Nr. 166. 16. Jahrqang. La m vurger Echo. eefe.su 'X--X^T, .. ■ ... i >I» ? .Mne* »»ra—icgg^— Das „ipitnibitrflcr l^cho" erscheint täglich, außer Montag«. Der Aboilncinkntöprciö (inkl. „Dir Diene Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. de« Post- katalogS 3041) ohuc Vringcgcld vierteljährlich .M. 4,20; durch die Kolportörc wöcheutl. 3t>srei in'« Hau«. Einzelne Nummer 6 Sonntags-Nnnnner mit illustr. Sonntag«-Beilage „Die Neue Welt" 10 aj. Verantwortlicher Redaktör: N. Stenzel in Hanibnrg. Soiiimbend, den 18. Juli 18D($ Auzei gen werden die sechsgclpaltene Pctitzcile oder deren Raun, mit 30 a*, jiit den ArdeitSmurkt, Bek' miethungü- und Jsamiltenaiizeigeu mit 20 4 berechnet. Anzeigen Annahme in der Expedition (bis 6 Uhr Abds.), sowie in säinuitl. «nnoncen-Bürcaux. ■kbattion und Expedition: Große Theaterstruße 44 in Hamburg. Hierzu eine Beilage. KlaßtliherrlAst. In Preußen und im Reich ist bekanntlich eine Gehaltsausbesserung für die Beamten geplant und auch theilweise schon durchgesnhrt. Bei der büreaukratischen Natur des „modernen" Staals ist es unvermeidlich, daß die höheren Beamten zu hoch und die niederen Beamten zu niedrig bezahlt werden. Lieser Miststand kommt mich bei der Gehaltsanfbtsserung wieder zum Vorschein. Denn mau hat 1890 das „Fundament" zu der allgemeinen Gehaltsaufbesserung mit einem Be - trag von 15 Millionen Mark für die Unterbeamten gelegt, während nunmehr „der Ausbau der oberen Stockiverke", wie cs in einem offiziösen Blatte heißt, mit 20 Millionen in Angriff genommen werden soll. So wird die geringe Anzahl der oberen Beamten in einem gradezn schreienden Mißverhältnist gegenüber der großen Masse der dazu meistens noch sehr angestrengten Unter- beamten bevorzugt. Darum bleiben wir ans dem Stand- punkt stehen, den wir gegenüber diesen büreatikratischen Erscheinungen immer innegehalten haben; eine Gehalts- ausbesseruug halten wir bei den Uuterbeamten für ange - bracht, bei den höheren Beamten verwerfen wir sie un - bedingt, da diese Alle mehr als genügend und in zahl - reichen Füllen viel zu hoch bezahlt sind. Die Erhöhung der Beamtengehälter wird begründet mit den gestiegenen Waaren- und Lebensmittelpreisen, dem Hinauftreiben der Wohnungsniielhen u. s. w. Für de» kleinen Beamten trifft das vollkommen zu; ihm wird es mit seinem geringen Einkommen immer schwerer, zurechtznkonimen. Für einen Poftsekretär oder gar einen Briefträger ist es nicht gleichgültig, ob die Brot- und Fleischpreise um einige Pfennige steigen; für einen Unter- staatssekretär ober Landgerichtspräsidenten aber ist es so ziemlich gleichgültig, denn die beiden Letzteren werden dadurch keine Noth leide» müssen. Dabei stoßen wir auf einen der vielen Widersprüche, von denen der moberne Bureaukraten- und Klassen float erfüllt ist. Wenn der Arbeiter Lohuerhöhnug anstrebt, so schreit Alles über „Begehrlichkeit" und Unzufriedenheit. Wenn die Lebensmittelpreise und die Wohimngs- niiethen es dringend machen, daß die Gehälter der nie - deren Beamten erhöht werden, so muß man ohne jede Möglichkeit eines Einwandes auch zugestehen, daß die ^grosse Masse des arbeitenden Bölkes sich in derselben Kalamität befindet, wie die untere Beamtenschaft; oder die Kalamität, in welcher der „freie" Arbeiter steckt, ist vielmehr noch bedeutend größer, denn seine Existenz ist im Gegentheil zu der des Beamten eine unsichere und die Arbeitslöhne befinden sich, was man auch sagen möge, faktisch in sinkender Tendenz. Die Arbeiter, die am meisten unter dem Steuer- druck zu leiden haben, müssen als Steuerzahler die Summen mit aufbringen, die bestimmt sind, um die Beamtengehälter zu verbessern. Wir betonen nochmals, daß wir eine Gehaltsaufbesserung für die Snb- alternbeamten durchaus für dringend nothwendig halten; aber wir wollen anch die eigenlhüinliche Stellung zeigen, in welcher der Klassenstaat sich hier befindet. Wohl wird von seinen Trägern und Stützen bei jeder Gelegenheit betont, es sei seine Ausgabe, dem wirthschastlich Schwachen hülsreich beizustehen und zu seinem Gunsten helfend ein - zugreifen. Aber was geschieht hier? Uni einer Kate - gorie von wirthschastlich Schwachen etwas anfzuhelfeu, wird eine andere Kategorie von wirthschastlich Schwachen ja Schuigcheren noch mehr belastet und geschwächt und der Löwenantheil an den Summen, die sich aus diesem Experiment ergeben, konimt schließlich noch an die hohen Beamten, bei denen eine Aufbesserung überflüssig ist. Zum guten Tl;eil kann man den Ursprung einer solchen befremdlichen Erscheinung in dem obwaltenden Steucrshstem