206. 10. Ialmwng. LamvurgerEcho. -i—— —, 'm- ' > »w ■■ ■ n i— Da» „Mainburger Echo" erschkint täglich, außer Montag». Der AbonncincntSprciS (inkl. „Die Nene Welt") beträgt: durch die Post bezogen —ITT i r ■ ■ »j (Nr. de« Pvst» katalogS 3041) ohne Bringegeld vierteljährlich 4,20; durch die Kolportäre wöchcntl. 3Vfrei in'« Hau». Einzelne Nummer 6 zii- SonntagsMummcr mit illustr. Sonntag-rBeilage „Die Neue Welt" 10 /tj. Verantwortlicher Redaklör: Gustav Steugcle in Hamburg. Donnerstag, den 3. September 1896. «»zeigen werden die jechsgelpallene Petitzeile oder deren Raum mit 80 >4, für den «rbeitSmarkt, Ber» miethuug». und jsamilicuauzrlgrn mit 20 4 berechnet. ÄAjrigeu Annahme in der Ezpediüon (biS 6 Uhr Abd-.), sowie in jämuitl Annoncen-Büreaus. Redaktion und Ezpedition: Grohe Lheaterstrahe 44 in Hamburg. Lie Wachskerze. Wenn'» mit der im „Reichsauzeigcr" verheißenen Militär st rafprozeß-Resor m nur nicht geht, wie milsder Wachskerze des lkapilänSI Bei fürchterlichem SecstiilM gelobte der Kapitän in der Stunde höchster Gefahr der Mutter Gotte» eine Wachskerze so groß wie ein M a st b a u m, wenn sie ihm zu Hülfe komme und Rettung bringe. Die Mutter Gottes war guädig, der Sturm legte sich und da» Schiff landete mit unbe - deutender Havarie in der Heimath. Auf dem Wege nach seiner Wohnung kam der Kapitän am Schaufenster eines Lichtziehers vorbei und ersah sich eine meterlange Kerze zur Erfüllung seines Gelöbnisse». Als e» aber an die Ausführung ging, war ihm auch die noch zu groß und die Mutter GotteS bekam — ein Drei, p s e ii >1 i g k e rz ch e n. Die Vertraueusdnselmeier, vor Allem die National- liberalen, sind natürlich von der im .Reichsauzeiger" versprochenen Wachskerze, Pardon Mililärstrafprozeß- resorm, vollauf befriedigt, sogar entzückt, wo nicht ver- zückt wie der naive „Schwäbische Merkur", der, bevor die Erklärung im „Neichsanzeiger" erschien, betrübt und niedergeschlagen und mauderig war wie eine Katze, der mau die Jungen genommen, — nicht etwa wegen der Militärstrasprozeßresorm selber, Gott behüte! diese Sorte Politiker ließe auch darüber mit sich reden und die Reform ad Calendas Graecas, zu deutsch aus den St. Nimmer- leiustag verschieben, sondern weil diese» tapferen Mannes- seeleu schon das kleinste Konftiklchen mit der Krone und dem Militarismus Herzbeklemmung und Bauchgrimmen verursacht. Jetzt hängt ihr Himmel wieder voll Geigen, in lyrischer Verzückung sehen sie „den Spuk der Wal- purgisuacht vor dem Schimmer de» ausgehenden Mai- morgen» zerrinnen". Andere Leute, auch in bürgerlichen Kreisen, urtheilen ullchtiruer und denken: „Die Bolschast hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Sogar in militärischen Kreisen Süddeutschlauds steht man der Heilsbotschast mit pessimistischem Skeptizismus gegenüber. Eine Zu - schrift ans O s f i z i e r s k r e i j e n an den Stuttgarter „Beobachter", die sich nach der Angabe dieses Blattes bis letzt stets als gut unterrichtet gezeigt hat, versichert, daß ein den moderucu Rechtsanschauungen enlsprechender Entwurf überhaupt gar nicht existirt und führt weiter aus: Die gewundenen Erklärungen des Reichskanzlers und die nicht minder künstlichen Eiertänze des ver- slosjeneu preußischen Kriegsmiuisters hätten eben lediglich den Zweck gehabt, den Reichstag für die