9. Jahrgang. Da« „t»ambiirfler Echo" «fdjcint tü>lich, außer Montag». Der AbomiementApreiS (ittfi. „$fe Neue Welt") beträgt: durch bic Post brzogcn (Nr de» Post- ttttolog» 2955) ohne Briiigkgkld vierteljährlich M>. 4,20; durch die Kolporlörc wöchentl 36 /4 frei in'» Han». LeranNvortlicher Nedaklör: R. TtcUjkl in Hamburg. Mittwoch, den 2». September 189A. A u j e t g c n werden die sechtgefpaltene Petit, eile oder deren Raum mit 30 4, für der, ArbcitSmarkt, vermicthungS- uiib Familieuaitzeigen mit 20 4 bete**L Aitzeigcu -lttuahnte in der Expedition (biö 6 llhr AbdS.), sowie in fäuimtl. «nnoncen-Bmeau^ Redaktion und Expedition: Große Lheaterstraße 44 in Hambiirg. Hierzu eine Beilage. AdnimntS-WNuz. Der Winter naht und mit ihm die Zeit, wo da- Lesebedürsniß an sich stärker ist, als im Sommer. Damit ist auch anfS Rene der Zeitpunkt gekommen, sich der Pflicht zu erinnern, der Arbeiterpreffe neue Leser zu- zusiihren. Diese Pflicht ist heute dringender als je. Die ganze gegnerische Prestmentr kläfft die Sozialdemokratie an und heult nach AuSuahmcgcsctzeu gegen nnS in irgend einer Form, um endlich de» lästigen uunachsicht- lichen Kritiker los zu werden, um die kapUalistischen Ansbeiliungspraktiken und den politischen Schacher von der unbequemen, unerbittlichen Aussicht der sozial- demokratischen Presse zu befreien, um die noch nicht vom Sozialistnus infizirten Massen vor diesem .Gist" zu retten, und die Herrschaft der ausbeutenden Klassen int Staate sicher zn stellen. Die beste Absicht, der Sozialdemokratie wieder etwas am Zeuge zu flicken, ist vorhanden und es ist nicht daran zu ziveifeln, daß inan cS in irgend einer Form erreichen luirb, sei es mittels neuer Gesetze, fei es vermiltek» schärferer Anwendung und knifflicherer Auslegung der bestehenden. Die jüngsten Tage haben ja bereits einen Vorgeschmack davon gegeben, waS sich auf letzterem Wege erreichen läßt. Der Sozialdemokratie und ihrer Ausbreitung wird man damit nicht beikommeu; aber für die in vorderster Kampslinie stehenden Organe werden schwere Zeiten kommen, vor Allem für die Presse. Soll diese auch in so schlimmen Zeitläuften ihre Ausgaben mit der noth- wcudigeil Energie erfüllen können, so ist erforderlich, daß anch Jeder, der die Weltanschauung des Sozialismus für die richtige halt, nicht nur selbst treu zn feinem Blatte hält, sondern auch fortgesetzt neue Leser wirbt, um unseren Ideen weitere» Eingang zu verschaffen und die Wucht der geistigen Waffe, welche die Presse darstellt, erhöhen zn Helsen. Ist es an sich schon unerhört, wenn klaffenbewußl sein lvollende Arbeiter ihre GeisieSnahrung aus der politisch und moralisch versumpsten gegnerischen Preffe ziehen, so wird solches Berhalten in einer Zeit wie gegen- Ivärtig — wo alle Gegner vereint auf die Sozialdemo - kratie einstürmen, um sie zu vernichlen, wo man mit den gemeinste» Beschimpfungen und Verleumdungen gegen tlns operirt — gradezu zum Verrath a» der Partei, zmu Verrath au der kulturförderude« Mission des Sozialismus. Heute giebt es nur ein»: Vom Tische deS Ar - beiters müsse» die gegnerische« Blätter absolut verschwinden und vor Allem jene sogenannten „un - parteiischen" Blätter, die sich mir durch ihre Billigkeit empfehlen, aber durch ihren seichten Inhalt, durch ihr Segeln mit allen Winden alle politische Karakterfestigkeit untergraben und der Reaktion dadurch daS Feld bereiten. Die beste Antwort aus die unerhörten Angriffe, die neuerdings von allen Seiten aus die Sozialdemokratie herabgeregnet sind, ist ein bedeutsames Wachsen der Leserzahl der sozialdemokratischen Preffe. Die Gegner müssen sehen, daß daö Proletariat sich nm so fester um seine Vorkämpfer schaart, je mehr die Angriffe sich mehren. Darum thne Jeder feine Schuldigkeit. Jeder neue Leser ist eine Verstärkung der Macht und des Ein- flusses unserer Presse. Wo es dem Einzelnen zu schwer wirb, das „Hamburger Ech 0" allein zu halten, da mag er sich mit einem Gleichgesinnten zusammenlhun. DerAbonuementSpreisdes„HamlmrgerEcho" beträgt (einschließlich des illustrirten UnterhaltungsblatteS „Die Nene Welt") pro Woche 36 4, wofür es von den Kolportören frei iu's Hans geliefert wird. Postabonne- nieiits kosten Jt. 4,20 pro Quartal, ohne Bringegeld. Das „Hamburger Echo" ist unter Nr. 2955 in den Postzeitnngskatalog eingetragen. ÄMion und Expedition des „Hamb. Echo". Zie