suchen, das die öffentlichen Lasten in Form indirekter Stenern hauptsächlich ans die große Masse abwälzt. Hätten wir eine einzige progressive Einkommen- fteiier, welche die niederen Einkommen frei ließe, so würde sich die Sache ganz anders ansnehmen. Aber man sieht bei dieser Gelegenheit ganz deutlich, warum sich die herrschenden Klassen so hartnäckig gegen die alle demokratische Forderung einer einzigen pro - gressiven Einkommensteuer wehren. Hätten wir eine solche, dann würden die oberen Zehntausend sich mit Händen und Füßen gegen eine Gehaltsaufbesserung sträuben, denn sie selber hätten ja bann die Mittel dazu hauptsächlich auszubriugen, weil sie mit ihren hohen Ein - kommen stark zur Progressivsteiter herangezogen mären. So aber ist ihnen die Sache an und für sich nicht sehr bedeutend; sie können sogar im Parlament, wenn sie die Gehaltsaufbesserungen durch ihre Vertreter votiren laffeu, sich mit ihrem warmen Herzen für die Subaltcriibeamten brüsten, während die Arbeiter hauptsächlich die Kosten für bas Ganze zu tragen haben. Inbem man die hohen Beamtenstellen besser dotirt, bekommen die herrfcheiideu Klaffen zugleich eine auskömiulichere Versorgung für ihre Söhne oder glänzende Heirathspartien für ihre Töchter. Der Klaffeukarakter unserer Steuergesetzgebung tritt hier so scharf wie nur möglich hervor und die indirekte Besteuerung zeigt sich als eines der ersten Privilegien der herrschenden Klassen. Darum haben sie auch den Gedanken einer einzigen progressiven Einkommensteuer als „revolntiouär" und „umstürzlerisch" stets mit zorniger Geberde von sich gewiesen und ihre tvifseuschaftlichen Lohnarbeiter haben da« indirekte Steuersystem al« den Inbegriff steuerpolitischer Weisheit anpreiseu müffeu, auch wenn sie es selber nicht geglaubt haben. Obwohl die Forderung einer einzigen progressiven Einkommensteuer innerhalb des Rahmens der bürger - lichen Gesellschaft sehr wohl erfüllbar märe, so wird sie doch stets als „Utopie" behandelt. Wir sind der Ueber - zeugung, daß die herrschenden Klaffen lieber alle Re - ligionsbekenntnisse mit Paradies und Hölle, mit Engeln und Teufeln fahren ließen, als daS indirekte Besteuerungs - system, welches ihnen ermöglicht, den Hanplautheil an den öffentlichen Lasten auf die große Masse der Arbeiter «bzuleuken. Eo bezahlen die Arbeiter die Bayounette und Kanonen, mit denen ihre angebliche Begehrlichkeit im Zaum gehalten wird, und so bezahlen sie auch die höheren Lehranstalten, in denen die Söhne und Töchter der Privilegirten für ihre spätere Rolle in der Gesell - schaft ausgebildet werden. Die Reichen bezahlen zwar auch ihr Theil, aber gegenüber von dem, was der Lohn - arbeiter leisten muß, verhältnißinäßig sehr wenig, ver- schwindend wenig. Der Klasseustaat befindet sich aber bei alledem doch in einer üblen Lage. Er sucht Zufriedenheit zu schaffen und wird Unzufriedenheit erregen. Indem et die hohen Aeamtenstellen allzu reichlich dotirt, um den Ansprüchen feiner „Stützen" gerecht zu werden, erweckt er Unzu - friedenheit bei den ©nbalternbeamten, die bei der ganzen Staatsverwaltung am meisten in Anspruch genommen sind und doch die geringste Entlohnung haben. Und indem er die öffentlichen Lasten vermehrt, erregt er die Unzu- friedeuheit der Proletarier und der Kleinbürger, die nicht einsehen wollen, wenn auf ihre Kosten die Einkommen der hohen Büteaukratie erhöht werden. Den Subaltern- beamten gönnt mit Ausnahme einiger engherzigen Philister Jedermann eine Aufbesserung von Herzen. Man wirft uns immer vor, wir wollten nur Unzu - friedenheit erregen. Wie man sieht, haben wir das gar nicht nöthig; eS wird von Anderen hinlänglich besorgt. Von der WelWne. Die Agrar-Demagogie fährt fort, ihrem Zorn über die Ablehnung des Margari negefetzeS herzhaft Luft zu machen So erklärt die „Korrespondenz des Bundes der Laudwirthe": daß dem Bunde vom agitatorischen Gesichtspunkte aus nichts hätte erwünschter sein können, als diese Entscheidung des Bnudesrathes. Nur aus Friedensliebe hätte er dieser Fassung des Gesetzes zugestimmt. Den Landwirthen ge - nügte das Gesetz in der Fassung des Reichstages nämlich noch gar nicht; sie verlangten dringend auch den Phenol - pH t h a l e r n z u s a tz. Nach diesem bemerkeuswertheii Eingeständnisse ruft die Korrespondenz die schwungvollen Worte ans, deren Wirkung wir durch keinen Zusatz ab - schwächen wollen. „Ein Schrei der Entrüstung über diesen Beschluß des Bundesrathes wird die laudwirthschastlichen Kreise Deiltschlands dnrchzittern." Alsdann wird den beiden Ministern, auf die der Bund