7. Jahrgang Nr. 91 Lamb urger Echo Mittwoch, Beu 19. April 1893 Hierzu eine Beilage. Zm Sechtllgesetz-Mlvv^ Parteien gefommrn sahen Es ist sehr al» b t • ltf8 M. A« di« Novelle zum Militörpevsianogesetz am Sonnabend die Biidgel'onimission des Rcirds- hat am 8 891 509 847 898 Leitung der Geschäftsordnung nicht entsprechend urückgcwiesen worden. 16 783 453 14 187 242 39 883 695 Somitrf z» entkräften, daß sie eS unterlassen hat, Zeiten gegen die Seuchcngefahr vorzugehen, mußten hier in Hamburg und Umgegend an dreißigtausend Menschen der Cholera bei Erst die zum Zentrum bringt sich dadurch in den schroffsten Gegensatz zu einem Theil seiner bisher treuesten Wähler, die es dadurch wohl (üt immer von sich trennt. ärztliche Behandlung Heilmittel Krankengeld Kur. und Bcrpflegimgskosten au Kranken- austalten Ersatzleistung an Dritte für Kraukeunuter- Plitzuug Opfer fasten und dann über 9000 ihr Leben einbüßen, ehe der NeichSregieruug die „Erkenntniß" kam, mit der sie jetzt ihren Gesetzentwurf motivirt. Wahrlich, sie hat keine Ursache, aus diese späte Erkenntniß stolz zu sein l Und für uns ist eS kein Trost, zu sehen, wie sie sich be- müht, in ihrer Begründung für ihre Erkenntniß die gründlichsten Beweise zu erbringen. Hier sind bfef e Beweise: „Die BermögenSverluste, welche die Bevölkerung Deutschlands überhaupt durch Krankheiten Jahr sür Jahr erleidet, lassen sich annähernd nach den Ergebniflen der gesetzlichen Krankenversicherung schätzen, insofern dieselben beachteusmerthe Zahlenangaben über die Häufigkeit des Erkrankens für große Gruppen der erwerbsthätigen Be. Völkerung liefern. Die Gesammtzahl der in die gesetz - liche Krankenversicherung einbezogenen Personen betrog Ende 1890, ungerechnet 459111 in Knappschaftskassen versicherte Personen, 6 342 828, also insgesammt nahezu 14 Prozent der Bevölkerung. An diese 6 342 828 Ber- sicherten wurden im Jahre 1890 für 39 176 689 Krank - heitstage Krankengeld bezahlt; die Ausgaben der Kasse» für die Krankenpflege bezifferten sich wie folgt: ausgestellt und durchgesührt worden ist, unmöglich, Herrn FuSangel unter ihre Mitglieder aufzunchnien." Die „Germania" hält es sür nöthig, den Beschluß noch mit folgenden Worten zu „begriinden", richtiger zu entschuldigen: „Niemand wird bestreiten, daß einer fon- stituitten Fraktion ein solches Borgehen zusteht. Sollte es dennoch geschehen, so werden wir «eußernngcu hervor - ragender Abgeordneter und Thatsachen der Praxis auch aus dem Zentrum vorsührcn, nach denen das Recht jeder Aelellschast zur Entscheidung über die Mitglied- schäft (Aufnahme und Ausschließung, zum Beispiel deS Abg. Cremer) auch den Fraktionen znfteht, und, wie wir zusiigen, znstehcn muß. E« wird auch Niemand in Zweifel ziehen, daß die erfahrenen und bewährten Männer, die Erwählten des katholischen Volkes, welche Ter ®efel}cuttautf über die Abzahlungs - geschäfte hat uuttmehr die Komiuisiivnsberaihung völlig pussirt und der Bericht der Kvniiuijfion ist erichieueu. Dieselbe empfiehlt mit 8 gegen 3Stimmen die Annahme des iir einzelnen Punkten abgeänderten Rcgierungseat- wnrss. Die Kommission hat aus eigener jchöpserijcher Kraft einen neuen St raspa rag rauhen hiuzngejngt. Derselbe enthält das Verbot des Verkaufs von Lotterie- losen, Jnhaüerpapiereu mit Prämien oder Bezugs- oder Antheilscheine ans solche Loose oder Jnhaberpapiere gegen Theilzahlunge«. Die wirthschastlichen Seiten der Frage find in dein Bericht in höchst mangelhafter Weise erwogen, obwohl ihnen in erster Linie hätte eingehendste Beachtung geschenkt werden sollen. tages bei nur schwacher Besetzung mit 8 gegen 6 Stimmen eine Bestimmung ausgenommen, wonach das Recht auf P c n s i o n e r l i s ch t in dem Fall, daß der Pensionär mit Zuchthaus wegen Hochverrat Hs, Landesver - rat h S oder wegen Berraths inilitSrischerGe- heim nisse verurtheilt wird. Mit Recht nmrden Be - denken gegen eine solche Ausnahmebestimmung erhoben, für welche fn btn bisherigen Pensionsgesetzeu sich kein Beispiel findet. « n z «i fl e u werden die sechsgespalteue Pelitzeilc oder deren Rannt mit 30 4, für den ürbeit»mittft, Vermiet!» trug»- und Familie trau zeigen mit 20 berechnet. Anzeigen Annadme in der Expedition (dis 6 litte Add3.), sowie in sämmtl. Anuoncen-Burcaus Redattion und Expedition: Große Tßeatcrftraße 44 in Hamburg. Zentra mSsraktiou und schwer, ja unmöglich, in großen Fragen nicht kircheu- politischer Natur eine völlige Geschlossenheit einer so großen Fraktion wie daS Zentrum zu erzielen, und in nicht wenigen Fragen solcher Art hat die Fiaktiou auch schon srühcr nicht geschlossen gestimmt. Aber im gegen - wärtigen Augenblick wurde nach dem, waS vor- zusammen... 