öeiuiOigung der vierten Bataillone in günstige Etim- inung zu versetze», da man doch mit ganz leeren Händen selbst au diesen bewilliguiigsfrohen Reichstag nicht mit neuen Forderungen herautrelen konnte. Was ober im Herbst a n den Bn udesrath end- lich gelangen soll, versichert der EewährSmaii» aus Ossizierskreiseii weiter, sei ei» a l t e r S ch m ö k e r, nämlich ein schon vor Jahren au» ge- arbeiteter Entwurf, der von modernen Rechtsgrundsätzen nahezu chemisch rein sei. Von Ständigkeit und Selbstständigkeit der Gerichte, von voller Oeffentlichkeit des Verfahrens sei gar keine, von Mündlichkeit desselben kaum eine Spur in dem Ent - wurf, dagegen enthalte derselbe noch das famose Institut des die Untersuchung führenden Offiziers, der ohne Zu - ziehung eines Auditörs die Voruntersuchung leitet, und dann mit ein paar Kameraden zusammen Freiheitsstrafen bis zu sechs Wochen verhängt. Der Eiitivurs konser- vire ferner de» „Gerichtsherrn", der als Laie dem Juristen in die Untersuchung hineiusprechen kaun, ebenso das Bestätigungs- und Kassiruiigsrecht für die gefällten Urtheile. Der Entwurf stände also hiernach »och unter dem bisher in Württemberg geltenden Recht, und noch viel weiter bliebe er hinter dem baierischeu Mililärstraf- gesetz zurück. Die vorbehaltenen „militärischen Besonderheiten" sind vermöge ihrer Elastizität und Expansionsfähigkeit ganz dazu angethan, die Zugcständuisie an die modernen Rechtsanschauungen aus ein Minimum einschrumpsen zu lassen. Die Auffassung ist nicht abznweisen, daß eine wirklich zeitgemäße Reform überhaupt nicht im Plane der leitenden Kreise liegt und man genug gethan zu haben glaubt, wenn man durch die Vorlage jenes alten Entwurfs ein Bischen guten Willen zeigt. Lehnt der Reichstag diese soi-disant Reform ab, dann wälzt die offiziöse Preffe die Verantwortung dafür, daß nichts zu Staude kommt, aus die Volksvertretung und Alles bleibt beim Alten, waS ja im Wunsche der dem Militärkabinet am nächsten stehenden Partei liegt. So lange aber die Sache im Reichstag schwebt, geht der große Flottenplan über die Szene und die Adniiralski» de» Zentrums können die byzantinischen Bücklinge nach Potsdam, die in Dortmund aus dem Katholikentag unterthänlgst exekutirt wurden, in Thaten umsetzen und die National- liberalen an bewilliguiigSlustiger Loyalität und Patrio- tismn» auSstechen. So lauge der Reich-tag keine geschloffene Majorität hat, die ebenso stramm und schneidig wie der Militari». m»S auftritt und so lange daS Büdget der Kriegsmini - steriums und MilitSrkabinets verweigert, zum Mmdesten aber jede Mehrforderuiig sür Militär und Marine be> Harrlich streicht, bi» eine durchaus zeitgemäße Militär- strasprozeßresorm unter Dach und Fach gebracht ist, inso- lange werden wir eine solche nicht haben. Eine gute Wirkung hat übrigen» die Publikation int „Reichsauzeiger" immerhin gehabt, auch wenn die während deS PreßsturmeS gelobte Wachskerze auf ein Dreierkerzchen ciuschrnmpft: sie hat verschiedenen Leuten wenigstens Kourage gemacht, ihre Ansicht aus dem verschwiegeuen Busen an die Oeffentlich- feit treten zn lassen und zu Gunsten einer zeit - gemäßen Reform daS Wort zu ergreifen. So ist soeben eine Aussehen erregende Schrift eines Ulmer JustizratHS und Auditörs über die Reform des Militär- strafverfahrens