es besonders abgesehen hat, der Fehdehandschuh in's Gesicht geworfen: „Die Herren v. Bötticher und v. H a m wer- stein find wohl in erster Linie für diesen Beschluß ver. antwortlich zu machen; sie wollten ein Tänzchen mit unS wagen; nun gut, wir werden ihnen aus- spielen. Der Athem mag ihnen v ielleicht dabei ausgehen, aber sie haben es so gewollt. Die Landwirthfchaft ist nicht mehr gewillt zu gestatte«, daß man über ihre Wünsche in dieser Weise zur Tages - ordnung übergeht." Die Art und Weise, wie jetzt die jiinkerlich-agrari- sche Preffe für das Recht der Volksvertretung und gegen das Ablehiiungsrecht des Bundesrathes eifert, ist sehr interessant. Noch nicht lange ist es her, daß die prensjischen Konservativen in der Mißachtung der Wünsche und Beschlüsse der Volksvertretung Bravour- thaten und „ein patriotisches Verdienst der Regierung Sr. Majestät" und in der Ablehnung von Regierungs - vorlagen ober in der Wiederholung gewisser volksirennb- licher Beschlüffe des Reichstages das verpönte Streben nach parlamentarischer Herrschaft erblickten! Wollen doch die Konservativen noch nach ihrem Programm vom Jahre 1892 die Monarchie von Gottes Gnaden unangetastet wissen und jeden Versuch bekämpfen, die Monarchie zu Gnlisten eines parlamentarischen Regimentes zu be - schränken." Zutreffend wird in einer Berliner Korrespondenz der „Franks. Zig." bemerkt, daß das, was jetzt die agrarische Preffe gegen die Regierungen aus Anlaß der Ablehnung des 'Margarinegesetzes droht, im höchsten Grade unter den alten Begriff des Strebens nach parlameutarischeui Regiment fällt; es bedeutet, wie es früher hieß, einen Eingriff in die Kronrechte der verbündeten Fürsten, und es heißt die Regierung an die Wand drücken, bis sie quietscht. Das geschieht jetzt von Seiten der preußischen konservativen Partei, deren agrarische Führer bei Wahlen durch einen Ministerialralh agitatorisch unterstützt werden Der ganze erfreuliche Fortschritt, den die konstilulionelleu An. schauiingen der Konservativen erfahren haben, seitdem sie agrarisch geworden find und sich auf die Dema - gogie gelegt haben, tritt bei dieser Gelegenheit wieder einmal zu Tage. Dieselben Männer, die jetzt mit den Regierungen der hohen Bundessürsten wegen Ablehnung eines Reichstagsbeschlusses furchtbar in's Gericht gehen, waren noch in der letzten Zeit der Bis- marck'scheu Aera zu jeder Beschränkung der Rechte der Bolksvertretnug stets bereit: sie haben die Legislatur- Perioden verlängern Helsen, sich für zweijährige Büdgels und demeulsprecheud für nur zweijährige Berufung des Reichstages, für Einschränkung der Redefreiheit und für Abschaffung des Wahlrechts begeistert, ans welchem der Reichstag hervorgeht, vor dessen Mehrheitsbeschlüssen sie jetzt drohend Resvekt fordern. Das ist ein Fortschritt, den man sich gefallen lassen kann; er enthält eine Aner - kennung der Rechte der Volksvertretung, auch wen» die Konservativen rückfällig ihnen unbequeme Mehrheits - beschlüsse noch nach altem Muster als parlamentarische Anmaßung behandeln. So weit sind sic doch schon, daß sie Verminderung der Rechte des Reichstages nicht mehr wünschen und daß sie ihnen, wenn sie von anderer Seite kommen sollten, mit Rücksicht auf ihre Anhänger im Lande nicht mehr zustimmcn können. Durchaus im (Seifte des Freiherr« t>. Stumm äußert sich das Berliner Organ dieses „Scharfmachers", die „Post", zn der unbegründeten Nachricht, daß die Sozialdemokraten des Kreises Wcsihavellaud für die be- vorstehende Reichstag-ersatzwahl den Privatdozeulen Dr. Arons anfftellen wollen. DaS edle Blatt deS edlen Ordnnngspolitikers schreibt: „Man stelle sich, die Wahl bei Dr. Arons voraus- gesetzh vor, daß derselbe alS Mitglied der sozialdemo- kratlschen Fraktion bei dem Hoch auf Se. Mas. den Kaiser entweder detnonstraliv den Sitzungssaal verlassen oder demonstrativ sitzen bleiben würde! Und daS Alles als wohlbestallter Lehrer an der königlichen Universität in Berlin! Wie sehr solche Zustände verwirrend wirken und wie sehr sie der Propaganda der Sozialdemokratie nützen und der Sammlung bet staat-erhallendcu Elemente Hindernisse bereiten, liegt auf der Hand. Werden die naturgemäß nur nach der Oberfläche urtheilenden weiten Kreise, wenn man sie zur energischen Ab - wehr gegen die Sozialdemokratie aufforbert, nicht sagen, daß die Sache unmöglich so schlimm fein kann, wenn einer der geistigen Leiter der Sozialdemokratie an der königlichen Üniberfilät alS Lehrer wirken darf? Ganz abgesehen davon, daß eS mit bet Würde nnb dem Ansehen eine» Staates und feiner