Michleits-^Pstel von Well. In Esten waren dieser Tage jene guten Leute ver - sammelt, die sich zu Tugendwächtern für das ganze deutsche Volk berufen glauben und darum das Reich mit einem Netze von sogenannten Sittlichleitsvereinen über- sponue» haben. Die Weisheit, die in Esten zu Tage trat, läßt.sich kurz und bündig dahiit zilsammenfasseu, daß man in jenen Kreisen die Säuberung dieser sündige» 'Welt von dem Laster der Unzucht wesentlich von der Polizei erwartet und ihr zu diesem Ztveck auch größere und tveitergehende Besugniste ertheilt wissen will. Schule, Kirche und Mission sollen auch mitheljen, die Menschen wieder tugendhafter zu »lachen, allein die Hauptaufgabe bleibt denn doch der Polizei. Nebenbei ließen auch einige fromme Brüder dnrchblicken, daß e$ Aufgabe eines wahre» Silllichkeits-Apostels fei, den Lebeiisivaudel seiner Mitmenschen zn „überwachen" und der Polizei durch etwaige zweclttiäßige Mittheilungen bei der Bekämpftiug der Unsittlichkeit an die Hand zn gehen. Bor diese», Ansinnen nibchteu mir die Betheiligten ernstlich warneu. Denn es giebt zwar in Deutschland viele zweibeinige Schafe, die sich eine solche „Ueberwachiing" ihres Lebens - wandels nthlg gefallen lassen; eS giebt aber anch grobe tlnd handfeste Leute, welch einem solchen Spionen- und Denunziautenthuni mit ungebrannter Asche ei »Pauken würden, daß e# sich nm den „Lebenswandel" anderer Seitle nichts zn bekümmern hat. Da könnte eS recht ärgerliche Geschichten grbcu und darum wollen wir bei Zeiten abmahnen. Die Sittlichkeits-Apostel kennen weder daS Mesen des Uebels, daS sie bekämpsen, noch die Quellen, anS denen dasselbe kommt, noch die Lehren der Vergangenheit. Sonst würde» sie einsetzen, daß sie gegen Windmühlen kämpfen. Zunächst heißt eS, den Begriff „Unsittlichkeit", oder Wie fromme Kopfhänger und Augeuverdreher lieber sagen, „Unzucht" festzn stellen. Die Hnre» verstehen darunter jedweden außerehelichen Geschlechtsverkehr und kehren damit in die Zeiten deS finstersten Mittelalters zurück. Die kirchlichen Gerichtshöfe deS Mittelalter- bedrohten bekanntlich auch jedweden außerehelichen Geschlechtsverkehr mit Strafen, und zwar mit sehr sireugen. Aber schon damals erwies es sich, toit auS sozialen Ursache» entspringende Erscheinungen der Gefahr spotten. Trotz aller Strafen war daS Mittelalter voller Ausfchweisnngen und weder im Klerus noch bei dem Laienthum gab man sich Mühe, dieselben zu verbergen. Wie heute noch die Prostitution, so wurden auch im Mittelalter die „fahrenden Frauen" und die „Franenhänser" für nothwendig erklärt. Fürsten und Städteverwaltnngen zogen vielfach pekuniären Nutzen daraus, indem sie denselben Konzessionen ertheilten und Häuser vermiekheteu. Auch starke Abgaben wurden von den FraiienhSnsern eingezogen. Mehrfach hatten die „fahrenden Frauen" sogar ihren eigenen Gerichtsstand, wie in Wien und iu Ulm. 1530 erließ das Reich scharfe Bestimmungen gegen Konkubinat 11. bergl. Aber seine Gesetze blieben wirkungslos. Die Polizei erwieS sich gegenüber der Prostitution so machtlos wie heute. Im vorigen Jahrhundert begann man mit den mittelalterlichen Anschauungen oufzurännien. Der Ita - liener Becearia in erster Linie — und mit ihm der Deutsche E n l l a — verfochten die Anschauung, daß der außereheliche Geschlechtsverkehr, wenn in demselben nicht die Verletzung eines rechtlich geschützte» Guts liege oder kein öffentliches Aergerniß mit demselben verbunden sei, nicht strafbar sein könne. Diese Ansicht ist »ach und nach in der Gesetzgebung der modernen Staaten zum Durchbruch gekommen, und wir glauben nicht, daß eS dem Pietismus gelingen wird, an deren Stelle wieder die blinde Strenge de- Mittelalters zu fetzen. Im Uebrigen geschieht seitens der Polizei auch in unseren Tagen noch grade genug, um die Menschheit vor „Un- sittlichkeit" zu bewahren. In allen gelehrten Werken, in denen von der Sittenpolizei die Rede ist, werden z. B. die öffentlichen Taiizbelustigungen als besonders „bedenk - lich" bezeichnet. In der That sind dieselben anch überall einer besonderen Aufsicht unterworfen, und es bedarf für Abhaltung derfelben einer besonderen Genehm, 'gnng. Zahllose deutsche Dichter haben das deutsche Volk bei seinen Taiizbelustigungen besungen, aber die Kehrseite der Medaille bildet für diese Poesie die Polizei I Anch ein Zeichen der Zeit! Wenn nian im