Nr. 242. 6. Jahrgang. Hamburger Echo. Freitag, den 14. Oktober 1892 Anzeige» werden die sättsgespalteue Petitzeile oder deren Raum mit 30 4, für den ArbcitSmarkt, VcrmiethnngS- lind Familiennuzeige« mit 30 4 berechnet. Rnzeigen-Slunahme in der Expedition (bis 6 Uhr AbdS.), sowie in sämmtl. Anilonceii.Büreait». Redaktion und Expedition: Grohe Theaterstrahe 44 in Hamburg. Dar „Hamburger Echo" erscheint tSglich, außer MoirtagS. Der RbounementSpreiS (i»N. „Die RcueWelt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. des Post, katalogs 2761) ohne Bringegcld vierteljährl.^,.4,20; durch die Kolportöre wöchentl. 36 4 frei in'S HauS. Berantwortlicher Redaktör: Gustav Stengele in Hamburg. Hierzu eine Beilage. Alls sm zMrvmsltS. O Der Leute, die keine Schulbildung haben, also weder lesen noch schreiben können, sind in Deutschland -mehr, als man gemeiniglich glaubt. Bei der alljähr - lichen Einstellnng der Rekruten in das Heer kommt regel - mäßig eine Anzahl solcher vernachlässigten Menschen, Analphabeten genannt, zum Vorschein. Das all - jährliche Kontingent ist in einer langsamen Abnahme begriffen, wozu der Schulzwang sein Theil beiträgt. Beim Ersatzgeschäft im Deutschen Reiche fanden sich 1885/86 noch 1657 Rekruten vor, die nicht lesen und nicht schreiben konnten; im Jahre 1890/91 ist deren Zahl auf 1035 hinabgegangeu. Ans diesen Ziffern ist zunächst zu schließen, daß wir noch viele, viele Tausende von Analphabeten im Reiche haben. Gehen wir nur um 50 Jahre zurück, so macht die Summe Derer, die bisher beim Militär als An - alphabeten erkannt worden sind, vielleicht hunderttausend Menschen aus, denn früher war bekanntlich der Schul - zwang nicht so strenge, wie heute. Lassen wir die Hälfte inzwischen gestorben sein, so bleiben noch 50 000 und nehmen wir an, daß das weibliche Geschlecht dieselbe Anzahl stellt — wahrscheinlich stellt es mehr — so komnien wir zu. ehttt muthmaßlichen Schätzung, w o - lrach ettva hunderttausend Menschen in Deutschland vorhanden sein müssen» welche iveder lesen noch schreiben können. Eine schöne Kehrseite zu der stolzen Prägung der Bildungs-Medaille in der bürgerlichen Gesellschaft i Die Leiter des gegenwärtigen Unterrichtssystems sind gewohnt, den Mund sehr voll zu nehmen von ihren Verdiensten um die Ausbreitung allgemeiner Bildung. Dem aber stehen hnuderttansend Menschen gegenüber, für welche die ganze geistige Entwicklung unseres Volkes, sein ganzes geistiges Leben einfach Nacht ist. Für diese haben unsere großen Geister nicht gedacht, unsere Dichter nicht gedichtet — für sie ist Nichts geschrieben, weil sie nicht lesen können. Was ist heute ein Mensch, der nicht lesen und nicht schreiben kann, und welch' tiefes Bedauern muß mau mit solch' einem Unglücklichen haben I Aller - dings gießt es Menschen, die nothdürftig lesen und schreiben können und doch nicht viel höher stehen. Aber das weitaus Interessanteste an dieser Erschei - nung ist die Art, wie sich die Zahl der Analphabeten auf die einzelnen Provinzen vertheilt. Die Unterschiede sind frappirend. Im Ersatzjahre 1890/91 gab es in Ostpreußen 196 Analphabeten, in W e stp r e u ß e n 283, in Posen 234 und in Schlesien 210. Gegenüber diesen Be - ständen stechen diejenigen anderer Landestheile außer- ordentlich günstig ab. Selbst Pommern weist nur 12 Analphabeten auf, Brandenburg (mit Berlin) 22, Pro - vinz Sachsen 8, Schleswig-Holstein 2, Hannover 4, Westfalen 2, Rheinland 15, Heffen-Nassau 4. Eine Reihe kleiner Staaten haben gar keinen Analphabeten unter ihren Rekruten; ganz Baiern hat 7, das Königreich Sachsen auch 7, Württemberg 3 und Baden 2, Hessen 3 und Hamburg 1. Was beweist uns das? Die Zahl der Leute, welche trotz des modernen Schulzwanges nicht lesen und nicht schreiben können, ist ganz außerordentlich und unverhältniß- mäßig groß in jene» Ländern, wo die Junker Hausen, nur Pommern und Meklenburg ausgenom - men. In Posen, Schlesien, Ost- und Westpreußen, wo das junkerliche Magnatenthum auf seinen Latifundien sitzt, liegt auch die Volksbildung am ticssten im Argen. Die Junker wissen wohl, daß die moderne Bildung ihr Todfeind ist. Sie können deren allgemeines Bor - schreiten nicht hindern und sie jammern auch oft genug darüber, daß