4'r. 5. v. Jahrgang. LamburgerEcho. Mit T T «wmaMaMMBBMMBMMMMMMi Anzeige» werden die fcchsgefpaltene Peützeile oder deren Ra nn mit 30 4, für den Arbeitömarkt, «criniethnngö- und Faiinlienaiizeige« mit 20 4 berechnet. Aiizeigrii-Aiiiiahme in der Expedition (biS 6 Uhr Abds.), sowie in fSninitl. Annoncrn-Büreauz. Redaktion und Expedition: tftrohe Dheaterstrahr 44 in Hamburg. Hierzu eine Beilage und daS iüustrirtc ; 6 efr e tu n fl eit) gewährt: Dir erbauten Einzelhönser Untcrhaltiingsblatt I sind gemäß dem Gef. v. 8. Rüg. 1890 ans 5 Jahre von „Die Neue Welt". der Grundsteuer und von der Thür- und Feustersteuer Cozialresorm ä la Wer. Q Die Wohnungsfrage zu lösen oder doch der WohuuugS.Kalaniität der großen Städte ihre Schärfe zu nehmen, haben schon viele Philanthropen versucht, jedoch immer mit dem gleichen geringen Erfolg. So viele „gemeinnützige" Genossenschaften man auch gegründet hat — die Masscnquartiere weifen noch immer die alten verderblichen Eigenschaften aus und der Proletarier muß im Verhältniß zu seinem Einkommen seine finstere und enge Kammer immer noch theurer bezahlen, als der wohlhabende Mann seine freundliche Stube. Da und dort ist es gelungen, billige Arbeiterwohnungen zu be - schaffen. Aber diese Erscheinungen müssen vereinzelt bleibe», weil die Wohnungsfrage sich nicht willkürlich ab- trennen läßt von den übrigen sozialen Erscheinungen unserer Zeit. Boden- und Häuserwucher, Steigerung der Bodenrente um jeden Preis, Vernachlässigung aller sanitären Rück- sichten und Pflichten — Alles das sind Auswüchse dcS Kapitalismus, der die Ausbeulung des besitzlosen Miethers genau so schonungslos betreibt, wie die der gemietheten Arbeitskraft. Nächst der Börsenspekulation überhaupt läßt der Häuser- und Bodenwucher den arbeitslosen Erwerb am üppigsten gedeihen und erzeugt bei den Hausbesitzern ostnials jene Brutalität, welche der Volksmund in dem Namen .Hauspascha" treffend gekennzeichnet hat. Wenn die Bodenrente nur eine besondere Form der kapitalistischen Ausbeutung ist — und darüber können nur Jene streiten, welche die sinnlose Behauptung aus - stellen, daß es eine eigentliche Grundrente gar nicht gäbe — dann müssen die aus Selbsthülfe beruhenden Versuche, der WohnungSnoth abzuhelsen, immer Stück- werk bleiben. Erst nach Beseitigung deS ganzen kapita - listischen Systems läßt sich Raum gewinnen für eine neue Regelung des Wohnungswesens. Ein Versuch, der Wohnungskalamität aus staat - lichem Wege bcizukonimen, ist in diesen Tagen in Frankreich gemacht worden und zwar durch ein am 30. November in Kraft getretenes Gesetz. ES hat sich dabei gezeigt, daß was anderwärts die Selbsthülse in dieser Sache nicht zuwege bringen kann, in Frankreich der Klassenstaat zu bewirken erst recht unsähig ist. Die Leichtfertigkeit jener Bourgeois -Oekonomcn in Frankreich, welche den ganzen Sozialismus nieder- gerannt zu haben glauben, wenn sie die kapitalistische Ausbeutung als „F r e i h e i t d e r A r b e i t" bezeichnen^ kommt sn dem Gesetze über die Errichtung von Arbeiter- wohnungen mit aller Schärfe zum Ausdruck. Bezeichnend ist schon, daß das Gesetz die Organisation, welche neu gebildet werden soll, dem übermäßig zentralisirten und schwersülligen Verwaltungsapparat anpaßt, der Frank - reich die Kehle zuschnürt. Damit müffen die Nach- theile dieser Zentralisation auch aus die neue Organisa - tion übergehen. An büreankratischer Plumpheit lasten die neu einzuführenden Ansschüste für billige Arbeiter - wohnungen, die ans Dekret deS Präsidenten der Republik in jedem Departement gegründet werden können, auch nichts zu wünschen übrig. Denn die Ansschüste sollen sich nicht direkt mit den Wohnungsunternehmungen be- schäftigen, sondern nur „zur Bildung von Baugesell- schasten und Privatunternehmungen zum gleichen Zwecke die Initiative ergreifen". Das sieht beinahe aus, wie wenn eS hauptsächlich auf die Schaffung von möglichst vielen neuen Ehrenämtchen und anderen Pöstchen ankäme. Die Zusammensetzung dieser Ausschüste ist eine sehr sonderbare. Stiftungen, Kredil-Genossenschaslen u. s. w. können mit Genehmigung des Präsekten einen Theil des Stamm- vermögens, aber nur bis zu 20 pZt., zur Errichtung billiger Wohnungen verwenden und als Hypotheken dabei anlegen; ähnliche Bestimmungen sind für Depositen- und Lebensversicherungsgesellschasteii getroffen. Wodurch unterscheiden sich nun diese Gesellschaften von Privat Unternehmern oder Hnpothekengläubigern privater Natnr? In der Sache gar nicht, denn auch sie werden bestrebt sein, die Bodenrente und die Hypothekenzinsen möglichst zu steigern. Die „Krönung des Gebäudes" ist der § 6 des Ge- setzeS, welcher lautet: „Den Ballgesellschaften werden znr Förderung ihrer Zwecke folgende Vergünstigungen und Vortheile (Steuer- Der Lchiitz M „Suita". Roman von H. R 0 s e n t h a l - B 0 n i n. (Nachdruck verboten.) (25. Fortsetzung.) 