau unb Anbere er - heben gleichfalls Einspruch dagegen, daß die Flotte dem Oberbefehl des Obersten Dodds entzogen werde, Clemen - ceau insbesondere sieht darin den immer noch wirkenden Einfluß der Büreaus des Marinemiuisteriums. Minister Cavaiguac erklärt, er stehe nicht unter dem Einfluß der Büreaus, die Maßregel sei getroffen, weil es bedenk - lich sei, die Flotte unter Offiziere der Saubarmec zu stellen. Auf einen Einwurf Clemeuceaus, der au den Fall Fournier erinnert (Fournier hatte sich in Folge einer Weisung des Mariueuiinisteriunis geweigert, den bedrängten Landtrilppen zu Hülfe zu kommen), erwidert der Minister, Fournier sei vollständig in seinem Recht gewesen. Clc 'teilten u betont nochinals, daß eine militärische fifion nur einen Oberbefehlshaber haben dürfe. Ponrqusry beantragt folgende Tages - ordnung : „Die Kanimer beschließt, die Regierung auszu- fordern, die Bewegungen der Laud- und Marinetruppen der Leitung eines Befehlshabers zu unterstellen." Die Kammer erkennt dieser Tagesordnung das Vorrecht bei ber Abstimmung zu. Ministerpräsident L o.n bet will spreche», der Kammerpräsident F l o q u e t fordert jedoch Ruhe unb erklärt, es müsse zuerst über bie Tagesord- niiitg Pourqitiry abgestimmt werben. Diese Tagesord - nung wird alsdann mit 287 gegen 150 Stimmen ange - nommen. Dieses Ergebniß, bas einem Tabel des M a r i n e m i n i ste r s gleichkommt, veranlaßt große Erregung. -- Nachbem der Kredit von 200 000 Franks für bie Jahrhunbert-Feier ber Erklärung ber Republik mit 352 gegen 41 Stimmen bewilligt ist, vertagt bas Hans sich auf morgen. Sofort nach der Genehmigung des TadelSautrages gegen ben Minister Cavaignac. traten bie Minister noch int Palais Bonrbon zu einer Berathnng zufammen und beschlossen auf den Antrag bes Ministerpräsideitten Loubet, beut Präsidenten der Republik ihre Euk - las s u n g s g e s u ch e e i ii z u r e i ch e n. Als der Ministerpräsident Lonbet die Kammer ver - ließ, begab er sich tu ben Senat. Hier ersuchten ihn ebenso, wie das von Depulirten geschehe» war, auch die Mitglieder des Senats, sich nicht znrückznziehen. Ins - besondere wurde ihm,vorgestellt, baß es von dem größten Interesse für die republikanische Partei sei, am Vorabend ber Wahlen zu den Geueralräthen nicht noch eine Krisis zu schaffen. Der Präsident Caruot, den Loubet im Elysee traf, sprach sich in bemselben Sinne aus. Der S e n a t genehmigte ohne Debatte bie für bie Marine geforberteu Suppleinentärkrebitc von 39 Mill. Neber die Choleragefahr unb Abwehrmaßregeln liegen folgettbe Melbungen vor: Triest, 11. Juli. Ein nach Sesana entsandter Bezirksarzt hat festgestellt, daß die Zeitungsmeldungen wegen angeblicher in dortiger Gegend vorgekommener Erkrankungen an Cholera nostras jeder Begründung ent - behren. Paris, 11. Juli. Gestern und heute kauten hier 8 Erkrankuiigen, aber kein Todesfall au Cholerine zur Anzeige In Bannwyl kamen gleichfalls mehrere Cholerine-Fälle, darunter einer mit tödtlichem Ausgang, vor. Die Nachlicht von einer schweren Erkrankung Pasteurs wird von seinen Angehörigen beinentirt. Er leide nur an den Folgen seiner letzten Uitpäßlichkeit. Bukarest, 11. Juli. Die Regierung hat an - läßlich ber broheuben Choleraepibemie umfassende