sie dies nicht können. Aber auf ihren ausgedehnten Besitzungen, da fühlen sie sich noch als unumschränkte Herren, und da gelingt eS ihnen auch noch, falljährlich einige hundert Menschen der Schule zu entreißen, was wohl nicht möglich wäre, wenn der Schulzwang von Staat und Gemeinde mit der noth- wendigen Energie durchgeführt würde. Die unglücklichen Menschen, welche dies Schicksal trifft, werden von den Junkern auch entsprechend behandelt und den Guts- Herren steht ein schönes Pferd ober ein fettes Stück Rindvieh weit höher als solch ein Mensch. Diese armen Analphabeten, die keine menschliche Behandlung, keine M Mnitiifdj! Roman in fünf Bänden von Maurus Jvkai. (Nachdruck verboten.) (60. Fortsetzung.) Alle Menschen aber, mit denen er auch nur ein Wort wechselte, Betrog er, damit er um sich herum ein Dunkel verbreite. In der Nacht überführten die Fischer die Kisten mit den Brettern. Er war gegenwärtig. Als sie zur Insel gelangten, suchten sie, als verständen sie sich am besten auf die Sache, einen besonderen Uferarin kaus, wo daS Röhricht am dichtesten war, und dort hinein luden siebte Kisten ab. Timar ivollte sie ansbezahlen; aber keinen Groschen nahmen sie von ihm. Sie drückten ihm bloS die Hände und sagten „Zbogom I" auf Deutsch: „Gott vergelt's I" Er verblieb auf der Insel, die Fischer kehrten zurück. Es war eine schöne Mondnacht und die Nachtigall sang aus ihrem Neste. Timar drang am Ufer weiter vor, um den Pfad, der auf's Haus zu führte, zu finden. Jetzt stieß er auf jene Zimmermannswerkstätte, in der er im Herbste die Arbeit halbsertig zurückgelassen. Die gezinnnerten Bäume waren sorgsam mit Rohrdecken bedeckt, damit die Winter - nässe sie nicht verdarb. Von hier führte der Weg nach der Rosenau. Die Rosen waren längst schon verblüht; jene Zeit hatte Timar in seinem Gartenhause auf dem Münsterberge und später am Meere verbracht; er hatte also diesmal die Rosenlese versäumt und war doch sicherlich mit Herzklopfen er - wartet worden. Aber er mußte doch erst Nebel vor sich und Nebel hinter sich verbreiten! Auf den Fußspitzen nahte et sich dem Hause. Daß er kein Geräusch hörte, nahm er für ein gutes Zeichen. Daß Almira nicht bellte, erklärte er sich daher, daß sie menschliche Wohnung und keine menschliche Beköstigung haben, sind nach der Meinung der hochedlen Junkor viel besser dran als solche, die lesen und schreiben können. Denn die Analphabeten können keine „ausrührerischen" Schriften lesen und wissen deshalb, nicht, daß sie einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein haben. Sie haben es nie anders gewußt und sie in dieser Unwissen - heit zu erhalten, das gehört mit zu dem famosen „patriarchalischen System", welches die Junker als so vortrefflich zu rühmen pstegen. Die „Edelsten und Besten" in den genannten Pro - vinzen werden dabei nur bedauern, daß sie nicht das ganze Volk aus der Schule fernhalten können. Dann wäre daS Volk so, wie sie cs brauchten, um ihre Herr - schaft auf lange Zeit hinaus befestigen zu können. Glücklicher Weise sind wir darüber hinaus. Soweit läßt sich die moderne Entwicklung nicht mehr rückwärts schrauben. Aber aus dieser Erscheinung läßt sich erkennen, wie gerne uns die Junker wieder in die Nacht und die Bar - barei des Mittelalters zurückwerfen würden — wenn sie nur könnten. Von Der Wellbiihne. Zur Mtlitärborlage. Die Verzögerung der Einbringung der Militärvorlage im Bundesraih hat nach der „Post" darin ihren Grund, daß das umfassende Zahlenmaterial einer nochmaligen Durchrechnung unter - zogen wird. Die Frage der Deckung des Mehrbedarfs in Folge der Militärvorlage scheint, meint die „Post", dahin entschieden zu sein, daß mit der Militärvorlage ober boch bald nach derselben die entsprechenden finan - ziellen Vorlagen dem Reichstage zugeheu sollen. „Und zwar soll der Bedarf durch Aenderung der Besteuerung von Tabak, Bier, Branntwein und Börsengeschäften ge - deckt werden. Ueber die Art und Höhe, wie aus den ge - nannten Steuerquellen höhere Erträge gewonnen werden sollen, verlautet im Einzelnen noch nichts Bestimmtes. Nur soviel scheint festzustehen, daß man organische Aende- rungeit der Reichssteuergesetzgebung thunlichst vermeiden und sich im Wesentlichen auf die