16. Man befand sich Ende Juli, der Hochsommer war da. Aus dem Festlande hinter Venedig reiste die Traube unter der glühenden Sonne, färbte sich die Feige tief blau, in der Sumpsebene ward unter der feuchten Hitze der Reis an den Millionen schlanken Hälmchen fest und weiß, und die Pfirsichbäume hingen voll buntsammtcner Früchte. Der Bauer bereitete sich znr Ernte vor, denn daS Getreide war gelb und die «ehren hingen schwer voll Kor» herab. In Venedig merkte man von all' dem nichts. Grünes und Früchte sah man nur auf dem Markte. Ueber dec Stadt briet glühender Sonnenschein und röstete das Pflaster dec Plätze, die tagsüber so leer und so geinieden waren, daß selbst die Katzen schneller darüber hingingen, nm an« der Sonne zu komme». Von de» Kanälen stieg dunstiger Brodem ans, der nach Schlamm und Fischen roch und die Bewohner, welchen ihre Vermögenslage es erlaubte, verbrachten den Tag in träger Ruhe in ihren hohen steinernen Zimnier», bei geschloffenen Läden; die dreißigtansend Bettler der Stabt lagen im Schalten der Hauseingänge und kauten Ktlrbiskerue, die GewerbSleute halten sich tief i» ihre Gewölbe zurückgezogen und nr- beiteten dort, gegen das Eindringen der Sonne durch alle möglichen Vorhänge geschützt. Venedig schien mit weitossenen Augen den Sommer - schlaf zu halten. Gegen fünf erwachte daS Leben, die Tauben flatterten wieder schimmernd und schillernd über de» MarkuSplatz, die Kürbisschnittverkäufcr schrieen ihre Raare ans; die Gurken-, Zitronen-, Quitten-, Orangen- und Felgenhändler wetteiferten mit ihnen im Brülle», indem sic die schmalen Gassen zwischen de» Kauäleii durchliefen, die Wasser- und Eisverkäufer be - völkerten die Volksquartierc, die Fensterläden der Häuser öffneten sich und die Inhaber der Gold-, Silber- und SlaSläden deS Marktplatzes traten ans ihren Gewölben befreit, sofern der Nutzungswcrlh der Häuser folgende Beträge höchstens um ein Zehntel übersteigt: in Ge - meinden unter 1000 Einwohner 90 FrkS.; von 1001 bis 5000 E. 150 Frks.; von 5001—30 000 E. 170 Frks.; von 30001—200 000 E. (40 Kilometer von Paris) 220 Frks.; in den Städte» von 200 001 und darüber 300 FrkS.; endlich in Paris 375 FrIS. — Für die größeren und getheilt zu vermietheuden Häuser gelten dieselben Sätze ans die einzelne» Wohnungen berechnet. Die Steuervergünstigung hört aber sofort auf, wenn mit dem Haufe eine solche Veränderung vorgenommen wird, daß es den Karakter eines billigen Ar - beiterhauses verliert. Ebenso sollen die Theile der Gebäude, deren Besitzer gemäß dem Gesetz vom 4. August 1844 zur Personal-Mobiliarsteuer (contribution personnelle-mobiliäre) herangczogeu werden, drei Jahre »ach Vollendung des Baues nur mit dem zwanzigsten Theil ihres Miethewerthes besteuert werden. Ferner sind diese Ballgesellschaften von den nach den Gesetzen von 1849 und 1875 zur Erhebung gelangenden Gebühren (taxes) Befreit. Auch sind alle die Begründung oder Auflösung der Gesellschaften betreffenden vorgeschriebenen oder nothwendigen Verträge (actes) stempelfrei und gratis auszufertigen. Endlich sind die Gesellschaften, ebenso bereit Theilhaber, und zwar nur solche, deren eingelegtes Kapital sich nicht höher rote 2000 Franks beläuft, von der Ein - kommensteuer frei." Interessant ist dabei zu ersehen, welche veraltete Steuergesetzgebung in der Bourgeois-Republik vorhanden ist. Alle die großen Staatsmänner von Gambetta bis Pürier haben keine Zeit gesunden, wie es scheint, die Steuergesetze des Börseukönigs Lonis Philipp einmal gründlich durchzusehen. Aber „Steuerfreiheit für Arbeiter- Wohnungen"! Das klingt verheißend — wenn es nur kein ganz gewöhnlicher „Mumpitz" wäre, mit dem Berliner zu reden. Sich Wohnungen als Eigenthum zu erwerben, ist heute für den Arbeiter nicht rathsam, da die schwankenden Konsnnkturen ihn leicht zur Veränderung des Wohnsitzes zwingen und ein eignes HauS ihm zur Last machen können. Aber wenn er auch ein Haus durch Raten- zahlnng erwirbt, so kann das nicht wohl in 5 Jahren geschehen, und die Steuersreiheit kommt souach dem Kapitalisten, resp, der Gesellschaft, die das Haus erbaut, zu Gute. Wenn der Arbeiter nur Miether ist — und das Ist -e h.