3t. 80 093 797 »Vergegenwärtigt man sich, daß hierbei der Verlust am Arbeitsverdienst, welcher hinter dem gezahlten Kranken - gelde kaum zurückbleiben wird, nicht berücksichtigt ist. daß sich die Zahlen nur auf einen Bruchtheil bet ge - säumten Bevölkerung beziehen, und daß eS sich dabei vorwiegend um Personen handelt, welche in einem ver- hältuißmäßig wenig für Erkrankungen empfänglichen Alter stehen, daß endlich im Jahre 1890, ans welchem die Zahlen herrühren, schwere Seuchen daS Land nicht heim- gesucht haben, so gewinnt man ein ungefähres Bild von der (MrBüe der Summen, welche der Allgemeinwirthschast im Ganze» durch Krankheiten verloren gehen, selbst wen» in Betracht gezogen wird, daß in jenen Zahle» diejenigen Aufwendungen der Krankenkaffe» mit begriffen find, welche für die durch Unfall hervorgerufenen Ver - letzungen während der ersten 18 Wochen gemacht werden müssen. „Gegenüber so erheblichen, durch Krankheit verursach- ten Schädigungen deS Volkswohlstandes ist es mehr und mehr zur Erkenntniß gekommen, daß ein großer Theil davon durch vorsorgliche Maßnahmen, insbesondere durch bessere „Pflege der öffentliche» Gesundheit, vermieden werden sann. So unabwendbar ein gewisses Maß von Krankl)elten erscheint, so unterliegt es doch keinem Zweifel daß, wenn In Staat, Gemeinde und Gesellschaft den durch Erfahrung gewonnenen Gebote» der öffentlichen Gesund - heitspflege eine größere Beachtung geschenkt wird, auch die Verbreitung und Verderblichkeit der Krankheiten eine merkliche Abminderung erfährt. „Eine Bestätigung hierfür bietet beispielsweise die Thatsache, daß die Pocken, welche den früheren Genera- ausgegangen ist, eine Spaltung des Zen- trumS in der Militär • Vorlage ttnS r“ ' - in Verbindung mit anderen Momenten d i e bedenk - lichsten Folgen für den Zusammenhalt und die Stellung der Fraktion hoben Das mögen und das werden sich auch die gegenwärtigen Führer der Fraktion, welche Windthorsts Hinterlaffen- schäft zu verwalten haben, in dieser Stunde sagen und die letzten Entscheidungen im vollen Gefühle der auf ihnen lastenden Verantwortlichkeit treffen." Die froktivusosfizielle „Germania" erklärt: „Im Zentrum besteht natürlich allgemein der Wunsch, es möge eine friedliche Lösung innerhalb des wirth- schastlich Möglichen und auch des militärisch Rathsamen eintreten; aber über das A»gebotene hinausgehen, hält, das wissen wir ganz bestimmt, wenigstens bie ganz immense Mehrheit nicht sür erlaubt, und er ist aus bem Zentrum, wenn überhaupt, wenigstens kein wirksamer Beitrag für eine Mehrheitsbildung im entgegengesetzten Sinne zu erreichen." Daraus scheint denn doch hervor zu gehen, daß die vielberufene Geschloffenheit des Zentrums in der Milftärvorlage nicht völlig gesichert ist. ist. Wenngleich eS auf diesem Wege glücklicherweise ge-' klingen ist, für die unmittelbare Bekämpfung ber Cholera । an den AuSbruchSorten zweckentsprechende Anordnungen herbeizusührcn, so bringt doch ein solche« Verfahren einen Zeitverlust mit sich, ber bei der Eilbedürftigkeit ber Ab- wehrmaßregeln in hohem Maße unerwünscht ist und ihrer Wirksamkeit leicht Abbruch thun sann. Bor Allem aber hat für ben Personen- eeb Güterverkehr der jetzige Rechtszustand sich al« unzulänglich erwiesen. Aus ber einen Seite war ei mit Schwierigkeiten verknüpft, für bie baS Gebiet verschiedener Bundesstaaten durch - schneidenden Verkehrswege, namentlich foioeit eS sich um den besonders gefährlichen BinuenschiffsahrtS- und Flößerei- verkehr handelt, die erforderlichen Schntzmaßregeln mit wünschenswerther Schnelligkeit in Vollzug zu setzen. Ans ber anderen Seite hat der Mangel an verpflichtenden Normen über Art und Maß ber zur Abwehr der Seuche anznordnenden BerkehrSbeschränkungen zur Folge gehabt, daß zahlreiche Behörden unter dem Drucke übertriebener Besorgniß sich zu Anordnungen haben