Erhöhung der Steuersätze beschränken will." Der „Schwäb. Merk." stellt eine Berechnung auf über die aus Tab a k, Börje, Bier und Brannt- ro ein eventuell zu erzielenden Mehreinnahmen, die Beachtung verdient. Man hat Grund, anzunehmen, daß das Blatt in diesem Falle die Anschauungen der württembergischen Regierung repro- duzirt. Was den Tabak anlangt, so nimmt der „Schwäb. M." bei einer Erhöhung des Zolles auf Roh - tabak von A 85 auf 115 und des Zolles auf Fabrikate auf M. 270 eine Vermehrung bet Einnahmen um 161 Mill, an. Eine höhere Besteuerung bes inländischen Tabaks zieht das Blatt nicht in Betracht. Dutch Verkürzung der Steuerprämie auf den Branntwein nm M. 5 könne eine Mehreinnahme von 5 Millionen, durch Verdoppelung der We chs elstemp elsteu er eine solle von 26,4 Millionen erzielt werden; zusammen hätte man dann 47 Millionen mehr. Die vom Reiche benöthigten 67—70 Millionen seien also nur theilweise gedeckt, da an eine Mehreinnahme von etwa 20 Millionen ans Wein und Bier nicht zu denken sei. Es sei daher natürlich, daß man an die Einführung des Tabak- Monopols denke, das eine Einnahme von 163i Millionen verspreche. Daß die w ü 111 e m - bergische Regierung »ach wie vor der Monopol- idee günstig gesinnt ist, unterliegt keinem Zweifel. Ueber den Inhalt der Militärvorlage weiß die „Bossische Zeitung" zu berichten, daß es sich um eine Erhöhung der Präsenz nicht um 90 000 Mann, sondern um 95 000 Mann handelt und daß die Steigerung des Jahreskontingents der Rekruten nicht 70 000, sondern 72 500 beträgt. Andererseits soll die Regierimg gewillt sein, dieeinjShrigeFestsebungderFriedens- Präsenzstärke ohne Weiteres zuzugestehen. Was würde letztere formale Konzession bedeuten l Die Festsetzung der Friedenspräsenzstärke in kurzen Perioden ist doch nur Mittel zum Zweck, nämlich um Entlastungen des Volkes zu ermöglichen. Hier aber würde eine solche Konzession in Verbindung gebracht mit einer großen Mehrbelastung des Volkes. Letztere würde auch bei einjähriger Feststellung der Friedenspräsenz- stärke insofern dauernd festgelegt feilt, als ja die Zahl der neuen Kadres im Militärgesetz dauernd bestimmt werden soll. UebrigeiiS ist eS noch nicht einmal gewiß, ob in der That die Regierung zu dem Zugeständniß der einjährigen Festsetzung der Friedenspräsenzstärke bereit ist. Dem „Berl. Tagebl." zufolge ist hiervon in unterrichteten Kreisen nichts bekannt. Fuchsteufelswild äußert die „Germania" sich über Bismarck, weil derselbe in seinem Leiborgan der Ansicht Ausdruck gegeben, das Zentrum könne für die Militärvorlage, wie sie angekündigt worden, wohl stimmen. Das, so erklärt die „Germania", glaubt Bis - marck nur „ans raffinirtester Kaiser- und Reichsfeiudschaft, aus purer B o sh eit." „Und" —fährt sie fort—„was er zur Beweisführung in in der Küche schlief, unb bas zeigte wieder an, baß man vorsichtigerweise den Hund verhindern wollte, das schlafende Kind des Nachts durch Gebell zu erschrecken. „Demnach lebt Alles und ist gesund im Hause." O, wie oft träumte er von diesem Hanse, wie oft stellte er sich wach dasselbe vor l Wie oft sah er sich selbst schon wieder vor der Hüttel Bald gaukelte ihm die Phantasie vor, das Haus fei abgebrannt, die verkohlten Balken lägen auf der Schwelle und an den Wänden grünte Unkraut. Wohin seine Be - wohner gekommen, wußte Niemand zu sagen. Dann bildete er sich ein, daß, sobald er sich der Thüre nähere, diese aufspringe, bewaffnete wilde Ge - stalten stürzten auf ihn los, faßten ihn an der Gurgel und riefen: „Eben auf Dich warten wir! Bindet ihn, verstopft ihm den Mund und werft ihn in das Kellerloch hinab." Dann wieder hatte er die SchreckenSvisioii, daß, als er die Hütte betrat, er seiner Geliebten blutigen Leichnam vor sich sah, NoemiS langes Goldhaar ausge- breitet am Boden und an ihrem Busen daS Kind mit Zerschmettertem Kopfe. O, weiche Qualen stürmten auf ihn ein, als diese Bilder in seinem Geiste auftauchten I Er hatte seine Sieben so lange sich allein überlassen müffen. Manchmal träumte ihm, daß er, sobald er vor Noemi treten würde, statt des sanften lächelnden Antlitzes ein kaltes Alabaster-Antlitz vor sich sah, das ihn fragte: „Wo waren Sie so lange, Herr von Levetinezy?" Doch jetzt, als er