Nr. 149. 9 Rahrgaug. Hamburger Echo. Das „Hamburger Echo" rrschriut täglich, außer Montags. Der NbounementSprciS (inkl. „Die Nene Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Rr. de« 'Post- latalcgS 2955) ohitc Bringegcld vierteljährlich AL 4,20; durch die Kvlportörc ivöchcntl. 36 /<& frti iu'S Haus. Bcrantwortlicher Liedaktör: R. St««, el i» Hamburg. Sonnabend, den 29. Juni 1895. Anzeige» werden die j-chsgespallem Pelit, eile oder deren Raum mit 30 4, für den Arbeitsmarkt, vermiethuugS- und ^aniilienan, eigen mit 20 4 berechnet. «Njeigen-Auuahme in der Spedition (bis G llhr AbdS.), sowie m fäuiiulL Zlunoneen-Büreauz. rredakuoll imd L^pedilio»»: iSrotze Dheaterstraß« 44 iu Hamburg. Hierzu eine Beilage. 3l6oiintmtiits=Bml6iinn|. Mit dem am 1. Juli beginnenden drillen Quartal eröffnen wir ein neues Abonnement auf das „Hamburger Echo" und laden olle Freunde und Genossen ein, für möglichste Verbreitung unseres Blattes thätig zu sein. ES genügt nicht, daß der einzelne Genosse selbst Leser des „Echo" ist; er hat auch die Pflicht, seine Mitarbeiter und sonstigen Bekannten zum Abonnement auf das Organ der sozialdeniokratifcheu Partei zu veranlassen. Die Presse hat sich bisher als die schneidigste und ge- sürchtetste Waffe im Emanzipationskampf des Proletariats bewährt und das „Hamburger Echo" darf sich rühmen, stets unentwegt in vorderster Linie gestanden und die Forderungen der Sozialdemokratie unerschrocken ver - theidigt zu haben. Man glaube nicht, daß mit dem Fall der Umsturz. Vorlage für das Proletariat eine Zeit der Sicherheit und Ruhe eingetreten fei. Die Machthaber sind durchaus nicht gesonnen, unnmehr, nachdem das Knebelgesetz ihnen beriueigerl worden, den Kampf gegen die anfstrebende Sozialdemokratie einzustellen. Sie werden vielmehr aus ihrem reichlich gefüllten Arsenal alle kleinen und großen Mittel hervorsucheu und anwenden, durch welche sie das Volk mundtodt machen zu können hoffen. Es gilt traf der Hut zu fein, und die berufene Wächterin der Volks- rechte ist die sozialdemokratische Preffe. Aber nur dann kann sie ihreti Beruf ganz erfüllen, wenn sie einen sicheren und festen Rückhalt im Volk, also eine große Verbreilnng hat. Dafür zu sorgen, liegt im eigensten Interesse jedes Genoffen. Wie bisher wird das „Echo" bestrebt fein, rasch und zuverlässig über alle Vorgänge auf dem Gebiete der Politik zu berichten und dnrch allgemein verständliche Artikel die wichtigsten Fragen des öffentlichen Lebens zu beleuchten. Dem speziellen Interesse der Arbeiter im engeren Sinne dient die Rubrik „Arbeiterbewegung", wo über wirthschastliche Kämpfe und gewerkschaftliche Be> strebuugen alles Wissenswerlhe registrirt wird. Die lokalen Ereignisse finden ebenfalls ausreichende Berück - sichtigung und für das Unterhaltuugsbedürfuiß wird dnrch ein gediegenes Feuilleton und die Gratisbeilage „Neue Welt" gesorgt. Wir hoffen, daß unsere Freunde und Genoffen auch diesmal beim Quartalwechsel dem „Echo" neue Abon- Wlten zusühren und so dessen Eiitlluß steigern werden. Das „Echo", das einzige der hiesigen Blätter, welches die Interessen der Arbeiterklasse vertritt, muß anch iu allen Arbeiterwohnungeil gelesen werden. Der AbonnementSpreiS des „Hambnrger Echo" beträgt (einschließlich des illustrirteu Unterhaltnngsblattes „Die Nene Welt") pro Woche 36 4, wofür es von den Kolporlöreii frei iu'S Haus geliefert wird. Abonne - ments bei der Post kosten vierteljährlich AL 4,20 ohne Bringegeld. Das „Hamburger Echo" ist unter Nr. 2955 in den Postkaialog eingetragen. Redaktion und Expedition des »„Hamburger Echo". von Köller und öie sreilivnige Preße. * Ein Hoch auf den Minister v. Köller ist an sich gewiß nichts Merkwürdiges; merkwürdiger ist schon, wenn dieses Hoch von einem Preßmenschen oder Jonrnalisten ausge» bracht wird; am merkwürdtgsten aber ist, wenn dieser Journalist ein freisinniger Redaktör eine? frei» sinnigen Blattes ist. Daß dieS nicht etwa blos „eine Hypothes', ein Problema", wie Lessings Patriarch sogt, sondern leibhaftige Thatsache ist, ersehen wir ans mehreren Berichten über die Kieler Festlichkeiten. Darüber, ob sich der freisinnige Hochansbringer vorher mildernde Umstände angetrunken hatte, wird nichts gemeldet, aber was braucht's dessen? Auf eine gewisse Menscheusorte wirkt ja die liebenswürdige Herablassung eines Ministers wie der stärkste Alkohol, und man sagt namentlich von Bedienten, daß