bestimmen lassen, welche, ohne in sanitätSpollzeilicher Hinsicht einen Werth zu besitzen, den Verkehr auf das Empfindlichste gestört haben und selbst durch daS vermittelnde Eintreten der Reichsverwaltung nur schwer und langsam beseitigt werden konnten. Für bie betroffenen gewerblichen und Handels- tieife hat dies znm Theil harte BermögenSverlnste zur Folge gehabt. „Wider ansängltches Erwarten hat die Seuche während be» letzten Jahres eine größere Aus - breitung in Deutschland nicht gewonnen. Wäre eS ander« gekommen, so würden die Irrungen und Un- gleichmäßigkeiten in den Auordnnugen der Behörden, die Störungen deS Verkehrs und bie Schädigungen deS Er - werbslebens eine kaum abzufehende Trag' weite erhalten haben." Die ReichSregierung versichert, daß die Wahr- nehmungen, welche sie nach diesen Richtungen hin in ihren Bemühungen zur Bekämpfung der Cholera während deS letzten Sommers zu machen Gelegenheft hatte, ihr alsbald den Anlaß gaben, die Vorarbeiten für ein Reichs- gesetz in Angriff zu nehmen. Zunächst fanden im kaiser - lichen Gesundheitsamt unter Zuziehung hervorragender Sachverständiger, welche dem Amt als außerordentliche Mitglieder augehören, über bie einschlagenden wissen- schaftlich-techinschen Fragen Berathungen statt. Auf den hierdurch gewonnenen Grundlagen ist sodann bet dos liegende Gesetzentwurf ausgearbeitet worden. insbesondere für bie Abwehr und Unter, drückung bet Viehseuchen imrch das Gesetz vom 23. Juni 1880 einheitliche Grundlagen geschaffen hat, ist die- auf dem Gebiete des Medizinal wesens bisher nicht in gleichem Umfange geschehen. Die hier erlassenen, reichsgesetzlichen Bestimmungen be- schränken sich der Hauptsache nach auf bie Verhältnisse be» HeilpersonalS, auf ben Schutz ber arbeitenden Be- völkerung gegen die gesundheitsschädlichen Eiuwirkmigeii der gewerblichen Betriebe und auf ben Verkehr mit Nahrungsmittel», Genußmilteln und Gebrauchsgegeu- stäuben. Mit ber Bekämpfung ber besonbers gefährlichen Volksseuchen, welche für das Gemeinwohl von höchster Bedeutung ist, befaßt sich nur daS Jmpfgesetz vom 8. April 1874. Im klebrigen ist die Regelung dieses wichtigen Theile» ber Gesundheitspolizei bisher ber Lanbesgesetzgebung überlassen geblieben. Ueber bie in ben einzelnen Bimbesstaaten bestehenben Vor' schristen ist ein Ueberblick schwer zu gewinnen ; eS ist aber nicht zweifelhaft, baß bie einschlagenben Bestim- mungen einerseits erheblich von einander abweichen und andererseits den jetzigen Verkehrrverhältnissen, sowie dem heutigen Standpunkte der Wiffeuschast, namentlich ben neuesten Forschungen über bie Krankheitserreger unb ihre Lebensbebingungeu nicht mehr durchweg entsprechen. Dies gilt vor Allem von Preußen, wo in den älteren Landesthellen noch jetzt bie durch Kabinetöorbre vom 8. August 1835 zur Einführung gelangten „Sanität»- polizeilichen Vorschriften bei den am häufigsten vor- kommenden ansteckenden Krankheiten" in Geltung sind Das Vedürsuiß nach einer neuen Regelung hat sich in Preuße» schon längst geltend gemacht; von einem Vor - gehen im Wege ber Lanbesgesetzgebung hat jedoch die Erwägiing abgehaften, baß für bie schwersten Seuchen nur burdj reichsrechtliche Bor- schristen die Aufgabe in befriebigenber Weise gelöst werben sann. „Der Erlaß eine» ReichSgesetzes über die Bekämpfung gewisser BvlkSseuchen bildet schon seit geraumer Zeit einen lebhaften, wiederholt zum Ausdruck gebrachten Wunsch bet ärztlichen Kreise. Besonders empfindlich aber hat sich bet Mangel eines solchen Gesetze» bei dem Austrelen ber Cholera im Jahre 1892 sühlbar gemacht, unb zwar nicht nur für bie ärztlichen Kreise, sondern auch für die Behörden und für alle an Handel unb Ver - kehr beseitigten Bevölkerungsgruppen. Nur bezüglich ber Gefahr einer Einschleppung ber Seuche auf bem Seewege wat ein gleichmäßige» Verfahren für alle beulschen Häsen durch bie im Jahre 1883 von ben Bunbesseestaaten auf Grund vorheriger Verein - barung erlaficnen Vorschriften einigermaßen sicher ge - stellt. Im Uebrigen fehlt ei dagegen an einheitlichen, die Behörden im ganzen Reiche ohne Weiteres bindenden und da» Verhalten ber Bevölkerung leilenben Be- stimmungen. Die Nelchsverwaltung mußte sich daraus beschränken, diejenigen Grundsätze, welche nach dem Urtheile