vor der kleinen Wohmtng stand, entschwanden alle Schreckbilder. Hier war auch jetzt noch Alles, wie es stets gewesen, hier wohnten auch jetzt noch, die ihn liebten; wie sollte er sie seine Ankunft wiffen lassen? Wie sollte er sie überraschen? Er blieb vor dem kleinen, niederen Fenster stehen, das halb die Alles überziehenden Rosen verdeckten, und begann das Ammenlied zu fingen: „Mehr ist werth des Liebchens Hütte, Als die Königsbnrg von Ofen . . ." Ihm ahnte es wohl; nach einer Minute war daS kleine Fenster geöffnet und es blickte daraus Noemis dieser Richtung gegen daS Zentrum sagt, ist ebenso niederträchtig wie die Behauptung an sich — es giebt keinen anderen Ausdruck für f o infame Inst- nnationen. Bei denselben steht man einfach vor der Wahl anzunehmen, der Mann glaube selbst nicht, was er sage — Lüge und Verleumdung gehörten ja stets zu den Mitteln seiner Politik —, ober Haß unb Verleumbung gegen bas Zentrum seien bei ihm förmlich Monomanie geworden, er fei also immermehr als Geistes- kranker zu behandeln, woraus ja auch andere Züge all- malig hindeuten. Wir können beide Alternativen ruhig aussprechen, denn wer anderen solche rasfinirte Nieder - trächtigkeiten, rote Bismarck in den Worten des Artikels dem Zentrum, unterschiebt, hat selbst jeden Anspruch auch nnr aus die geringste Rücksicht und Schonung ver- wirkt. Unb bas Plädiren auf Unzurechnungsfähigkeit heißt ja ans mitbernbe Umstänbe pläbiren." Je nun, der ehemalige Kanzler kennt die schwarzen Pappenheimer l Wenn er niemals mehr verleumdet hätte, als in der „Insinuation", welche die „Germania" so in Wuth versetzt, jo würde fein Karakter besser zu beurteilen fein. D e r Umstand, baß er bas Zentrum nach seinen Erfahrungen richtig beurteilt, laßt nicht auf Geisteskrankheit schließen. Rafsiiiirte Nicber- trä t tigfeit mag ihn geleitet haben — barin war er von jeher gegen alle seine Gegner groß —; aber daß er dabei in diesem Falle oas Ziel nicht so ganz ver- fehlte, beweist uns der Ton, den die „Germania" an- jchlägt. So heult der Hund, tt getroffen wird I Freilich, die „Germania" giebt sich ja den Anschein, als sei cs ihr „heiliger Ernst" mit der Zurückweisung der Vorlage. „So lange da- Deutsche Reich steht," — schreibt sie — „ist eine solch furchtbare Erhöhung der bauernben persönlichen unb finanziellen Militärlast nicht auf einmal gefordert worden, unb in ber Sage der europäischen 'Verhältnisse liegt doch dafür kein Grund vor." Das Blatt begründe^ dies des Näheren durch den Hinweis auj das volkswirtschaftliche Zurückgehen Rußlands und auf den Rekrutenrnangel in Frankreich. Unb weiter: „Erhöhte militärische Forderungen sind nach den ge - waltigen Steigerungen von 1887 bis 1890 furchtbar unpopulär. Eine Auflösung des Reichstages wegen Ablehnung ber Militärvorlage würbe von der Sozial- demokratie mit einem Jubelrufe begrüßt werden, denn es ständen ihr einige Dutzend neue Mandate in Aus - sicht, und die Sinksliberale» überhaupt würden ge - winnen." Wir haben schon erklärt, daß nach unserer Ueber- zengung es ber ultromontanen Presse gegenwärtig nur darauf aukommt, die Regierung zu einem dem Zentrum vorteilhaften Handel zu bestimmen. Dadurch könnte ja die Auflösung des Reichstages vermieden werden. Man lasse sich ja durch das Geschreibsel ber jchwarzen Presse nicht täuschen. Die Nationalliberalen bereiten aUmälig ihre Wähler auf eine zustimmenbe Haltung zu ber neuen Militärvorlage vor. Abg. Oechelhäuser sagt in einem von ihm an seine Wähler erstatteten Rechenschafts - bericht, bie nationalliberale Partei könne sich der Erwä - gung nicht verschließen, daß noch fernere Opfer gebracht werden niüfftn, um im Kriegsfall nach zwei Seiten Front machen zu können. Das wirb mit folgeiibem Satze motivirt: „Erst wenn es unserer Diplomatie gelungen sein wirb, wenigstens bie von Osten drohende Kriegs - gefahr zu entfernen und das frühere, bis zum Jahre 1878 bestandene gute politische Verhältniß z u Rußland wiederherzu st eilen, eine schwierige, aber sicherlich keine unlösbare Ausgabe,— erst dann dürfte ein Stillstand in den Rüstungen zu erwarten fein, welche gegenwärtig Europa gleichsam als ein großes Kriegslager erscheinen lassen." Ein schlechter Trost, den der uationalliberale