Nr. 158. 7. Jahrgang. Hamburger Echo. Das „Hamburger Echo" erscheint tLglich, außer Montag». Der NboimementSprciS (infl. „Die Neue Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. de» Post, katalogs 2795) vhne Briugcgeld vierteljShrl.-i,.4,20; durch di- Noiportöre wdchenti. 36 4 frei in'» Hau» Perantwortlicher Redaktvr: C. Heine in Hambnrg. Sonnabend, den 8. Juli 1898 Anzeigen werden die sechsgespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 30 4, für den ArbeitSlnarkt, BerinicthnngS- und Familicnanzeigen mit 20 4 berechnet. Anzeigen Annahme in der Expedition (bis 6 Uhr 4lbdS.), sowie in fämmtl. Ännoiiceii<®ünaul- Redaktion und Expedition: »rohe Tbcnterftraßc 44 in Hamburg. Hierzu eine Beilage. Keßrilhen. • Ach, hättest Du doch einen andern Text Zu Deiner Bergpredigt genommen l hat Heinrich Heine beim Anblick des großen Kruzifixe- zu Paderborn wehmüthig ausgerufen. Und was war es denn für ein Text, der dem hohen Konsistorium von Jerusalem, dessen Mitglieder Pharisäer genannt wurden, so anstößig war, daß eS die bösen Geister des Fanatis - mus gegen den Prediger hetzte, die ihn schließlich an's Kreuz brachten? Hatte er vielleicht den Jehovah ge - lästert, den Unglauben und den Haß gepredigt? Nicht doch, sein Thema war im Gegentheil die Liebe, die praktische Nächstenliebe. Der „Mühseligen und Beladenen" nahm er sich an, denn „es jammerte ihn des Volkes, da Jet sahe, daß sie verschmachtet waren". Daher schleuderte er scharfe, bittere, zornige Worte gegen den Reichthum, der durch Raub an den Armen erworben wird; daher verlangte er von den Reichen, daß sie der Noth der Armen durch ihren Ueberflnß gründlich steuern ; daher geißelte er die Pharisäer , die es mit den Reichen hielten und Religion und Kirche so zu - stutzten, daß sie sich recht gut mit der Lieblosigkeit, Hart - herzigkeit, Ausbeuterei verträgt. „Wehe euch, Schrift- gelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Wittwen Häuser fresset und wendet lange Gebete vor." Gebete und Glauben und Opfer und Feste und Fasten und allerlei andere Observanzen — das warS, was die offizielle Kirche von Jerusalem von ihren Mitgliedern heischte; so konnte man ein Frommer und doch ein Bolks- aussauger und Leuteschinder sein, und dabei gedieh auch der Weizen der Priester, Pharisäer und Schriftgelehrten vortrefflich. War es ein Wunder, daß sie in Harnisch geriethen, als der Prediger aus Nazareth ihre Zirkel störte und sogar „Geldwechsler, Bankiers mit der Peitsche aus dem Tempel jagte" ? Ja, hätte er sich darauf beschränkt, den Armen Zufriedenheit zu predigen und sie auf den Himmel zu vertrösten, dann wäre er ihr Manu gewesen. Sogar feine Gleichheitslehre hätte ihm die Oberkirchenbehörde von Jerusalem verziehen, wenn sie im Sinne des Uhland'schen Verses gehalten gewesen wäre: „Ich ging zur Tempelhalle, zu hören christlich Recht: Hier innen Brüder alle, da draußen — Herr und Knecht." Auch unserem Stuttgarter Genossen Th. v. Wächter, Predigtamtskandidaten, hätte es die offizielle Kirche verziehen, wenn er feine Reden mit einigen Tropfen Sozialismus gesalbt hätte, wie es heutigen Tages manche Pastoren lieben. Eine solche Transfusion des Blutes ist ja geeignet, den welken Organismus der Kirche ein Bischen auszufrischen und dem Kapitalismus wird dabei kein Haar gekrümmt. Daß aber Wächter mit dem Sozialismus vollen Ernst machte, daß er Sozialdemokrat wurde, eingeschriebenes Mitglied der sozialdemokratischen Partei, daß er nach dem Borbilde des Bergpredigers gegen den Klaffenstaat und Kapitalismus mannhaft Front machte, das ging dem Württembergischen Hohen- priesterthum über die Hutschnur und so hat es ihn denn dieser Tage aus der Liste der Pre - digtamtskandidaten gestrichen. Hatte Wächter etwa den gewaltsamen Umsturz ge - predigt ? Mit Nichten; vielmehr betonte er in allen seinen Reden das Gegentheil. Oder hatte er die Glaubenslehren und Sakramente der Kirche angegriffen? Ebensowenig. Im Gegentheil war sein Lieblingsthema: „Kann ein Christ Sozialdemokrat sein?" Er suchte nachzuweisen, daß Christenthum und Sozialdemokratie keine einander ausschließende Gegensätze wären und daß somit ein Christ sehr ivohl Sozialdemokrat sein könne (entsprechend unserem Programmsatz: „Religion ist Privatsache"). „Ach hättest Du doch einen anderen Text zu Deiner Predigt genommen!" Statt den christlich gesinnten Kreisen die Sozialdemokratie zu predigen, hätte er um- gekehrt den Sozialdemokraten das Christenthum