>r nach — dann kann ihm die füiiffährige Steuerfreiheit wenig Nutzen bringen. Oder glaubt mau, daß dieGesellschaften, mit deren Kapital die Häuser erstellt worden sind, auS „Humanität" während der ersten fünf Jahre die Miethe um den Betrag der ausfallenden Steuern ermäßigen werden ? Wer das glaubt, hat den Kapitalismus nie begriffen. Die Miethspreise werden sich einfach wie anderwärts durch die Einwirkungen von Angebot und Nachfrage regeln und den Vortheil von der Steuerfreiheit haben einfach die Unternehmer; sie streichen „zum Wohle der Arbeiter" eine höhere Bodenrente ein. Der Klassen- staat schont und fördert die Interessen dcS Kapitalismus in dem „demokratischen" Frankreich eben genau so zärtlich, wie anderwärts. Das ist eine der Proben der „Sozialgesehgebniig", welche Herr Casimir Pürier so großspurig augekündigl hat. Wir haben gewiß alles Jntereffe daran, daß der Staat sich der Arbeiter annimmt; nach dieser Probe aber möchte man fast wünschen, daß in Frankreich nichts mehr unternommen wird, bis ein anderes System in die Regierung gelangt. Denn daS Regiment Pürier brächte eS schließlich fertig, die Arbeiter zu ihrer „Ent- lastung" auch noch mit neuen Speziaiabgaben zu be - packen. $011 Der WeltblWk. Die Immunität dcr RcichstagSabgcovdneteu wird von der „Nordd. Allgem.Zig." als Zielscheibe eiites neuen Angriffs genommen. DaS Ober-Reptil a. D. schreibt: „Die Blätter haben eilten „dringlichen" Antrag der sozialvemokratischen Reichstag s - sraktion angekündigt, nach dem der Reichstag die Einstellung eines gegen den Abg. Stadthagen Ichwebendeu S t r a s v e r s a h r e u s für die Dauer dec Session verlangen soll. Alle Bersussnngsinterpreteii sind darüber einig, daß das Recht des Reichstages, dir Ein - stellung der gegen seine Mitglieder schwebenden Straf- ■IM»HI.,.II I IH~ II—IIIIT — "I und sahen sich »ach Kttttde» um. Auch die Briefträger eilten wieder durch die Gassen. Wir sehen einen dieser sehr jungen, behende» und sauber gekleideten Männer einen Schiffer aus dem Wasserbecken an der Mündung des Rio bi San Felice, wo Herr Felix Lombardi wohnte, anrufe« — in Italien sieht man Ruse». Der Schiffer kam mit einem Kahn herbei und setzte ihn über und bet Briesbote rührte den Klopfer an bei» bekannten Haufe DaS Balkonsenster öffnete sich oben, beim Anblick deS Briefträgers ließ dec Hausknecht, nach Landessitle, einen Korb an einer Schnur hinab, der Briefltäger legte den Brief hinein und der Korb schwebte nach oben. Der Brief war an Fräulein Lombardi, er kam weit her, von fernen Landen, von Spiekeroog. Er war von Geschke und wir dürfen Einsicht davon uehmeu — er lautete: »Liebste Floral »Ich habe Dir jetzt seit drei Monaten nicht ge- schrieben; damal« war Frühling, jetzt haben wir Sommer. Bei Euch dort unten wird es ivohl schöner fein. Auch bei uns ist es recht hübsch; der Himmel ist oft sehr bla», die Wolken freundlich. Ich schaue auS dem Fenster; aus dem Grasflecken nach dem Watt zu weidet daS einzige Pferd der Insel. Du weißt, sein Beruf ist, das Rettungsboot schrecklichen Andenkens zum Strand zu ziehe». Etwas weiter davon die zehn Kühe friedlich mit ben vier Ziegen, die immer noch alle leben. Kinder suchen Gänseblümchen und die Staare Würmer; die Einwohner gehen wieder barfuß und die Männer haben die ivolleneu Shawls nur einmal um den .Hais gewickelt. Sie sind jetzt alle draußen aus dem Herings- saiig und auS dem entgegengesedten Fenster unseres Hauses erblicke ich durch den Einschnitt der Düne» ein Stück graublauer See mit ihren weißschimmerude» Segel». Das wird Dich au Dem Zimmer erinnern, cö ist bas, in beut ich schreibe, und führt meine Ge- danken zu Deinem hohen .Steinsalou", in welchem ich in nicht zu langer Zeit neben Dir zu sitzen hoffe. Unsere geplante Reise wird nun doch Wirklichkeit und verfahren zu verlange», nicht ein Pe-.sönlicheS Privilegium der letzteren darstellen, sondern verbütgen