Nr. 175. S. Jahrgang. LamburgerEcho. Da» „Hamburger öfdjo“ erscheint täglich, außer Montag». Der AbonnementSprciS (infi. „Dir Neue Welt-) beträgt: durch die Post bezogen (9k. de» Post- tatalog» 9955) ohne Briugegeld vierteljährlich JH. 4,20; durch die Kolportore wächenU. 36 4 srei in'» Hau». BeranttvorUichcr Redaltör: R. Stcujel in Hamburg. Dienstag, neu 30 Juli 1805. « u a e 1 g e n werden die sech-gespaltene Petrtzeile oder deren Raum mit 80 4, für den Arbeitsmarkt, BermtethnngS- und ffamtlienanzeigen mit 90 4 berechnet. Anzeigen-Auuahme in der Expedition (bis 6 Uhr Abdö.), sowie in sänimtl. Annoncen-Bürtaux. Redaktion und Expedition: Grohe Thcaterftrahe 44 in Hamburg. Hierzu eine Beilage. Garantien für He BLLWmrker! O Daß die Baiihandwerkcr eines gesetzlichen Schutzes gegen die betrügerischen und schwindelhaften Manipula - tionen gewisser Bauunternehmer bedürfen, ist allgeinein anetfannt worden. Nun eS sich aber nm da« Wie der «uSsührung handelt, zeigt es sich, daß es den besitzenden Klassen nicht allzu ernst mit der Sache ist und daß sie sich wie gewöhnlich mit schönen Redensarten aus der Affäre ziehen möchten. Wie weit die Regierung in der Sache noch zu gehen entschloßen ist, können wir jetzt nicht beurtheilen. Sicher ist nur, daß man sofort auf kapitalistische Interessen ge - stoßen ist, als die Justizkommission des Preußischen Ab - geordnetenhauses veranlaßt wurde, sich mit der Sache zu besassen. Ob der Reichskanzler, nachdem er den Wider - stand „Weiter Kreise" verspürt hat, in der Sache weiter gehen wird, ist kaum anzunehme» ; wie wir sehen werden, eher das Gegentheil. Wenn die bürgerliche Gesellschaft weder die Fähig - keit noch den Willen hat, de» direkt ans der Produktions - weise selbst enlspriiigenden Schäden gründlich vorzubeugeu, so hat sie doch die Macht, so groben Betrügereien und Bertraueiismißbräuchen, wie sie bei den Bauunter- nehinungen vorkomuien, einen Riegel vorzuschieben. Es giebt Bauunternehmer, die nach Herstellung des Baues einfach ihre Pflichten nicht erfüllen und die dann oft nur auf dem Wege eines langwierigen und kost - spieligen Verfahrens zu fassen stnd. Das Gewiffenlose in dem Verhalten solcher Bauunternehmer liegt darin, daß Leute geschädigt werden, die keinen Kredit geben können; nämlich kleine Meister, bei denen ein solcher Verlust den Bankerott nach sich ziehen kann, und A r ■ beiter, bereit Familie auf den Lohn wartet, den der Vater heimbringt, und die sofort am Hungertuch nagen muß, Wenn dieser Lohn ausbleibt. Der Bauunternehmer schiebt als „Polier" und dergleichen manchmal eine Persönlichkeit ein, die um pfändbar ist; an diese Werden dann Arbeiter und Lie - feranten verwiesen und können nichts bkkommen. Zwar haben die Gewerbegerichte schon entschieden, daß ein Bauunternehmer in diesem Falle haftbar ist. Allein es fehlen in Deutschland an vielen Orten Gewerbegerichte, wo sie sehr nöthig wären, und ihre Einsührnng wird von den in den Gemeindeverwaltmigen sitzenden Kapi- talisten entweder ganz verhindert oder aus die lange Bank geschoben. Die Kommlsflon für ein bürgerliches Gesetzbuch hat den Bauhaudwerkeru die Eintragung einer Sicher - heitshypothek auf das Bangrundstück zugestanden. Dies Wurde vielfach als eine ungenügende Garantie be- zeichnet. Für den Lieferanten von Baumaterial könnte sie noch einigermaßen genügen, ober was sollen Arbeiter, die ohne ihren Lohn keine drei Tage bestehen können, mit einer Hypothek? Beim raschen Versilbern würden sie ohnehin verlieren, denn mau weiß ja, wie viele Geschäfts-Hyänen gierig aus solche Gelegenheiten lauern. Darauf wurde der Vorschlag gemacht, de» Bauhand- werter» ein Pfandrecht am Baugrundstück mit Vorzug vor allen anderen Belastungen zu gewähren. Prinzipiell müßte dies, Wenn es bei uns mit rechten Dinge» zugi»ge, allgemein als zulässig erachtet Werden, denn durch die Arbeit des Banhandwerkers bekommt das Ganze erst seinen Werth, und diese Arbeit müßte darum auch zuerst bezahlt werben. Aber Wie so oft, so ver - teilen auch hier die tapitalistischeii Jntereffen das Recht in Unrecht. „DaS geht nichtl" schallte es aus den Kreisen der Rentiers und der Kapitalisten überhaupt den Urhebern dieses Vorschlages entgegen. „Wir haben auch Rechte und wir müssen es schwer empfinden, wenn der Hypotheken verkehr geschädigt wird I" Mit anderen Worten: der arbeitslose Er - werb und die Jntereffen der Kapitalisten gehen den Jntereffen der Arbeit vor l Der „Hypothetenverkehr" darf nicht gestört werben und die