predigen sollen, dann wäre ihm das offizielle schwäbische Schrift- gelehrtenthum hold gewesen und er hätte es noch zum Hosprediger und Prälaten bringen können. Der Klassenstaat zeitigt zu allen Zeiten die gleichen Erscheinungen, nur ein wenig modifizirt. Die offizielle Priesterschaft hält es immer mit der herrschenden Klaffe, ob sie auch der unterdrückten Klaffe noch so katzenfreund - lich schön thut. Und wenn einmal einer ihrer Kaste aus der Art schlägt und als echter Volkstribun die Sache der Unterdrückten aufrichtig führt, dann liefert sie ihn an's Kreuz oder streicht ihn aus der Liste der Predigt - amtskandidaten. Unser gemaßregelter Genosse Wächter aber kann nun auch über das variirte Thema sprechen: „Kann ein Predigtamtskandidat Sozialdemokrat sein ober umgekehrt ein Sozialgemokrat Predigtamtskandidat fein?" Loil Her Weltbiihkk. Aus dem Reichstage. Die National- liberalen werden durch Osann eine In t erp el- lat i 0 n im Reichstage einbringen, in der Ansknnft er - beten wird, ob die Regiening bei den diesjährigen Manövern Rücksicht ans die namentlich im Westen und Süden herrschende Futternoth nehmen will. Die Konservativen brachten einen Antrag aus Er - mäßigung der Eisenbahntarise für Mast - vieh ein, damit leichter Vieh auS futterarmen nach mtterreichcn Gegenden transpvrtirt werden könne. Die Konservativen beantragen ferner, den Umfang deS Noth- standes zu ermitteln, und erforderlichen Falls Unter - stützung durch Reichsmittel zu gewähren. Zu Abtheil ungsvor sitzenden sind folgende Abgeordnete gewählt worden. I. Abtheilung: Auer, Vorsitzender; v. Czarlinski, Stellvertreter deS Vorsitzenden. S. Abtheilung : Dr. Laiigerhans, Vorsitzender ; Dr v. Mar- tuardsen, Stellvertreter de« Vorsitzenden. 3. Abtheilung: Frhr. v. Unruhe Bomft, Vorsitzender; Günther, Stell - vertreter des Vorsitzenden. 4. Abtheilung: Dr. Lieber- Montabaur, Vorsitzender; Träger, Stellvertreter des Vorsitzenden. 5. Abtheilung: Graf v. Kanitz-Podangen, Vorsitzender; Dr. Rintelen, Stellvertreter des Bor- sitzenden. 6. Abtheilung : Gras v. Hompesch, Vorsitzender; Hüsteln - Stellvertreter de« Vorsitzenden. T Abtheilung: Dr. v. Bennigsen, Vorsitzender; Singer, Stellvertreter des Vorsitzenden Der Schacher ist schon im Gange. Betreffs der Militärvorlage sanden, wie die „Nat.-Ztg." meldet, Besprechungen zwischen den Führern bet für bie Vorlage eintretenden Parteien und mit dem Reichs- kanzler statt, welche die Formulirung der zwei- Shrigen Dienstzeit und die von der Regierung über die Deckungssrage abzugebenden Erklärnngen betrafen. Obgleich, bemerkt das nationalliberale Organ, in diesen Beziehungen noch nicht alle MeinuugS- Verschiedenheiten beseitigt sind, und die Gruppe der Bnti- emiten betreffs ihrer Abstimmung uneinig ist, wird an )er Annahme der Vorlage nicht gezweifelt. Die Session dürste schon Ende der nächsten Woche geschloffen werden können. Die Stellung der Antisemiten zur Militär - vorlage präzisirt die „StaatSbg. Ztg." für die „Deutsche Reformpartei," das find die Böckel'schen Anhänger, wie folgt: „Die vielfach verbreitete Meinung, daß die An- nähme der Militärvorlage durchaus gesichert sei, ist eine irrige. Richtig ist, daß beiden Mittelparteien die Absicht besteht, die Vorlage ohne Kommissionsbe - rathung kurzer Hand im Plenum durchzubriiigeii. Zur Annahme sind jedoch die Stimmen der Deutschen Reform Partei erforderlich. Dieselbe vertritt aber den Standpunkt, die Vorlage nur dann anzunehmen, wenn die Garantien gegeben sind, daß die Kosten nicht den Mittelstand treffen, sondern in der Hauptsache durch eine erhöhte Börsen st euer, durch Luxussteuern auf ans- ländische Waaren rc. aufgebracht werden. Sie ist der Meinung, daß die nach links stehenden Parteien, welche heute bereit sind, für die Militärvorlage zu stimmen, nicht zu haben fein werden, wenn es ich in einer späteren Session darum handelt, behufs Aufbringung der Mehrkosten die Börse stärker heranzuziehen. Die Deutsche Reformpartei wird deshalb bei der ersten Berathung eine Interpellation einbringen, in welcher Weise die Regierung die Wehr- kosten auszubringen gedenkt, die bisher gemachten Bor- schläge genügen der Reformpartei nicht, und sie ist ent - schlossen, die Vorlage abzulehnen, wenn die Auskunft der Regierung eineunzuläng- liche i st. Auf demselben Standpunkte steht auch, wie es heißt, ein Theil bet Konservativen, unter ihnen die neugewählten Kompromiß-Abgeordneten, von denen man bisher