soll, daß die Mitglieder der Bolksverttetnng nicht behindert werden, an bereit Arbeiten regelmäßig Theil zu nehmen, auch nicht durch strasrechtliche Nniersuchungen, bis diese in da- Stadium der Rechtskraft eines ergangenen Urtheils getreten sind. Der Abgeordnete Stadthagen verbüßt jedoch gegenwärtig eine gegen ihn rechtskräftig gewordene G esän gn i ßst r a s e, wird also durch Forisührmig einer gegen ihn schwebenden Untersuchung in keiner W-ise in der Wahrnehmung parlamenlorikcher PflicktewI ehindert, da diese schon durch seine Slritshaft ousgeschlaijen ist Unter diesen Um - ständen gewinnt der Eingangs erwähnte Antrag die Be - deutung, ein parlamentarisches Privilegium in das per - sönliche eines Aligeorbnctea umzngestalteii und läuft praktisch daraus htnauS, den Fnrlgang der Strafrechts, pflege auch dann zu unterbrechen, wenn ein Interesse des Reichstages nicht in Frage stehen kann. Der Antrag würde also im Falle seiner Annahme eine für den Reichstag zwecklose Verschleppung bet Strafjustiz be- beutelt, ein Umstand, der bei der Bejchlnßsaffiing über ihn wohl in Betracht zu ziehen wäre." Hierzu bemerkt der „Vorwärts": „Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" sollte doch nach ihrem letzten, so bö-artige» Reinsall mit dem Zitiren von StoatSrechtolehrern unterlassen, sich ans Bersassnngsinterpreten zn berufen. Sie hat auch diesmal kein Glück, denn der beste VersaffungSinterpret ist nach der Meinung aller Staatsrechtslehrer nicht der Mann aus dem Katheder oder der erste Staatsanwalt am Land - gericht I in Berlin, auch nicht Herr Staatsanwalt Dr. Benedix, sondern der Reichstag selbst. Der Deutsche Reichstag hat aber in den letzten Wochen erst ein Strafverfahren gegen den Abgeordneten Stadthagen und im vorigen Jahre hat derselbe Reichstag die gegen den in Plötzensee sitzenden Adgeorbneteu Ahlwardt schtvebenden Strafverfahren einstelleu lassen. Der Reichs - tag ist der gleiche geblieben, die Regierung aber ist eine andere geworden, darum haben die Osfiziösen jetzt eine andere Auffassung von der Immunität der Reichstags- Abgeordneten." Tie Einstellung des SIrafverfahrens wird'verlangt, damit der Abgeordnete dann, wenn er die rechiskrästige Strafe verbüßt hat. au den Sitzungen theiluehmen kann. Dieses Vorgehen ist jetzt nm jo mehr nöthig, weil jetzt jeder sozialdeiuokratische Abgeordnete, gegen weichen ein rechtskräftiges Erkenntniß vorliegt, seine Haft ontreteii muß. Stadthagen wurde verhaftet nnb znm Straf- an trift abgesührt, obwohl das gegen ihn gefällte Erkennt- niß erst theilweise rechtskräftig war. Wenige Tage vor Weihnacht mußte Schippel seine breinionailiche Ge- fäugnißstrafe antreten und jetzt soll auch der Vertreter des 22. sächsischen Wahlkreises, Genosse Hofmann, eine vierwöchentliche Strafe antreten. Drei Sozial - demokraten sind hinter Schloß und Stieget und können in der nächsten Zeit nicht au den Abstimmungen theil - nehmen. Würde der Reichstag nicht die Einstellung der schwebenden Strasversahr- - verlangen, dann würden znm Schluffe der Session noch m-hr Sozialisten verhinbert sein, ihre Wühler zu vertreten. Für die „Rordd. Allg. Zeitung" und ihre Hiiitermäuner wäre es vielleicht recht angenehm, nnb darum iuterpretirt sie die Berfaffung und fälscht die Ausspnlche von Staatsrechtslehrern. Ist erst die Immunität der Abgeordneten vernichtet, bann hat die Reaktion freie Bahn. Die Eile, welche die Staatsanwaltschaften zeigen, die veruNheilte» Abgeordneten Himer Schloß und Riegel zu bringen, sollte grade zn dem Gegentheil dessen, waS die „Norddeutsche" verlangt, Veraiilaffnug geben, zur Durchsetzung der beremligten Forderung, daß in Straf, haft befindliche Abgeordnete während der Dauer der Session zu entlassen find. Die sozialdemokratische» Turner sind dem neuen preußischen Minister be« Innern, Herrn v. Köller ein Dorn im Auge. Offenbar sind sie gefährliche „Um stürzler" und da solchen, soweit sie roth find, nach Kräften daS gefährliche Thun gelegt werden muß, deshalb hat Herr v. Röller einen Erlaß in die Well geschickt, der, wie so manche anderen, sich mit der Sozial - demokratie beschäftigenden Aktenstücke, auch aus der Re - daktion des „Vorwärts" prompt eingclaufen ist, Herr v. Röller schreibt: Ministerium des Inner». Berlin, de» 24. November 1894. Es ist bekannt geworden, daß die Anhänger der Sozialdemokratie neuerdings anch das Turnwesen als ein Mittel benutze», ihren Einfluß aus immer weitere Kreise auszndehnen, . . . namentlich auf jugendliche Personen .... Gründung von Turn - vereinen, die sich augeblich nur mit Turnen beschäftigen, in Wahrheit aber der sozialdemokratischen Organisation und Agitation bleuen . 