Mitlelaller sich nicht scheute, die „Franenhänser" für nothwendig zu erklären, so ist man heute noch derselben Ansicht, aber man scheut sich, es so offen ausznsprechen. Die bürgerliche Moral, braucht eine» Sündeubock, aus den sie die Schuld an den moralischen Gebrechen der Gesellschaft abwälze» kann, damit man in den Stand gesetzt ist, äußerlich die„Ehr- b a t f e i t" zn wahren. Darum wird alle Schuld an der Unsittlichkeit und ihren Wirkungen auf jene iinglück- lichen Geschöpfe abgeladen, die doch selbst nur Opfer einer verkehrten Gesellschaftsordnung sind. Die Prostitntion ist eine Wirkung der kapitalistische» Ausbeutung und der Klaffenherrschaft, und darum sind alle Anstrengungen der Polizei und der Justiz vergeblich. Der Schlamm der Prostitution überfluthet den Boden der bürgerlichen Welt, und wenn Alexander D ii m a S das furchtbare Wort ausgesprochen hat: „Wir gehen in die allgemeine Prostitution!" so hat er damit nur bewiesen, daß ihm nicht verborgen geblieben ist, woher die Prostitution kommt. „Der Staat," sagt der sehr gelehrte Professor Löning, „hat der Verführung u. s. w. entgegen- zutreten, wenn die Verführung einen den Gemeininteresfen gefährlichen Karakter »„nimmt." Dieser „gefährliche Karakter" ist längst vorhanden. Aber er besteht nicht darin, daß ein Vanernbnrsch „fensterln" geht oder etwa ein Arbeiter eine Liebschaft hat. Er besteht darin, daß die Armuth und die Bedrängn iß, kurz die ökonomische Knechtschaft des weiblichen Geschlechts von den herrschenden Klassen ansgeiiiitzt wird. Dadurch wird eine Menge weiblicher Wesen in den Schlamm der Prostitution hinabgestoßen, ans dem sie sich nicht mehr heraiiSarbeiten können. Die Ver- breitiuig von Krankheiten ist darum durch die beste Sittenpolizei nicht zu verhüten, weil die Prostitution sich unter tausend Formen verbirgt und man schließlich die halbe Menschheit als Sittenpolizei anstelle» müßte, nm die andere Hälfte „genügend" zu überwachen. Mau hat gar ostnials daraus hingewiesen, daß die Knlturhöhe eines Zeitabschnittes, eines Jahrhunderts daran zn erkennen sei, wie das weibliche Geschlecht be- handelt werde. Wenn dies ziitrifft — und es trifft zni — dann sieht es mit unserer Kultur noch ziemlich windig ans. Hunderitanseiide von Frauen und Mädchen, die unter normalen Umständen znin allergrößten Theil gute Gattinnen und Mütter geworden wären, sehen mir ent - ehrt, mit Schmach bedeckt, ausgestoßei, aus der Gesellschaft. Der Philister behauptet, sie hätte» dies harte LooS selber verschuldet; mit sind der Meinung, daß sie Opfer sind. Sie sind Märtyrerinnen der bürgerlichen Moral; mit ihrem Elend rnerden die Kosten bestritten, welche die Aufrechterhaltung der Scheinheiligkeit unserer Bourgeoisie erfordert. Abschaffen kann die bürgerliche Gesellschaft die Prostitution nicht. Da- kann mir der Sozialismus, der dem weiblichen Geschlechte die ökonomische Freiheit geben wird. Dann erst, wenn kein Weib mehr sich zu verkaufen braucht, kann sich die uiebergetretene weibliche Würde wieder aufrichten. Eher aber nicht I Nciie Sttllkrprvjekte. Ein neues Tabaksteuer-Projekt ist, wie wir mitgetheilt haben, plötzlich wieder am politischen Horizont erschienen. Der Reichsschatzsekrelär Graf P 0 s a d 0 w s k y , dem die Ausgabe zngesallen ist, unter Miguel» Anleitung die Reichsfinanzen zu reformiren, war in Süddentschkand Es blieb nicht lange Geheimniß, daß er mit den Ministern der süddeutschen Bundesstaaten Berathungen pflog und sofort griff selbst - verständlich die Annahme Platz, daß es sich dabei um n««e Steuerprojekte handle. Unmittelbar nach der Rückkehr Pvsadowskys nach Berlin berichtete die freikonfewative „P 0 st", die sich sehr guter Beziehungen zu den leitenden Kreisen rühmt, daß der Entwurf einer Tabaksabrikatstcuer bereits im Reichsschatzamte aus - gearbeitet werde. Das Blatt fügte dieser Meldung hinzu, der Staatssekretär habe sich davon überzeugt, daß er auf eine zustimmende Haltung in Süddeutschland rechnen könne, wenn er den Fordern „gen bet dortigen Inter- essenten bis zn einem gewissen Grade entgegenkomme. Man habe vor — so suchte die „Post" den neuen Steuerplan plausibel zu machen — eine Fabrikatsteuer für die billigeren Zigarrensorten (etwa bis zu 6 Psg.) nicht zu fordern, und de» dadurch zu erwartenden AnS- fall von etwa 8—10 Millionen durch eine entsprechend höhere Besteuerung der