Blutigel, genannt Hypothekengeschäfte, müffeu „erst das Recht haben, sich anzusaugeu, ehe der Arbeiter feinen sauer verdienten Loh» bekommen kann". Die Justizkoinmissioii des Abgeordnetenhauses hat sich von dem Geschrei der Hypothekeninhaber betäuben lasse» und hat erklärt, der Vorschlag mit der Sicherheits - hypothek, wie ihn der Entwurf eines bürgerlichen Gesetz - buches macht, sei genügend. Daraufhin hat sich auch die Regierung einschüchtern lasse». Die ojsiziöse „Berliner Korrespondenz" gab dies zu, indem sie schrieb: „Die großen Schwierigkeiten, die einer Verwirklichung der Wünsche der Banhandweckcr entgegenstehen, dürfen hiernach nicht verkannt werden. Ob und in Wie weit es möglich fein wird, diesen Wünschen zu entsprechen, läßt sich zur Zeit nicht absehen. Jedenfalls ergebe» die von beut Reichskanzler getroffenen Maßnahmen, daß die Regierung fortdauernd bemüht ist, einen gangbaren Weg zu finden, um den berechtigten Interessen des Bau- Handwerks Rechnung zu tragen." Da wird also laut und deutlich zum Rückzug ge- blasen, und es ist sehr fraglich, ob aus der Initiative der Regierung heraus etwas geschehe» wird. Die Ka. Pitalisten und Rentiers halten den berechtigten Interessen des Bauhandtverks ihr „R e ch t a u f Z i n S" entgegen uiib die Regierung eiueS Klassenstaats, bcffeii Produktion bie Verzinsung des Kapitals zum Zweck hat, kann diesem letzteren „Recht" gegenüber sich nicht ablehnend verhalten, wenn sie uicht einen der Beste, auf denen sie sitzt, ab- sägen will. Die Bauhandwerker aber werden, so hoffen wir, ßch dadurch nicht enthalten lasten, energisch Schutz- maßregeln gegen betrügerische Ausbeutung durch Bau- Unternehmer zu fordern. Es giebt klug sein wollende Philister, die den Ar - beitern „B 0 r s i ch t" empfehlen. DaS ist leicht gesagt. «3 n bet Noth frißt der Teufel Fliegen", und wenn ein armer Arbeiter, dem die Arbeitslosigkeit als Schreck- gespenst an der Schwelle steht, Arbeit angeboten bekommt von einem Unternehmer, der ihm zweifelhaft erscheint, Wer mag es ihm verargen, wenn er zugreift ? Nun gut, auch Wir Wollen Vorsicht, aber sie muß nicht dem fast wehrlofen Arbeiter überlaffeu, sondern mit der „Klinke der Gesetzgebung" geübt werden. Pfandrecht am Baugrundstück und Sicherheitshypothek verwerfen auch Wir, nicht aus Rücksicht auf die anderen Hypothekengläubiger, sondern weil unS diese Maßregeln ungenügend und unzweckmäßig erscheinen. Wir akzeptiren den Vorschlag, der von dritter Seite gemacht Worden ist, und der dahin geht, daß jeder Bauunternehmer bei der Baubehörde eine entsprechende Kaution zu hinterlegen hat, ehe er bie Konzession zum Bauen bekommt. Ans dieser Kaution sollen, wenn der Bauunternehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die Bauhandwerker befriedigt werden, und zwar mit Berückfichtigung der Forderungen an Arbeitslöhnen in erster Linie. Die Bourgeoisie kaun sich ohne die gröbste Heuchelei gegen diese Maßregel nicht sperren, beim . sie selber hat ja im Geschäftsleben bie Kautionen eingesührt, wo sie oft lange nicht so nothwendig sind. Arme KommiS, Buchhalter, Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen müffeu ja auch häufig Kautionen stellen. Damit wäre ein kräftiger Schutz der Arbeiter und Handwerker gegen betrügerische Unternehmer geschaffen. Die Letzteren könnte» uicht mehr bauen, ein Schaden, der zu ertragen wäre. Allerdings wäre damit nur einer der vielen Miß- stände Baugewerbe abgestellt. Im Ganze» kan» die Bau- arbeiterschaft auch nur durch den.Sturz des Kapitalismus aus ihrem Joch erlöst Werde«. Ohne Frage aber Würde sich durch Einführung solcher Kautionen eine größere Sicherheit herstellen lassen. Warum soll nur der Arbeiter dem Unternehmer Garantien geben und nicht auch umgekehrt? Büller« und der LoziMlnus. Paris, 26. Juli. Ihr Denischen werdet Euch auf Eurem nächsten nrteitage wieder mit bet Landfrage beschäftigen ; wir thun desgleichen: Der Kongreß der Arbeiterpartei, der dieses Jahr im Lause des September zu Romilly statt - findet, Wird ebenfalls bie Land-Agitation und -Propaganda aus seiner Tagesordnung haben. Die Propaganda unter der Landbevölkerung ist das karakteristische Merkmal der sozialistischen Bewegung geworden; sie ist der beste Be - weis für die Fortentwicklung der sozialistischen Bewegung in allen Kreisen der gesellschaftlichen Thätigkeit. Seitdem wir in Frankreich das allgemeine Wahlrecht haben, ffud die Lauern, aus ihrer Jfolirtheit heraus- gezogen, wider Wille» in die Bewegung hineingerissen, ein