1893 zu einem deutschen Tnrnerbuud in Gera zusammeiigetreten. (Hierauf folgt eine längere Beschreibung der Orga - nisation deS Bundes, wobei darauf hingewiesen wird, baß bas Organ beS Bundes, die „Arbeiter-Turnerztg." iu Leipzig, die „Förderung sozialistischer Umtriebe ' an- strebt.) Es wird Bericht cingeforbert. wie weit im Verwal - tungsbezirke deS Regieruugspräsibenten N. N. ähnliche Erfahrungen gemacht sind, und in welcher Richtung nach Ansicht deS Regierungspräsidenten N. N. etwa gegen bett Arbeiter-Tiirnerbniid vorzugehen sein möchte. ■ar- acaisnsMmg« mumm 1 11 > »1 Zu unterscheiden sind drei Gruppen: 1. Die deutsche Turuerschast, welche die Pflege vaterländischer Gesinnung als Verein-« zweck anerkennt. 2 Der deutsche Turnerbund, welcher seinerzeit wegen ausgesprochener antisemitischer Tendenz von der Turuerschast ausgeschlossen wurde. Mittelpunkt Wien. 3. Arbeiter-Turnerbund Deutschlands, welcher im Dienste der sozialdenivkratischen Organisation lebt. Im Einvernehmen mit dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Mebiziual-Angelegenheiten ist von Seiten der Unterrid)t«oerrooltung gegen bas Treiben staatS- gesährlicher Turnvereine durch drei Maßnahme» entgegen zu wirken gesucht worden, nnb zwar 1) durch Verbot der Theilnahme von Schüler» und Schülerinnen, 2) durch ablehnende Haltung etwaigen Gesuchen gegenüber, um Gestattung der Benutzung von Sturm räumen und Turugeräibeii, die Schule» gehören, 3) durch Fernhaltung solcher Personen von den staatlichen Kursen zur Ausbildung von Turnlehrern und -Lehrerinnen, sowie von Turnlehrer- und -Lehrerinnen- Prüsuugen, die möglicherweise die Leitung des Turn- Unterrichts in der. nicht zur deutschen Turnerschaft ge - hörenden Vereinen Übernehmen könnten. Der Minister bei Innern, v. Köller. An bie Regierrtugs-Prasidenten Schaden werden die Arbeiter-Tnrnvereine von dem Erlaß wohl kaum uehmeu. Er ist aber ein bezeichnendes Symptom der Stimmung in Regierungskretjen. So lange das Bürgerthum oppositionell war, wurden seine Turnvereine als staatsgeiährlich angesehen. Nach dem großen Siegesrausch von 1870/71 ging die Turuerei in der jammervollsten Hurrahichreierei auf und sie galt den „Staatsmännern" nicht mehr als gefährlich. Run sich auch bie Arbeiter zur Kräftigung ihrer Gesnubheit unb bet nachfolgenden Generationen dem Turnen loibmen unb zwar in Gemeinschaft mit ihren klasseiigeuossen, weil sie ben öden unb blinden „patriotischen" Dusel, dem bie bürgerliche Turnerei verfallen ist, Haffen, wärmt man die alten Praktiken wieder auf. Run viel Glück, Herr Minister I Mehr Anstrengung als die Errichtung der Winiderwerke bee Alterthums erfordert bie Reform bei Militär st rafprozesseS. Daß bie geltende Militärstiasprozeßordnung nicht inehr dem Reckitsgesühl des Volkes entspricht, empfindet Jeder unb so wurde bald nach Gründling des Deutsche» Reiches daS große Wort gelassen ausgesprochen, daß die Mititärstras- prozeßorbnung teformirt werden solle. Die Kriegs - minister, welche das Versprechen abgegeben haben, ver - ließen der Reihe nach ihren Posten, und das gegebene Versprechen wurde von dem Nachfolger wiederholt. Der „Stuttgarter Beobachter" schrieb, wie berichtet, dieser Tage, datz die Reform des Militärstrasprozeffes auf un - absehbare Zeilen vertagt worden sei. Diese Nach - richt soll, wie Die „Nordb. Allgem. Zeitung" hört, auf Erfindung beruhen An keiner der in Betracht lammen- ben Stellen weiß man etwas Anderes, als baß die Ar - beiten für die Reform ihren Fortgang nehmen. Wan weiß, daß bie Arbeiten ihren Fortgang nehmen I Aber zu welchem Resuttat werden sie führen? Unser ganzes Mililärsystem ist daraus ausgebaut, daß der Untergebene dem Vorgesetzten blind gehorchen muß. Die Gleichheit, ohne tvelche man keine Gerechtigkeit denken taun, ist im Militarismus nicht vorhanden. Ohne Bruch mit dem ganzen System wirb eine dem Rechts - bewußtsein bei Volkes entsprechende Reform nicht ge - schaffen werden können. Da man nicht