Maß- regeln getroffen, namentlich für die Herkünste aus dem Schwarzen Meere, wobei u A. die Hafen von Köstendsche und Mangalia in Betracht komme». Für Herkiiiifte aus andere» Häfen wird znm Theil ärztliche Unterstichuiig, zum Theil eilte clfftünbige Quarantäne angeordnet. Sofia, 11. Juli. Der Sanitätsroth hat die strengsten Vorsichtsmaßregeln gegen das Eindringen der Cholera angeordnet. Alle bulgarischen Häfen des Schwarzen Meeres, ausgenommen Varna und Burgas, sind für Provenienzen aus bett russischen Häfen des Asow'schen Meeres, sowie 'für solche ans ben türkischen Häfen von Trebisonde bis Saturn verschlossen. Pro- venienzeu aus allen Häfen ber Donau und dein rumäni - schen Küsteiigebiete am Schwarzen Meere werden einer 11- bis Stägigen Quarantäne unterworfen. Hebet de» Kampf der Arbeiter mit den Pinkertons in Hoinestead liegen bis jetzt nur Be - richte der Telegraphen-Büreaus vor; daß diese Berichte tendenziös zu Ungunften der Arbeiter gefärbt sind, liegt ans der Hand und doch kann man ans diesen Berichten ersehen, daß es nur ein frivoler Angriff war, den die Kapitalisten durch die bewaffneten Strolche ber Pinkertons auf bie Arbeiter machen ließen. Durch ben Telegraphen wird aus Pittsburg vom 8. d. gemeldet: Die wildesten Gerüchte sind gegenwärtig in der Stadt im Umlauf. Es sollten 400 Pinkerton'sche Geheimpolizisteit auf der Reise von Cincinnati nach Homestead unterwegs fein. Die Eisenbahnwaggons, in denen sie fahren, seien kugel- und fenersest und hätten Schießlöcher. Jeder Waggon sei mit Lebensrnitteln für mehrere Tage versehen. (? ? Die Red.) Pinkerton selbst fei mit 10 seiner leitenden Beamten in Pittsburg eingetroffen. Sheriff M'Cleary hat es ausge- gebcti, sich Mannschaften zur Wahrung von Gesetz und Ordnung in Hoinestead ans der Bürgerschaft zu werben. Er hatte 600 Bürger aufgesordert. aber nur 25 hatten seinem Gesuch entsprochen. Die Ausständigen haben in Homestead eine Menge Munition a»gehäuft und auch Dynamit im Besitz. Da ihnen die Winchester-Gewehrc ber Piukerton'schen Beamten in bie Hänbe fielen, sind sie jetzt weit bester bewaffnet. — Der „Kölnischen Zeitung" werden folgende weitere Vinzel- heilen aus London berichtet: Einzelne Polizisten sollen sich aus Furcht noch auf den Schiffen selbst gelobtet haben. Im Ganzen sinb 234 Polizisten gefangen genommen worben. Nur mit Mühe ist es den Führern ber Arbeiter gelungen, die eiiigeschlosteuen Polizisten zu retten. Sie legten in einer Versammlung ihren Genossen an's Herz, zu bedenke», daß Blut genug geflossen sei. Der Kampf müsse aufhören und dem Schisse die Rückkehr nach Pitts - burg gestattet werden, denn sonst würden Truppen nach Homestead geschickt werden und die Niederlage der Arbeiter sicher fein. Trotz dieser Ralhschläge fahren die erregten Massen fort, die Schiffe mit Petroleum zu be - spritzen ; erst dem Eingreifen des Leiters der Ausständigen, Hugh O'Donnell, gelang es, Schonung für die Polizisten zu erwirken, doch wurde auch seine Rede mit dem allge - meinen 3luf unterbrochen: „SBir wollen sie dem Sheriff überliefern und wegen Mordes a u k l a g e n." Das fand begeisterte Zustimmung und eine Abordnung begab sich auf die Schiffe. Die Polizisten wurden hieraus, wie gemeldet, in die