ber von ihr befragten Sachverständigen gegen - über ber Choleragefahr zweckmäßig zu befolge» sind, sestzustellen und die Durchführung derselben den Lande«. Die Stellung des Zentrums zur F u 9 a n g e l ■ scheu Wahl ist nunmehr, wie bereits kurz telegraphisch berichtet, entschieden Herm Fnsaugel ist bei Eintritt in die Zentrumsiraktion verschlossen worben. Die „Ger- mania" berichtet des Näheren darüber: „Die Fraktion kam ohne jede Schwierigkeit zu einem einstimmige n Beschluß über das Fusangel'sche Schreiben. Derselbe ist am Sonnabend in einem eingeschriebenen Briese an Herrn Abgeordnete» Fnsangel nach Bochum gesandt worden, Letzterer ist also zweifellos jetzt int Besitz dieser Antwort, und es steht also ber Beiöffentlichung des einstimmig gefaßten FraktionSbeschluffeS nicht» mehr im Wege, der - selbe lautet: „Die Zentrum-fraktion des Deulschen Reichstages hat von ber Erklärung deS Hrn. Abgeordneten Fusangel dd. Bochum, den 6 April er., Kenntniß genommen. „Wenn die Fraktion auch gern den gemäßigten und entgegentommenbeii Snrntter dieser Erklärung anerkennt, so macht eS ihr doch die Art und Weise, wie die Ren- bibatur des Herrn FuSaregel im Wahlkreise Arnsberg- Olpe-Meschede im bewußten Gegensatze zur sonder« verhängni Die AtiSdehnttng deS KerickitSverfaffttitgS- gcfeheck auf Helgoland betreffend, ist dem Reichs - tage ein Gesetzentwurf s»gegangen. Nach demselben sollen laut Artikel 1 die 25, 26, 40, 43, 44, 86 und 87 des Kerichtsbersaffnngsgesetzes vom 27. Januar 1877 für Helgoland mit folgenden Maßgaben gelten : Zn § 25: Für den Bezirk von Helgoland wird ein Schöffengericht mit dem Sitze daselbst gebildet. — Zu § 26: Tie Schöffen werden aus den Einwohnern der Insel ent - nommen. — Zn ff 40: Für ben Bezirk von Helgoland tritt ein besonderer Ausschuß aus der Insel zusammen. Der Ausschuß besteht ans bem Amtsrichter als Bor- fitzenden und einem von ber Landesregierung zu be - stimmenden Staatsverw.illtingsbearnten, sowie zwei Ber- troueu«mäniiern al» Beisitzern. Die DertrauenSmäuner werden au« den Einwohnern ber Insel gewählt Zur «eschlußsähigkeit beS Ausschusses genügt bie Anwesenheit be» Vorsitzenden, be« StaatsverwaltnugSdeamteu unb eine« $ertrauen»manne«. Zu tz 43: Die erforderliche Zahl von Hauptschösfen und HülsSjchöfsen wird durch die fiQiibtSinfü^ücttoflltung bestimmt. Hu S "r Di» «amen bet erwählten Hanptschösseu nnb Hülssschöffen werde» fit gesäuberte Verzeichnisse ausgenommen (Jahresliste). Zn § 86: Die Zahl ber auf den Bezirk von Helgoland entfallenden Beschworenen wird durch die Landesjustizverwaltung bestimmt. Zu §87: Der Ausschuß (§ 40) hat gleichzeitig diejenigen Personen aus der Urliste auszuwählen, welche er zu Geschworenen für das nächste Geschäftsjahr vorschlägt. Die Vorschläge sind imch bem dreisachen Betrage der auf Helgoland u er - theilten 3abl der Geschworenen zu bemessen Der Schluß- artikel 2 bestimmt, daß dieses Gesetz am 1. Januar 18V1 fn Kraft treten soll erscheinen und Ans »ik neue MiUtärUorkagr richtet sich M» Regierung offenbar schon ein, ohne erst da« Votum des Reichstages abzuwarten. Die „Hamburger Nachrichten" wußten schon vor einigen Tagen z» berichten, daß bei dem diesjährigen E r s a tz g e s ch S s t in Bezug auf bie Anforderungen an die Dienfttauglichkeit sehr eiri ge - ringere Ansprüche gestellt werden. Jetzt wird durch die „Riünchener Pest' an» Baiern das Gleich« bekannt. Es muß als« völliges System in der Sache jein, d. tz. entsprechende Anordnung von kompetenteste» Stelle »er* liegen. Ueber die dieser Tage in Tölz (Oterbaiern) stattgehabte Rekrutirnng berichtet die „Münchener Post" t Es sind noch niemals so geringe Lmorderimgeu an die Diensttanglichkeit gemacht worden. Leute, welche man noch im letzten Jahre wegen kleinen Wuchses ober körper - licher Mängel als untauglich angesehen hatte, wurden heuer genommen. In einigen Gemeinden wurden alle Pflichtigen für tauglich erklärt; aus ben drei Gememben Kochet, Bencbtflbfuren «nd Bickl, in welchen es neben sehr kräsligeii Männern doch auch schwächere giebt, von 53 nur 3 ziiriickgcftellt. Sogar ein Hinkender, der Schneider ist, wurde zu den Oekonomie-Hatchwerker« ge - nommen ; wenn der in Uniform gesteckt unb mit bet Waffe ausgebildet wird, muß sich das hübsch