mit dem System breche» will, wird es gleichgültig sein, ob bie Arbeiten vertagt sind oder nicht, das Resultat wird ln beiden Fällen ein negatives {ein. Gegcit die „sozialpolitischen Lasten" laufen die industriellen Unternehmer erneut Sturm. Die die Veröffentlichung eines Rundschreibens vom Verband deutscher Metallindustrieller In der Frank- furter „BolkSsiimme" ergiebt, will mau die „persönlichen Erfahrungen" bet Fabrikanten gegen die sozialpolitische Gesetzgebung unb vor Allem gegen bereu Wetterführung in’« Feld führen. Mitleiderweckend wird in dem Rund - schreiben geklagt: „Die Lasten, welche bie sogenannte sozialpolitische Gesetzgebung der Industrie auferlegt, mehren sich von Tag zii Tag. Noch sind die zahlreichen Mängel nicht beseitigt, an welchen zweifellos die bisher erlassenen Ge - setze unb insbesondere die Aussührungsbestiinuiungcn zu denselben leiben, unb schon wieder geht die Regierung baran, durch Erweiterung der U n s a l l Ver - sicherung die auf diesem Gebiete anscheinend be - stehende Verwirrung zu vergrößern. Neben den peku - niären Auflagen sind es vor Allem die durch unendliches Schreibwerk unb unfruchtbare Ver- baudliuigeu hervorgcrufenen Zeitverluste, welche bie Thätigkeit des Industriellen Ivesentlich beeinträchtigen. E« erscheint beuigegeiiüber geboten, daß die bereits be - stehenden fllesetze resormirt, in der Wetterführung der „Sozialreform" aber eine Pause gemacht werde „Zahlreiche sozialpolitflche Euthusiasien und theo - retische Schwärmer beeinflussen fortgesetzt die Regierung und leider auch die Mitglieder der Volksvertretungen. Der (?ntu>uff von An suahmcbestimm ringen über die teoiiiitngSnihe für die Industrie wird, wie bie „Norbd. Allg. Zeitung" berichtet, uachdew er bie zweite Lesung in dem zuständigen Ausschuß passtet hat, an welchen er verwiesen worden war, demnächst da« Plenuin des Bundesraths beschäftigen. Bei dieser Ge - legenheit dürfte dann auch die Festsetzutig deS Termins statt finden, zu welchem die Sonntagsruhe für bie In - dustrie gesetzliche Kraft erhält. 1891 ist das Gesetz vom Reichstage angenommen. Seit dieser Zeit hat die Regierung untersucht und ge - forscht, in welchen Industriezweigen unb bei welchen Ge - legenheiten Ausnahmen zngelaffen werden sollen. Bei der bekannten Rücksicht, welche die 9iegierungcn auf die Interessen der Kapitalisten nehmen, läßt sich erwarten, daß das Gesetz nur dort eine Sonntagsruhe festsetze, wird, wo sie jetzt schon besteht. Bier Jahre hat die Regierung Ausnahmebestimmungen gemacht, wen» da nicht die Ausnahme zur Regel geworden ist, müßte man sich sehr wundern. Der Parteitag sür das östliche Westfalen und die beiden Lippe findet am 13. Januar b. I. in Bielefeld mit folgender Tagesordnung statt: 1) Bericht des AgitationSkomiteS. 2) Bericht des Kas. sirers. 3) Agrarfrage unb Landagitation 4) Presse. 5; Anträge. 6) Wahl des Agitatioi^komiteS sowie Sitz defjelbe». Stürmische parlamentarische Szenen sinh jetzt überall an der Tagesordnung. Sie find ein Zeichen der allgemeinen Zersetzung unb bet scharfen wirthichastlichea Interessengegensätze, bie in der Zuspitzung der politische» Parteigegensätze znm Ausdruck komtneu. Auch im nieder» österreichischen Landtag kam eS am Freitag zu stürmischen Szenen, die sich zu großen Skandalen ans» wuchien. Anläßlich des Antrages gegen die Erhöhung der Vetpflegsgebiihr in den Wiener Spitälern sagte der Antisemit Greg orig u. A.: „Wir hoffen, daß einmal die Judeugüter von Staatswegen eingezogen werden. Die Wiener Universität ist heute ei» an einem Rothnagel hängendes Mauscheleum." Der Rektor der Wie-ier Universität, Pros. Müll »er, ein katholischer Priester, nie« die Angriffe de« Vor - redners aus bie Urioerfität sowie die antisemitischen Aus - lassungen sehr scharf zurück und berief sich auf das Urtheil Dantes und des Thomas von Aguino übet bie Inden. Wenn er auch als Lehrer Spinoza be - kämpfe, so neige er sich doch vor diesem großen Geile und diesem edlen Menschen. Den Mathematiker Jacobi könne man nicht aus der Geschichte der Wissenschaft streichen, blos weil er Jude fei. Die Antisemiten begleiteten die Rede mit höhnischen Zurusen. Lueger erwiderte, der Relior schließe die Augen vor den Zuständen an der Wiener Universität; an bet medizinischen Fakultät {eien übet die Hälfte der Studenten