Stadt gebracht und im Operuhause eingesperrt. Das Komische bei dem sonst so traurigen Vorkommniß besteht darin, daß der Besitzer Herr Carnegie sich seit Jahren bemüht, die amerikanischen Verhältnisse vor den europäische» herauszustreichen; er hat sogar ei» längeres Buch darüber veröffentlicht unter dem Titel: Triamphant Democracy. Noch sonder - barer ist cs, daß ihm grabe an dem Tage, wo jene Er - eignisse sich auf feinen Werken in Homesteab abspielten, in seinem Heimathlande Schottland das Ehrenbürgerrecht von Glasgow verliehen und dabei in der Anrede der städtischen Behörben bas gute Verhältnis; gerühmt würbe, in welchem er zu feinen Arbeitern stehe. — Dem „D. B. H." wird aus New-Vork vom heutigen Tage be - richtet : Eine Abordnung der Ausständigen zu Homesteab würbe vom Guveruör von Pennsylvauien empfangen, welcher feine Vermittlung zusagte, indessen etfl zwangs - weises Einschreiten bei den Arbeitgebern ablehute. Die Ausständigen sind vollständig kriegsmäßig ausgerüstet und erwarten den Angriff der Pinkertonpolizei. Es klingt seltsam, daß ber Sheriff die Bürger auf- fordert, in feilten Dienst zu treten, um Ordnung herzu- stellen, während die Menge der empörten Arbeiter ihm die Mörder überliefert. Den Arbeiter» ist es nicht darum zu thuu, einen Aufstand hervorzurufen, sondern sie wollen nur vor Angriffen geschützt fein und beruhigen sich damit, daß die Angreifer dem Sheriff überliefert werben. Jetzt nielbet bet Telegraph aus Pittsburg, 11. Juli. „Der Guveruör von Peuufylvauien hat auf das Gesuch des Sheriffs von Homestead 8000 Mau» Nationalgarde zur Unterdrückung der Unruhen dorthin gesandt." Es soll auf jeden Fall Milizen heiße», da es in Amerika keine Nationalgarben gießt. Wenn ber Suber« nör, was sehr wahrscheinlich ist, hierzu Regimenter be - stimmt hat, worin bie „goldene Jugend" stark vertreten ist, dann kann es noch zu sehr ernsthaften Konflikten kommen. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn Carnegie die Zustände in Amerika lobt, benn bei allen solchen Streitigkeiten beweist die Regierung sich als eine Organisation, die nur für die Interessen ber Kapitalisten eintritt. Seit einiger Zeit sinb bie Großfabrikanten ber Metalliubustrie bemüht, die Arßeiterorganisationen zu sprengen, unb dieser Angriff' still nur zu dem ersehnten Ziele führen. Es ist ein gewagtes Spiel, was die Fa - brikanten spielen; wir wollen hoffen, daß die Arbeiter es gewinnen. Die Zerfetznitg der bürgerlichen Klaffe» geht in Amerika mit eben solcher Rapidität vor sich, wie in den europäischen Staaten und führt tagtäglich zu den interessantesten Erscheinniigcn auf allen Gebieten des ge - sellschaftlichen Lebens. Von größerem Belang, als viele einzelne kleine Momentbilder, ist nalürlich die Zersetzung im großen Rahmen der ökonomischen Kategorie-Interessen. So wird z. B. mit Recht auf die bemerkenswerthen Ver - schiebungen in den Südstaaten der Union von Nord - amerika und besonders auf folgende Thatsacheu hinge - wiesen : In Texas hat Mitte Juni eine Ersatzwahl für den Kongreß ftattgejunben, nachdem der frühere Führer der Demokraten im nationalen Repräsentantenhaus, Mills, in den Buudessenat eiugetreten ist. Bei jener Wahl kam ber Kandidat der Farmers Alliance