wichtiger Faktor des politischen Lebens geworden. Die bis jetzt von den Bauer» in Frankreich gespielte Rolle ist von den Aristokraten voransgesehen worden. Die Adligen, welche die R volntion überlebte», wäre» nach Waterloo in die Heimath mit der Absicht zurückgekehrt, daS alte System — Fanden regime — wieder einzuführen ; als sie aber begriffe» hatte», daß es unmöglich war, das Todte wieder anfzuweckeu und daß sie die neue Ordnung der Dinge annehmen und die Herrschaft mit den verhaßten Bourgeois theilen mußte», in beiten sie nur Lieferanten und Euiporkömmlinge — auf ihre, der Adligeit, Kosten eniporgekommeue — erblickten, entschlossen sie sich, den Einfluß, de» sie aus dem Lande hatte», gegen die Bourgeois, die Herren in den Städten, sich zu Nutze zu machen. S i e find die Ersten, die in Frankreich das allgemeine Wahlrecht forderten, fest überzeugt, mit Hülfe der Geistlichen die Bauern itadj ihrer Pseife tanzen lassen zu können. Die „Gazette de France", das Organ der Legitimisten und Katholiken, führte nach der Jttlirevolntion von 1830 einen lebhaften Feldzug zu Gunsten des allgemeiuen Wahlrechts, welches dagegen von der liberalen und republikanischen Bour- geoisie arg gefürchtet wurde. Weun eS dennoch int Jahre 1848 eingesührt wurde, so geschah dies wider Willen der Bourgeoisie , durch Ueberrumpelung. Die Bourgeois, welche |bie Revolution von 1848 machten, verlangten nur die Resort», das heißt die Ausdehnung deS Zensitswahlrechts. Ledru Rollin, das Mitglied der provisorischen Regierung, welches unter dem inspiratori - sche» Einflüsse der Fra» Georges Sand das von ihr selbst tebigirte Dekret zur Einsührnng bc5 allgemeinen Wahlrechts initerzcichnete, war auch bet Erste, der dies bereute. „Man hatte die Republik den Barbaren über - liefert" — sagte er in der Verbannung; unter Barbaren verstand er die Sozialisten, die Arbeiter und die Bauern, welche er anklagte , das Kaiserreich errichtet zu haben, während es doch die liberalen Republikaner waren, die, mit den monarchistischen Konservativen verbunden, die Republik im Juni 1848 getödtel hatten; sie hatten bie tapferen Vertheibiger der Republik uiedergemetzelt. Das Kaiserreich war das Werk der Bauern; die Adligen und die Priester ließen es verlieren; sie sahen in Napoleon III. einen Erlöser, und bis zu Sedan wurde das Kaiserreich durch die Stimme» der Bauern gestützt, lltichtsdistoweniger War Napoleon, dieser „Fremdeusübrer in Frankreich", der Mann, der, ohne es zu wiffen und zu wollen, den Ruin der Bauern und der kleinen Grmtd- besitzer vorbereitete; wie Hegel sagt, kommt der Mensch immer an ein Ziel, das er weder gesucht noch ge - wünscht hat. Die Eisenbahnen, bie sich »ach dem Staatsstreich des Jahres 1852 entwickelten, verschafften den landwirthschast- lichen Erzengniffen, die leicht i» die Städte gebracht werden konnten, einen ungeheuren Absatz. Die Land - wirthe gewannen riesig viel Geld, aber wie das Aas den Geier anlockt, so lockt das Geld die Finauzleute an. Sie stürzten sich auf das Land und plünderten die blanken Gold- und Silberstücke, welche die Bauern in ihren Ver - stecken anffammelten, um sie eines Tageö zum Ankauf neuer Laudparzelleu zu verwenden. Die Finanzleute versprachen den Bauer» eine» noch größeren Profit, al» sie durch Handkanf und Bodeubau erlangen könnten — einen Profit ohne Arbeit. Die kaiserliche Regierung öffnete dem Credit Foncier — dem Bodenkredit — und anderen Nanbgesellschasten da» Land; sie glaubte dadurch das Glück der Bauern zu machen. Die magere» Kühe folgten den fetten Kühe». Die wachsende Bevölkerung der Städte erzwang im Jahre 1863 die freie Einfuhr des Getreides und die Herabsetzung der Einfuhrzölle aus ausländisches Vieh. Und nun kam da» Getreide der „schwarze» Erde" von Rußland, und daS Schlachtvieh — Ochsen und Hammel — der Schweiz, Lnxemburgs und Deutschlands — lebendig oder geschlachtet, in Viertel zerschnitten, und überschwemmten Frankreich, den Profit des Ackerbaues vermindernd: die Krisis der Landwirthschaft begann zu wüthen. Die Konzentration des GrnndeigenthnmS, die während der Zeit der Prosperität angefangen hatte, verstärkte sich. Die Statistik ist in Frankreich so schlecht, daß man meinen sollte, sie sei nur dazu da, die Welt in Unwissen - heit über die Bertheilung des Grundeigenthums zu halten. Trotzdem kann man den amtlichen Ziffern des JahreS 1884 entnehmen, daß unter de» 49 Millionen Hektar bebaubaren Landes in Frankreich 12 355 000, also mehr als ein Viertel, im Besitz von 39 000 