importirten Tabake wieder ein- jubriugen. Die „Krenzzeitung" ergänzte diese Andeutung dahin, daß auch die auS importirte» Tabaken hergestellten billigeren Zigarren nicht der Fabrikatsteuer unterworfen werden sollten, daß diese (Steuer vielmehr nur aus Zigarren von mehr als 6 Pfennig Verkauf-werth gelegt werden solle. Obwohl die Mittheilung der „Post" im Widerspruch steht mit den wiederholten Versicherungen der vsfiziösen Presse, insbesondere der Berliner „Polit. Nachrichten", daß Steuervorlage» für die uäckste Session des Reichs - tages nicht zu erwarten seien, nimmt man doch vielfach an — nnd wir bekennen uns auch zu dieser Annahme — daß die Meldung des freikonservativen Blattes be - gründet ist. Der Reichstag hat allerdings, a'S er int Mai d. I. die damalige vom Grafen Posadow--ky so lebhaft ver - theidigte Tabakfabrikat-Stener-Vorlage ablehnte, keinen Zweifel darüber gelassen, daß er von einem „ Mehrbluten ' des Tabaks nichts wissen will. Selbst zahlreiche Vertheidiger des herrschenden Systems der indircste» Stenern hielten e» für unzulässig und höchst bedenklich, um einiger Millionen willen eilte nun schon so lange fort - während beunruhigte bedeutende Industrie weiter in Athem ztt halten und die uanientlich in den gegen- wärtigen Zeitkäufen sehr ernste Gefahr der Entlassung zahlreicher Arbeiter herattszubeschwörett. Dazu kommt eine Thatsache, die selbst Diejenigen berücksichtigen müssen, die sonst geneigt sind, mit der Regierung durch Dick und Dünn zu aeljeti: die Besse - rung d e r F i » a n z v e r h ä l t n i s s e seit der vorigen Session. Schon damals war trotz dem Rachtragsetat die Bilancirnng bi» auf den Betrag von 10 Millionen er - reicht. Inzwischen haben aber die Reichseitittahmen fort- gesetzt steigende Erträge über die Voxanichläge ergeben. Die Zollentttahme» des Vorjahres 1894/95 übersteigen bett Einnahmeanschlag aus den Zöllen für das neue Etatsjahr 1895/96 um 14 Millionen Mark. Die ersten vier Monate des neuen Etatsjahres aber haben bereits einen Mehrertrag gegen dieselbe Zeit des Vorjahres von 6 Millionen Mark ergeben. Wen» hiernach in den acht folgenden Monaten sich die Zolleinnahuien auch nur auf der Höhe des Vorjahres halten sollten, so würden die Erträge aus den Zölle» schon über 2o Millionen Mark mehr an Ueberweisungen für die Einzelstaaten ergeben, als im Etat vorgesehen ist. Danach wütchen also schon im laufenden Etatsjahre mit einem Plns an Hebet- Weisungen die Einzelstaaten mehr erip. i, al- sie in der letzteil Session fei ist für die Zukunft g'esorden habe». ES wird nun in bet Pnssc lebhaft die Frage er - örtert : Was unter diesen Umständen den Schatzsekretär veranlaßt, einen neuen Anlauf bezüglich der Fabrikat- Steuer zu nehmen? Die „Freis. Ztg." meint, es komme ihm darauf an, unter allen Umständen die Be - st euer» n g s f 0 r m der Fabrikat-Steuer in das Leben zu führen. Sei diese Form erst einmal ein- geführt, so würde es ein Leichtes sein, die Tarife später hinaufzuschrauben, bezw. den Kreis bet steuerpflichtigen Fabrikate zu erweitern. Im Reichstage wurde jedoch im vorigen Iahte geltend gemacht, daß sich grabe bei ge - wissen Mehr-Erlrägeu ans der Tabakbesteuerung die Tabaksabrikat-Steuer nicht empfehlen könne, weil alsbann die von derselben bebinglen Beschränkungen nnd Kontrolen der Industrie mit dem fiskalischen Nutzen in keinem Ver - hältniß stehe» würden. Eine besondere politische Bedeutung erhielte daS diesmalige Tabakfabrikatsteuer-Projekt, falls dessen Vorlage sich bestätigte, durch die Andeutungen, wie die Regierung dasselbe diesmal dntchzusetzen beabsichtige. Eie spekulire, so heißt eS, aus die süddeutschen Inter- essenten, insbesondere auf die Baiern. Nun weiß malt, daß der baierische Finanzminister, v. Riedel, längst der Vermehrung der Reichssteuern geneigt ist, nm einer die wohlhabenderen Klassen stärker 'heranziehenden Reform der direkten Steuern in Baiern enthoben zu fein. Wollten aber die Herren Miquel und v. Riedel zum Ziele gelangen, so müsste die Abspreizung eines beträchtlichen Theile- der ZentrnmS- Partei gelingen; nur so wäre eine Mehrheit mit den sogenannten Kartell-Parteien herzustellen. In der vorigen Session nahm der Abgeordnete Schädler mit einem Theile der Balern eine der Tabaksabrikatstener weniger abgeneigte Haltung ein, als das Gros der Zentrums- Fraktion. Die „Köln. V 0 l