Regierung ganz unvereinbar ist, ein Mitglied einer Von beut Staats - oberhaupt als „valerlandslose Rotte" gekennzeichneten GeflNschast in dem Lehrkörper einer staatlichen Hochschule zu dulden; die Scknväche, welche die Ilnterrichtsverwaltnug bisher in dieser Sache bewiesen hat, scheint die Sozial- demokraten zur Provokation bei selben ermutbigt zu haben, welche in der AufsteNnug des Dr. Aron? als Kaubidaten für die Ersatzwahl in Brandenburg liegt. Man wird erwarten dürfen. daß die Unlerrichtsverwaltung jetzt endlich den Handschuh aiifnimnit und wenn sie sich zum Einschreiten für ermächtigt erachtet, von ihren Disziplinar- befuguiffen energisch Gebrauch macht oder aber so rasch als möglich die g e s e tz l i ch e O r d n u n g derTis- zipliuarverhältnisfederPrivatdozeuteu herbeisührt." Kritik an dieser hetzerischen Erbärmlichkeit zu Oben, ist wohl überflüssig. Es würde ja zu diesem Sommer etwas fehlen, wenn nicht ein neuer publizistischer stcldzug gegen deu Umsturz sich abspielte nnb sich dann int Herbst, die Zeit der Ministerkrisen, auch wieder bis zur Forderung eines Umstnrzgesetzes zuspitzte. Der Sieg der freisiunigen Bolkspartei im ReichSlagsmahlkreise Löwenberg wird von den Blättern dieser Richtung als ein solcher über die agrarische Demagogie gefeiert. Die Berliner „Volks-Zeitung" läßt sich dahin ans : „Im Kreise Löwenberg wurde die Probe auf das Exempel der jüngsten Gesetzgebung, wie Margarinegesetz, Verbot des Detailreiseus und die anderen Handel und Verkehr hemmenden Gesetze und Maßnahmen gemacht. Und die Probe bewies, daß die Unzufriedenheit im Lande steigt, indem selbst altkonservative Kreise zur Opposition übergehen. Bauern und Kleinbürger sind es endlich fast, den großen Herre» Vorspanudieuste zu leisten, sich nnb ihr Wahlrecht zu Souderzwecken mißbrauchen zu (affen, die Allgemeinheit zu schädigen, damit die Junker, Zucker- barone und all die Leute, denen die „Klinke der Gesetz - gebung" zugänglich ist, ein sorgenfreies Dasein führen und bei möglichst wenig Arbeit möglichst große Ein- nahmen erzielen. DaS ist die Moral von der Geschichte, die Lehre, die anS dem Wahlergebniß zu ziehen wäre.“ Herr Vogts, der Vorsitzende des Vereins „Berliner Kaufleute und Industrieller", wurde seinerzeit als Sach - verständiger bei den Berathungen der Kommission für Arbeiterstatistik mit hiuzugezogen, weil er der konse- queti teste Gegner jeglichen Arbeilerschutzes fein sollte. Für seine Gegnerschaft wußte'er außer allgemeinen Redensarten nur einen Grund gegen den frühzeitigen Ladenschluß vorznbriugeu, nämlich den. daß durch den frühen Ladenschluß Gasanstalten und Elektrizitätsgesell- schäfte» einen Ausfall in ihren Einnahmen haben mürben. Er hätte noch Aerzte und Apotheken hinzufügen können, beim auch diese würden geschädigt, wenn die Gesundheit der Arbeiter höher geschätzt würde als eingebildete Profile. Bei der Kommission hatte Herr Vogts kein Gluck mit seinen „Gründen". Aber Herr Vogts ist ein guter Organisator und da, wo Gründe fehlen, muß die Macht entscheiden. Er wandle sich zunächst an Stumms Garde und diese mußte im preußischen Landtag seine Argumente Vorträgen. Dann mußten die Ausbeuter Lärm schlagen. In Versammlnugeu, städtischen Kollegien, Handelskammern und anderen Körperschaften von Kapita - listen mußte die Vogts'sche Rcsolnlion angenommen werden. Jetzt lesen wir in nationalliberalen Blättern: „Eine Regierungsvorlage über den Achtuhrlabenschluß auf Grund der bezüglichen Vorschläge der Kommission für Arbeilerstatistik ist sicher nicht "zu erwarten. Gegen- über der anteiligen Opposition, die sich gegen eine solche Maßnahme erhob und ihre Spitze in der bekannten Er - klärung des Aeltesle».Kollegiums der Berliner Kaufmann- schaft fand, hüll man im Reichsaint des Innern wie überhaupt in der Neichsregieriiug diese Vorlage von vornherein für ein tobtgcboreues Kind. Ob freilich nicht doch eine Vorlage kommt, die einen gleichzeitigen Schluß der Ladengeschäfte, wenn auch für eine spätere Abend - stunde, etwa um 9 Uhr, fordert, ist nicht gesagt. Jeden- falls aber ist auch hier die Schablouisirungsära zum Stillstand gekommen." Also hat die Regierung, welche vor dem Ansturm der Bäcker nur einige Schritte zurückwich, jetzt vor der Bogts'scheu Garde kapitulirt. Tie im Haudelsgewerbe bestehenden Mißstände sind amtlich seslgestellt. Wenn Angesichts dieser Thatsache nichts geschieht, so ist das die amtliche Erklärung der O h n m a ch t der Regierung gegenüber dem Kapitalismus. Und da sprichr man von starken Regierungen, wenn man in der nöthigen