Grundeiaenthümeru sind, lvährend 5 Millionen Bauern zusammen nur 2 574 000 Hektar besitzen, d. h. durchschnittlich eine halbe Hektar auf den Kops. Die wachsende Entvölkerung des Landes feit 1848 ist bet beste Beweis dieser Zentrali- fatiou des Grund und Bodens, die durch die Reblaus und die Konkurrenz deS ainerikanischen und indischen Ge - treides in beschleunigten Doppeljchrilt gebracht worden ist. Alle diese Bauern, die in die Industriestädte anS- tvaiibern, sind kleine Bauern, denen die Finanzleute ihr Geld und die Großgrundbesitzer ihr Land geraubt haben. Aber die Kapitalisten und ihre Politiker beachten diese Erscheinungen nicht; sie bilden sich ein, daß das Land noch immer in derselben Lage sei, wie vor 1848. Und demgemäß sehen sie, an den Städten verzweifelnd, die sie den „GeschSstsreifenden deS Umsturzes" ent - sagungsvoll überlasse», ihre ganze Hoffnung, gleich den Adligen »ach 1890, auf das Votum der Bauer». So lauge ihnen diese Reserve bleibt — sagen sie — pfeifen sie aus bie Agitation der Sozialisten in be» Städten. In Frankreich, wie Überall sonst, mußten die Sozialisten sich den Städten zuwenden, wo die kapi- talistische Industrie Zehntausende und Hunderttauseude von Arbeitern zusammengehaust hatte, und das Land vorläufig bei Seite lasse». Allein durch die zahlreichen Vorposten, bie in die Dörfer eingebruiigen waren, erfuhr maii, daß bie Bauern dem Sozialismus keineswegs so unzugänglich waren. Wie die kapitalistischen Zeitungs- schreiber und Politiker nicht müde wurden z» behaupten. Nach den GeincinderathSwahlen im Mai 1892 ober sühlien die Sozialisten sich stark genug, die Agitation auf dein Laude zu beginnen. Der Nationalrath der Arbeiter - partei beschloß int selben Jahre aus seinem Kongreß zu Marseille, die Landsrage zu erörtern, schickte aber vorher einen Fragebogen an alle seine Frennde, die ihn über diesen schwierigen Punkt ausktäreu konnten, und berief zu feinem Kongreß kleinbäuerliche Grundeigenthümer, auch wenn sie der Partei noch nicht angehörten. Unsere Freunde Liebknecht und Anseele wohnten diesem Kongreß bei, ans dem das Laudprograuun der Arbeiterpartei hervorging, das erste, welches eine politische Partei in Frankreich forniulirt hat. Die Wirkung dieses Programnis auf die Wahlen von 1893 war eine ganz außerordentliche; bas Ergebniß überstieg bie höchsten Hoffnungen der Sozialisten. Janrss, Sanvanet, Thierry-Caze, Thivrlen wurden in wesentlich ländlichen Kreisen gewählt, wo die Stimmen der Bauern den Ausschlag gaben, und in vielen anderen Departements erhielten die Sozialisten solch imposante Minderheiten, baß der Sieg für die nächste Zukunst ge - sichert ist. Dieser Wahlerfolg hat be» Eiser und die Begeisterung bet Sozialisten verdoppelt; seit 1893 wird die Propa- ganda in den bie Fabrikstädte umgebenden Dörfern methodisch und in den Dörfern des flachen Landes sporadisch, so oft die Gelegenheit und die Möglichkeit sich bietet, betrieben. Die Reservearmee der Kapitalisten ist auf bei» Punkt, z» beit Sozialisten überzugehen. Die nächsten Wahle» — von ■ 1898 oder früher — werden die letzten Jllusioiie» der Kapitalisten zerstören. Gallus. Sm Der ÄkttbiiM. Der Ausweis der Rcichöciiinahmen für den Monat Juni verbessert daS in be» kürzlich mit - getheilten ReichShaiishalts - Ergebnisse» für das abge - laufene Etatsjahr gegebene Finanzbild abermals nicht unwesentlich. Es sind im Monat Juni folgende Ein - nahmen (einschließlich der frebitirten Beträge) an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuer» sowie andere Ein- nahuien zur Auschreibnng gelangt: Zölle -M. 95 808 629 (gegen denselbenZeitranm deSVorjahres(-s-^t-13259 131), Tabaksteuer Jt. 2 115 629 (— .»t. 121 444), Zitckerstener M. 17185 525 (st- X 939 636), Verbranchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben X 26 935 500 (— X. 1 826 187), Bransteuer X7074180 (Z-X 165127), UebergangSabgabe von Bier X 900 017 (+ X 36 077); Summe X 162 375 988 (+ X 11959 139). — Stempelsteuer für: a. Werthpapiere X 3 857 701 (+ X 1 831 689), b. Kans- und sonstige Anschaffungs- geschäfte X 5 138 945 (+ X 2 229 015), c. Loose zu: Privatlotterien X 1 04 5 472 (4- X 326 315), Staats- Lotterien X 1738 135 (+ X 928 679), Spielkartcn- stempel X 249 268 (— X 4378), Wechsclstempelsteucr X 2076 352 (+ X 27 175), Post- und Telcgraphen- Verwallung X 67856 577 (+ X 3 883977), Reichs- Eisenbahnverwaltung X 16 478 000 (-f- X 767 000). Gegen den Vormonat (Mai) stellten sich, wenn man von de» in ihrer Entwicklung noch