k S -Z ei t u n g" glaubt aber, baß schon die Besserung der Finanzverhättiiisse, auch in Baiern, die Geneigtheit für eine höhere Be - steuerung deS Tabaks überall vermindert habe» wirb. Das ultramontane Blatt bemerkt dazu: „Für das Zentrum kommen aber babei noch Er- Wägungen anderer Art dnrck schlagend in Betracht. Die neue Steuer wird, da der finanzielle Gesichtspunkt sich z. Z. nicht in den Vordergrund stellen läßt, alS „Reform" der Tabakbestenermtg empfohlen, die hinwiederum die Grundlage bilden soll für die sogenannte „Reichs- Finanzreform", an welcher Herr Miquel mit großer Zähigkeit sesthält. ^Das Automatengesetz hat im vorigen Jahre erkennen lassen, wie diese „Reform" unter dem föderalistischen Gesichtspunkte ausfallen würbe: die Franckenstein'sche Klausel, das Vermächtiiiß v. Francken- stein» und WmbthorflS durch welches das gesunde Ver - hältniß zwischen dem Reich nnd den Einzelstaaten ge- sichert wurde, steht dabei auf dem Spiele. Und da sollten süddeutsche Zentrums-Abgeordnete mithelfen wollen, einer solchen „Reform" die Wege bahnen? Das erscheint undenkbar." II n s erscheint da- nach den mit jenen Abgeordneten gemachten Erfahrungen gar nicht undenkbar. Ein Berliner Berichterstatter deS „Hamb. Corr." sucht die Nachricht der „Post" über da- neue Tabak - steuergesetz mit einer gleichfalls von bet „Post" gebrachten Melbung über bie beabsichtigte Konvertirung in Verbindung zn bringen Sollte die Nachricht der „Post" von der neuen Tabakstenervorlage, so meint derselbe, richtig fein, so wäre „nunmehr auch das Räthsel gelöst, weshalb in Sachen der Konvertirung der vierprozentigen Anleihen so plötzlich zum Rückzug geblasen worden ist. Bon der Konvertirung wird erst die Rebe fein können, wenn über baS neue Tabaksteuer-Gesetz die Entscheidung im Reichstage erfolgt ist. Wird dasselbe, wie wahrscheinlich, wiederum abge - lebt, so hat bie Regierung in der angeblichen Nothwendigkeit einer Steigerung der Ein- nahmen den besten Vorwand, die wirthschaft- lichen Bedenken gegen die Konvertirung in den (unter- gründ treten zu lassen nnd behufs Durchführung der ReichSfinanzresorm, sowie behufs Herstellung des Gleich - gewichts im preußischen Etat die vierprozentigen Reichs- und Staatspapiere zu konvertiren. Selbstverständlich soll nicht behauptet werden, daß, falls der Reichstag bie neue Tabakfabrikatsteuer annehmen sollte, die Konverttrunz unterbleiben würbe; eine Erwägung, die selbst bewilli- gnngSlustige Abgeordnete, falls eS deren bei der jetzigen Finanzlage giebt, abschrecken würde." — Man thut gut, die Ausdrücke „angebliche Nothwendigkeit' und „besten Borwand' sich zu merken. Nun kommt auch noch die offiziöse „Nordd. A k l g e m. Ztg." und versichert, „daß Graf P 0 s a - dowSky bei feiner Anwesenheit in Süddeutschland nicht über einen neuen Tabaksteuer-Entwurs verhandelt hat und im ReichSschatzauit z u r Z e i t ein solcher Ent- Wurf nicht »»«gearbeitet wird". Die Erfahrung lehrt, daß auf solche offiziöse Ver - sicherungen nichts zu geben ist. Die „Post" erhält ihre Mittheilungen aufrecht. Nach der Berliner „Volks- Zeituiig" ist eS höchstens noch fraglich, ob schon in bet nächsten Session der neue Tabaksteuergesetz-Eulwurs borgelegt werden wird; sie schreibt: „Der Zeitpunkt der Einbringung des neuesten Tabaksteuer - Gesetzes ist noch nicht fest - gesetzt, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man zur Zeit keiner DeckungSmittel bedarf. Diese letzteren bürsten aber nothwenbig werden, wem: HeereS - und Marine-Verwaltung mit neuen Forderungen hervortreleit werden." Diejenigen, welche unter vorgebundener offiziöser Larve den Glauben erwecken, aI5 suche der Reichsschatz- sekretär nm die höhere Bestenernng des Tabaks hernin- z u k 0 m m e n , wissen offenbar nicht, wie viel nnS im Besonderen unsere Marine noch kosten wird. Im Rcichsschatzanit weiß man es. Die Tabak-Industrie ist aus'S Nachdrücklichste davor zu warnen, den offiziösen Versicherungen, daß der Tabak vor dem Versuche, ihn „mehr bluten" zu lassen, sicher sei, Glauben zu schenken. Auch neue Zucker st euerprojekte tauchen wieder auf. Die nationalliberale „Magdeb. Ztg ", ein Blatt, da- in dieser Frage die engsten Interessenten- toterien vertritt, sührt lebhafte Klage darüber, baß die im Reichstage angekünbigte Novelle zum Zuckerstenergesetz im Bimbcsrathe »och nicht eingebracht