Fest- stimmnng ist. Die Fabrikinspektio» in Preußen giebt in ihren Jahresberichten an, daß die Zahl der in den Aussichts- bezirken des Königreichs beschäftigten Arbeiterinnen über 16 Jahre sich gegen daS Jahr 1894 ver- mehrt hat, und zwar von 287 824 auf 302 628, also um 14 804 oder um etwa 5 pZt. Von der Zunahme ent - fielen 5695 auf Arbeiterinnen von 16 bis 21 Jahren nnb 9109 ans Arbeiterinnen über 21 Jahre. Den bei Weitem größten Theil, und zwar 135 253 Arbeiterinnen beschäftigte die Textilindustrie, 46 189 die Nahrungs- und Genußmittelindustrie, 29 995 die Bekleidmtgs- und Reinignngsindustrie, 20945 die Papier- und Leder - industrie, 19 556 die Industrie der Steine und Erden und 14 994 die Metallverarbeitung. Auch die Zahl der jugendlichen Arbeiter von 14 bis 16 Jahren hat jugenomnten, und zwar von 104 886 im Jahre 1894 auf 110 975, also um 6089 ober etwa 6 pZt. Von der Differenz entfielen auf die männlichen jugendlichen Arbeiter 3476, ans die weiblichen 2613. Bon den männlichen jugendlichen Arbeitern beschäftigte die Metallverarbeitmig 19,8 pZt, die Industrie der Steine und Erden 14,6 pZt., die Textilindustrie 13,8 pZt. und die Maschinen- und Werkzengiudnstrie 13,7 pZt.; von den weiblichen die Textilindustrie 41,5 pZt., die Nahrungs- und Gennßmilteliudustrie -15,9 pZt. und die Gruppe der Bekleidung und Reinigung 10,5 pZt. Die Zahl der in den Fabriken beschäftigten Kinder, die natürlich in Folge der GewerbeorbnuiigSnovelle vom 1 Juni 1891 fast völlig zusammen geschmolzen war, ist weiter zurückgegangen, nämlich von 827 auf 802 Allerdings entfiel der Rückgang lediglich auf die Kinder männlichen Geschlechts, beten Zahl sich um 58 ver - mindert Hal ; die der ivechlichen ist um 33 gestiegen Die Textilindustrie beschäftigte noch 242, die Nahrungs- und Genußmiltelindnstiie 130 und die Industrie der Steine und Erden 129 Kinder. Die Klage»» über unwürdige Behandlung von Arbeiterinnen haben nach dem Bericht des Berliner GewerberatHS in feinem Jnfpektious- bezirke eher zu- als abge it 0 m m en und wurden im Lause deS JahreS mehrfach in Arbeiterverfamuilungen und in der Preffe laut. Auch den Gewerbe- a u f f i 4 t« b e a in t e n find derartige Mit - theilungen geworden. Leider kann beut Uebel nicht wirksam entgegengetreten werden, so lange nicht die von Arbeitgebern ober ihren Beamten gegen Arbeite - rinnen verübten unsittlichen Attentate von AmtSwegen strafrechtlich verfolgbar sind. Denn daß Arbeiterinnen selbst ben Strafantrag stellen, geschieht äußerst feiten, da sie durch Schamgefühl davon zurückgehalten werben, ihre unverschuldete Schmach vor den Gerichten zu bezeugen. In einer Versammlung der Buchbinder wurde mitgetheilt, daß ein Fabrikant eine jugendliche Arbeiterin in ihrer weiblichen Ehre beleidigt habe. Die eingeleitelett Er - mittlungen ergaben, daß die Angehörigen des Mädchens zwar einen Strafantrag gestellt, aber vor Beendigung des Verfahrens wieder zurückgezogen halten. Zur Geschichte der Gctreidcpreise vei öffenUicht der Sekretär der hiesigen Handelskammer, Dr. Soetbeer, In dem Junihesl bet Conrad'schen Jahrbücher einige interessante Mittheilungen. Man sieht wie bie Um - wälzung auf dem Gebiet beS Verkehrswesens jenen Still- stand in dem Steigen bet »runbrente herbeigeführt hat, aus Welchem die Junker die Berechtigung znm lauten Schreien herleiten. Nach diesen Mittheilungen kostete die Dampffchiffbeförderung von New-Uork nach Liverpool im Durchschnitt der Jahre 1873 bis 1875 die Tonne *. 30,68, dagegen 1891 bis 1895 nur M-. 7,90; in einer fast graben Linie sinkt bet Taris von 10,5 c bas Bufhel im Jahre 1873 auf 1,8 c im Jahre 1894. Die Fracht von N e w < U 0 r k nach Hamburg sank von 31 17,20 im Jahre 1889 auf M. 8,15 int Jahre 1895. Bou der Erzeugnngsstätte sodann, znm Beispiel von Chicago bis New-Pork, kostete bie Be - förderung auf der Wasserstraße im Durchschnitt der Jahre 1873 bis 1875 M. 55,44, dagegen in den Jahren 1891 bis 1894 nur M. 18,03, bei Beförderung auf der Eisenbahn M 74,83 bejw. M. 29,97. Demnach Halle 1875 die Tonne Weizen, die in Hamburg unverzollt damals JK, 244 galt, eine Fracht von M. 104,05, 2 Jahrzehnte später eine solche von nur JH. 38 zu tragen. Nun muß man noch dazu bie sehr beträchtliche Eisenbahnsracht ans dem Innern der Vereinigten Slaateu und für die Beförderung in das deutsche Binnenland in Rechnung nehmen; anch sie ist in den letzten zwei Jahrzehiilen ganz wtsentlich herab, gegangen, von dem far west zum Beispiel »ach Chicago um nicht weniger als 50 Prozent. Diese verschieden - artigen Ersparnißposten reichen allein aus, um daS An- drängen des atnerikanischen Wettbewerbs und bett neueren Stand des Weizeupreifes (1891 bis 1894 bnrchffchmttlich M>. 