nicht zu schätzenden Stempelsteuern absieht, die für die Uebcrmeifiiugcn be - stimmten Einnahmen um rund 2 Millionen höher, wo - von allein ein Mehr von 1$ Millionen auf die Zölle entfällt. Damit steigt das Pins der Ueberweisnugen gegen die Etatsveranschlagnng aus 24 Millionen Mark, wen» die noch kommenden drei Vierteljahre sich nur auf der Höhe der vorjährigen Einnahme» im gleichen Zeit - raum halten; auch die Stempelsteuern dürsten eher ein Mehr wie ein Weniger gegenüber dem Etat ergeben, da daS gegen das Vorjahr veranschlagte Mehr bereits jetzt erreicht ist, für dies Jahr aber außerdem ein Monat mehr für die erhöhte» Börseustetiern in Betracht kommt. Angesichts dieser Finauzgestalwng sehen sich denn auch die Finauz- ossizlöjeu genöthigt, zum Rückzug z» blasen; aber sie können sich nicht znm ehrlichen Eingeständniß bequemen, daß die Reichsfinanzverwallnng ihre Rechnung aus falsche Grundlagen bafirt hat, sondern setzen ihre Angriffe gegen die ReichstagSinehrheit fort, der sie borwerfen, daß sie die festen Grundlagen der Einnahmebenieffung im Partei- interesse verlassen habe. Diese Insinuation, wie sie die „Post" macht (s. die bett. Notiz in der letzte» Nummer uns. Bl.) zeugt von einem argen Mangel an Wahrheits- liebe, der, da hier vollendete Thatsachen vorliegen, nicht einmal mit einem Mangel an Wissen entschuldigt werden kann. Die „Franks. Ztg." bemerkt dazu: „Die festen Grundlagen der Einnahmebemeffung sind weit über das Bedürfniß hinaus innegehalten worden, wie die neuen Einnahmeziffern beweisen, man hat bei Weitem nicht die vollen Konsequenzen auS der Richtig - stellung deS Etat- von 1894 95 gezogen, die bereits während der neuen Etatssestsetzung zu übersehen war. Dieselbe „Post", die dem 3!eichstage infinuirt, das Allge - meinwohl den Parteiintereffen unterznordnen, muß selbst zugeben, daß die Regierung sich bei dem vorigen Etat um 80 Millionen geirrt hatte, dieser Irrthum war aber auch nur eine Fortsetzung des Etats von 1893/94, und er setzt sich 1895/96 fort. Daß diese Irrthümer in der Einnahme- schätznng zeitlich znfammensaUen mit den neuen Steuer- projekten, das ist grabe das Bedenkltche an der Sache, und eS muß um so mehr Mißtrauen erwecken, wenn man sieht, wie auch nach Berichtigung des Irrthums bie Agitation für neue Steuern nicht nachläßt. Die „Post" sieht Zwar ein, baß man schon auS taktischen Gründen dem Reichstage zunächst nicht mit neuen Steuer - vorlagen kommen kann, sie will aber darum die Steuer - projekte nicht von der Tagesordnung abgesetzt, sondern nur zurückgestellt wissen. Dies zähe Festhalte» beweist, daß mau die Einnahmen nicht um eines wirklichen Be- dürfnisses willen vermehren will, sondern irein auf Vor- rath, für Zwecke, die erst zu suchen sind. Eine»! solchen Verlangen aber wird nie eine Volksvertretung nachgeben dürfen." Moloch Militarismus. Nach der freikonferva- tiven „Post" wird für die Erwerbung deS Truppen - übungsplatzes bei Döber itz eine erhebliche Nachforderung gestellt werden müssen. Die Ge- änimtkoflen einschließlich Errichtung eines Lagers zur Unterbringung von Mannschaften und Pferden, sowie Herstellung der zugehörigen Nebenanlagen waren auf ieben SKili ouen Mark veranschlagt und nschienen im Etat für daS Jahr 1893/94, sowie in den olgenden. ES war indessen, wie die „Post" weiter hört, übersehen worden, daß namentlich taS von der Gemeinde Löberitz zu erwerbende Acker- land vielfach zur Gartenkultur diente und des - halb einen entsprechend höheren ErwerbSpreiS bedingte. „ES wird jetzt angenommen, daß die Kosten d e S G r n n d u n d B 0 d e n S a 11 e i n sich auf a ch t Millionen Mark belaufen werben, wozu bann noch bie Bauten unb sonstigen Anlagen kommen. Wie rüher mitgetheilt, sollte ber Erlös für den Verkauf eines Theiles des Exerzierplatzes an der einsamen Pappel bei Berlin die Kosten bei Platzes zum größten Theil decken. Es wird nun voraussichtlich ein größerer Theil diese- Platzes, als bisher beabsichtigt war, zum Verkauf kommen, um den Mehrbedarf für den Döberitzer Truppenübungs - platz zu decken. DaS Nähere dürfte der Reichsmilitäretat für 1896/97 enthalten." — Und dieses Nähere bürste ehr unerfreulich fein. Für neue Marine-Forderungen begeistert sich in einem Artikel bet „Münchener Neuesten Nachrichten" Kontreabmlral a. D. Werner. Er fordert bie Be- willigniig von fünf Panzerkreuzern für zusammen 100 Millionen Mark. Er nimmt dabei Bezug auf bie Ver- tärkuug ber französischen Marine. Obwohl Werner die gegenwärtige Zahl ber Panzerschiffe