Abge - ordnete seinen Wählern spendet für die Opfer, welche sie behufs einer weitere» Steigerung unserer Wehrkraft bringen sollen I Wenn es dem Fürsten Bismarck nicht gelungen ist, 'dies „gute Verhältniß" zu Rußland auf - recht zu erhalten und, als es in die Brüche gegangen war, wieder herzustellen, so dürfte es dem Grafen Ca - privi, der doch nach Ansicht jedes guten Nationalliberaleu dem „Altreichskanzler" das Wasser nicht reichen kann, erst recht nicht gelingen. Mit der Wiederaiiknüpfnng des „guten Verhältnisses" zu Rußland dürfte es also nichts jein — und man darf doch wohl von Herrn Oechelhäuser nicht annehmen, daß er die „russische Freundschaft" durch Preisgebung bet „Dreibundsfreunde" erlaufen will! — also muß die Wehrkraft noch immer weiter gesteigert, müssen bie Opfer für dieselbe noch immer, mehr ver - größert werde». Das sogenannte „Standeöbetvnßtsein" der Reserveoffiziere scheint in „maßgebenden Kreisen" nicht den da beliebten Anforderungen zu entsprechen. Zwecks seiner „Hebung" plant inan, wie Berliner Blätter mittheilen, den Bau eines Kasinos, welches den Vereinigungsort für die Offiziere ber Laudwehrbezirke Teltow, Berlin I unb Berlin II bilden soll. Dahin - gehende Verhandlungen und Besprechungen haben zu dem Resultat geführt, daß man baldigst die Beschaffung der auf A. 1 000 000 festgesetzten Bausumme herbeifühten will. Diese Mittel sollen durch verzinsliche Antheilscheine aufgebracht werden. Als Bauplatz für bas Kasino denkt mau in erster Sinie an eine Stelle in nächster Nähe des Friedrichstraßen-Bahnhofes, um dadurch den außerhalb ber Resibenz tvohnenben Offizieren die Verbindung mit von Wonne und Glückseligkeit strahlendes Antlitz hervor. „Mein Michaeli" stammelte die Aerniste. „Der Deine l" flüsterte Timar, mit beiden Händen bas liebe, zum Fenster herausguckende Köpfchen erfassend. „Und Dodt?" bas war sein zweites Wort. „Er schläft.» „Still 1 Wecken wir ihn nicht auf 1" Unb bann flüsterten sie unb ihre Sippen sprachen zu einander. „Doch komm nun herein!" „Wir könnten ihn aufwecken, und dann meint er." „O, der ist kein weinendes Wickelkind mehr! Er ist ja doch schon über ein Jahr alt." „Schon ein ganzes Jahr? Dann ist er ja bereits ein großer Mensch." „Er weiß auch schon Deinen Namen auSzusprechen." „Wie? Er spricht also schon?" „Er lernt bereits gehen.» .Also er läuft schon?" ,Er ißt schon Alles." ,Das ist unmöglich 1 Das ist zu früh!' .,Was verstehst Du davon? Würdest Du ihn nur sehen!" „Zieh' den Vorhang zurück, laß das Mondlicht auf ihn glühen, damit ich ihn sehen kann." „Nein, der Mond ist schlecht, scheint er aus ein schlafendes Kind, so wird es davon krank." „Du bist ein Närrchen." „An Kindern hängt viel Wunderbares. Das muß man Alles glauben. Darum sind sie den Frauen an- vertraut, die ja Alles glauben. Komm herein, und sieh ihn hier an.» „Ich g«he nicht hinein, so lange er schläft. Ich würde ihn wecken. Komm lieber Du zu mit heraus." „DaS kann nicht fein. Er würde gleich erwachen, ginge ich anS der Stube, und meine Mutter schläft tief." „Nun, so wende Dich ihm zu; ich bleib' unterbeffen hier außen." „Willst Du Dich nicht zur Ruhe legen?" Berlin durch die Stadtbahn zu erleichtern. Das nette Kasino soll Lese- und Spiel-Zinimer, Nestanrationsräume und einen Festsaal enthalten. Die lauseudeu Ausgaben, sowie bie Zins- unb Amortisations-Summe, sollen burch Jahresbeiträge gebeckt werden, welche letzteren man für jeden Einzelnen „möglichst niedrig" itormireit zn können hofft, da die Zahl der Sandwehr-Osfiziere in bett brei Bezirken eine große ist. — Bisher hatte man die Reserveoffiziere noch nicht als Angehörige eines be - sonderen Standes angesehen. Es fehlte grabe noch, daß die Osfiziersmanieren sich auch im bürgerlichen Seb eit einnisten. Wenn man thatsächlich für Reserveoffiziere noch ein besonderes Staudesbewußtsein schaffen will, so stellt man die bürgerliche Thätigkeit der Reserveoffiziere bewußt auf eine niedrigere Stufe als die militärische. Die Reserveoffiziere, welche sich auf eine solche An - schauung eiulasseu, sprechen damit unzweideutig aus, daß sie sich ihres bürgerlichen Berufs schämen; sie thäten besser, dann auf ihren Beruf überhaupt zu verzichten, bie bürgerliche Gesellschaft