152 unverzollt) zu erklären. Wie im Weste», so ist auch im Osten für die Delt-Getreidelieseranteu, z. B. für Südrußland, die Fracht gefallen. Von Odessa nach Hamburg betrug noch 1883 die Fracht für die Tonne .#416,57, 1895 nur X. 10,04. Bou der unteren Donau (Rumänien) bis nach Hamburg kostete 1870 der Versand .♦1.37, 1895 noch nicht ein Drittel davon, nämlich 11 Ter türkische Roggen halte von Kupruln bis znm deutschen Hasen einschließlich Eisenbahnsracht 1875 Ml 66,89, 1895 nur Ä 42,33 für die Beförderung zu tragen. — Bon besonderem Interesse ist bie Gestehungs- rechnung für den Bezug indischen Weizens. Die knappen Daten hierüber sind um so dankeuStverther, als das entlegene Indien de» Tummelplatz für die phan- tastsschen Ausstellungen der Silberfreunde bildet. Nach dec milgetheillen Tabelle kostete z. B. im Durchschnitt der Jahre 1872 bis 1875 eine Tonne Weizen in Cawn- Pore rund 57 Rupien, die bei dem damaligen Wechsel- stande von 23 d in Gold M,. 109 galten. Diese Tonne Weizen hatte an Frachtkosten beinahe ebenso viel zu tragen al8 der Ankaufspreis betrug, nämlich runb X. 91. Verkauft wurde sie in London zu K 241. Dem Zwischen - händler verblieb also an Gewinn saft die Hälfte von dem, was bet ursprüngliche Aickansswerth betrug Anders heute. Der Weizen ist im Innern Indiens, entsprechend dem anmutigen Sinken des SilbenvertheS, nachweisbar gestiegen; fein Preis betrug 1891 71 Rupien, im Durch, schnitt der Jahre 1886 bis 1890 aber 61,50 Rnpien ober in Gold ningerechuet A 105 bezw. M. 90. Die Frachtkosten betrugen 1886 bis 1890 durchschnittlich 29,50, daS heißt nur noch ein Drittel deS iirfprüng- tichen Aukaufspreifes, und der Gewinn des Zwischen - händlers uur ,*L 25 (1891 nur M. 6), obgleich man, nach dem damaligen Rupienknrs, bei dem Ankaufspreise von 1872 im Betrage von rund Ml 109 an sich ein Aufgeld von nur 6 bis 7, bei dem von 1890 dagegen mit X» 90 ein solches von runb * 30 hätte gewinnen sollen. Der Verkaufspreis in London stand aber 1890 auf X 144 oder nur nm * 10 niedriger, als diese Serringcrung der Fracht- und Zwischeuhandelskosten darstellt. Die Bi- metallisten klammern sich an bie Behauptung, baß nicht der Fortschritt in den überseeischen Erzenguugs- und An- liefeiungSbcbingiingeii, sonder» lediglich der Währmigs- unlerschied ben Druck auf den Gclreidemarkt verursache. Bei der Seefracht nun läßt sich genau verfolgen, wie ihr Rückgang nüinälig in den Selbstkosten der überseeischen Lielernugen, sowie in dem eurotmische» Verkaufspreise ihren Ausdruck gesunde» und ih» um 20 bis 30 pZt. herabgedrückt hat; bezüglich der Eisenbahnen ist bekannt, daß allein mit ihrer Hülfe die Erschließung des Binnen - landes in den Bereinigten Staaten, Argentinien, Ru - mänien u. f. w. eine Verdoppelung der dortigen Weizen- Anbauflächen und damit der Anliesentngen, sowie deS Angebots zu billigeren Preisen dnrchgesühit werben konnte. Soll den Agrariern geholfen werden, dann dürste die Z e r st ö r u n g bet $ifen bahnen in den Ge- treibe produziienden Ländern und die Bernichtung d e r D a m p s s ch i s s e als Radikalmittel zu empfehlen sein Das, was jeber vernünftige Mensch als großen Kulturfoitschritt preist, wird von den Agrariern als Quelle olles Uebels verschrieen. „Tic soziakdeinokratische Behailptnng von der großen Arbeitslosigkeit wird durch die Jahres - berichte der RegicrungS- und Gewerberälhc in Preußen widerleg t." — So zu lesen in bürgerlichen Blättern. Es werden einige diesbezügliche Auslassungen der Gc- werbeiäthe zilirt So schreibt der Gewerberath für den Regierungsbezirk Schleswig : .Tie Beendigung der Kanal - arbeiten am Nord-Ostfeekanal ließ die Befürchtung einer großen Arbeitslosigkeit in den betreffenden Gegenden wach werden. Das ist aber nicht der Fall gewesen." Der dem Gewerberath in Schleswig unterstellte Gewerbe- inspektor in Neumünster schreibt: „Die Arbeitslosigkeit ist in blefein Jahrc nicht stärker als sonst hervorgetreten. Die am Nord-Ostseekanal be- schäftigten Arbeiter stammen größtentheilS aus anderen Provinzen und sind mit Beendigung der Arbeit in ihre Hcimalh znrückgekehrt, so daß mit verhältnißmäßig wenig fremde Arbeiter zurüRckieben. Ein großer Theil der Arbeitslosen hat auch in Kiel bei den umfangreichen Ar - beiten für die Ausstellung der Provinz Schleswig-Holstein Verwendung gefunden. „Arbeitslosigkeit hat sich unter ben industriellen Arbeitern im Winter 1895/96 