ein gelegentlicher flüchtiger Sonnenblick der Herrschaft ihnen um so »vohler thue und für deren Dressur nm so wirksamer ist, je brutaler sie sonst be- handelt werden. Und namentlich gute Verköstigung thut wahre Wunder, nicht blos bei Karl Bultervogel und feinen Livreegenoffen. „Es ist gar hübsch von einem großen Herrn, so menschlich mit —" Schmierfinken (so sagte doch wohl vor noch nicht gar langer Zeit der Kriegsminister), pardon Vertretern der Presse zu verkehren und zu tafeln, und noch dazu mit Freisinnigen. So etwas kann einem freisinnigen Redaktör schon ein wenig den Kopf verdrehen und eS wäre gar nicht zu verwundern gewesen, wenn der freisinnige Re- daklör der freisinnigen Zeitnng zugleich auf de» dolus eventualis ein Hoch ausgebracht hätte. Wie Herr v. Köller geschmunzelt haben mag l Es muß eine kostbare Szene gewesen sein, um derentwillen wir auf - richtig bedauern, nicht geladen gewesen zu fein und diesen welthistorischen Akt miterlebt zn haben. Und da» so kurze Zeit nach den Umsturzdebatten, wobei Herr v. Köller der Eifrigsten einer gewesen ist, der Presse Zaum und Gebiß anzulegeu, oder richtiger einen Knebel in den Mund zn stecken 1 Nun bezweifle man noch, daß die Zeit mit Siebenmeileustiefelii fort- schreitet l Wie der freisinnige Toast wohl gelautet haben mag? Vielleicht npostrophirte der Redner feine Preßkollegen wie folgt: „Verehrte Kollegen I Mit diesen schönen Festtagen ist eine neue Aera für die Presse in preußischen Landen angebrochen. Nicht mehr werden wir wie bisher ant Katzentischchen oder in der Küche sitzen, wenn die hohen Herrschaften täfel». Nein, man erweist u»s di« hohe Ehre, mit ‘bet Herrschaft an einem Tisch zu sitzen und wir erhalten unsere Portion von jeder Schüssel. Das ist noch nicht dagewesen. Wie haben wir doch so lange unseren guten Köller ver - kannt I Wir hielte» ihn für einen Feind und Verächter der Press«, aber Itente zeigt sich's, daß er ihre Be- deutung als sechste Großmacht wohl zu schätzen weiß. Er ist nur ein Verfolger der bösen Presse, die gute Presse hat nichts von ihtit zu befürchten. Auch von ihm könuen wir sagen: Der Herr züchtiget, wen er lieb hat. . Ja, die Zuchtruthe, die er über uns schwingt, ist zu unserem Heile; wir sollen und wollen sie werth halten und den verehren, der nitS damit züchtiget. Seine Exzellenz, Herr v. Köller, lebe hoch I hoch I hoch! Hurrah I Hurrah 1 Hurrah l" Weitab tiom Zentrum werden wir schwerlich ge - schossen haben, wenn sogar die demokratische „Fraickfitrter Zeitung" nicht blos in den hochgestimmlen Fefiberichteu ihres öl-KorresPondeuten mitten aus dein Jubel und Trubel heraus, sondern iu einem nüchternen Epilog von dieser Woche die Kieler Feste als einen ersrenlichen Wende - kreis des Krebses bezüglich der Behandlung der Presse feiert. Da hat sich der Korrespondent der nicht freisinnigen „Neuen Züricher Zeitimg", der den Festrumiuel auch mit- geniacht hat, einen kühleren Kopf bewahrt. Ironisch bemerkt er, man habe in diesen Tagen den Jonrnalisten von oben herab eine Aufmerksamkeit erwiesen, als ob sie mit einem Krönleiii auf dem Haupt geboren worden, und er erinnert an das Wort be# alten Fritz: „Wenn die verdammten Kerle nicht ordenklich schreibe», erfährt die Welt nichts I" Nun, gut mag es immerhin sein, daß man in hohen Regionen bei solchen Anlässen die Presse braucht als Posaune, und man sich daher bemüht, sie in gute Laune zu versetzen. Vielleicht hat mau eben deswegen alle Schleuse» der Liebenswürdigkeit geöffuet und die Jour - nalisten mit so auffallenden Aufmerksamkeiten überhäuft, weil man ein böse# Gewissen hatte, und befürchtete, die Presse möchte in ihrer Berichterstattung sich für die ihr sonst applizirteu Fußtritte revanchiren. Daß diese Furcht eine übertriebene war, konnte Herr v. Köller am besten aus dem freisinnigen Hoch ersehen. Das Völkchen ist leicht wieder begütigt ruib freisinnige Politiker sind keine intransigenten Sozialdemokraten; ein frei - sinnige# Oppositionsherz schmilzt wie Butter in den Sounenstrahlen ministerieller Gnaden. Es giebt ein Ding in der iirenschlicheir Brnst, das man „Staralter" heißt. Es hat nichts gemein mit jener plumpen und bornirteir Gehässigkeit und Unversöhnlich - keit, die eS nicht über’# Herz bringe» kann, denr Gegner die Hand zu reichen, wenn er aufrichtige Wandlung seiner bösen Gefinnung an den Tag legt und im Grollen und Schmollen eigensinnig