ansnehmen. Jedenfalls zeigen diese Dinge, daß der Mililaiisum« bereit» so aus die Spitze getrieben ist, daß ein Schritt weiter zum Zusammenbruch führt. Und da« fühlt das Volk auch. Die allgemeine Stimmung ist eine nichts weniger al# frohe @iu dumpseS Murren und Gähre» geht durch die Bevölkerung, nab Überall kann man wahruehtnen, wie die sozialdemokratischen Versammlungen den Leuten bie Zunge gelöst und ihren halb unbewiißien Gesühlen einen bewußten AnSdrnck und eine Richtung gegeben hat, bie blos ihre Zeit braucht, um schließlich unwiderstehlich zu werden. Wen» die Sozialdemokraten wieder kommen, so finden sie überall danlöare Zuhörer; die Leute lechzen ordentlich danach, nach all'den windigen Redensarten endlich ein kräftiges Wort rücksichtsloser Wahrheft zu hören. I. □ In ber Beilage zu Nr. 85 unseres Blattes vom 12. b. M. haben wir ben vom Bunbesrathe beschloßenen und nunmehr dem Reichstage vorliegenden Sn tw urf »ineS Gesetze» betreffend, die Bekäm- pfuug gemeingefährlicher Krankheiten, mitgetheilt. Ehe wir zur Kritik desselben schreiten, er - scheint es geboten, da» Hauptsächlichste au» der B e- gründnng de» Entwurss zur Kenntniß unserer Leser z» bringen. Es wird da versichert: ein kräftige» Eingreifen ber öffentlichen Gewalten gegenüber ben bte Bevölkerung bedrohenden Seuchen- gefahren werde nicht nur durch Rücksichten der Gesund - heitspflege, sondern auch durch schwerwiegende wirthschastliche Gründe gerechtfertigt. Für diese Wahrheit wird bie Regierung hoffentlich nicht auf die „Priorität be# Gedankens" sich berufen, — denn wie oft schon seit vielen Jahren ist baffelbe, leider ver - geblich, von anderer Seite, auch von sozial - demokratischer, gesagt worden. Da» „kräftige Eingreifen ber öffentlichen Gewalten" hat unerhört lange auf sich warten lassen; gerechtfertigt wäre e» schon weit früher gewesen, ehe im verflossenen Jahre da» furchtbare Sencheiiuiihell über Hamburg kam. Alles in Allem ist biefcS Unheil doch nur eine von klar sehenden Leuten lange vorausgesagt gewesene Folge der schlimmen Unterlassungssünden, deren die öffentlichen Gewalten der beständig drohenden Seuchengefahr gegenüber sich schuldig gemacht. Um so eigenthümlicher ist der Eindruck, ben aus uns ber f olgenbe Satz der Be - gründung hervorbrlugt: „Wenn die Reichsverfaffung im Artikel 4 Nr. 15 die Verantwortlichkeit für die wirksame Be - kämpfung der Seuchen bem Reiche mit überwiesen hat, so ist bas nicht zum Wenigsten in ber Erkenntniß ber großen Schäbigungen geschehen, bie bnrch verheerende Volkskraukheiten dem Wohlstände des Lande» bereitet werden können." Die ReichSverfasiung batirt vom 16. April 1871, ist also zwei» nbzwanzig Jahre in Kraft. Hätte bie ReichSregierung von Anfang an in dieser ganzen Zeit Ihrer Verantwortlichkeit nach besten Kräften genügt, so würde ber Reichstag nicht heute erst sich mit einem Gesetz zur Bekämpfung ber Seuchen zu befassen haben unb bie Seuche vom vorigen Jahre würde un« wohl auch erspart geblieben sein, wenigsten» in ihrer beispiel - losen Heftigkeit. Es wirb ber Regierung unmöglich fein, den schweren Honen eine der gesürchtetsten unb verderblichsten Volks» krankheiten waren, heute in Deutschland Dank ber gegen sie ergriffenen Abwehrmaßnahmen nahezu erloschen find. Ebenso wie die Pocken lasten sich aber nach ben An - schauungen ber Wissenschaft noch weitere, ihrer verheereu- ben Folgen wegen allgemein gefürchtete BolkSkrankheiten durch sorgfältige Durchführung gesundheitlicher Maß - nahmen erheblich einschränken. „Erwägt man einerseits, welche Schädigungen durch Epidemien dem Volkswohlstände zngesügt werden, unb berücksichtigt man andererseits bie günstigen Erfolge, welche vermöge ber zielbewußten Bekämpfung bei einzelnen gemeingefährlichen Krankheiten bereit» erreicht worden sind, bann erscheint e» in bet That der Mühe werth, wenn ba» Reich nach einheitlichen Grundsätzen die Abwehr gewisser Seuchen von erfahrungsgemäß be- sonder» bösartigem Karakter regelt.