Juden, und es herrsche ein Kliquenwesen, daß Christen gar nicht auskommen können. M ü l l n e r: „Beweisen Sie es I" Lueger: „Traurig, wenn ein Rektor sich zum Vertheidiger des Judenthums auswirst und ein katholischer Priester den Beiiall bet Judenliberalen sucht!" Die Antisemiten bracht» in einen Beifallssturm aus, in den auch die Gallerte» Die industrielle Praxis hat sich bisher an der fortge - setzten Diskussion über bie „Lösung bet sozialen Frage" verhältnißmäßig wenig beiheiligt; sie findet Angesichts ihre» anstrengenden Thätigkeit nur selten bie Zeit hierzu; auch besitzt nicht jeder Arbeitgeber die eingehende Seitab niß der Gesetzgebung unb Verwaltung, über welche die fachmäßigeu Theoretiker verfügen. Dagegen steht btt» Znbustriellen ein werthvollereS Material zur Verfügung, welche« geeignet ist, anch bie glänzettbsteii Darlegungen der sozialpolitischen Jbevlogeii zu widerlegen: Da- sind die jeweiligen Erfahrungen, welch« er innerhalb seine- Betriebe- bei Anwendung der ein - schlägigen Gesetzgebung gemacht und erlitten hat." Zur Hebung des „Materials" wird schließlich um Beantwortung folgender Fragen ersucht: 1) Welche Konflikte und Weiterungen sind Ihnen auf Grund bet sogenannten sozialpolitische» Gesetzgebung (bie Thätigkeit i>er Gewerbegerfchte, bet Fabrikinspektoreii u. s. w. einbegriffen) mit Behörden, Arbeitern ober Beauftragten erwachsen ober bekannt ge - worben ? (Möglichst genaue Darstellung bet angegebenen Fälle erbeten.) 2) Welche Wünsche und Erfahrungen habe» Sie insbesondere auf dem Gebiete des Lehrling-wesens und Foilbildung-wesen- zn verzeichnen? 3) Wie hoch beläuft sich die j ä h rliche s ozial- politische Belastung Ihre- Betriebes sowohl in der Gesammtsnmme, wie auch in Prozenten bet wirklich gezahlten Lohnsumme auf (Grund der Lohnnachweisungen für die Berufsgenofsenfchasten) : a. Krankenversicherung? b. Unfallversicherung? c. Alters- und Invalidenversicherung? 1) Wie groß ist die DtirchschnittS-Anzahl der Ar - beiter Ihre» Betriebes? Das ist also die Art und Weise, wie die Inbustrie- barone bas „überraschende Bild von der Wirkung der sozialpolitischen Gesetze" zu Stande bringen wolle». Aus jedent Wort spricht bie größte Gehässigkeit gegen diese Gesetze, aus jeder Zeile klingt die Auffordernna heraus, nur recht viele „Konflikte und Weiterungen" vorzubringen Ihr werdet bald die so leichtsinnig herausbeschworene Einquartierung habe». Freilich, jo schnell noch nicht Wir reifen zuerst nach Paris; eS ist die- ein lang, gehegter Wunsch von mir, bleiben dort lUibestimnne Zeit und werden bau» durch bie Schweiz und Tirol zn Euch hiunuterkommen. DaS wirb im September jein, also erst wohl in zwei Monaten. Dit haft dem - nach Zeit, Liebste, Dich »nd Deinen verehrten Onkel auf den Schreck vorznbereite». Tkein Vater ist wieder leidlich gesund, freilich Jjat ihm die endlose Krankheit viel von seiner alten Frische genommen, wir hoffen aber, daß sie durch die- Reisejahr und be» Aufenthalt über den Winter in Eurer Lagunenstadt einigermaßen zurückkehreu wirb. Biter läßt Dich auf das Herzlichste grüßen. Er gedenkt Deiner stets mit Liebe und bittet Dich, Deinem Onkel bie besten Grüße zu bestellen. Hast T» keine Nachricht vom Steuermann Ritscharb? Du weißt, daß ich uiich für diesen Mann iiitereijire, weil Dn Dich für ihn interessirst nnb er ja zu jenem Schiffe „Sultan" gehört, dessen Schicksale tief in meine Seele eingeschrieben sind. Bon Paris auS will ich Dir dann unsere Adreffe mittheilen, und es wird mich herzlich freuen, einen Bries dasekl-st von Dir zu empfangen." Das Schreiben schloß mit vielen Freundschaft«, und Liebesbetheuerungen. Flora erhielt ihn in ihrem „Steuisalon" unb er rief mit einem Male hier in Venedig jene schreckenvolle Zeit, die sie letzten Herbst dort und auf der Insel durch- geuiacht, lebhaft in ihr Gedächtniß zurück. - „Die, Strandung, die Rettung, der ,ähe Verlust meine» Ver- mögens. Alles schien >n>r damals nnb scheint mit noch jetzt wie ein beängstigender -raum, sprach Flora zu sich Leider war eS jedoch kein Traum, den» ich bi» arm unb Ritscharb besitzt auch nichts, unb ob der Onkel liier iu eine Verbindung mit dem ganz VeruiögeuSlosen willige» wird, ist Ich danke feiner Güte viel, denn er hatt mich, al- wäre ich feine Tochter. Zwar geht die Fabrik letzt gut“ spann