in Verbindung mit unserem Torpedowesen für ausreichend hält, um eine Blockade der deutschen Meere zu verhindern, unb bet Ansicht ist, baß durch bie Fertigstellung beS Notbostsee- kanalS mit einem Schlage bie Stärke unserer Marine Derbobpclt ist, tritt et gleichwohl für eine so kostspielige Vermehrung ber Kriegsmarine ein. Ein Reichst, ersichcruustsgesrhentwurf ist, wie verlautet, im Reichrjustizamt in Vorbeieitung begriffen. Die „B. Pol. Nachr." weifen darauf hin, daß solche Vorbereitungen schon seit dem Ende ber siebziger Jahre getroffen worden sind, nachdem der Reichstag im Laufe der siebziger Jahre zweimal durch das Plenuiu und ein - mal durch eine Kommission den Wunsch aus Erlaß eines ReichSversicherungsgeseheS zu erkennen gegeben hatte. Ueber den Inhalt des (Entwurfes ist die „Deutsche Warte" in der Lage, das Folgende mitzutheilen: Das neue Gesetz soll aus alle diejenigen Gesellschaften Anwendung finden, welche die Uebernahme von Bet- sicherniigen aus Gewinnabsicht betreiben, unb zwar sowohl auf biejeiiige», bei denen bie BersichernngSnahme unab - hängig von ber Mitgliedschaft ber Versicherten ist, als auch aus solche, welche die Versicherung ihrer Mitglieder nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit übernehmen. Der Entwurf hat zwei Abschnitte zum Gegenstände. Der eine behandelt die Versicherung gegen Schaden unter Ausscheiden der Seeversicberung, welche bereits im Haudeirgesetzbuch reichsgesetziich ge - regelt ist. Der andere die Lebensversicherung, und zwar sowohl für den eigenen Todesfall, als auch, unter bestimmten. Voraussetzungen, für den Todesfall Anderer. Den Haupttheil deS ersten Abschnittes nimmt die Versicherung gegen Feuersgefahr ein. Während für die übrigen Theile deS Entwurfs vielfach bestehende laiidesgesetzliche Vorschriften als Borbilb herangezogen werben konnten, hat der Abschnitt über Lebensversicherungen eine fast selbstständige Bearbeitung mit Rücksicht darauf erfahren müssen, daß die wenigen hierüber in den Landesgesetzen sich sindenden Vorschriften bei der vorgeschrittene» Technik dieser VersicheriingSart nicht mehr zeitgemäß erschienen. Für diesen Theil konnten nur bestehende Statuten, so insbesondere die allgenieiiien Bersicherungsbebingungen einer größeren Anzahl beutscher BersicheningSgesellschaften zur Benutzung gelangen. Die Hanpttenbenz beS Gesetzes geht dahin, die Jntereffen der VersicherungSgeber und Versicherungsnehmer thnnlichst miteinander auszngleicheu. Um zu verhindern, daß die Versicherungsgesellschaften die geschäftliche Ueber- legeuheit, in ber sie sich größtentheiis bei, BersicherungS- nehmern gegenüber befinben, zum Nachtheil bieser mit Bersicherungsbebingungen auSbenten, bereit Strenge ost Weit über bas Maß ihrer berechiigteu Jntereffen hinauS- geht, sollen ber Ansstellnug solcher aiiionomischen Normen in be» Statuten, bie ben gutgläubige« Versicherten leicht zum Nachtheil gereichen könnten, angemessene Schranken gezogen Werben. Dazu gehört ferner bie obligatorische Ausstellung eines von ber Regierung-, unb OitSpolizei- behörde genehmigten GeschästspIauS,sowie die obligatorische AtiSfertigung einer Police und Ungültigkeitserklärung aller von dem Geschästsplan abweichende» mündliche» Verein - barungen. In gleicher Weise soll aber auch auf ber anberen Seite einer „spekulativen" BersichernngSnahme in bet Voraussetzung baldigen Ersatzes möglichst vor- gebengt werben. In Verbinbung mit dieser gesetzlichen Regelung des Versicherungswesens ist übrigen» auch der Plan erwogen worden, int Reichsamt des Innern eine besondere A b- theilung für Versicherungswesen einzu - richten, welche in ständigem Konnex mit den Verwaltungen der Einzelstaaten die Attssicht über die gesammte GeschästS- sührutig der Privatversicheriingsgefellfchaften auSüben soll. AIS Hauptfuiiktionen der neuen Behörde find in's Auge gesagt: Die Aussicht über bie gesetzmäßigen Aufstellungen unb Handhabung der Statuten über die Prämien- und Reserveberechnttng und die Prüfung der RechenschaftS- berichte und Bilanzen. Kegen die agrarische Jnnkcrpolitik im Zentrum wendet sich von Nettem die „Kölnische BolkS- zeitttiig". ES stehe nichts im Wege, daß bei ben nächsten Wahlen in einer Anzahl vorwiegend ländlicher Kreise ben ländliche» Verhältnissen Höherstehende Männer gewählt werden, vorausgesetzt, daß dicselbeu klar unb entschieden zum Zentrnmsprogramtn sich bekennen, von einseitiger Jntereffenpolittk sich seruhalten unb sonst tüchtig zur Erfüllung ber parlamentarischen