im Zweifel war, ob sie der konservativen oder der deutsch-sozialen Partei beitreten werden." Von anderer Seite wird der „Germania" mitge- theilt, daß die antisemitischen Abgeordneten bis auf drei (Ahlwardt, Leuß und Liebermann v. Sonnenberg) unter allen Umständen gegen die Militärvorlage stimmen wollen, wenn bezüglich der Deckungsfrage nicht bindende Garantien für eine ihnen genehme Regelung gegeben werden. Wer's erlebt, wird's sehen! Ein rechter Wahlsommer wird bet biesjährige sein. Kaum waren bie Reichstagswahlen abgeschlossen, so folgten schon bie baierischen Landtagswahlen. Ihnen werden sich Ende August ober Anfang September bie Ergänzungswahlen zum hessischen Land- t a g anschließen. Wie aus Mainz berichtet wirb, rüsten sich die dortigen Genossen denn auch bereits wieder für den neuen Wahlkampf. In Rheinhessen kommt da- bei vorwiegend der Landkreis Mainz in Betracht. In diesem Kreis, den seither der nationalliberale Bürger- meister Möhn-Laubenheim vertrat, liegen die Orte Kastel, Kostheim, Weisenau, Laubenheim, Hechtsheim und Bretzen - heim, in welchen die sozialdemokratische Partei am 15. Juni große Mehrheiten erzielte. Am nächsten Sonntag findet in Mainz im „Weißen Rößchen" eine Konferenz der Vertrauensmänner des Kreises statt, in welcher bie Agitation in's Leben gerufen werden soll. Bei einer regen Agitation ist e» leicht möglich, diesen Kreis für bie fozialbemokratifche Partei zu erobern, woburch sich bie Zahl ber sozialbemokratischen Abgeorbneten im hessischen Landtag auf vier erhöhen würbe. Auch bie sächsischen Landtag-wahlen sollen im Lause des Septembers stattfinden, während die Neuwahlen des preußischenAbgeorbneten- Hauses erst für einen späteren Termin festgesetzt werden bürsten. Ehrlichkeit in den Wahlkämpfen hat bei ben Gegnern noch selten geherrscht und je mehr sie ben Bobeu unter ihren Füßen wanken fühlen, desto skrupel - loser werden sie in ihren Wahlpraktiken. Dasür hat die erledigte Reichstagswahl nnzühlige Beispiele geliefert und die noch nicht abgeschlossenen baierischen Land- tagswahlen bestätigen die gemachten Erfahrungen. Ueber einen wahrhaft gemeinen Wahlstreich berichtet die „Münchener Post" aus München: „Das ultramontan-liberale „Ordnnngs "-Kartell hat einen Wahlstreich ausgeführt, welcher seiner Ge - sinnungskorruption die Krone aussetzt. Eine wirklich geheime Wahl ist nur dann mög- lich, wenn alle Parteien äußerlich gleicheWahl- zettel anwenden. Aus diesem Grunde war es von jeher daS Bestreben der Sozialdemokratie, auch für die Münchener Wahlkreise einen gleichförmigen Wahlzettel einznführen. ES ist ihr zuerst 1890 gelungen. Und als die jüngste Reichstagswahl kam, bedurfte es keiner langen Unterhandlungen mehr, um das Uebereinkommen von 1890 zu erneuern. Der gleichförmige Stimmzettel war bereits in bas allgemeine Rechtsbewußtsein übergegangen unb schien für immer gesichert. Seine Anwendung bei den Landtagswahlen erschien daher etwas Selbstverständliches unb auf bie erste Anregung von Seiten unserer Wahlansschuffe? hin erklärten die beiden anderen Parteien ihr volles E i n v e r st ä n b n i ß. Man wählte ein gemein - sames Papier und kam der größeren Leichtigkeit wegen zugleich überein, den Zettel viereckig zu machen, da - mit es nicht erst eigenerVorschristen für die Falzung bedürfe. Diese Verabredung ist nun auch in München I gehalten worden. In München II aber begingen bie Führer der beiden Parteien, welche bas Wahlkartell schloffen, einen ehrlosen Bruch des getroffenen Ueber- einlomutenJ, indem sie einen eigenen Wahlzettel zur Anwenbung brachten, bet in Farbe unb F 0 r- mat so scharf von dem verabrebeten d. h. nunmehr sozialbemokratischen Zettel abweicht, daß man beibc a u f viele Sch ritte Entfernung von einander unterscheidet. Es liegt auf bet Hanb, baß bie Herren auf diese Weise bie begrflnbete ober unbegründete Furcht vieler abhän - giger Wähler vor materiellem Nachtheil für sich auszu- nützen, auf bie Wähler vermittels der verächtlichsten aller Beeinflussungen einznwitken suchten Tie Sozialdemo - kratie hat ber Wirkung deS Schelmenstreiches dabnrch zu begegnen gesucht, daß sie int letzten Augenblicke noch neue Wahlzettel ansgab, welche den gegnerischen im Format gleich, in ber Farbe ähnlich waren; denn bie „Orduungspartei" hatte rasfinirter Weise ein Papier gewählt, welches in gleicher Qualität n i t g e n b w 0 zu erhalten war." Ein eben solche» verächtliches Wahlmanövet würbe nach ber „Fränk. Tagespost" in Nürnberg ausge - heckt Buch dort war auf Anregung des sozialdemokra - tischen Wahlvereins zwischen ben WahlkomtteS sämmt- licher Parteien für bie R e i ch s t a g s - unb Land- tagSwahl bie gemeinsame Herstellung völlig gleich - heitsicher Stimmzettel vereinbart worben. Diese Verein - barung wurde für bie ReichStagSwahl durchweg und für bie Laubtagswahl auch, so weit die Stabt in Betracht kommt, eingeha11en. Dagegen wurden dem ge ¬ nannten Blatt aus verschiedenen Landorten 0 aus Stein unb aus Leinburg, Kartellzettel von ganz anderen Formen eingesandt, die dort von „liberaler" Seite verbreitet wurden, so daß die Ge- nofieit gezwungen waren, in letzter Stunde auch noch derartige veränderte Zettel anfertigen unb verbreiten ,u lassen. Diese unehrliche Hanblungsweise kennzeichnet 0 recht bie Gesinnungsnieberträchtigkeit unserer „Gent- emen"-Geguer. Bis auf den schmählichsten Treubruch tnb sie schon gesunken, um burch solche unsaubere, verächtliche Manöver womöglich noch bie gesährbeten Mandate zu retten l Genützt hat es freilich nichts. Sowohl bie vier Nürnberger Manbate, wie bas für München II. finb erobert worben von ber Sozialbemokratie unb bie wortbrüchigen Gegner haben zu bem Schaben auch noch ben Schimpf. ; Bei dem „Qrdnmrgs"-Kompromiß in M ün- ch e n finb bie Ultramontanen offenbar bie Dummen gewesen. Der klerikalen „Germania" ist barüber bereit - em Licht ausgegangen; sie klagt: „Aus München war gemclbet worden, daß dort Zentrum unb Liberale ein Büubniß geschloffen hätten, um die Wahl von Sozialbemokrateii (bei ber Landtags- wohl) daselbst zu verhindern. Die erstgenannten beiden Parteien sollten die Mandate unter sich theilen. Und das Resultat? Nach dem Ausfall der Urwahlen ist in München I bie Wahl ber liberalen, in München II bie ber sozialbemokratischen Kaudiba ten gesichert! Mit anberen Worten: die Katholiken Habens ihr Wort 'gehalten, die Liberalen allem Anscheine nach nicht; bie Katholiken wählten, ber getroffenen Verab- rebung gemäß, in München I bie Liberalen, währeub sie von diesen in München II höchst wahrscheinlich im Stich gelaffen wurden. Dieser Ausgang wirb das „schöne" Bilb vervollstänbigeu, welches ber Verlauf ber Reichs- tagswahlen in ben beiben Münchener Wahlkreisen ber Welt zeigte." Ja, so geht's, wenn man sich in politische Schacher- geschäfte einläßt. Einer ist immer ber Betrogene. Die Niederlage der Frcisinuigeit bei ben Reichstagswahlen hat ihnen auch schon für die kommenden Wahlen zum preußischen Abgeordneten- Hans riesige Angst gemacht. Der Erfolg der Sozial- demokratie bei ber baierischen Sanbtag»* wählen hat den „Boff. Ztg." auch noch bei letzte Restchen kühler Ueberlegung geraubt unb mit schlotternden Knieen sieht sie bie Sozialdemokraten schon ihren Einzug auch in das preußische Abgeordnetenhaus halten. Sie schreibt: „Angesichts ber Ergebnisse ber Reichstagswahlen muß naturgemäß die B e s 0 r g n i ß anstaucheii, daß die Sozialdemokratie sich nunmehr auch an den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaufe betheiligen werde. Allerdings hat die Partei bisher eine solche Betheiligung, unter Verweisung auf das Dreiklaffen-Wahlrecht unb bie öffentliche Abstimmung, abgelehnt. Allein die Sozial - demokratie fühlt sich durch frühere Erklärungen nie ge- bunden , sondern richtet ihre Haltung immer so ein, wie sie ihr nützlich erschein^ Und es wäre keines - wegs undenkbar, vu o br Sozialdemokratie bie Zeit für den Kampf um Lanbtagsmandate gekommen erachtete unb das Verlangen trüge, so gut in der Rebehalle am Dönhoffplatz zu erscheinen, wie sie im „Rothen Hause" er- scheint. Jnsbesonbere könnte sie sich zu einem solchen Versuche in Berlin angespornt fiihleu, nachdem ihr stlns von den sechs Berliner Reichstagsmanbaten tu den Schooß gefallen finb. Kann irgend etwas der Sozialdemokratie Wasser auf bie Mühlen schaffen, so ist es bie gegen - wärtige Zerrissenheit ber liberalen Partei, bie Feindseligkeit ber frei - sinnigen Gruppen gegen einanber, bie nicht ber letzte Grunb für bie traurige Thatsache ist, daß ein Mann wie Rubolf Virchow eine Nieberlage erleiden mußte. Ob sich ein ähnliches Schauipiel bei den Land- tagswahlen wiederholen soll? Oder werden bie Männer, bie bisher vereint marschirten, vielleicht boch noch erkennen, baß sie jetzt unb in ben nächsten Monaten noch etwas BeffereS zu thun hätten, als sich gegenseitig zu besehben unb zu verketzern?" Das Blatt schilbert dann bie