erschienen, die sich entschieden für Münd - lichkeit und Oeffentlichkeit, sowie für Trennung der An - klage und Vertheidigung ausspricht. Auch der Reich», gerichtsrath Otlo Mittelstädt tritt im letzten Heft der „Zukunft" mit Nachdruck für die Oeffentlichkeit ein, in- dein er freilich gleichzeitig den Beweis liefert, daß diese Oeffentlichkeit gar nicht so gefährlich sei, weil sie aus Umwegen leicht zu Illusion gemacht werden könne. Lorl Dtr WcllWne. Die Wnhlbcwegnng in Mainz - Oppenheim hat ihren Anfang genommen. In der Stadthalle sand am Montag Abend eine von 3500 Personen besuchte, von der sozialdemokratischen Partei cinbernseiie Volks. Versammlung statt. Zunächst crflaiiele der Abgeordnete Ulrich als Vertreter her Stadt Mainz im hessischen Landtag Bericht über die Thätigkeit der sozialdemo - kratischen Abgeordneten tu der Zweiten Kammer, während der Reichetagsabgeordnete M. 0 i k.'» b u h r - Hamburg übet die Thätigkeit der Sozialisten im Reichstage referirfe. Der Kandidat für die bevorstehende Reichstagswahl. Redaklör Dr. David, hielt feine Kandidatenrede, die mit vielem Beifall ausgenommen wurde Schließlich wurden Redaklör Dr. David und Schrütsetzer Haas als Kaudidaten für die bevorstehende Wahl zum hessischen Landtag proklamirt. Für die uächsteii Tage bereits sind weitere Ver- sanimluugen int Kreise vorgesehen, in denen Dr. David sich den Wählern vorstellcn ivird. Der Wahlkampf wird mit altbewährter Thatkraft und Siegesznvcrsicht geführt werden. Wie fteht'S mit der ZeutrnniSpartci in Mainz? Mit dieser Frage beschäftigt sich die ultra- montane „Köln. Volks-Ztg.". Sie klagt, daß sich inner - halb der tzeuiru llspartei für die demnächstige Reichstags- wähl noch nichts rühre, während die Sozial - demokratie bereits eine lebhafte Thätigkeit entfalte. „Das ist" — fährt daS Blatt fort — „eine it n • erfreuliche Nachricht, welche zu wenig angenehmen Betrachtungen anregt. Bon bett vorwiegend katholischeti Großstädte» des Deutschen Reiches fiitb München und Mainz bifjenigen, auf welche die Zentrumspartei als solche mit der geringsten Besriedignng Hinblicken kann. Beide waren während mehrerer Legislaturperiode» durch hervorragende Mitglieder der Zenirtimspartei vertrete» ii»d sind heute in sozialdemoktatischetn Besitz. Wett» die Zeitlrumspartei — übrigens mit vollstem Recht (I?) — daraus hinweist, daß sie auch die großen Städte gegen de» sozialdemokratischen Ansturm zu halte» verstehe, während die Großstädte mit überwiegend protestantischer Bevölkerung nahezu ausnahmslos der Sozialdemokratie anheimgesallen sind, so mache» die Gegner in bet Regel eine Haiidbewegiing nach München und Mainz hin, welche beiden Städte allerdings unliebsame Ausnahmen bilden Soll das so bleiben? „Die Verhältnisse des Wahlkreises Mainz-Oppenheim sind s ch w i e r i g , schon weil derselbe einen sehr starken Prozentsatz Prottstantischer Bevölkerung hat. Aber der Wahlkreis ist doch thatsächlich in bett Händen des Zeit- trums geweseti. Und Überhaupt hat Mainz in der katholischen Bewegung eine sehr ehrenvolle Vergangenheit gehabt Wir brauchen nur an die Namen Kelteler, Heinrich, Moufang, Haffner zu erinnern, die so lange glänzende Mittelpunkte der General-Versammlungen der deutschen Katholiken gebildet haben und von denen in Wort und Schrift so viel fruchtbare