verharrt. Karaktcrlos und verächtlich aber ist der Mensch und bet Stand, der nicht seine Würde wahrt gegen die Mächtigen, die ihn mit ausgesuchter Feiudseligkeit zu behandeln pflegen und ihnen ohne Zandern pibeNrb- um den Hals fallen ober besser zu Füßen flicke», wenn sie ihn einmal brauchen. Kan» mau sich da wundern, daß die Mächtigen keinen Respekt haben vor dem Stand imd, sobald sie ihn nicht mehr brauchen ihn wieder in der alten Weise miühandeln? Wie sagt der alte Bürger : Viel' Klagen hört' ich oft erheben Vom Hochmuth, den der Große übt: Der Großen Hochmuth wird sich geben, Wenn unsre Kriecherei sich giebt. Als die „energievollsten Koraktere" und die „ein - zigen Männer in Deutschland, bencu Leben inne- wohnt", hat H. Heine schon vor 40 Jahre» die Sozial- demokrate» seiner Zeit, die Kommnnistei,, bezeichnet. Da? freisinnige Hoch auf Herrn v. Köller ist eine weitere Illustration dazu unser vielen anderem $on btt WkltWk. Der Gesetzentwurf über die VerpflegungS stationen ist am Donnerstag vom preußischen A b- g e 0 r d n e t e ii h a ii f e in zweiter Lesung angenommen worden, wesentlich in der Fassung der Kommisfion. Gleich bei § 1, der das Prinzip der Errichtung der Stationen enthält, erklärte Finanzniinister Miguel, daß die Vorlage für die Regierung nicht annehmbar fei, wen» in §3 die Bestimmung aufrecht erhalten bliebe, daß der Staat mit einem Drittel zn de» Kosten heran- gezogen würde. Er begrün bete diese ablehnende Haltung der Regierung zum Staatszuschnß für die VerpflegnngS- stativnen folgendermaßen: „Wir erblicken in dem Prinzip bet Vorlage eine sehr wesentliche sozialpolitische Ansgabe uitb würben be - dauern, wenn lediglich wegen dieses Anspruches, der seitens der Koininission an de» Staat erhoben wird, das ganze Gesetz scheitert. Unsere ablehnenden Gründe sind folgende: Zuerst erscheint es vom rein finan - ziellen Standpunkt aus bedenklich, de» Staat, iiachdein er soeben bett Kommunen bedeutende Einnahmequellen Überwiese» hat (Unruhe rechts) und ihnen dadurch die Aufgaben der Selbstverwaltung erleichtert hat, nunmehr mit einer Ausgabe von JL 700000 bis AU 800 000 z» belasten, die gegenüber der jetzigen Finanz - lage des Staates am allerwenigsten berechtigt wäre. Rach der ganzen Konstruktion unserer Verwaltung und der Berlheilitng der Ausgaben innerhalb der Gesammtver- waltnng liegt die Fürsorge für Arnie und Hülslofe in Preußen den Gemeinden, Kreisen und Provinzen ob, und der Staat hat früher sehr erhebliche Mittel grabe den Provinzen z» diesem Zwecke überwiesen. Ich würbe es für einen sehr bedenkliche» Schritt halten, roeiui hier der Anfang gemacht würde, be» Staat in diesen Ver- waltnngszweig hineinziizieheii, zumal mau gar nicht weiß, zu welche» Konseqiienzen das führt. Der Schritt wurde um so bedenklicher fein gegenüber vielfach hervortrekenben Tendenzen, auch aus diesem Gebiete zu größerer Zeutralilation zu kommen, wahrend wir umgekehrt stets in Uebereinstimmung mit lern Hause anerkannt haben, daß grabe ans diesem Ge - biet bet «rmeujürfotg« eine zweckmäßige Dezentralisation das Beste ist. Wir w i b e r ft r e b e u einer solchen Zen- tralisation grundsätzlich. Wen» Sie vom Staat ein Drittel der Kosten »erlangen, so ist die nothwendige Konsequenz, daß der Staat entweder in die Lage kommt, diesen Zuschuß zu leisten, ohne auf die ganze Vermal- tung einwiickeu zu können, ober aber gedrängt wirb, in dieser Verwaltung eine maßgebende Stellung einzu- iiehmeu, d. h. der Selbstverwaltung eine starke büreau- kratische ffinmifcbuug zu geben. Obwohl die Kommission ja bemüht gewesen ist, die Eiiiwirkiiug der Staatsbehörden ans diesem Gebiet möglichst zurückzudräiigeu, würbe selbst nach ihren Beschlüssen die staatliche Einwirkung eine sehr entscheidende fein und in einer mehr egalifirenbeii Weise gehandhabt werben, als wenn der Staat finanziell bei der Sache nicht beteiligt ist. „Es scheint mir fast so, als meuu iu der Kom - mis s i 0 n bie Gegner b e S Prinzips des Gesetzes sich mit bc u Freundeu dadurch verständigt haben, daß sie den be - gonnenen Ausweg gewählt haben, die Sache au f die allgemeine Staatskasse zu wälzen. (Heiterkeit und Zustimmung.) Die Ueber - nahme eines Theils der Kosten auf den Staat müßte dahin führen, daß einzelne Provinzen, welche geringe Ausgaben hätten, überlastet werden, während diejenigen Provinzen, die nach ihren gefammten wirthschastlichen