Stärkeverhältniffe ber Parteien in Berlin unb wirb bafiei von einer wahrhaft bemitleibenswerthen Furcht gepackt, baß bei einer Be- theiligung ber Sozialdemakraiie an ber Lanbtagswahl bem Freisinn auch einige Landtagsmanbatie in Berlin entrissen werben könnten. Das helbenhaste Freisinns - organ hofft beshalb, bie Sozialbemokrate werde es naq wie vor a b l e h n e n, unter dem Dreiklafsenwahl- recht zu wählen, unb es täuscht sich barin auch nicht. Die Sozialbemokratie wirb ihre Ktäfte nicht vergeuden unter bem „elendesten aller Wahlsysteme", wie Bismarck es einst mit Recht bezeichnete. An aussichtslose Dinge setzt man seine Kraft vernünftiger Weise nicht. Unb beim preußischen Dreiklaffenwahlgesetz ist eS für bie Wähler ber brüten Klasse —- unb nur auf bitfe kann bie Sozialbemokratie zählen — absolut unmöglich, aus eigener Kraft eine Entscheibung herbeizuführen. Der Besitz, ber in ber ersten und zweiten Klaffe wählt, hat i m in e r bie llebermacht. Die einzige Möglichkeit eines minimalen Erfolges könnte auf bem Wege be« Kom - promisses erzielt werden. Dafür sind wir aber nicht zu haben. Bezeichnend für ben Freisinn ober ist es, daß er hofft, die Sozialdemokratie, das ist die stärkste Partei Deutschlands, werde auf die Theilnahme an ben Wahlen verzichten, bamit bie Manbate des Freisinns nicht in Gefahr kommen. O, du herrlicher Freisinn, du! Gar merkwürdigen Illusionen giebt sich bar Kölner Protzeuorgan, bie „Köln. Ztg.", in Bezug auf das Wachsthum ber Sozialdemokratie hin. Sie schreibt: „Wenn man heute die sozialdemokratischen Blätter liest, so findet man in ihnen nur Kundgebungen der Freude über die bei den Wahlen errungenen Erfolge unb ben Ausdruck zuversichtlicher Hoffnung, daß eS bei künftigen Wahlen nicht nur ebenso, sondern — im sozialdemokratischen Sinne — noch besser gehen werde. Nun soll keineswegs in Abrede gestellt werben, baß die Sozialdemokratie Siege erfochten hat, bie Dom bürgerlichen Standpunkt höchst betrübend finb; es muß ferner jugeftanben werben, daß ihre Organisation sich so gut bewährte, daß an ein Zusammenbrechen in absehbarer Zeit nicht wohl gebacht werden kann, unb endlich ist auch nicht zu übersehen, daß ein großer Theil der von ben Konservativen an die Antisemiten abgegebenen Stimmen aller Wahrscheinlichkeit.nach berufen ist, später die Stimmen ber Sozialdemokratie zu ver- stärken. Trotzdem sind Anzeichen vorhanden, daß die Sozialdemokraten mit den Wahlen vom Jahre 1893 auf dem Gipfelpunkt ihrer Entwicklung ange- kommen sind unb daß man in Zukunft eher auf eine Abwärtsbewegung als auf ein Steigen rechnen darf." Das rheinische Bourgeoisorgan schöpft diese Hoff - nung daraus, daß eS den bürgerlichen Parteien ge - lungen ist, der Sozialdemokratie einige früher besessene Wahlkreise abznjagen Die Kölnische mag sich ihrer Hoffnungen nur ruhig begeben. Solche Verluste haben wir früher auch schon zu verzeichnen gehabt. Sie sind eine ganz natürliche Folge deS Zusammenschlufles ber bürgerlichen Parteien, nachbem die Sozialdemokratie einen Kreis zunächst in der Stichwahl gewonnen hat. Da» nächste ober übernächste Mal nehmen wir die Kreise im ersten Anlauf, um sie für immer zu behalten. Ebenso schlecht sind die Hoffnungen der „Köln. Ztg." auf demnächst eintretenbe Spaltungen innerhalb ber Sozialdemokratie begründet. Diese schon so oft von ben Gegnern herbeigewünschten Spaltungen werben in Zukunft 0 wenig wie bisher Vorkommen. EiuMustcr-Abgcordueter ist Herr Dr. P ach nicke, either eine Leuchte bes „Freisinns". Nachbem er während >er Wahlzeit erst schwankte, aus welche Seite des Frei- inns er sich neigen solle, hat er sich schließlich zur „Volkspartei" geschlagen, seine „Mitgliedschast" dort dann aber dazu benutzt, das, was er erhorcht, im ronbel- trümpslerischen „Berl. Tagebl." gegen feine eigenen Fraktiousgeuossen zu verwerthen. Welch ein unsicherer Kantonist der Herr ist, erhellt auS einem Briefe Pachnicke's, aus dem ber „Reichsbote" folgenbe Stelle mitt heilt: „Ich bin der Fraktion ber freisinnigen Volks - partei beigetreten, unb ich will hoffen, baß mir bie Verhältnisse in berseiben baS Verbleiben ermöglichen. Jedenfalls nehme ich, wie ich schon in Parchim ge - sagt, darin eine ganz unabhängige und selbstständige Stellung ein. Ich habe inzwischen bereits die Fehler, die seitens der Fraktion gemacht sind, als solche privatim und öffentlich gekennzeichnet, unb würbe, wenn bie Fraktion ähnliche Fehler wiederholen wollte, keine