“ Wirklich? Erscheint e» jetzt endlich in ber That „berMühe werth“, auch'gegen andere gemeingefähr- liche Krankheiten vorzugehen? Ist beim das mörderisch, Walten der Cholera-Seuche erst feit dem August v. I. besannt? Unsere Großmütter wußten darüber schon zu erzählen. Biel Schreckliche» I Und hat bie Reichs- regierung, die sich in der Begründung ihres Gesetz' entwürfe- auf die Anschauungen der Wissen' schäft beruft, nicht gewußt, daß, wie die Wisteuschaft nachweist, eine Tholeragesahr in Permanenz besteht? Un» ist da» schon lange bekannt. Möge man über die Krankheitserreger unb ihre Sebcnäbebiiigungen im Zweifel gewesen sein — wie man e 8 in wissenschaftlichen Kreisen noch ist — dar entschuldigt nicht da» Säumen der ReichSregierung, gegen die Gefahr entschieden Stellung zu nehmen wenigsten» unter allgemeinen hygieinischen Gesichtspunkten, z. B. in Bezug auf gesunde» Trinkwasser und gesunde Wohnung. Im Jahre 1883 wurde Koch als Führer einer wissenschaftlichen Expedition von der ReichSregierung zur Erforschung der Cholera nach Egypten unb Indien ge - schickt. Ein Jahr später verlautete, koch habe durch eiftigste Forschung in dem von ihm sogenannten „Komma- ober Cholerabazillus" den eigentlichen spezifischen Cholera- erreget entdeckt. Die Reichsregierung glaubt an diesen Bazillus; sie hält die Koch'sche Theorie für bie richtige, währenb wissenschaftliche Kreise ihr bie Richtigkeit, ober wenigstens die absolute Richtigkeit abftreiten. An- genommen, sie sei richtig. Aber was hat denn die Reichsregiernng seit 1884, also volle neun Jahre hindurch, gethan, die Koch'sche Theorie zur „zielbewußten Bekämpfung" ber Choleragefahr zu verwerthen ? Als im August 1892 bie Seuche uns überraschte, fing man an, mit biefer Theorie zu experimcutiren. In der Begründung wird dann weiter aiiSgeführt: „Während das Reich auf bem Gebiete der Bet e- rtnärpolizei von dem ihm zustehenden Gesetz- gebuiig-recht bereits ausgiebigen Gebrauch gemacht unb I« der Militärfrage droht dem Zentrum ein riesiger Abfall der Wähler, wenn es der Militärvorlage zu einer Mehrheit verhilft. Bleibt es fest, fo ist bie# nicht zum Wenigsten der drohenden Haltung bet Wähler zu bauten. Eine sehr entschiedene Sprache führte daher auch ant Sonntag in einer Bauer »Versammlung in Neubeuern bet Rosenheim (Baiern) ber Vor - sitzende ber baierischen ZentrumSsraktiou, Datier, der Folgendes erklärte: „Wir verlangen von bem Zentrum, baß es gegen bie Militärvorlage stimme; wenn die preußischen Herren, ivelche ihrer ganzen Natur »ach bezüglich der Militärvorlage etwa« anderer Ansicht find, welche Ansicht auch zu uns etwa» ringe- drungen ist, für die Vorlage stimmen und die Vorlage, was ich für unmöglich halte, durchbringen, so muß sich das baierische Zentrum sofort von Preußen lossagen." Ter Redner erklärte ferner, daß das Volk mit den Maßnahmen des Reiches nuzn- stieben fei. Baiern Ijabe eine gute Finanzlage, das Reich habe indeffen so gehaust, daß man e« unter Kuratel stellen müßte, wenn eS nicht das Reich wäre. „Hatten wir", so rief Herr Toller oiiS, „in den Jabren 1866 und 1871 nicht recht, uns zu wehren? Preußen ist ein Mckitärstaat und kennt keine Rücksicht auf seine Unter - thanen, auf un« Baiern schon gar nicht." Wenn Herr Toller kurz und bündig erklärt, daß sich daS baierische Zentrum „sofort von Preußen", b. h vom nichtbaierischen Zentrum lossagen müsse, falls letztere» für die Militärvorlage stimme, und wenn Herr Toller gar bie Erinnerung an die Politik deS baierische» Zentrums in den Jahren 1866 und 1871 wach ruft und ansrust, Preußen sei ein Mckitärstaat unb kenne keine Rücksicht auf seine Unterthanen, „auf un« Baiern schon gar nicht" — bann muß man annehmen, daß ber Vorsitzende der baierischen Zenttumsftaktion die Stinimuug der baierischen Zentrums wä h l e r s ch o st endlich genau ersannt hat, daß e« ihm darum mit seiner Drohung voller Ernst ist unb er nicht blos seine eigene, sondern die Ansicht der ganz überwiegenden Mehrheit feiner baierischen Fraktionsgenoffen ausspricht. Eine solche Erklärung von solcher Stelle au« wird auf bie „preußischen Herren" ii der ReichtlagSftaktion kaum ohne Wirkung bleiben unb bett „Verständigung«". Gelüsten einzelner derselben einen kräftigen Dämpfer onsjetzett. Die ablehnenden Theile des Zentrums sehen dem I schließlichen Ausgang darum auch mit einiger Sorge I entgegen. Die „Köln. Bolksztg." schreibt: „Die Zen- I trumsfraktion bei Reichstages steht in diesem Augenblick vor einet folgenschweren Entscheidung Auch für da» Zentrum macht sich die „Aera der Schwierigkeiten * bemerkbar, welche jüngst die Histor.