Verhältnissen höhere Lasten zu tragen hätten, weil sich in ihnen vorzugsweise große Arbeiteriuasfen anhäufen und schwankende Beschäftiguiig^ der Arbeiter vorhanden ist, durch Heranziehung deS Staates entlastet werden. Sie werden nun zngeben nmffeit , daß die Ablehnung des Staatszuschusses kejneSwegs auf rein fiskalischen Gesichtspunkten, sondern auf allgemeinen sozialpolitischen Gesichtspunkten beruht und auf solchen, bie sich auS unserer ganzen Verwaltungs Organisation ergeben. Ich bitte Sie trotzdem sich nicht abschrecken zu "lassen, dar Gesetz zum gedeihlichere Abschluß zn bringen. (Große Heiterkeit.) Der Staat wirb durch Zahlung von 7 bis 800000 M. auf diesem Gebiet gehindert, seine Kultur- mijfiou auf anderen dringlichen Gebieten zu erfülle». Wenn das Haus das Bedürfniß für diese Vorlage an - erkennt, tuen» es eine wesentliche sozialpolitische Ausgabe darin erblickt, so kann die Laftenvertheilung kein Wesent - liches Hinderniß bilden, das Gesetz zn verabschieden." Der Antrag der Kommisfion, best, den StaatS- z 11 schuß, wurde gleichwohl angenommen. Vielleicht ist der Minister auf der richtigen Fährte, mit der Annahme, daß damit nur der Zweck verfolgt wurde, das Gefch scheitern zu. lasse», und der Regierung dafür die Verantwortlichkeit ziizuschieben. Daß die Mehrheit der Konservativen für beu §3 stimmte, ist bei bereu notorischer Feindseligkeit gegen die „Vagabunden" bezeichnend für den verfolgten Zweck. Mit der Reform des Jrrenwcsens scheint es die preußische Negierung keineswegs sehr eilig zu habe». Nachdem der Stellage < Prozeß die auf diesem Gebiete herrschenden Ucbelstäude fe scharf hat hervortreten lassen, sollte man glauben, daß nuu sofort Alles geschehe, um das Uebel nicht weiter fressen zu lassen. Man hat aber noch viel Zeit und erst beim nächsten Etat sollen bie für die Befuchskoiumissioueii geforderte» AL 8000 ein - gestellt werden. Der Kultusminister bemerkte diesbezüg - lich: „Mit dem nächsten E t a t S j a fy r e können also bie Besuchsko in Missionen erst in Wirksamkeit treten, ich hoffe aber, daß Sie bann auch keine Schwierigkeiten mache» werden." DaS geht selbst über die Geduld nationalliberaler Blätter hinaus lind der „Hann. Cour." klagt entrüstet: „Also auch mit diesem dürftigen Refornrversiich soll noch bie zum 1. April 1896 gewartet Werden. Wir meinen, wenn auch die Jt 8000 nicht ausreichen, das schwere Ge- schütz eines Nachtragsetats in Bewegung zu setzen, so würbe dieses Sümmchen, da zweifellos ein dringendes Bedürfniß in Frage steht, doch irgendwie schon jetzt zu beschaffen sein. Der Gedanke wird sich Jedem ansbrängen, Wieg a »zanbersdie Sache erledigt werden mürbe, wenn es sich um eine dringende Forderung etwa aus den Ressorts des K r i e g s m i»i st e r i n in s ober der ?Ji a r in e b e r m a 1 1 ii 11 g handelte. Ob man sich iu RegiernngSkreisen tvirllich nicht darüber klar ist, welche bercchligte Mißstimmung diese Art der Behandlung der wichtigen Frage der Mebizinalrcform in weiten Kreisen U» Bevoikermig erregt, und mit Wer einmal wieder eine Gelegenheit versäumt ist, die Zweifel daran zu be - seitigen, daß für Kiilliiraufgaben mit gleicher Bereit- wisligfeit Mittel zur Verfügung gestellt würden wie für militärische Bedürfnisse? Wir hören übrigens, baß in der nntionallibernlen Fraktion angeregt wird, noch ein - mal den Versuch zu machen, die Frage der Medtzinal- reform etwas intensiver zu bearbeiten und die Sache nicht bis zur nächstiabrigen EtakSberathiing ruhen zu lassen — itnt bann A 8000 zu bewilligen." Merkwürdig, daß es plötzlich auch in einem natioiial- liberaleu Gehirn ausblitzt, wie bei uns den Forderungen deS Militarismus stets viel liebevolleres Entgegeu- koiuinen gewidmet wird, wie den Sult uranfgabeii l Di« sozialdemokratische AgrarkoMmissio» trat in Vereinigung sämmtlicher drei Abtyeilungeu am 27. Juni im NeichSiags Gebäude zusammen, um über bie von den Eiuzelabtheilnngen entworfenen Programiiivorfchläge zu berathe» und sich über eine gemeinsame Fassung zn einigen. Alle Mftglteder waren anwesend, mit Ausnahme V o tl- m a r s, der durch Krankheit, und G e ck s , der durch einen Gerichtstermin verhindert ist Die Verhandlungen dauerten von 0—1 und von 3—7 Uhr; sie werden vor- anSsichllich heute (28. In») zn Ende gebracht werden. Den Vorsitz hat Liebknecht, das Schriftführeramt Hug. Die Getreide-Einfuhr in das Deutsche Reich betrug rat A a i im Vergleich znm Vorjahr I 332 249 (682 782) Doppelzentner Weizen , 1 174 725 (457 885) Doppelzentner Roggen, 353 911 (476 581) Doppelzentner Hafer, 982 377 (584 740) Doppelzentner Gerste, 42 355 (68 202) Doppelzentner Raps und Rnbfaat, 274 887 (690 171) Doppelzentner Mais iinb Dari. Von Januar bis Mai wurden eingeführt: 4 557 717 (3093 644) Doppelzentner Weizen . 