etwas weniger als sonst gezeigt. DaS Weitere Aufblühen der Lederindustrie, die nachlaffeude GeschäflSflauheit in der Zement-, Textil- iinb Eisenindustrie bewirkten theilweise eine Mehrein- stellung von Arbeitskräften; und die im Herbst vielfach eintretenden Verkürzungen der Arbeitszeit, "Betriebs« einschränkungen und Entlassungen zeigten sich seltener. . Arbeitslosigkeit tritt in größerem Umfange nur in der Nähe von Hamburg auf und umfaßt hauptsächlich die von Hamburg abgcstoßenen Arbeitslosen, für die Ham- burg-Altoua der gemeinsame Arbeitsmarkt ist." Der „Hannoversche Courier" ist über dieses „Licht - bild" hoch erfreut und meint: „Die sozialdemokratischen Klagen über ArbeilSlosig- leit sind eben eitle Flunkerei gewesen. Sie gehöre» zu dem üblichen Repertoire der Agitatoren, ohne daS sie bei ben Massen nicht glauben anSkommen zu können." Will daS nationaltiberale Blatt etwa auch bie a m t- liche Statistik der „Flunkerei" zeihen? Nach den Ergebniffen der V 0 lk S z ä h l n n g vom 2. Dezember 1895 waren an diesem Tage hier in Hamburg 18 288 Arbeitslose vorhanden. Wenn in der Provinz Schleswig-Holstein sich die Arbeitslosigkeit Weniger fühlbar gemacht hat, so liegt daS an dem Umstande, daß für die Arbeitsuchenden in dieser Provinz Hamburg- Altona der große Anziehnngspnnkt ist UebrigeiiS möchten wir wiffen, wie denn die Gewerberäthe ben Umfang der Arbeitslosigkeit mit einiger Sicherheit fest- zustellen im Stande fein sollte» I Sie können das nicht; Anfrage» In den Fabriken liefern ihnen nicht das dazu nöthige Material, zumal sie ja nur den kleinsten Theil der Betriebe zu lufpiziren vermögen. Worauf also stützen sich ihre Behauplnngeii über den Umfang der Arbeitslosigkeit ? Auf M » t h m - ß n n g e n, bie dem Wunsche entspringen, etwas Angenehmes be - rieten zu können. Hub daran» folgert dann die bürger- liche Preffe, die Sozialdemokratie „flunkere", daß die Arbeitslosigkeit eine starke fei. Zu solcher Folgerung gehört ebenso viel Unwissenheit wie Unver - frorenheit. Mil chauvinistische« Glossen wendet sich daS hiesige BiSmarck-Organ gegen bie Entschließung bet Rcichsregierung, die Einladung zu der französischen Weltausstellung von 19 00 anzunehmen. Es wird bemerkt, daß man nicht wiffen könne, waS bil zur Jahrhunderiswende geschehe; auch sei die politische Lage nicht so verändert, um Deutschlands Theilnahme an der Ausstellung als selbstverständlich erscheinen zu lassen; ein z u hohe» Maß von Wohlwollen den Franzosen gegenüber sei mehr schädlich als nützlich, und wenn unsere Diplomatie ihr Geschäft einigermaßen verstehe, so werde eS ihr nicht schwer fallen, Frankreich stets „in Schach zu halten, anch ohne daß man sich mit den Franzosen tiefer cinläfjt, al« mit der Klug - heit und der Würde deS Deutschen Reich» vereinbar i st". Ebenso dumm wie erbärmlich! Nochmals Duell und Chrenrath. Der Düssel- dorser Ehreiigerichls-Nffäre, die durch das Inserat der beiden verabschiedcleu Osfiziere in die Oeffenllichkeit ge - bracht wurde, liegt nach einer Darstcllm z der „Kölnischen Zeitung" folgender Vorfall zu Grunde: Bor einiger Zeit ereignete sich in einer spiritistischen Versammlung der Umstand, daß eine absichtliche Störung der Veranstaltung vorkam, obwohl alle Erschienene» ihr Ehrenwort abgegeben hatten, bie Sache durchaus ernst zu behandetn. Der Thäterschaft wurde einer der An - wesenden beschuldigt, der sich dagegen Wehrte und ver - schiedene Forderuiigeu erließ Einer der von ihm Gefoiderteu erklärte, daß er die Forderung nicht aiinehnre, weil der Andere fein Ehrenwort gebrochen habe, woraus der Letztere ihn thätlich insultirte. Hierfür hat der betreffende Herr, ein G e r i ch t S r e f e r e n d a r, bet mittlerweile von Düsseldorf verschwunden ist, eine Geldstrafe von Ml 10 erhallen; über ben Bruch de» Ehrenwortes iällle daS Gericht keinen Spruch. Unter ben Geforderten befanden sich ein Rittmeister a. D. und ein Preinierlientenant der Landwehr a. D. Dieferhalb halte sich der Eh re »rath zunächst mit der Sache zu besassen, der den Herausforderer als fatiSfaktionS» fähig erklärte. Die beiden genannten Herren lehnten gleichwohl die Annahme dcr Forderung ab, und so fand nochmals unter Aufbietung bei ganze» Apparat« eine mehrere Tage dauernde Sitzung des EhreuratheS statt, deren Ergebniß nunmehr bekannt Wird, und zwar durch die davon Betroffenen selber." Das Ergebniß war bekanntlich, daß der Ehrenrath daS Duell — forderte, zur Begehung eine« Berbrechens drängte l Ueber „Tugendbolde deS Zentrums" unter - hält der ReichStagSabgevrduete Dr. Sigi in