bis auf 3000 Stimmen dem Votum des regulären demokratischen Kandidaten nahe, während Mills bei der vorletzteii Wahl eine Mehrheit von 19 000 Stimmen hatte. In SUabama ist die demokratische Partei thatsächlich gehalten und zwei Reihen von Kandidaten werden gegen einander im Felde stehen. In Süd Carolina hatten sich die Alliance- Leute schon bei der letzien Wahl der Organisation ber Partei bemächtigt, worauf bie Aristokraten eine eigene Partei bildeten und bei der Wahl total geschlagen wurden. Auch bei ber tommenben Notieiuberwahl werden die beiden Richtungen sich gegenseitig gegcuüberstehen. In Arkansas ist die dritte Partei, frühere „Union Sabot Party" so gewachsen, daß sie der demokratischen ernstlich bie Spitze bieten kann. Dazu bemerkt bas „Phil. Tagebl.": „Für die Poli- tische Entwicklung der Vereinigten Staaten ist dies von ber größte» Wichtigkeit. Fast ein Jahrhunbert lang hat ber Streit um die Macht zwischen beut ©üben unb Norde» die Sage völlig beherrscht und jeden Fortschritt aufgehalteit. Dann kam bie Mißwirthschaft ber Sieger- Regierungen, die mehr oder minder gewaltsame Be - seitigung derselben unb die Vertheidigungsstellung ber Weißen gegen die Wieberkehr derselben, welche die thak- sächliche politische Rechtlosmachung der Neger intwltiirte. Indem die Aristokratie der Südstaaten diesen Teufel be - ständig an die Wand malte, hat sie bie Masse ber Weißen bis jetzt politisch zusammengehaltcu. Aber ber Klassen - gegensatz zwischen dem Großgruubbesitzer unb beut Klein - bauern ist endlich doch fühlbar geworden und dieser wird, vereint mit ber industriellen Entwicklung, den „soliden" Süden sprengen. „Alle diese Erscheinungen sind von Wichtigkeit, selbst Wenn die momentane Bedeutung, namentlich für nationale Angelegenheiten, nicht groß ist. Es ist ungefähr gleich- bedeutend, als Wenn die Bauern in den östlichen Pro - vinzen Preußens sich von der Herrschaft des Adels unb bet Beamte» lossagten — soweit ein solcher Vergleich überhaupt zulässig ist. Diese Bauern, verschuldet und in Gefahr, in's Proletariat hinabgcstoßcn zu werden, sind durch ihre Klassenlage zu politische» Forderungen gedrängt worden, welche der bemokratischen Doktrin: „der Regierung so wenig als möglich" schnurstracks ent- gegenstehen. Die amerikanische Presse behandelt sie auch schlechtweg als Sozialisten : mit Unrecht selbstverständlich, sofern das Eingreifen des Staates zu Gunsten einer Klasse keineswegs identisch mit Sozialismus ist. Eine proletarische Bewegung aber ist bei bem Stande der Kultur unter der dortigen Arbeiterschaft nothwendig auf die paar größeren Städte beschränkt." Das ist auch ganz unser Standpunkt. Der tetio- lutionirenbe Karaktcr ber Farmerbewegung liegt in ihrer zersetzenden Wirkung auf weite Kreise des amerikanische» Bürgerthums. Nibuwr Ncchltikn. Hamburg, den 12. Juli. Zoologischer Garte». Die letzte» Wochen haben bemerkenswerthc Bereicherungen in ben verschiedensten Abtheilungen des Thierbestanbes gebracht: Für bie Affensammlung sind als Geschenk des Herrn Kapitäns Dittmer, D. S. „Aline Woermami", zwei hübsche SN a n d r i l l s und von Herrn Louis Jacob in Roulbineh, in Firma Fr. Colin u. Ko., D. A. G., ein großer Hnndspavian eingetroffen. Der letztere ist