2 826 792 (1 350 483) Doppel- zentner Roggen , 968 544 (I 614 276) Doppelzentner Hafer , 3 664 424 (3 782 106) Doppelzentner Gerste, 246 142 (328 896) Doppelzentner Raps und Rübsaat, 886 600 (3 251036) Doppelzentner Mais und Dari. Tie Slndienbedingnngen für angehende Aerzte sollen eine Veischariuug erfahren. Tw „Köln. Volksztg.' weiß darüber Folgeudes zu berichten: „Auf Veranlass mig des Reichskanzlers fand am 15. d. M. in Berlin eine Sitzung statt, an welcher u. A. Vertreter aller Universitäten theiliiahmen. 311 derselbe» wurde vereinbart, daß bas für Stubircube der Medizin bisher am Schluffe des vierte» Semesters vorgefchriebene tentarnen physicum erst nach fünf akademischen Semestern gemacht werden darf. In dem. selben soll in Anatomie und Physiologie so streng geprüft werben wie jetzt im Staatsexamen. Dann folgen fünf klinische Semester. Das Staatsexauien kann erst »ach zehn Semestern (jetzt nach neun) gemacht werben. Ferner bars der Doctor medicinae judjt mehr vor beut Staats - examen gemacht werde». Außerdem ist nach dem Staats - examen »och ein praktisches Jahr obligatorisch an beu größeren Krankenhäuser». Die meisten Krankenhäuser, Hospitäler rc. haben sich freiwillig angeboten, so daß jährlich etwa 800 Kandidaten iintergebrncht werden können. Tas halbe Johr als einjähriger Arzt wird angerechnet. Außerdem schweben Verhandlungeii betreffs Regelung des Titels Spezialarzt. Es ist der Vorschlag gemacht worbe», beujelbcH von einer minbeften» zweijährigen Assistenten, zeit abhängig zu machen." Die Unehrlichkeit konservativer Wahlmachc wirb durch folgeube Mittheilung der „Ostdeutschen VolkSztg." scharf beleuchtet: Insterburg, den 26. Juni 1895. „In der Privatklagesache be» Verlegers der „Ost - deutschen BolkS-Zeituiig" gegen den Rittergutsbesitzer Herrn v. Siutpfon-Georgenburg wegen össent- ltdjer Beleidigung fand stente in der Beritftingsinstanz Bot dem hiesigen Landgericht cm Termin statt, in dem vom Gerichtshof Veweiserhebnng beschlossen wurde. In der Verhandlung, auf bie ztirückz »kommen wir uns vor- behalten, gab der Vertreter des Herrn v. Simpson, Herr Rechtsanwalt Luckner, aus eine direkte Frage des Gerichtshofs ausdrücklich zu, daß die Aus- sühruugeu in dem Artikel „Ei, konservatives Manöver" iu Rr. 283 der „Ostdeutschen Volkr-Ztg." vorn 4. Dezember v. Z. der Wahrheit entsprechen. „Durch dieses Zugeständniß ist also auch vor Gericht klargcstellt, daß Herr v. S i m p s 0 n - Teorgeubnrg den Versuch gemacht hat, durch Msendung der bekanuten singirteuDepefchean Herrn Gerlach-Walterkehmen beufelben von der Betheiligung an der Kreistags wohl in Guutbinneu abzu. halten. Mit dem Zugestänbuiß des Herrn Rechts - anwalts Luckner als Vertreter des Herrn v. Simpson können wir vorläufig zufrieden fein, da eS uui bei der Anstrengung der Privatklage tu erster Linie darauf an- kam, auch vor Gericht den Nachweis zn erbringe», daß unser Artikel über das konservative Manöver auf Wahr - heit beruhte." Die dcntschcu Dimetallistcu schöpfen neue Hoff- ituitg aus dem — Kabinctswechfel iu England. Ter Abge - ordnete Arendt stimmt deshalb tu seinem „Teutschen Wochenblatt" einen Jubel au. Jetzt, wo bie Tories an's Ruder kommen, könne eS nicht mehr zweifelhaft fein, daß eine neue internationale Besprechung der Maßregel» zur Lösiing der W ä hr u 11 g i fr a g e herbeigeführt Werben wird. Herr Arendt könnte sich in seinen Hoff - nungen doch gewaltig täuschen. Die englischen StaalS- mänitcr, ob TorieS oder nicht, wissen zu gut, was sie au ihrer festen sicheren Goldwährung haben, um nach zweifelhaften Experimeuten zn gelüsten. Ten Boftkott als „groben Unfug" zu qitalifi- zireu, scheint jetzt allgemeiner „juristischer Grundsatz" werden zu sollen. Auch das Kölner Oberlandes- g e richt hat sich auf diesen Standpunkt gestellt. Daß die „Umstürzler" auch in biefem Falle Arbeiter waren, ist uatürlich reiner Zufall. In Köln ist gegen eine Brauerei ein Boykott sechs Monate lang dnrchge- führt worden. Wegen Verbreftuug von Flugschriften zur Betreibung des