worben sei. Die Emscheidnng biefer Frage liegt bei ben süd - brutschen Bundesstaaten. InSüddentsch. land ist bie Zuckerproduktion nur ganz minimal. Die süddeutschen Finanzminister können deshalb kein Interesse daran haben, durch neue Liebesgaben an bie Zucker- produzenten eine ergiebige Steuerqnelle wie die Zucker- steuer in Frage zu stellen auf Koste» der Reichskasse und her Konsumenten. Die „Freisinnige Zeitung" giebt der wohl begrün - beten Ueberzeugung Ausb ruck, daß ein Gesetzentwurf, wie ihn bie nationallibcralen Vorkämpfer ber Zuckerinter- essenten im Reichstage, bie Abgg Professoren Paafche und Friebberg, in diesem Frühjahr einbrachten, ganz undenkbar wäre, wenn man nicht glaubte, bie augen - blickliche Stimmung für StaatShulfe zu Gunsten ber Laub- wirthschaft nutzbar machen zu können zu einer baueruben StaatSsiibvention für bie Zuckerindusirie im benfbar größten Umfang. Danach soll bie Verbrauchs- abgabe für Zucker um ein Drittel erhöht werben Die daraus zu erzielende Mehreinnahme von etwa 25 Millionen Mark soll verwendet werden, um die Ausfuhrprämie für Zucker mehr als zu ver- dreifache». Natürlich würde eine solche Prämiiruug alsbald eine schwindelhafte Ausdehnung der Zuckerproduktion Hervorrufen. •- - Um dies zu verhindern, soll die inländische Zncker- probuktion für jede einzelne Fabrik fontingentirt und jede Mehrproduktion durch Extrasteuern verhindert werden. Zugleich sollen andere Extrasteuern die großen, namentlich in bei: ostelbischen Provinzen ueuerbings an - gelegten . Fiibrike» zu Betriebseinschränkungeu noch innerhalb ihre- Kontingent- veranlassen zu Gunsten der mit den Gulswirlhschaften zusammenhängenden mittleren und kleinen Fabriken Jede Koukurreiiz neu entstehender Fabriken soll gleichfalls durch besondere Steuerzuschläge verhindert werden. Man kann nicht scharfsinniger einen Plan ansdenken, um die Gesammtheit der Konsumenten zu belasten int Interesse einer beschränkten Zahl von Fabriken und Rnbenbanern Unter dem Vorwande, der Landwirthschast zu Hellen, wird hier grabe eine Ein - schränkung be« Rubenanbanes erzwungen. Dieser schöne Gesetzenltvnrf ist mit 144 Unterschriften von Konservativen, Nationalliberalen und Klerikalen eingebracht worben. Er ist im Reichstage nicht znr Verhandlung gelangt, aber ber Schatzsekretär Graf Posadowsky hat kurz vor Session-schluß erklärt, daß bem preußischen Slaat-- minister! 11 m bereits ein Gesetzentwurf ähnlichen Inhalts unterbreitet fei. Es bars als sicher angenommen werben, daß die Zuckerstenet frage ben Reichstag in nächster Session wieder beschäftigen wird. Die ^Regierung kann sich ja dabei von vornherein auf die Unterzeichner des Antrages Paasche und Genossen stützen. Sei Der Dir (V-itibcriifMitg dcs Reichstages scheint sich anch in diesem Jahre tvieder bis gegen ben Jahresschluß hinzuziehen, wenigstens wird von anscheinend offiziöser Seite erklärt, daß ber Bunbesrath erst int Laufe b e« Oktober zusammentreten werde, nm sich über die dem Reichstage zn unterbreitenben Vorlagen schlüssig zu machen. Eine Korresponbettz für Zentrumsblätter schreibt dazu: „Sollte ber Reichstag abermals zu so später Zeit zu- famiuentreten und bemgemäß wieder das leidige Zufammen- tagen zwischr» Reichstag nnd Preußischen Landtag ein - treten, dann wäre dieses im höchsten Maße ztt bedauern. An Arbeitsstoff für ben Reichstag kann eS boch wahrlich nicht fehlen, nachdent Gesetzenttvürse über ben unlauteren Wettbewerb, über bie Börsenresorm, über bie Beschränkung deS HansirhanbelS, bie AnS- dehnnng und Korrektur ber Unfallversicherung, die Organisation de- Handwerks u. s. w. zutn Theil bereits vor Jahr und Tag veröffentlicht worden sind, ganz abgesehen von den Resten, bie der letzte Reichstag nicht »«{gearbeitet hat. Im Volk wird es faunt noch verstanden, daß zur Vorbereitung aller dieser wichtigen Gesetz-Entwürfe so viel Zeit gebraucht wird, nnd daß bie Erwägungen, Umfragen, Erhebungen, Stnbienrelsen n. s. io. gar kein Ende nehmen Tie Auf - gaben des nächsten Reichstages sind mauiiigfa(tig itnb groß, außerdem wird in ber Presse bet verschiedene» Parteien bereits wieder eine Fliith von Anträgen und Interpellationen augekündigt, von bene» »amentlich bie von sozialbemokratischer Seite angemelbeten längere unb heftige Debatte» in Aussicht stellen. Tagt bann auch gleichzeitig bet Laubtag, so ist au eine flotte