-polit. Blätter für die alten und älteren celitifcben jenen Beschluß einstimmig gesoßt haben, das nach ruhiger allseitiger gewtffenhaster Erwägung der Sache und ihrer Konsequenzen gethan haben. Die volle Sach, gennißheit des Beschlusses ist klar zu erweisen, sowohl bezüglich de« Kernpunkte« der Frage, den bie Fraktion allein als Motiv hervorhebt, wie noch aus einigen anderen Gründen, die eventuell zu erörtern wir ,. .bereit sind." > orden. Der Präsident gab 1 Daß die Taktik her ZentrumSsraktiou in dieser i, einen neuen Antrag zu sor- Frage eine glückliche ist, kann man nicht sagen. Da» .ii-amburger Echo' erscheint täglich, außer Montag«. Die Neue Weit') beträgt: durch die Post bezogen (Nr. de« Post. DerNboune.»ent-pr«S(.n vie'rteljährl A4.20; durch die Kolportöre wöcheutl. 36 4 frei In'« Hau«. l mullren. Abg. Tlhlwardt hat daraus hiu einen neuen Antrag eingereicht, welcher lautet: „Der Reichstag wolle beschließen, eine Kommission von 21 Mitgliedern zu ernennen, welche zu prüfen hat, ob und in wieweit der Inhalt der von dem Abgeordneten Ahlwardt bem Reichstag üvergebenen Akten die durch den genannten Abgeordneten in den Sitzungen vom 18. unb 21. März d. I. gegen frühere und jetzige Mitglieder be« Reichstage» und des Bundesrathe« erhobenen Anschuldi- gütigen rechtfertigt." Dieser Antrag, ber von sozialdemokratischer Seite entworfen wurde, sand die Zustinuuung deS Präsidenten, und so steht der Verhandlung beflelbeit in den nächsten Tagen nichts mehr im Wege, vorausgesetzt, daß der Abg. Ahlwardt uuttmehr die Afteu dem Reichstag Übergiebt. regkrungen zu empfehlen. Sie mußte sich in einzelnen Fällen auch zu einem Eingreifen entschließen, dessen vcr- j sassnngsmSßlge Berechtigung nicht ganz außer Zweifel r g 0 cro t e f en tu War, auch nicht überall ohne Beanstandung geblieben Herrn Ahlwardt anheim freunden, die AhlwardtS Wahl so eifrig gefördert haben, fand sich Ni ent and, der den tzlntrag unter- zeichnete, auch der Stöcker nicht, sein „würdiger Bruder". Und von den engeren Bunde«brüdern, den Antisemiten, innren auch nur zwei gewillt, dem Ahlwardt zu seinem Anträge zu verhelfen. So waren e« die Sozial- bemofrnten, die .verjudeten" Sozialdemokraten, die der Ahlwardt-Monitor, der Ahlwardt und seine Freunde alltäglich beschimpfen, die den Deckel vom Topse nahmen. Der Antrag ist vom Präsidenten von Levetzow al« Tie Erledigung der Ahlwardt - riffärc im Reichstage häng' noch immer in der Schwebe, «hl- warbt hatte bem Reichstage am Sonntag solgenden bringlichen Antrag zngehen lassen: „Der Reichstag wolle beschließen, eine K o in m i s s i o n v o n 2l Mit- gliedern zu ernennen, welche über den Inhalt der vom Abgeordneten Ahlwardt dem Reichstag übergebenen Akten Bericht zn erstatten hat." Außer dem Antrag, steller haben 19 Abgeordnete (17 Sozialdemo- traten, 2 Antisemiten) ihre Unterschriften ge- geben, nämlich die Sozialdemokraten Auer, Bebel, Dietz, Seifert, Hofmann, Schultz, Singer, Meister, Bock, Kunert, Schmidt (Frankfurt), Geyer, Hickel, 8Bister, Stadthagen, Wurm und Schwartz and die Antisemiten Pickenbach und Werner. Unter den konservativen Tivoli- Ztr bem Gesetzentwurf itster bett Verrath militärischer Geheimnisse, in dessen zweite Be - rathung der Reichstag heute (Dienstag) eintreten wird, haben die Freisinnigen Abgg. Dr. v. Bar nutz Schrader folgende A bändertrngsvorfchläze eingebracht: Der Reichstag wolle beschließen: I. An Stelle der 88 1 bis 4 der Beschlüsse ber Kornntisfian zu setzen r § 1. Wer vorsätzlich und mittel« Begehung einer strafbaren Handlung ober Anwendung besonderer List (vergleiche § 2 dieses Gesetze«) von militärischen amtlich geheim gehaltenen und im Interesse der Landesvertheidi- gung Geheimhaltung erfordernden Plänen, Zeichnungeit, Erfindungen, Schriften, Anorbuungen, Eiitrichtnngen oder Gegenständen sich Kenntniß oder Besitz verschafft, Im Gleichen wer solche Kenntniß ober solchen Besitz in amtlicher Eigenschaft ober in Anlaß eines ihm mittelbar ober unmittelbar ertheilten amtlichen Auftrag- erlangt hat und vorsätzlich diese Kenntniß ober bieten Besitz einem Anberen übermittelt, von dem er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß derselbe davon