Bedenken tragen, aus derselben auszuscheiden, um ber liberalen Sache im Reichstag außerhalb bieses FraktionsverbanbeS zu bienen." Herr Pachnicke erblickt ben Hauptsehler in ber Ab - lehnung des Antrages Huene, gegen den er am 6. Mai selbst gestimmt hat. Die „Berliner Ztg ", ein Organ ber freisinnigen Volkspartei, schreibt mit Recht: „Das Verfahren bieses Herrn, ber sich als Mit- glieb bet freisinnigen Volkspartei wählen lieh, weil er auf anbere Weife nicht in ben Reichs- tag hätte kommen können, in parlamentari- schen Ausdrücken zu karakterisiren, bürste kaum möglich sein, unb wir verrichten um so lieber barauf, als die unbedeutende Persönlichkeit nicht grabe dazu herauS- forbert, sie zum Gegenstände längerer Erörterungen zu machen. Wir denken, bie freisinnige Bolkspartei wird kurzen Prozeß mit Herrn Pachnicke machen und ihm schleunigst Gelegenheit geben, „ber liberalen Sache außerhalb des Fraktionsverbandes zu bienen"." Herr Pach nicke hat denn auch am Donnerstag brieflich seinen Austritt auS ber Freisinnigen Volks- Partei erklärt. Au der wadclstrümpslerischen Rückgrat- losigkeit übt bie „Frkf. Ztg." eine scharfe Kritik. Sie schreibt zu dem famosen Aufruf deS Wahl- Vereins ber Freisinnigen Bereinigung: „Der T0bfeind bes Liberalismus ist bet Militarismus, wer für baS Eine ist, muß gegen das Andere fein, sonst begeht er bie Thorheit, Pferde hinten unb vorn au den Wagen zu spannen. Die Herten von der „Freisinnigen Bereinigung" glauben nun aber in unverbesserlichem Optimis - mus, ben Militarismus burch SR a d) g i e big- leit besiegen, durch Konzessionen ihm gegenüber für bie Sache bes Liberalismus etwas retten zu können. Das ist ein mehr a l s naiver Glaube, bet sich im Berlauf bet kurzen Geschichte des Deutschen Reiches an seinen Trägern schon mehr als einmal bitter gerächt hat und sicher noch oftmals r 3d; e n wirb. So wahr eS ist, daß, wie e« in dem Aufruf heißt, die gesunde Entwicklung unserer inneren Bet- hältniffe davon abhängt, ob es dem Liberalismus gelingt, Nnfluß auf die Gesetzgebung und Berwaltung des Reiches und der Einzelstaaten zu gewinnen, so unzweifelhaft ist e? auch, daß unter unseren heutigen Behältnissen mehr denn je dieser Einfluß nur durch eine feste, ener - gische Haltung auch nach oben hin, durch ein Rückgrat von Stahl vor Allem dein immer mäch - tiger werdenden Militarismus gegenüber ge - wonnen werden kann. DieS trotz aller im Lause her Jahre gemachten trüben Erfahrungen noch immer nicht erkannt zu haben, ist der Kardinalfehler der Bätet des „Wahlveteius der freisinnigenjBereiuigung“.” Wit möchten dazu doch eine Einschränkung machen. Vielleicht ist die richtige Erkenntniß der Sachlage bei bet Freisinnigen Bereinigung doch mehr vorhanden, als daS fübbeutsche Blatt annimmt. Die Herren Wadelsttümpslet haben die Unfähigkeit des BütgetthumS, dem Militarismus zu wehren, begriffen; darum ihre Sehnsucht nach Berflänbigutig. Die Tage deS Liberalismus sind bamit freilich gezählt. Die gesunde Entwicklung hängt nicht mehr vom Liberalismus ab; sie herbeizu- führen, ist Aufgabe ber Sozialbemokratie. In Elsaß = Lothringen macht bie Straß- bürget Auflösungs-Affäre unb bas merk - würdige Benehmen des Straßburger Polizeipräsibenteu F e i ch t e t seht viel böse» Blut. Bon Straßburger Blättern hat bie natioualliberale „Straßburger Post" bekanntlich „ein großes MißverstLnbniß" angenommen; seitbem schweigt sie Der „Elsässer" „hat alle Ursache, an ein derartiges Mißverstäudniß nicht zu glauben," unb schreibt: „Der „Elsässer", ber seit Freitag um bie Sache wußte, wollte einstweilen unb aus nahe liegenden Gründen von dieser Veröffentlichung Abstand nehmen. Auf bezügliche Anfrage hin sind die genannten vier Delegirten der aufgelösten Fedelta bereit, jedes in obigen Zeilen enihalteneWort eidlich zu erhärten. Manches andere, noch unglaub - lichere Wort soll gefallen fein Auch können wir be - stätigen, daß die Affäre ein gerichtliches Nachspiel haben wirb. Sie befindet sich bereits in den Händen eines Rechtsanwaltes." Tie .Bürgerzeitung" bemerkt: „Seit mehreren Tagen ist ein großer Theil unserer Bevölkerung in ge - regter Erregung über den Empfang, welchen letzten Donnerstag eine aus vier Herren bestehende De - putation des ausgehobenen Fedella-Vereins beim Herrn Polizeipräsidenten gefunden haben soll. Wir haben ganz eingehende Erkundigungen eingezoge» und dabei in Erfahrung gebracht, daß die Aeußerungen, welche der Polizeichef hiesiger Stabt