Erledigung der Geschäfte gar nicht zn denken Mit dem Zufammen- tagen von Reichs- und Landtag, das in den 70er Jahren die Ausnahme bildete, ist eS von Jahr zu Jahr schlimmer geworden, und nachgrabe ist bie Preffe kaum noch im Staube, über alle diese ParlamentSve Handlungen entsprechend zu berichte». Auch im P»bl:kiim muß das Interesse für die Vorgänge in ben Parlamenten erlahmen, wenn ihm täglich ausführlich über zwei gleichzeitig tagende parla - mentarische Körperschaften berichtet ivird. Schon jetzt beschränken sich zahlreiche ZeitnugSleser auf die Lektüre ber kurzen Resümes ober senilletomstisch gehaltenen Skizzen, bie über die Parlaments - Sitzungen gebracht werden, nnd greifen blos dann zum ausführlichen Be - richt, wenn „etwa- loS" war. Nothwendig erscheint es aber auch, daß bie feit Jahren ciiigeriffene unb höchst beschäme nbeBeschlußnnfSHIgkelt im Reichs - tage enblich anfhört. Die stetige Leere bes Hanse- führt nur dazu, daß bie Berathungen ganz uferlos werben, well Anträge auf Schluß der Debatte, bie von obstruk- tlonSlustlgen Mitgliedern sofort mit bem Anträge auf Auszählung deS Hanse- beantwortet werben könnte», unter diesen Umstände» einfach nicht gestellt werden. In einer Zeit, in bet von gewisser Seite nicht blo« einer Beschränkung des Wahlrecht-, fonbern auch einet Ver- miiiberung ber Rechte bes Parlaments offen da- Wort gerebet wird, sollte Alle- vetmicbeii werde», waS solche» Bestrebungen Vorschub leiste» saun." Eiuc Umfrage bei ReichStagSabgeordncten. Von Gegnern der Medlzinalbehandlung und deS Impf - zwanges sind au Abgeordnete be# Deutschen Reiche- Fragebogen übet Ihre Stellung zn ben Bestrebungen, bie von ben Anhängern der N a l urh e I l 1 e h r e ver- folgt werden, gesandt. Diese zielen daraus ab, Lehrstühle für Volkshygieine an den Universitäten zu errichten, Ge- suudheilSlehre in alle» öffentlichen Schule» einzusühreu, alsdann alle» wissenschaftlichen Heilmethoden Gleich - berechtigung zu gewährleisten, Allopathen nicht alS Sach - verständige über Hydropathische ober homöopathische Maßnahmen znzulaffen, an allen öffentlichen Kranken- Häusern Zweigstationen für letztgenannte Heilmethoben ju errichten unb S jedem Kranken sreizustellen, »ach welcher Methode er sich behandel» lassen will. Außerdem ist daraus angefragt, ob bie betreffenden Abgeordneten gegebenen Falles für Beibehaltung ober Ablehnung be# Impfzwanggesetze- stimmen würben. Bekanntlich ist in voriger Reichstag-session von sozialdemokratischen Abgeorbueten die Aufhebung des Impfzwanges beantragt worden. Der Antrag dürfte in nächster Session wiederholt werde». Krise»- unb UinstitrzbckämpfuugSgeri'ichtc. „Mit absoluter Sicherheit" erklärt da- eine Blatt, baßHie persönliche» Anschannnge» de- Kaiser- über bie Be - kämpfung bet Sozialdemokratie noch immer „nicht völlig" mit bette» feiner amtlichen Rathgeber übereinstimmen. Mit gleicher Sicherheit betheuert ein andere- Blatt, cs habe allerdings eine ernste MeiimugSverschiebenhelt zwischen Kaiser unb Kanzler bestauben, Fürst Hohenlohe habe jedoch verstanden, ben Kaiser von ber Nutzlosigkeit eines Umsturzgesetzes „völlig" zu überzeugen. Unb ein drittes Blatt setzt mit nicht geringerem Nachdruck diesen Erklärungen die Behauptung entgegen, an höchster Stelle habe zu keiner Zeit bie Absicht geherrscht, bett Reichstag mit gesetzgeberischen Maß - regeln gegen die Sozialdemokratie zn besassen. Wa- Wahrheit ist, darüber zerbrechen wir uns nicht den Kopf Interessant aber ist, zu beobachten, wie mittel- parteiliche Zeitungen, die nicht lebhaft geling die „Noth- Wendigkeit zielbewußten Vorgehens gegen bie Sozial- bemotratie" betonen konnten, allgemach zn einer Politik ber Resignation übergehen. Nnn haben sie „Immer gewußt", baß sich nichts thun lasse; mit dem heutigen Reichstage sei nicht- anznsaugen. Der Ausfall von Neuwahlen sei nicht- weniger al- sicher; folglich handle die Regierung ganz richtig, wenn sie jede Maßregel unterlasse Wunderbar nur, daß ihnen diese Erkenntniß erst nach ber Rückkehr bes Fürsten Hohenlohe von Peter?, barg und seiner Besprechung mit dem Kaiser gekommen ist! Vor Tisch la- man eS anders. Sollte, jo fragt bie „Boff. Ztg ", das Hamburger Blatt, da? enge Bezie - hungen zu ber Regierung unterhält, Recht haben, renn cs den „Freunden eines Ausnahmegesetzes" uachsagt, daß sie so ziemlich bie Taktik