Boykotts sind zwei Mitglieder der! Boykottkoinuiisfiou augcNagt worden. Das Land - gericht hatte den Thatbestand des „groben Unfugs" darin gefunden, daß die Angeklagten bebentenbe wirth- schaftkiche Nachtheile ziifügende Maßregeln zu erreichen gesucht haben, welche geeignet waren, das Publikum als solches zu gefährden und zu beunruhigen, und diese Be - unruhigung auch Wirklich herbeigeführt habe». Damit seien die Thalbestaudsmerkutale deS groben Unfugs fest - gestellt. Die Revision gegen das Urtheil des Landgerichts lunrbe vom Oberlaiidesgericht auS folgende» Gründen verworfen: Die Behauptung der Revisions- schrist, daß jenes Flugblatt das Publikum weder belästigt noch beunruhigt habe, und daß die Angeklagten, welche es verfaßten und verbreiteten, allgemein verantwortlich gemacht wurden für die zur Durchführung deS Boykotts angewandten Maßregeln, obgleich dieselben Weber den Boykott noch die Maßregeln verursacht, ist irrig, beim die Angeklagten haben als Mitglieder der Boykott- foinnitffton jene Maßregeln ergriffen, wobei äugen- fcheinlich die Art bet Verbreitung als das ausschlaggebende Moment augeseheu worden fei; die Angeklagteii Wären daher nicht für fremde, sondern für ihre eigenen Handluugrn verantwortlich gemacht worden. Ebenso feien die Behauptungen unrichtig, daß § 360 Nr. 11 St.-G.-B. (grober Unfug) nur bie polizeiliche Ordnung, die äußere Ruhe und den sittlichen Anstand auf Straßen und Plätzen zn schützen bestimmt set und deshalb unr Handlungen treffen könne, welche den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung unmittelbar verletzten, sowie daß die Belästigung des Publikums Hitgenügeub dargethair fei. Im Gegentheil: die Beunruhigung des Publikum« al6 solchem, welche durch da- Vorgehen der den Boykott betreibenden Per- fonrn beroitft morde», ist in öffentliche» Lokalen in bie I Erscheinung getreten. Das Landgericht bot hierin miiibe- krtlS eine Gefährdung des äußere» Bestandes brr öffent - lichen Ordnung erblickt und den unmittelbaren gniainmen- Hang zwischen Ursache und Wirkung und den sofortige» Eintritt der letzteren als vorhanden a u g e n 0 m ui e ». Wenn auch behauptet wirb, daß die Maßregeln von der sozialdemokratischen Partei ergriffen worden feien, so find doch die Angeklagten deshalb bestraft worden, weil grabe sie dieselben zur Anwendung brachte». Auch ist die Art der Durchführung derselben als die Quelle der Beunruhigung angesehen worden, die iu der Folge eingetretene Schädigung der Wirthe und die Desürchtiuig, daß andere Personen später in! derselben Weise geschädigt werben könnten, dagegen nur insofern, als sie auf jene Art und Weise zurnckznführen ist. Die Bemerkung der Revision, daß der § 360 Nr. 11 St.-G.-B. die äußere Ruhe und den sittlichen An stand ans den öffentlichenStraßeii und Plätzen zu schützen bestimmt fei, ist nur insofern richtig, als hierdurch der Ausgangspunkt der Strafbe - stimmung bezeichnet Wirb. Ihr Umfang geht aber nach ihrem Wortlaute und Sinne weiter und umfaßt auch sonstige Verletzungen und Gefähr - dn n g e n der öffentlichen Ordnung. Tie sächsische Vereiuögcfehprnxis wirb immer wunderbarer. I» Hainichen hat der Bürgermeister verfiigt, daß auch LorstaudSsitznugeii eines Vereins der polizeilichen Anmeldung bedürfen. Er „begründet" diese Auslegung damit, baß bie Vorstands- beschlösse des betreffenden Vereins meist ohne Weiteres genehmigt würben. Danach scheine der Schwerpunkt deS Bereinslebeus in den Sitzungen deS Gejammtvorstandes z» liegen. — Nach dieser eigenartigen Begründung könnten überall politische Vereine in der angegebenen Reife poli- zeilich chikauirt werden. Es geht doch nichts über eine findige Auslegung. Iu Breslau geht die Staatsanwaltschaft der frei - religiösen Gemeinde an den Kragen. Sie sieht in derselben einen politische» Verein und hat dementsprechend ein Strasoerfahren gegen den Vorstand der Gemeinde eiugeleitet wegen Vergehens gegen § 8, Absatz a des preußischen Bereinsgesetzes (Ausnahme von Frauen, Schülern und Lehrlingen in den „Verein"). Das Breslauer Schöffengericht erklärte sich ans Antrag des Staatsanwaltes für unzuständig, weil nach einer Entscheidung des Reichsgerichtes bie eventuell vorzii- nehmende Schließung bes Verein« mir vom Lanbgerichl ausgesprochen werden kann. Die Sache, bie bet Straf - kammer überwiesen wurde, verursacht in bürgerlichen Kreisen Breslaus lebhafte Erregung, da die