glaubte ben erschienenen Herren gegenüber sich leisten zu dürfen, alles erdenkliche Maß weit Überschritten haben. Herr Dr. Müller-Simonis, ber von Straßburg abwefeub war, konnte ben Thatbestanb erst ant Freitag Abend erfahren und trug dem Herrn Statthalter die saubere Angelegenheit gleich am Sonnabend Nach- mittag persönlich vor. Sr. Durchlaucht theilte er bei diesem Anlasse mit, daß er wegen der speziell gegen seine Person gerichteten großen Injurien den Herrn Polizei-Präsidenken gerichtlich belangen werde." Zu der Maßregelung des Bürgermeisters Spie« in Schlettstadt bemerkt die „Köln. VolkSztg ": „Aber so schlimm das Anstreten des Herrn Feichter erscheint, die Maßregelung deS Bürgermeisters Spie# von Schlett- stabt ist im Grunde doch noch erstaunlicher. Freund und Feind stimmen darin überein, daß Herr SpieS einer der besten Männer ist, welche im öffentlichen Leben der Reichslande thätig sind. Wie oft ist das Lob feiner Wirksamkeit im Landesausschuß auch von gegne- rischen Blättern gesungen worden ! Die „Straßburger Post" nimmt ja noch von seiner Absetzung in einer Weise Akt, welche der schärfsten Verurtheilung dieser Maßregel gleichkommt. Herr Spie» hat sich geweigert, die Wahl des protestantischen KreiS-DircktorS Pöhlmann für den SreiS Schlettstadt zu betreiben: daS ist fein Verbrechen Man ist in Bltdeutfchlaud gewohnt, ben Verwaltungs-Apparat bei der Reichs- tag « wahl durchaus „im Sinne der vor- gesetzten Behörde" arbeiten jii sehen. Dieser Ehreubürgermeister meinte, er könne sich dem entziehen: das war (ein Irrthum „Aber was soll man dazu sagen, wenn bie elsaß- lothringische Verwaltung mit Männern wie Herrn SpieS, besten Loyalität und Deiitschsreundlichkeit über jeden Zweifel erhaben sind, nicht mehr auSkommen zu können glaubt ? Woraus rechnet sie dem, noch? Sie kaun doch nicht an die Seite jede» elsässischen Bürgers einen alt - deutschen Beamten stellen, und auch da müßte noch eine ganz besondere Auswahl getroffen werden. Grabe mit Persönlichkeiten wie biefer Schleltstabter Ehrenbürger- meister müßte die Betmallung arbeiten; da» große Maß von Berti auen, welches solche Männer mit Recht bei ihren Mitbürgern genießen, würde ihr die Aufgabe wesentlich erleichtern. Aber eS scheint an ausreichender Würdigung dieses psychologischen Momentes zu fehlen. Man will anscheinend lieber Niederhalten al« gewinnen — ein Zug, der auch in der altdeutschen Verwaltung uni so häufig entgegentritt." Sehr richtig Der Militarismus vor Eericht. Bor bem Schwurgericht in Offenburg wurde dieser Tage ein Preßvrozeß gegen den Redaklör des dortigen „Volks- freund", unseren Genossen Geck, verhandelt, wegen Verächtlichmachung von Staatseiurich - tungen. Die gekränkte Staatseinrichtuitg sollte der Militarismus sein, gegen dessen Schattenseiten in ber bei Pontt u. v. Döhren zu Hamburg erschienenen Broschüre : „S 0 1 b a t e n 0 d e r M e n s ch e u ?" reiften- chaftlich augekämpst wird Diese literarische Erscheinung erregte bekanntlich im Februar d. I. in der gejammten Presse ohne Parteiuuterschied großes Aufsehen; die deutsche „Armee-Zeitung" (Rebaktör Oberstlieuteuant von Sauden in Berlin) empfahl im Februar die Broschüre „mit ihrem aus voller Wahrheit beruhenden Inhalt" aufs Wärmste. Im März druckte der „VolkS- freund" zu ihrer Empsehlung einen Theil be# In - halte# wörtlich und ohne jebe Hinzufügung ab. In dieser Reproduktion erblickte die badische Staatsbehörde eine „wissentliche Betbreitung erdichteter Thatsachen zur Berächtlichmachung von Staatseinrichtnugen". Die fünf- stündige Gerichtsverhandlung gestaltete sich zu einer wirk - samen Demonstration gegen die Uebelftänbe des Milita - rismus. Die Ausführungen de# Vertheidiger-, Rechts - anwalt Dr Rombach, und be# Angeklagten machten auf die Geschworenen einen solch' überzeugenden Ein - druck, daß dieselben nach kurzer Berathung ein Richt- schuldig an#sprachen. Besonderes Interesse boten die Präliminarien zu dieser AnNage. E# fand ein Noten - wechsel zwischen ber Offenburger Staatsanwaltschaft und ber Karlsruher OberstaatSanreallschast, beztv dem Mini- sterium statt. Die Offenburger Anklagebehörde vertrat bie Meinung, daß in diesem Falle die Geschworenen zu einem freffprechendeu Erkenntniß gelangen würden. Darauf wurde von Karlsruhe aus die Erhebung der Klage verordnet und bie zu intriminireaben Stellen mit Rothstist bezeichnet. Diese# Antreortschreibeu befand sich bei den Akten Die Zuschrift der Offenburger