Ausgaben finb, so baß bie Aktionsfähigkeit ber Fraktion keinen Schaben leibet. Was aber attshören müsse, bas seien bie offenen unb versteckten ?l »griffe auf biejenigen Mitglieber ber Fraktion, welche für ben russische« Hanbelsvertrag ge - stimmt haben, baS ist baS Bestreben, diese Männer für die schwierige Lage der Landwirthschast, bei bet zahlreiche Faktoren mitgewirkt haben, vorzugsweise verantworlltch zu mache». „Dadurch wird in den ländlichen Kreisen allmälig eine Stimmung erzeugt, welche sehr leicht attch Denjenigen recht uitbegnem werden kann, welche dieselbe mit Hervorrufen, und dieEinigkeitderZentrums- partei geht dabei in die Brüche." Gehirn plumpen Bauernfang sucht bie „Krenz- zeiiung" zu treiben. Sie wendet sich gegen bie Be - hauptung bei Reichskanzler-, welche dieser am 29. Mörz bet Berathung deS Antrages Kanitz anSsprach, wonach 76,6 pZt. der Grundbesitzer keinen Ntttzen von der An - nahme deS Antrages haben. Um bas Gegentheil zu be - weisen, stellt das Junkerorgait folgende Rechniittg auf: „Doch sehen wir uns einmal die 5 Hektar-Wirlhschasten näher an: Der Bedarf an Wintergetreide für eine nortnalstarke Familie wird ans- Jahr auf ärmeren Boden, wo man sparsamer lebt, 16 bis 18 Zentner be - tragen, ans guten Boden 18 bis 20; ferner ist als Saatgut auf' ben Morgen 85 Pfund erforderlich und 5 pZt. der ErdrnscheS als Futter in Abgang zu bringen. „A. Auf ärmeren Boden bebaut der Wirth von feinen 20 Morgen die Hälfte, d. i 10 Morgen, mit Roggen und erntet also 10 X 4 — 40 Zentner; hiervon ab für bie Familie 17 Zentner, zur Saat 8j Zentner und zittn Futter 2 Zentner — in Summa 27J Zentner. Es bleiben also 121 Zentner zum Berkaus. Diese 12f Zentner würden nach der Absicht des Antrags Kanitz den, Wirth aue Mehreinnahme Voit etwa X 37 gewähren; eine solche Summe spielt aber im Haushalt einer so armen Wirthschaft allerdings eine große Rollei „B. Auf besten Boden baut ber Wirth 7 Morges Winterung : 2 Morgen Weizen zu 16 Zentner, k Morges Rogge» z» 14 Zentner — Summa 102 Zentner; hiervon ab ber reichlichere HauSbebarf 20 Zentner, Saatgut 5,60 Zentner, Futter 5 Zentner — Summa 30,60 Zentner — so daß hier zum Berkaus 71,40 Zentner verblieben, welche nach der Absicht deS Antrags Kanitz einen Mehr- ertrag von etwa X 180 dein Wirth zuwende» würden. „Innerhalb deS Rahmens dieser beiden Wirth - schaften dürsten sich aber alle 5 Hektar großen Wirth - schaften bewegen." Die „Kreuz-Zeituiig" verschweigt, daß diese 76,6 pZt. ber Grunbbesitzkl nicht 5 Hektar, fonbern unter 5 Hektar besitze». ES find nach der DerusSzählung vom 5. Juni 1882 im Ganze» 4 043 238 lanbwirthfchaftliche Betriebe, die ei» Areal von 5 992 260 Hektaren um - fasse». Stimmte die übrige Rechnung der „Kreuz-Zeitung", bann würben von diesem Land 2 996 130 Hektaren mit Getreide bebaut fein und nach beut zehnjährige» Durch- schnitt von 1883 bis 1892 einen Ertrag von 5 992 260 Zentner» (Betreibe geliefert habe». Nach Angabe bei Junkerblattes Würben bie 4 043 238 Familien ber Klein - bauern 72 778 284 Zentner verbrauchen unb an Saat unb Futter Würben zur Bearbeitung beS Areals 11953 746 Zentner ersorberlich fein. Nun stellt sich die Rechnung so: in ben 4 043 238, also 76,6 pZt der landwirthschastlichen Betriebe wurden 84 732 030 Zentner Getreide verbraucht unb von diesem Verbrauch wurden 5 992 600 Zentner durch die eigene Ernte gedeckt. Ei müssen also 24 809 430 Zentner zugekauft werben. Steigt nun, Wie bie „Kreuzztg." annimmt, bet Zentner durchschnittlich um X3 im Preise, so bringt bie An- »ahme bes Antrages Kanitz biesen Laubleuten statt Nutzen eine Mehrausgabe von X 74 428 290. Wenn man ben Kleinbauern sagt: Ihr habt eine Mehreinnahme von X 37 bis X180 jährlich, bann werden diese sich für ben Antrag Kanitz begeistern. Würde er aber angenommen, dann würden die Groß - grundbesitzer einen Vortheil haben, bic Kleinbauern hin - gegen um so schneller ruinirt werden. Wen» irgendwo der Ausdruck Bauernfang am Platze ist, dann ist er ei dieser Polemik bei Junkerorgans gegenüber. Dic Volkszählung, welche am 1. Dezember d. I. staiisinden soll, sollt auf einen Sonntag Bei bet „Kreuzztg." erregt eS Bebenkeu, baß ein „gesetzlich ge» Öter Ruhe- unb Feiertag" von Amiswegen mit dcm szählnngsgeschäste „belastet" werbe. DaS Blatt meint, bie Sozialdemokraten, bie so gern auch alle Wahlen auf bett Sonntag legen möchte», würbe« sich ben Vorgang jedenfalls weiten unb für ihre Zwecke ausnutzen. Die Berliner „Volkszeitung" bemerkt bazu: eS fei nicht