Flora ihre Gedanke» fort, »Knet seltsame Maun kam wie ein Erlöser und wirkte wahrhaft wie ein Zauberer - die Italiener haben nicht so ganz Unrecht. - «bet ob der Onkel, dessen Kapitalien so stark in Anspruch genommen sind, mir so viel mitzugeben vermag, daß ich CharleS heiratheu kann — ob er es will? — ich wäre mit einem bescheidenen L00S zufrieden — das scheint mir zweifelhaft. Ich habe noch gar nicht gewagt, ihm nur ünzudeitten, daß mein Herz schon gefprocheii hat. Onkel hingegen preist wir ausfallend viel, oft und ein- dringlich die Vorzüge jenes Manne-, den ich beinahe zu sehen mich jetzt fürchte." • So sann Flora, das Schreiben vor sich auf dem Schooße. in liefern Denken verloren und ihr Herz war bedrückt unb schwer, je mehr sie an bie Zukunft buchte Der Tag, welcher für den Besuch bet Fabrik be - stimmt worden, war gekommen. Herr Lombardi hatte Willem von dem bevorsteheii- ben Besuch feiner Richte verstänbigt und dieser sich nicht grabe sehr erfreut darüber gezeigt. Er erwiderte zwar höflich darauf, daß e- ihm Freude machen würde, die Richte des Herrn Lombardi kennen zu lernen ; fein Ge- sichtsauSbrnck wies jeboch etwas wie Mißstimmung übet biete BeheNiguiig auf. Herr Lombardi, in seiner raschen, sangmuischeu Art, alle Dinge zu erledigen, halte davon nichts bemerkt. Es machte ihm fast Spaß, de» menschenscheuen Jngcniör aus seiner Zurückgezogenheit »nd seinem wissenschaftlichen Sinueit und Träumen durch feine schöne Richte auszuscheuchen. Heiter, mit der ernsten und gedankenvoll blickenden Richte scherzend, fuhr Herr Lombardi von Venedig ab. Die Gondel fuhr am Portal bei Vorderhauses an unb in diesem empfing Willem Herrn Lombardi, der Flora am Arme führte. Es herrschte in dem hoch- gewölbten Gange ein Dämmerlicht; Willem warf einen Blick auf die Dame und ward seltsam berührt durch ihre Züge. Sie kamen ihm bekannt vor; wo hatte er nur diese Dame schon gesehen? Man trat ans dein Durchgang iu ben hellen Hof; da« Sonnenlicht fiel auf Flora, Willem schaute sie scharf prüfend an; er wollte daraus schwören, dieser Tante schon einmal begegnet zu [ein. Er konnte sich jeboch nicht denken wo Flora zeigte sich beim ersten Anblick des gerühmten Mannes sichtlich erschreckt. Wie sah er Charles ähnlich i Nur war seine Haltung steif, fei» Blick unsicher, sagte sie sich. Sie gestand sich, daß bie Erscheinung dieses Maunes sie peinlich berührte. „WeShalb nur?" überlegte sie sich. „Er ist doch ei» ausfallend schöner Mann ; sein Gesicht ist sanft unb gleicht ja Charles jo seltsam. — Vielleicht ist eS grabe biefe Aehnlichkeit, vielleicht bie Vorstellung, daß ein anderer Mensch bem von mir geliebten Manne so wunderbar gleich sieht, was mich so unruhig macht unb mir die Gegenwart diese« höflichen, fein sich bewegenden Mannes, dem mein Onkel so viel Dank, schuldig ist, verleidet. — Möglicherweise auch der Gedanke, daß der Onkel eine Verbindung zwischen nnS wünscht, waS mein Herz jetzt bedrückt unb meine Sinne umwölkt." So bestrebte sich Flora, wähienb Willem sie in dem Laboratorium unb in der Fabrik nmhersührte und das Jntereffanteste ihr zeigte, sich den grabczu unheimlichen Eindruck, ben der Fremde auf sie machte, zu ersteren. Willem sprach scheinbar ruhig, ledoch sei» Herz strafte feine angenommene Gleichgültigkeit Lüge». Dieses Gesicht, diele Gestalt brannte in feine Sinne sich ei» mit berückender Gewalt, mit dämonischer Macht. ES wurde ihm heiß und kalt, so oft er einen Blick auf dir neben ihm Wandelnde warf. Er fand sie wunderbar schön und interessant; unheimlich schön, seltsam seine ganze Seele gefangen nehmend unb doch nicht auf eine süße angenehme 98ei|e. Sie fesselte seinen Geist, sie tnachte fein Herz momentan stille stehen, wen» sie bie Auge» auf ihn richtete. Die Auge» so hell, so grau, so feurig und doch so wehmüthig sanft, weshalb bamitcu auch biefe ihn, so daß er fast Athemlosigkeit fühlte; weshalb erregte» sie ihm Furcht, indem sie ihn, wie ein Basilisk da« Vöglein, bezauberte», baß sie sich nicht von ihnen wenden konnte? Sollte das die Liebe [ein, welche er bisher noch nicht empsunben? Sie soll Kummer und Schmerzen bereiten, ba- hatte er bei alle» Dichtern gelesen nnb oft gehört, — aber übte sie ben» einen solchen erschütternd unheimliche», hinreißende», bedrückenden Zauber au# (Fortsetzung folgt )