Staat», anreallschaft mit ihrer prophylaktischen Tendenz war jedoch nicht mehr beigeheftet. Sie bildete besten unge - achtet den Gegenstand instruktiver Erörterungen. Di« Kosten be# Prozesses frägt die Staatskasse. Haussuchung. Der Offenburger „VolkSfreund" meldet vom 6. Juli: Aus Anordnung ber Großh. Staatsanwaltschaft hier fand heute Vormittag in den Räumlichkeiten unserer Druckerei, in der Wohnung deS Redaktörs Zieloreski und in derjenigen be# Herrn Adolf Geck eine Haussuchung nach dem ManuftriPt des Artikel» „Zur Starafterifiriing ber Rechtspflege im Musterlande Baben" statt. Wie gewöhnlich verlies bie Haussuchung refultatloS. Zur Streu und Fntternoth. Der preußische Minister ber öffentlichen Arbeiten macht im „Reichsanz." bekannt: „Währeub die durch Erlaß vom 19. v M. ge- nehmigte Frachtermäßigung für Torfstreu und Futtermittel allgemein für Bersendung nach StaatSbahnstationen in Geltung gesetzt sind, ist ferner in Aussicht genommen, für einzelne, besonders hart betroffene Kreise be# Lande# weitere Frachter- Mäßigungen dahin eintreleii zu lassen, daß 25 pZt. von den durch obengedachtei, Erlaß eiugesührten Fracht- sätzen bezre. 25 pZt ber auf bie Staatsbahnen entfallen- den Frachtantheile den Empfängern im Reklaina- tionsreege znrückerstattet werden, wenn durch eine Be- scheiiiigniig des Vorstandes be# landreirthschaftlichen Verein# ober des LanbrathS bes Kreises iiachgewiefen ist, daß bas bezogene Streu- ober Futtermittel in dem laiib- wirthschaftlichen Betriebe des Empfängers Verwendung findet ober von einem lanbwirthschastlichen Verein ober einem Gerneinbeverbanb bezogen unb unter seine Mit- glieber behuss Verwendung in deren eigener Wirthschaft zur Bertheilung gelangt. Diejenigen Kreise, für welch« diese Maßregel in Kraft treten soll, werben ben beteilig - ten königlichen Eisenbahn-Direktionen meinerseits niitge- theilt werben unb ist demnächst sofort die erforderlich« Veröffentlichung zu bewirken." Revisiou der Droguen = Handlungen. De, preußische Minister der geistlichen u. s re. Angelegen- beiten hat unter bem 7. Juni nachstehenben Erlaß au bie sämmtlichen Regierungs-Präsibenten gerichtet: „Zu - folge Mittheilung ber „Pharmazeutischen Zeitung" sollen die Revisionen der Droguen • Handlungen durch di« Regierungs - Medizinalräthe unb bereu pharmazeutische Begleiter nicht überall stattfinben, wie solches von hie, an# bei Gelegenheit der Super-Revision der Apotheken- Nevisionsverhandlungeu wiederholt in Anregung gebracht worben ist. Euer Hochwohlgeboren ersuche ich ergebens!, die dortigen Apotheken-Revisoren, sofern die» erforderlich fein sollte, gefälligst anzureeisen, gelegentlich ber Apotheken- besichtigungeu bie an bem betreffenben Ort befindlichen Droguen-Hanblnngen regelmäßig einer Revision nach bei geltenden Bestimmungen zu unterwerfen und bie darüber aufgenommene Verhandlung Euer Hochwohlgeboren znm weiteren Befinden vorzuleaen. Wo, wie in Berlin, BreSlau und Köln, die örtlichen BerhSltnifse eine solche Revision nicht angängig erscheinen lassen, ist für thun- liebst stienge Beaufsichtigung durch die Physiker, wo - möglich unter Mitwirkung von Apothekern, wie die# in Berlin geschieht, zu sorgen. Hebet die Zahl der statt- gehabten Besichtigungen von Droguen-Haudlungen durch die gedachten Kommissarien und das Ergebniß derselben sehe ich einer entsprechenden Bemerkung in bem jebe». maligen Jahresbericht des Regierungs-Medizinalrathe» über Apothekenbesichtigungen ergebens entgegen.“ DaS Risiko der Arbeiter. An» Bochum be- richtet bie .Frkf. Ztg : „ES ist an biefer Stelle Wiebe» holt barauf hingewiesen worden , daß di« Unglücks, falle aus den Gruben von Jahr zu Jahr zu- nehmen, wenn auch die Verwaltungen daraus bedacht sind, bie nöthigen Vorsichtsmaßregeln nicht außer Acht zu laften. Klingt es nicht grabezu ungeheuerlich, wenn innerhalb 7 Jahren 73 11Ä 11 ufllüef»fälle zu ver. zeichnen gewesen sind. ES sind hierin allerdings bie ämmtlichen Unfälle, auch bie kleinen, einbegriffen. Fol- ;ende Zahlen zeigen ba< aUmälige Anwachsen der Unglück»- älle. ES waren im Jahre 1886 : 7884 , 1887 : 8475, 1888 : 9062, 1889 : 9360, 1890: 10 804, 1891: 13 632, 1892: 13 895. Seit bem Jahre 1886 haben sich bie UnglückSsälle grabezu verboppelt. ES hängt diese» zusammen mit dem immer schwieriger werdenden Abbau bei größeren Tiefeverhältnissen und mit der (Sin* stellnnggroßer Mengen ungeübter Ar - beiter Veil in diesem Jahre die Förderung und der