wirb ihnen keine Thräne nach- roeineit. Vielleicht nimmt man aber int Volke endlich Anlaß, nicht mehr in verfluchter erbärmlicher „Be - scheidenheit" dem Osfizierthum im gesellschaftlichen Leben den ihm wahrlich nicht gebührenden Vorrang zu lassen. Die reaktionärenGeküfte deS„ucue«KitrseS", bie, rote die „Post" zu melden wußte, auf eine Ver - schärfung des Straf- und Preßgesetzes hinauslausen sollen, erwecken unseren „Staatserhaltenden" ein gelindes Granen. Ein Sozialistengesetz, das seine Schneide lediglich gegen die „Umstürzler" kehrte, konnte ihnen schon gefallen; aber mit der Verschärfung des gemeinen Rechts würden sie eine Waffe schmieden, die gelegentlich auch einen der Ihren treffen könnte. Bei der Unberechenbarkeit des neuen Kurses sind sie ja nicht sicher, durch unerhörte Zumuthungen selbst ihr lamm» frommes Gemüth in die Opposition getrieben zu sehen. Die „N.-L. C." meint darum, nirgends feien Erscheinungen roahrgenomnien, die derartige gesetzgeberische Maßnahnten im gegenwärtigen Augenblicke nöthig machten. Sollte sich die Nachricht aber doch bestätigen, so könnte man auf den Gedanken kommen, es solle eine Art von Ersatz für das Sozialistengesetz auf dem Boden des Genteinrechts geschaffen werden, aber dazu sei gegenwärtig die Sage wahrhaftig nicht aitgefljan und eine Nothwendigkeit hierfür vermöge man auch nicht zu erlernten. Es fehle grade noch, daß den ungeheuren Schwierigkeiten der bevorstehenden Reichstagssesfion ohne die zwingendste Nothwendigkeit auch noch Vorschläge zur Verschärfung des Straf- unb Preßgesetzes hinzugefügt würden, Vorschläge, die erfahrungs- und uatnrgeinäß die allerheftig st eit Kämpfe im Gefolge haben würde n. Hoffentlich handele es sich mehr um theoretische Studien, als nm Pläne, die bereits greifbare Gestalt angenommen hätten. Was besonders das Preßgesetz betreffe, so sei dieses in ganz anderen Punkten revisiousbedürstiger als wegen einer zu ge - ringen Dehnbarkeit ber Bestimmungen über bie Beschlag - nahme. Diese Bestimmungen befinden sich im § 23 des,Preß - gesetzes, welcher lautet: Eine Beschlagnahme von Druckschriften ohne richterliche Anordnung findet statt: 1) wenn eine Druckschrift den §§ 6 unb 7 nicht entspricht ober den Vorschriften des § 14 zuwiderläuft (b. h. wenn die Namen des Rebaklörs, bes Verlegers, des Druckers nicht auf ber Druckschrift stehen ober bie Druckschrift verboten ist. Reb.), 2) wenn burch eine Druckschrift einem auf Grunb bes § 15 bieses Gesetzes erlassenen Verbot zuwiber ge- hanbelt wirb (b. h. wenn in Zeiten ber Kriegsgefahr ober bes Krieges dem Verbot zuwider Nachrichten über Truppenbewegungen ec. veröffentlicht werden. Red.), 3) wenn ber Inhalt einer Druckschrift ben That- bestaub einer in ben §§ 85, 95, 111, 130 ober 184 des deutschen Strafgesetzbuches mit Strafe bedrohten Hand - lungen begründet, in den Fällen der §§ 111 unb 130 jedoch nur dann, wenn dringende Gefahr besteht, daß bei Verzögerung ber Beschlagnahme bie Aufforbcrung ober Anreizung ein Verbrechen ober Vergehen unmittelbar zur Folge haben werbe. Diese Bestimmungen dehnbarer zu machen, daraus läuft offenbar bie kuudgegebeue Absicht hinaus. Die augezogenen §§ 85, 95, 111, 130 unb 184 bes Straf - gesetzbuches handeln: § 85 vom Hochverrath, 8 95 von der Majestätsbeleidigung, § 111 von ber Aufreizung zum Ungehorsam gegen das Gesetz, § 130 von ber Aufreizung einer Menschenmenge zu Gewaltthätig- ketten, § 184 bon der Verbreitung unzüchtiger S ch r i s t e n. Die „Volksztg." bemerkt zu ber Sache: „Wir glauben aber boch, daß bie ganze Geschichte daraus hinausläuft, den polizeilichen Praktiken, tote sie sich unter dem Schutze des Sozialistengesetzes entwickelt hatten, im ordentlichen Recht einen möglichst großen Umfang einzuräumen. Diensteifrige Polizeibeamte werden in Hunderten von Fällen eine „dringende Gefahr" sehen, wo ein gewöhnlicher Sterblicher nicht bas Atom eines Atoms von Gefahr zu erblicken vermag. Zn glauben, baß bie „Reform" ausschließlich bie sozialistische Presse im Auge haben könnte, so naiti wird hoffentlich Niemand fein. Was in'S gemeine Recht übergeführt ist, trifft heute dich, morgen mich. Daher hat die ganze deutsche Presse ein anßerordentlich starkes Interesse