Absicht, bie mehrere Taiisenb Mitglieder zählende freireligiöse Gemeinde aufzulösen, bei bet Behörde unzweifelhaft vorhanden ist. Mau schreibt das scharfe Vorgehen des StaatsamvalteS dem Umstande zu, daß der Prediger Tschirn von der freireligiöses Gemeinde feiner Zeit in mehreren öffent - liche» Vorträgen enti(hieben gegen bie Umsturz- Vorlage ausgetreten ist. Die Maßnahme birgt eine beherzigenSwerthe Lehre in sich für unseren zahmen „Freisinn". Ob sie verstanden wird, ist sreilich eine andere Frage. Zur Zuckersteucrfragc wird berichtet, daß der Wiener Konferenz zwischen Oesterreich nnd Deutsch- land über bie Zuckeranssuhrprämieii eventuell Verhand - lungen mit Frankreich, Belgien und Holland Nachfolgen sollen. Die Konferenz betrifft nicht blos die Ausfuhrprämie, sondern auch bie staatliche Kon - ti » g e n t i r u u g bet Jahreserzengung im Einvernehmen beider Staaten, um eine Ueberpiodnktion abzmvehren. Nach kapitalistischen Grnndsätzen erscheint e§ nnmögltch, daß Teatschland eine vertragsmäßige Verpflichtung über - nehme» kann gegenüber einem anderen Staat, die Zncker- prodhektion a»i eine bestimmte Menge zu beschränken. Ein solcher die landwirthschasilichen Erzeuanfffe ein - schränkender Vertrag würde ohne Beispftl fein. Nach der österreichischen Wochenschrift be# Zentralvereins für Rübenjnckerinbnstrie ist dabei bisher nicht einmal bie be - stimmte Absicht ausgesprochen, daß bie Prämien herab - gesetzt werden müssen. A» der österreichischen Staats ¬ budgets meist die Wiener „Arveiterzeftniig" In trefflicher Weise nach, mit wie wenig Berechtigung mau bas politische Recht, vor Allem bas Wahlrecht von der Steuerzahlung abhängig macht und Wie kindisch und thöricht das Geslunkcr von den „Stenertrklgeru" tst, Welche „den Staat erhalten". Von den 644 Millionen Gnlben, welche die Einnahmen Oesterreichs bilden, werden nur 112 Millionen Giftden durch dir direkten Steuern aufgebracht; also nicht ganz 18 pZt. des Gesammtbebarfes deS StaateS werden durch die Leisttingen der „Steuerträger" gedeckt. Mau vergleiche imn einige indirekte Stenern mit diesem Betrage. Die Branntweinsteuer trägt 33 Millionen, die Bier steuer 31 j Millionen, die Fteischsteuer 7 Millionen, die Zuck er st euer 25 Millionen, die Petroleum steuer 6 Millionen. DaS Tabak» gef alle trägt 89 Millionen (der reine Gewinn des StaateS, abzüglich deS EissordernisseS, ist 68 Mil - lionen), das Salzgefälle 21). Millionen (der reine Gewinn beläuft sich auf 17j Millionen). Aus dem Lotto nimmt der Staat 16.) Millionen ein; fein reiner Gewinn von der Tnininheit ist heute noch, trotzdem rr stetig finkt, 6 300 000 Millionen Gulde». Die Eiu- uahmeii ans dem Post- und Telegraphen» wesen sind 39 Millionen (5 Millionen Gewinn), an? dem Eisenbahnbetrieb 94 Millionen (27| Mill. Gewinn), Taxen und Gebühren 38 Millioueu — diese Einnahme ist durchaus eine indirekte Steuer, in ihrer ganzen Höhe reiner Gewinn —, die Zolle in- »ahmen 45 Millionen und bie Eiiiuahnien im Forst- it n b Montnnwefen 12£ Millionen (wovon 7 Mill, .auf die staatticheu Montanwerke fallen). Das sind die großen Ziffern deS Einnahme-Etats, itnb sie erweisen durch sich selbst, daß her riesige Bedarf des Staates fast n n r d ii r ch i n b t r e f t c '.1 b g a b e n aufgebracht wirb, bnrch Abgaben, bie naturgemäß ben breiten Kon - sum treffen. Tie Branntweinsteuer trägt 33 Millionen; ist baS nicht eine Abgabe, welche fast nur den Aerntsten trifft ? Tie gesainnite Erhöhung der Einnahmen voll - zieht sich durch die Erhöhung des Konsums und Ver- kehrs, der steigende Reichthum Einzelner fällt gar nicht in’# Gewicht . DoS B'ädget des StaateS fegt nicht mir bett öko - nomischen Antheil der einzelnen Gesellschaftsklassen im Staate bloß, eS bezeugt auch den Bruchtheil von Macht, bie jede von ihnen besitzt. Ans beut Bllbget erfahren wir, wenn eS sich auch geheimnißvoll in enblose Zifferu- kolonnett verbirgt, wie viel ber Staat für jede Klasse thut, welche Mittel er ihren spezifischen Be- bfirfuiffen itnb Forderungen bereitstellt Nicht al# ob es sich um Answeudungen für bestimmte Schichten bet Be - völkerung handelte, vielmehr handelt eS sich um Auf- wettdungen für bestimmte Zwecke, die aber ihrer Natnt nach nur Bruchtheile» ber Bevölkerung zu Gute kommen können. Deswegen ist bas Studium deS Budgets eine besonders lehrreiche Sache für bas arbeitende Volk. Es ersieht dnrnnS, baß ber größte