verfolgten, die Herr Stöcker in seinem schönen Briefe empfahl, um Mißhelligkeiten zwischen Kaiser und Katizier hervorznrnsen, und hinzu- fügt: „Dieser Feldzug ist gescheitert?" Die „Münchener Neuest. Nachr.", die als „authentisch" verbreitet hatte», ber Kaiser habe sich zn Gunsten eine? An-nahiuegesetze- ausgesprochen, und jetzt erklären, bet Zwiespalt sei glücklich gelöst, der Herrscher wolle bei Kanzlers oft erprobten Rath ans feinen Fall entbehren, erzählen, Fürst Hohenlohe sei in erster Linie für eine Ansbehnung des baierische» Vereins- gesetzes ans Preußen. Diese- Gesetz vom 26. Februar 1850 wird von dem Münchener Blatte als „feste Grundlage zur Niederhaltung aller möglichen Ansschreitnngen" augepriesen. Zu seinem Rnhuie wirb anSgrsührt: „Politische Versammlungen unb Vereine in Baiern können sich gewiß nicht beklagen — das wirb jeder billig Deiiteube zugeben müssen — daß das Gesetz sie in spanische Stiefel geschnürt hätte, und e- ist sehr bezeichnend für den politischen Takt unserer Behörde», daß sich bie sozialdemokratischen Jeremiaden zn dem Gesetz vorzüglich gegen eilten ber harmlosesten Paragraphen richten, gegen Artikel 15 des Abschuittes II, welcher lautet: „Frauens - personen itnb Minderjährige können weder Mitglieder politischer Vereine sein, noch den Versammlungen derselben beiivohnen." Ans bie entschiebene Durchführung biefer Bestimmung haben unsere Behörden allerdings stet- großes Gewicht gelegt. Unserer Ansicht nach mit vollem Recht. Die Auflösung einer politischen Velsammlung gehört speziell iu München zn ben Seltenheiten. Seit Jahren fatib hier keine Auflösung mehr statt, mit An-< nähme einer einzigen vor einigen Wochen im Orpheum, in welcher ein richterliche- Urtheil einer maßlosen Kritik unterzogen wurde." Die „Boss. Ztg." meint zn dieser Miltheilnitg : „Wir bezweifeln, daß Fürst Hohenlohe sich irgendwie für die Ersetzung des preußische» Vereiusgesetzes durch daS baierische erwärme. Beide Gesetze stirb demselben Geist entsprungen; da- preußische ist just zwei Wochen jünger als das baierische; beide enthalten int Wesentlichen die gleichen Bestimurnngen Artikel 15 deS baierifdjen Ge - setzes findet sich im preußischen Gesetz im § 8, wo - heißt, Vereine, die bezrveckeu, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, „dürfen keine Frauen-. Personen, Schüler nnd Lehrlinge al- Mitglieder aufnehmen"; „FranerrSperfonen, Schüler und Lehr - linge dürfen den Bersaiunrlungeu und Sitzungen solcher politischen Vereine nicht beiwohnen". Setzt man statt „Schüler nnd Lehiliirqe" „Mitiderjähtige", so schließt man zwar eine Zahl jugendlicher Personen von den Versammlungen au-, läßt aber tnattche andere, bie ihnen heute fernbleiben sollen, ztt. Die Durchfnhrnng aller solcher Befchränknugen aber, bie sich nur auf ba- Alter beziehen, stößt auf solche Schwierigkeiten, baß sie zumeist wirkung-Io- bleiben Zubern unterliegt bie Bereiuszefetzgebuug jetzt bem Reich. Glaubt mau, da- baierische Gesetz solle nur auf Preußen, durch bett Lanb- tag, ober auf da- Reich, durch Reichstag und VnndeS- rati), ausgedehnt werden? „Ist Fürst Hohenlohe gegen ein llmsturzgesetz, ob ci sich ausschließlich gegen die Sozialdemokratie richte ober da- gemeine Recht ändere, so wirb er sich schwerlich von einer Aenderung des preußischen, ohnehin durch und durch reaktionären Verein-gesetze- Erfolg versprechen. Hat eine Krisis bestanden, hat sie ihren Ursprung in bet Meinungsverschiedenheit über die Behandlung bet Sozial- bemotratie gehabt, ist bie Krisis endgültig beigelegt, so kann füglich nur angenommen werden, daß beschlossen worden ist, den Katttpf gegen ben Umsturz mit andere» Mitteln zu führen als mit betten ber Straf- unb Polizei- gesetzgebung." Zum Kapitel der Prcßverfolgungen. In B r a 11 b e 11 b 11 r g wurde bie Nummer 214 ber ..Branben- bitrger Ztg." vom 13. Sept beschlagnahmt und nach dem Manuskript bei darin enthaltenen Leitartikels „Hohen- zollernscheS" gehanssncht. — Angeblich soll bet Artikel eine Majestätsbeleibignng enthalte». Vieruudzwanzig Exemplare ber betreffenden Nummer fielen bet Polizei In bie Hänbe. Auch bei bet» „Volkswilleu" in Hannover wurde am Montag tvieder einmal eine Hau-snchung vor- genommen Es handelte sich um den in ber Nr 212 vom 11 b. M. erschienenen Artikel „Vom Dentschthum der Hohenzollertt i» der Geschichte", der die Runde durch