etitzufehen, worin diese „Ausnutzung" bestehe» solle. Wenn einmal, und zwar an? guten Gründen, für die alle fünf Jahre wlederkehrettde Volkszählung ein be - stimmter Tag festgestellt ist, wirb eS sich ja auch ge - legentlich einmal ereignen, daß dieser Tag auf einen Sonntag fällt. Wahrscheinlich ist daS auch früher, all regelmäßig ant 3. Dezember gezählt wurde, schon vor- gefoninictt, ohne daß irgend Jemand daran Anstoß ge - nommen hat Eine Sonntagsentheiligung kann doch im Ernst Niemand darin erblicken, daß VormiltagS die Zählkarte» ausgefüllt und an die Zähler nbgeliefert werden. Am Besuche der Kirche wirb dadurch Niemand, der sonst Lust dazu hat, gehindert. Es ist sogar wahrscheinlich, daß eine Volkszählung am Sonntage viel bessere Er - gebnisse erziele» wird, als an einem Werktage, da Sonn - tags jeder Familienvater viel mehr Zeit und Neigung haben wird, sich dem Stndium der Zählkarten zu wibttte», als am Werktage unb anbererfeilS mancher Bürger für bett Sonntag gern baS Amt eine- Zähler- übernehmen wirb, währenb eS ihm an bett Wochentagen feiner Ge< rtjäfte wegen unmöglich ist. Dem Wunsche, baß auch politische Wahle» am Sonntage stattfinden möchten, sollte man am wenigsten vom Gesichtspunkte ber Sonntag?» entheilignng entgegentreten, nachdem grabe ein mit Zu - stimmung ber kirchlichen Organe erlassenes Gesetz bie Vornahme der Wahlen zu ben kirchlichen BertretungS- körpern am Sonntage angeorbnet hat. Slationnllibcrnle Parteigcdanken. Die Nieber- lage beS Herr» Böttcher im Wahlkreise Walbeck hat bet beiitsche» Presse begreiflichen Anlaß zu Erörterungen über die Lage der uatioiialliberaleu Partei gegeben. Einzelne Blätter, denen Herr Böttcher nahe sieht, haben diese Anssühriingeti mit einigen großsprecherische» Wendungen abthun zu können geglaubt. Anders der „Hannov. Kur.", der feit langer Zeit am treuesten die Anschauungen deS Herrn von Bennigsen wieberfpiegelt DieleS Blatt be - zeichnet die Dehanptnng, daß an der Niederlage deS Herrn Böttcher das Verhalten der Freisinnigen schuld sei, als falsch: „Die Gründe liegen viel tiefer." Das Organ des Herrn v. Bennigsen fragt sich: Ist in der Partei anch AlleS so, wie eS fein sollte? Aber die klare Antwort bleibt e? nach nationalliberaler Manier doch schuldig. Der Standpunkt der national- liberalen Partei in dem tobenden Kampfe der materiellen Jntereffen fei immer schwieriger gewoiben, ihre Stärke unb ihre Bedeutung beruhe in erster Linie auf ber Betonung jener großen nationalen Gesichtspunkte, bie leider in eben diesem Kampfe jetzt be - trächtlich zu kurz gekommen sind. Aber daß bafüt noch ein Boden vorhanden ist, das beweisen die verschiedenen Gelegenheiten, bei denen der allverehrte Führer der Partei Rudolf v. Bennigsen eS immer noch wieder ver - mocht Hai, ans dem öden Materialismus der RcichStagS- bebatten heraus bie Diskussion auf jenes Gebiet bet nationalen Begeisterung zu tragen, auf beni sich auch bie jetzt zum Theil zersplitterten Fähnlein wieder zusammeufinde» werben, wenn ber richtige Moment ben richtigen Mann finden wirb. Die Berliner „Bolksztg." wirft hierzu spöttisch bie Frage aus, wann ber „allverehrte Führer" diese« Wunder vollbracht hat. Etwa zu jener Zeit, da er die Flucht vor ber Reaktion ergriff und dafür ben Ehren - namen „Hiiitersrontmarschall" einheimste? , Der „Hann. Courier" meint weiter: Man dürfe in den schwebenden wirthschaftliche» Fragen den Mitgliedern Wohl einigen Spielraum lassen; aber eine Grenze mu|)e eS auch in dieser Freiheit geben. Daß nach der zeitlicke,, Lage der Dtnge hier eine Angnsfsstelle liegt und eine Schwäche, die in den letzten Mißerfolge» bei den Wahlen klar zu Tage getreten ist, wird Niemand leugnen, und wir meinen, daß hier eine etwa» größere Geschlossenheit und Ein - heitlichkeit am Platze wäre, daß insbesondere vermieden würbe, mit jenen extremen Elemente» von beiden Seiten zu liebäugeln, und daß hier eine rein- licheScheidniig eintrete, wie sic seiner Zeit Bennigsen in richtiger Erkenntniß durchsührte, als er dem Dr. Diederich Hahn zu erkenne» gab, daß für ihn in der Partei kein Platz sei." Endlich heißt eS: zur Erhaltung ber Partei gehöre eine größere Einheit auch in wirthschaftlichcn Fragen: „Dazu gehört anch eine größere taktische DiS - z i p l i n i r t h e i t, die anet) Wir, wir wollen eS unS nicht verhehle», an verschiedenen Stellen leider habe» vermiffen müffeu. Wenn nur bet alte national- liberale Gedanke »«»der voll »umDitch. bruch gelangt, bann wird sich auch biese Hütet»