feinem „Baier. Vaterland", der kürzlich im Reichstage bei Be - rathung übet die Zivilehe von» Abg. Gröber etwas scharf ungefaßt wurde, seine Leser mit einer Korrespondenz aus der Schweiz: „Es wäre Herr» Gröber besser angestandeu, statt alten, von blindgläubiger, gehässiger Seile ihm ein» geflüsterten Weibertratsch auszutischeu, sich in Er - innerung zu rufen, wie er Im Jahre 1895 alle seine Jutisteiikniffe zu Hülfe nehmen und sich in RechtSgut- achten und Instruktionen die Finger wundschreiben mußte, um einen wegen Sittlichkeit» vergehen flüchtigen g e i stl i ch e u F r e u n d F. K. — der in Württeniberg als 3 e n 11 u m 8 b a m m e r galt — vor der vom Justiz- minister verlangten Auslieferung zu reiten und ihm die sichet drohende fünfjährige Gefäuguibstrafe zu er - sparen. Alle Schweizer Blätter Waren voll von dieser skandalösen Geschichte und viele Wochen laug zogen sich die Verhandlungen mit dem schweizerischen BnudeSralhe und Gerichte hin; die öffentliche Meinung verlangte die Auslieferung des Verhafteten, der Vierwaldstätteifee, an dessen Ufer sich dieser Skandal abfpielte, verhüllte vor Scham sein sonst so heiteres Antlitz — und nur mit äußerster Noth, wegen einer formalistischen Spitzfindigkeit, konnte der Intimus GröberS der drohenden Auslieferung entgehen, womit aber die Zenlrumstugend keineswegs falvirt war. Ende der siebziger Jahre nistete ein w ü r 11 e m b e r g i f ch e r Adeliger, ein ge - waltiger Zentrumsmann und regelmäßiger Besucher des Vatikans bei hohen Festen — mit seiner Maitresse, die er vor dem Polizeiamte alS feine zur Linken angetraute Frau ansgab, am gleichen See herum. Sie war aber nichts al« eine arme, aber bild - schöne Handwerkerstochter, die mit ihrem auS diesem „Zuvielverhältnifse" entsprvffeneu Kinde und ihrem Bruder - brr zu knappen Zeiten bisweilen mit dem Fanstrecht von ihr Geld zu erpressen suchte — von diesem cdlen Tngendheldeii und Lebemann zu seinem „noblen Vergnügen" unterhalten Würbe, bis wenigstens für hier bie Polizei burch Ausweisung ber Dulcinea zur Linken bem Skandal ein Ende machte. Noble ZentrumS» Passionen, erhabene Ansichten von der Ehe — Was ? I* Der „gesittete Toit“. Die „National - Zeitung" schreibt in Bezug auf die in letzter Zeit in der Zentrums- presse dem Fürsten BiSmarck gewidmeten scharfen Artikel Folgendes: „Fürst BiSmarck hat unseres WiffenS niemals weder ans Nachsicht noch Schonung seitens der klerikalen Presse Anspruch gemacht; es ist anch von Niemandem dafür plädirt worden. Beanspruchen durfte man aber, daß sich die klerikale Preffe, wenn sie unbegründete Angriffe macht, sich eines gesitteten Toner befleißigt." Es ist allerdings nicht unsere Ausgabe, die Sache deS Zentrums zu führen. Jedoch können wir nicht umhin, zu erklären, daß bie AiistanbS • Rempelei der „National-Zeitnug" mindestens eine arge Albernheit ist. Denn kein Politiker hat jemals mehr als Fürst BiSmarck das Beispiel frivolster Ruppigkeit feinen Gegnern gegenüber gegeben. Er hat im Kampfe mit ihnen bie niedrigsten und gehässigsten Be - schimpfungen nicht gescheut und wesentlich mit dazu beigelragen, baß in ber „nationalen* Presse und in ben .gutgesinnten* p«käme>1 torischen Kreisen der „gesittete Ton" im Kampf mit dem politischen Gegner außer Acht gelassen wird. Die „Nat -Ztg." thäte gut, ihre Mahnung nach Friedrichsruh zu richten. Dci» Verfall deS AutiseinitiSmuS »inlerzieht die „Köln. VolkS-Ztg." einer Betrachtung. AIS Ursache bei Verfalles werden angegeben: MangelanEinigkeit, Mangel antüchtigenFührern und zu große programmatische Einseitigkeit „Der Anti. seniitiSmuS ist ein Gericht, daS nicht fortwährend servlrt werden kann; immer Rebhuhn schmeck! nicht. DieOeffent- lichkeit beschäftigt sich auch noch mit anderen Dingen; bie Politik hat noch mehr Probleme al# bie Jndensrage.* Ueber die Vorkämpfer der Partei wird gesagt: .Sie haben nicht einen einzigen Politiker und Parlamentarier ersten Range# anfznweifen. Unter feinen Parteigenossen ist freilich Herr v. Liebermann König wie der Einäugige unter den Blinden — aber was ist Herr v. L i e b e i m a n 11 ? Als BolkSrebner nicht übel, kann er als Parlamentarier anderen Parteiführern doch da# Wasser nicht reichen. Dazu steht er in feiner eigenen Fraktion wegen feiner krypto-konfervaliv-reaktionären Ge- stammn ziemlich ifolirt da — so viel Mühe er sich auch nenerbing# giebt, ben .OpvositionSnianu" herauSzukehren. Ten „Radau" bei beui Bürgerlichen Gesetzbuch hat er doch nur auf einen Wink an# ber Nähe von Hamburg gemacht nnb ganz sicher keine Ehre bnmlt eingelegt.