daran, gegen den angedrohten Versuch, den Sttick, den sie Bereit» um ben Hals trägt, noch stärker anzujiehen, energisch Front zu machen. In dieser Frage wird, so hoffe» wir, ihr ber Reichstag schützenb zur Seite stehen. Denn bas nach Lage ber Sache auch in dieser Frage ausschlaggebende Zentrum hat im Kulturkampf die Fußangeln und Selbstschüffe, bie im Garten des Preßgesetzes liegen, viel zu gut kennen gelernt, als baß es sich jo weit eruiebrigen könnte, einer Verschärfung bes Preßgesetzes zuzustimnien.» Das Hauptorgan bes Zentruins, bie „Germania", erklärt: „Wir meinen, die Bevorstehende Reichstags - tagung sei schon so wie so mit derartig schwerwiegenden, heftige Kämpfe in Aussicht stellenden Vorlagen belastet, daß bie Regierung allen Anlaß hat, nicht auch noch Fragen aufznwerfen, welche bie Erregung nur noch ver- größern müßten. Im Ernste wirb boch auch bie „Post" wohl nicht glauben, daß ein noch behnbarereS Preßgesetz, wie wir es leider schon haben, im jetzigen Reichstag Aussicht auf Annahme habe." Daß bie reaktionären Gelüste zur weiteren Knebe- Imig ber Preß- und Redefreiheit auch unter dem „neuen Kurs" aufs Neue auftauchen, mag den Herren, die sich mit der Hoffnung auf eine liberale Aera getragen haben, nicht eben angenehm sein. Die Erfahrungen des Sozialistengesetzes haben ihnen doch soviel klar gemacht, daß auch die schärfsten Gefetzesbestimmungen die Sozial - demokratie nicht hindern, ihre Ideen energisch zu ver- treten. Eine Vermehrung der Konflikte mit den Gesetzen, bie "aus einer größeren Dehnbarkeit ber letzteren sich nothwendig ergeben müßte, würde das Fortschreiten der Sozialdemokratie ebenso wenig hindern. Deshalb braucht man sich nicht in Unkosten zu stürzen; bie Wirkungs - losigkeit können wir vorher sagen. (Sitte interessante Statistik über bie Bewegung bet Getreide- und Brotpreise in Berlin ist kürzlich veröffentlicht worden. Die bis Ende August feft- gestellten Durchschnittspreise für Roggen und Roggenbrot weisen folgende Ziffern auf: Preise für 100 kg in Mark Roggen Roggenbrot Januar 1891.. .... 17,52 28,39 Februar .... 17,51 28,31 März .... 17,89 28,70 April .... 18,83 29,10 Mai .... 20,37 30,40 Juni .... 21,10 31,27 Juli .. » « .... 21,57 31,54 August ff • « .... 23,75 33,01 Januar 1892.. .... 22,45 33,89 Februar .... 20,95 34,53 März .... 20,59 33,37 April .... 19,92 32,78 Mai .... 19,78 31,93 Juni .... 19,37 31,64 Juli .... 18,53 30,28 August .... 14,82 28,84 Im Monat Januar 1891 kostete bei dem Kurse für Roggen von 17,52 bas Roggenbrot: 28,39; im August 1892 aber bei dem Kurse für Roggen von 14,82 steht bet Preis für Roggenbrot auf 28,84, also um 45 4 höher als im Januar 1891, obwohl damals Roggen um 2,70 höher notirte als im August 1892. Und hier be - trägt die Differenz zu Ungunsten des Brotes sogar A 3,15 pro 100 kg. Diese Ziffern bestätigen die alte Ersahrnng, daß ba» Steigen der Ärot f r u ch t preise in ber Regel eine untier» hältnißmäßige unb anhaltende Steigerung der Brot- preise im Gefolge hat. Die Brotfabrikanten suchen die höheren Brotpreise auch bei sinkenden Fruchtpreisen zu halten, so lange es geht. Die Ursache» der „Sachsengängerei" werden vorn Kreisphysikus Dr. Richter in der Zeit - schrift für Medizinalbeamte auf Grund seiner mehr - jährigen Erfahrungen im Kreise Groß-Wartenberg scharf beleuchtet: „Unter de» Ursachen der „Sachsengängerei" stehen obenan bie traurigen, zum Theil menschen- itnroürbigen Wohnungsvcrhältuisse unserer laubwirthschaftlichen Arbeiter. Es ist, unb zwar leider besonders auf großen, den wohlhabendsten Besitzer» gehörige» Güter», keine Seltenheit, daß m e h r e r e F a m i l i e n zusammen einen ein- zigen, oft nicht mal gedielten, sondern mit rohen Ziegeln gepflasterten Raum bewohnen, in welchem sich ein ge - meinsamer offener Herd befindet. Man spricht neuer- dings so gern von einer „sittlichen Hebung des Volkes". Wie kann auf einer solchen Grundlage die Sittlichkeit gedeihen? ... In der That, so sagt KreisphysiknS Dr. Richter, sind denn auch bie sittlichen Verhältnisse auf bem flachen Sanbe nach meinen Erfahrungen, der ich 6 Jahre unter den Arbeitern Berlins als Arzt ge - wirkt habe, um nichts bester als in den großen Städten, denen man so gern etwas