Theil der Ei» nah men ans feiner Arbeit kommt, die Lasten ans seinen schüttern ruhe», und es erfährt daraus, daß der größte Theil ber Ausgaben f ft r bie privilegtrten Schichten, für die herrschenden Klassen verwendet wird lleberall nistet im Büdget ber Rarafter des KlaffeiistaateS, der den Armen nimmt u 11 b ben Reichen giebt. Der StaatSvoransiblag ist mir bet 'Reflex des gesummten gesellschaftlichen Lebens, und das Gesetz, welche» bie kapitalistische Ordnung beherrscht, regiert auch Staat itnb Bertvaltnng. Die Partrilcitung der »ngarländischr« Zozialbrmokratic hatte auS Anlaß des Hobmczö» Bafarhelyer SozialiftenprozeffeS eine Flugschrift unter dem Titel „Eine Frage au bie ungarische Nation" herausgegeben und in 100 000 Exem - plaren im ganzen Laube verbreitet. Diese Flugschrift veranlaßte bie Staatsanwaltschaft, gegen den Verfasser und dreizehn mitunterzeichnete Mitgiieber ber Partei - leitung einen Preßprvzeß wegen Aufwiegelung gegen einzelne grunblegenbe Institutionen der Verfassung, als gegen bie verantwortliche ungarische Regierung, gegen bie Behörbe und gegen bie richterliche Unabhängigkeit auzustreiigen. Der Prozeß wurde am 25. b. M. vor dem Schwurgericht in Pest verhandelt und zwar in Abwesen - heit bei 14 Angeklagten: Joses Ditz, Bela Schreier, Franz Kittel, Alexander Pseisser, Arpad Poor, Kid Teßarß, Desider B 0 kanyi, Alexander Raby, Emerich K a ß, Bernhard Feldmann, Paul Stark, Ferdinand Sorten, Siegmund Elzh 0 lz und Emil Egger. Der Vertheidiger der Angeklagten, Dr. Jlles Pollak, proteRiete zunächst dagegen, daß die dreizehn Genossen des Josef Ditz al» Angeklagte iu diesem Prozeß fungireit sollen, da die inkrimiiiirte Flugschrift einzig und allein von Ditz versaßt wurde. Ter Gerichtshof wies diese Eiiiwenduiigeii zurück, da die Entscheidung über bie Frage ber Autorschaft ben Geschworenen allein zu stehe Der Vertheidiger reichte dagegen bie Nichtigkeitsbeschwerbe ein. Die Bourgeois-Geschworenen bejahten hinsichtlich des erftgetlogteu Genossen Joses Ditz bie Schnldfragen der Aufwiegelung einstimmig, bezüglich ber übrigen 13 Angeklagten mit 7 gegen 5 Stimme», in Folge dessen der Gerichtshof bie 14 Angeklagten einzeln zu je sechs Monaten Staatsgesäugniß ver- urtheilte und die Vernichtung der konsiszirteii Exemplare bet ivkriminirlen Flugschrift anordiiete. Das neue englische Kabinct führte sich am Donnerstag zunächst im O b e r h a » s e ein. Lord Salisbury erklärte, er beabsichtige nicht, eine Er - klärung über die Politik des neuen KabinetS abjngebeu, da bie Zeit hierfür »och nicht gekommen fei. Die Regie - rung habe augenblicklich nur eine Politik, nämlich f 0 bald wie möglich bns Parlament aiiszn- lösen. Er hoffe, daß die Auflösung am 8. oder 9. Juli stattfinben werbe. Die Regierung werbe Alles thu», was sie thu» könne, um die Entscheidung der Wähler zu beschleunigen, bie allein die Linie der zu be- folgeiibeit Politik vorzeichnen könnten. Lord Rosebery bemerkte, er wäre überrascht, baß bie Regierung ihre Politik von ber Auflösung bei Parlament- abhängig machen wolle. Die vorige Regierung sei bereit gewesen, ihre Polftlk beut Urtheil deS Landes zu unterwerfen. Die gegenwärtige Regierung biete aber nur ein leeres Blatt als ihre Politik. Redner bat baun nm Auf - klärung, warum Lord Sattsbiiry den bisherigen KriegS- ui knister Campbell-daniierman am Dienstag aufforbetu lieg die Siegel seines Amtes ausznhSiidi;e», WaS eilt ungewöhnliche» «erfahren fei. Lord Salisbury er- Widerte, bie Opposition müsse warten, bis die neue Re- giernng gebildet wäre, ehe sie eine Erklärung bezüglich ber Politik abgebeit würde. Bezüglich deS Kriegs- Ministers habe er geglaubt, e» fei im Interesse der wichtigen Obliegenheiten desKriegsministerinmS wünschens- werth, daß dort kein Jnterregnitiu eintrete, vielmehr dieser Posten sofort besetzt werde. Er wäre in rein freundschaftlichen Beziehungen mit Campbell-Baiinerman geblieben, er habe ihn durch seinen Privatsekretär fragen lassen, ob eS ihm genehm fei, die königlichen Amtssiegel eher aiiSzuhändigeii, und weuu er wünsche, die Reise nach Windsor zn vermeiden, möge er dieselben durch ben Privatsekretär überbringen lassen. Tine Beleidigung Lampbell-Bannerniaus fei nicht beabsichtigt gewesen, nichts hätte feiner Absicht ferner gelegen, als gegen Campbell- Baimermaii unhöflich z» sein. Lord Rosebery er - klärte sich durch bie Antwort für befriedigt.