einen bie Sicherheit be« Deutschen Reiche» gefährdenden Gebrauch machen werde, wird mit Zuchthaus nicht antet zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bi» zu fünfzehntansend Mark erkannt weiden kaun. — Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungsstrafe nicht unter sechs Monaten ein, neben welcher ans Geld - strafe bis zu zehntausend Mark erkannt werden kann. § 2. Wer vorsätzlich und mittels Begehung einer strafbaren Handlung ober mittel# falscher Angabe ober Verheimlichung seiner Lebensstellung, mittel« Verkleidung, mittels Benutzung der Trunkenheit ober Angetriiukeiihett eines Anderen ober sonst durch besondere List sich Kcuut- niß oder Besitz von militärischen, amtlich geheim ge - haltenen unb im Interesse der Landesvertheidigung Ge - heimhaltung ersordernben Plänen, Zeichnnngeu, Schriften, Anordnungen, Einrichtungen ober Gegenständen ver - schafft, wirb mit Gefängniß bi« zu drei Jahren ober mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. — Neben bet Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu 5000 erkannt werden. — Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich ans die Geldstrafe erkannt werden. — Der Versuch ist strafbar. Ls« kl LMtM. Der Reichstag ist erst drei Tage wieder zusammen und bereit« zwei Mal wurde wieder fein unheilbares Uebel, die Bcschlußunfähigkeit, ton statt«. Ob eS vor der Entscheidung über die Militärvorlage noch! besser wird, ist fraglich, da diese das Jntereffe für alle anderen gesetzgeberischen Srbeften in den Hintergrund ge - drängt hat. ES kommt hinzu, daß an dem vorliegende» Verhaudlungsmaterial eigentlich Niemand rechte Freude hat; ist e» doch meist reine Gelegenheitsarbeit und recht reaktionärer Natur. Außer ben Junkern unb Muckern beider Konfessionen dürfte kaum Jentand eine Thräne weinen, wenn das Meiste von beut noch vorliegenden Gesetzntaterial unerledigt bliebe. Das reaktionäre Ge- lichter dagegen ärgert sich natürlich darüber, daß durch Konstaiirung bet Leschlußitnsähigkeit bie Dnrchdrücknng der reaktionären Bestimninngen zwar nicht veihindert, aber dach vorläufig hinausgezögert tvlrb. So schreiben bie „Hamb Nachr." - „Es ist kein Zweifel mehr, bie Freisinnigen wollen jebes sich bietende Mittel ergreifen, um daS Zustande - kommen deS Wuchergefetzes zu verhindern. Zu diesem Zwecke machten sie auch am Freitag bie Abstimmung über bie ben Sachwucher betreffenden Bestimmungen un- möglich, und heute versuchten sie am Anfänge der Sitzung sogar, das Wachergesetz ganz von ber TageSorbnung zn entfernen. Ta ihnen dies nicht gelang und ber Prä- fident mich die vom Freitag l;cr noch ausstehende Ab - stimmung ans einen späteren Zeitpunkt verschob, so be - nutzten sie den Augenblick, als es zur Abstimmung über Art. 4 kommen sollte, tun von Nettem — unb mit Er - folg — bie Befchiußunsähigkeit anzuzweifeln. Da bei vollbesetztem Hense bem Wnchergesetze eine Mehrheit zweifellos gesichert ist, so würde dies Verfahren unter normalen Verdältniffen als eine ziemlich zwecklose Bos - heit der Minorität gegen die Majorität erscheinen, aber man würde den Freisinnigen Unrecht thun, iveun man sie int vorliegenden Falle einer so Ueinlichen Hand - lungsweise bezichtigen wollte. Sie rechnen mit einem plötzlichen Abbruche ber Thätigkeit dieses Reichs- tages und hoffen, daß ei einer rücksichtslos burdtge- führten Obstruktionstaktik gelingen könnte, zu verhindern, daß das Wuchergesetz noch vor diesem Zeitpunkte zur definitiven Entscheidung käme. Unter diesem Gesichts- punkte hat ba» Verfahren ber Freisinnigen einen sachlich recht wohl verständlichen Zweck, nur muß man sich wundern, daß dieser große und doch für jede Partei mehr oder weniger zweischneidige Apparat grabe in biefer Sache in Bewegung gesetzt wird." Wenn die Majoritätsparteien ihrer Pflicht so wenig genügen, daß sie den Reichstag nicht vor ber Beschluß- unsähigkeit schützen, so wären die Minoritätsparteien sehr unpraktische Leute, icenn sie nicht bie Gelegenheit be- nützten, ihnen unliebsame Gesetze zu hintertreiben. Sie können dieses Recht um so mehr in Anspruch nehmen, als die $tajorität»parteien bie Entscheidung über die Militärvorlage hinansgezogen haben, um noch allerlei reaktionäre Gesetzesändernngen unter Dach zu bringen.