anhängen möchte, — im Gegentheil, eher schlechter I . . . Daß in den Wohnungen unserer ländlichen Arbeiter Regen und Schnee oft durch die Decke» bringen, baß webet Thüren noch Fenster schließen und bie Feuchtigkeit ost Bis zur Mauneshöhe in den Wänden steht, gehört noch zn den erttäglichen Uebelständen. Man täuscht sich aber, wenn man glaubt, baß unsere länbliche Arbeiterschaft für Bessere Wohnungsverhältnisse ganz unempfänglich sei.... Etwas, was auch bem länblichen Arbeiter unserer Gegenden keineswegs mehr gleichgültig ist, so sehr er im Allge - meinen das Psuscherthuin begünstigt, ist eine prompte „Es wirb ja halb Tag I Wenbe Dich nur ihm zu — aber laß bas Fenster offen." Unb bann blieb er dort vor bem offenen Fenster, hineinlugenb in bas Stübchen, auf besten Estrich das Monblicht silberne Würfel malte; unb er horchte aus das Geräusch, daS aus der stillen Hütte drang: ein stammelnd leiseS Winseln hin und wieder, wie es er- wachende Kinder haben; dann ein leise singender Ton, der bas Lieblingsaniinenlied anstimiut, stille, gleich einem Traum: „Meines PüpvchenS kleine Küche"; unb bann ein Kußschmatzen, welches das gute Kind als Belohnung bekommt, wenn es auf dies Sieb roieber ruhig weiter schläft. Auf bas Brett des offenen Fensters gelehnt, wachte Timar und lauschte dem Geflüster der Herzen, bis das Morgenroth die kleine Stube erhellte. Beim Frührothssirahl war bas Kind bas Erste, das erwachte. Durch lautes Gekicher gab es seine Rückkehr in die Welt kund, worüber bann Niemanb mehr weiter jchlajen konnte. Das Kind lärmte, Plauderte. WaS? Das verstanden nur ihrer Zwei: bas Kinb selbst unb Noemi. AIS bann Timar das Kind auf ben Arm nahm, sagte er zu ihm: „Bon nun ab bleibe ich hier, bis ich Dir baS Haus erbaut. Was meinst Du, Dobi?" Das Kind antwortete hierauf etwas, was »ach Noemis Berbolmetschung jage» sollte: „Nun gut I" 4. Noem i. Timar verbrachte feine glücklichsten Tage in diesem Doppelleben. Nichts störte bie Vollkommenheit seines Glückes, bloS der Gedanke, daß für ihn auch noch ein anderes Leben existirte, in das er zurückkehren mußte. Wäre ihm nur irgend ein 9)littel ober ein Weg be - kannt geworben, sich von jenem zweiten Leben loszureißen, wie glücklich hätte er bann hier leben können I Und daS konnte er doch ziemlich einfach erreiche». Er brauchte blos nicht mehr zurückzukehren. Man wird ihn bann ein Jahr taug suchen, zwei Jahre lang be - trauern, und nach drei Jahren hat ihn die Welt ver - gesse», er die Welt gleichfalls, unb ihm bleibt dann Noemi. Und Noemi ist schon an sich ein Schatz! Vom Frauenthum findet sich Alles in ihr vereint, waS lieb ist, und Alles seblt in ihr, was verletzen könnte. Ihre Schönheit ist nicht jene flatterhafte, die durch Ge- fallsucht jo rasch vergeht. Jeder Gemüthswechsel verleiht ihrer Schönheit neuen Zauber. In ihrem Gemüthe einen sich Zartheit, Sanftheit unb Gluth. Zusammen und im Einklänge leben in ihr bie Jungfrau, bie Fee unb das Weib. Ihre Liebe hat nichts Selbstsüchtiges, ihr ganze» Wejen ist verloren, ist verschmolzen in und mit Dern- ienigen, ben sie liebt. Sie hat keinen besonderen Kummer, keine besondere Freude, nur die des Geliebten. Daheim «sie mit kleinlichster Aufmerksamkeit für izcli&t» igen; Bei der Arbeit Hilst sie ihm mit uitermüdlicher Hand. Stets ist sie heiter und frisch, und befällt ihn irgend ein Unwohlsein, so heilt ihn ein Kuß von ihr auf die Stirne. Sie ist unierthänig dem gegenüber, von dem sie weiß, daß er sie aiibetet. — Unb nimmt sie jene» Kinb in den Ann unb spielt mit ihm, bann muß er sich freuen, ber sie zur Seinen gemacht hat, wenn auch noch nicht zur Seinen erklärt hat. Tiber Timar war gänzlich au» den Fugen. Noch unterhandelte er mit dem Schicksale. Noch war ber Preis sehr groß t Groß sogar mit Rücksicht auf diesen Schatz, welcher hieß: „Eine junge Frau mit einem lächelnden Kinde im Arme." Doch ber Preis dafür war eine ganze Welt! Er mußte zuriicklassen eine Habe von Millionen an Werthen, eine gesellschaftliche Stellung, hohen Rang, Magnaten- freunde, begonnene große Unternehmungen, welche bie Welt betrafen, unb von deren Erfolgen die großen In - dustriezweige ber Heimath abhingen i Unb als Drauf - gabe auch noch Timea I Fortsetzung folgt.)