Anregung ausge- gangen ist. Auch sonst hat es in Mainz an hervor - ragenden katholischen Persönlichkeiten nicht gefehlt, welche weit über den Rahmen ber Stadt hinaus vortrefflich gewirkt haben. „Ebenso unverkennbar aber ist, daß dieZentrunirpartei feil einigen Jahren in Mainz In starkem Rückgänge sich befindet und eine Stellung »ach bet anderen verloren hat. Nicht nur hat sie die erste Stelle nicht behauptet, sie ist sogar auf die dritte zurückgedrängt worden Die Gründe für diesen Rückgang wollen wir heule Angesichts der Wahl nicht im Einzelnen untersuchen; so viel ist aber gewiß, wo eine Partei derart von der Höhe herab- gestiegen ist wie die Mainzer ZentriimSpartei, da kann sie selbst nicht ohne alle Schuld fein. „Wen» wir die Verhältniffe richtig beurtheilen, so laborirt die Mainzer Bevölkerung an einet gewiße» Hinneigung ju einem verschwommenen Radikali-miis, dessen Pflege oder doch lchonende Behandliitig in letzter Linie der Sozialdemokratie zu Gute foinnten mußte und zu Gute gekommen ist Schon unter der Herrschaft des Sozialistengesetzes fühlte sich die Soziatbeniokratte in Mainz derart, daß sie gradezu ferrodftifd)' anftrnt Wenigsten» erinnern wir itu» einer Reichstag».SPoblkampagne, in welcher die Sozialdemo - kraten — bttfetben Leute, welche über Beeiutiächtigung der bürgerlichey,-Freiheit durch das gegen sie gerichtete AuStiahmegefetz kkrgtett — die Wählerversatnmlungeti der Zeittriimspartei sprengten, so daß nur eine einzige solche Versammlung zu Stande kam, in welcher zahlreiche Kensdarmen mit ansgepflanzsem Bayonnelt die Ver- sammlungssreiheit gegen die Sozialdemokratie schützen mußten." (Das ist eine Unwahrheit. Allerdings sind Bersatnntlnng»<„Sprengtntgen" vorgekotnmen, aber lebig, lich i» Folge der Unterdrückung der Rede- sretheit durch itltramoulaue Versammlungsleiter. Und Thatsache ist, daß de» Ocfleren unsere Ge» noffeii von den Ultramotitaue» insultirt worden sind. Red. b. „Echo ") Das Blatt meint schließlich: „Es wäre an der Zeit, daß Alle, welche guten Willens fiitb, sich zusammen- schließe», um bas verlorene Terräii wieder zu erobern und bei ber bevoistehenbeu Wahl ein Ergebniß zu erzielen, ivelches sich sehe» lassen kann. Dazu bedarf es aber rechtzeitiger, umsichtiger, tüchtiger Arbeit, bei der nantentlich auch dem Mainzer Preß. Organ ber Zeittrumspartei eine wichtige Aufgabe znfallt. „Wenn je, so erscheint doch der gegenwärtige Augenblick „günstig"." Glaubt die „Köln. Bolks-Ztg." wirklich selbst an die „Gunst" des Augenblicks? Kanu sie hoffen, daß von jetzt bis zur Wahl es dein Ultranioutani8iuu8 möglich jein wird, be8 sogenannten „verschwommenen Radikalismus" Herr zu werden? Die Lcissiakcit der bür'* rlidtcii Parteien im Wahlkreise Mainz beklagt auch die „Boff. Ztg." und meint, diese Haltung müsse immer mehr befremde». Sie benietfl weiter: „Sicher hätte» die deutsche uiib frei- sinnige Volkspartei, sofern sie verbündet rechtzeitig in den Wahlkampf eiiigcheteii wäre», einen Erfolg zu er - warten gehabt, aber nun sind 0 i c Aussichten gering. Man hat noch nicht einmal einen Kaiidibateii zu finden vermocht; freilich trifft dies nicht nur auf die beide» genannten Parteien zu, sondern auch auf die Nationalliberalen und die einst so mächtigen Ultramontaiieii." Die Verschiebung der VernfSstände im Deutschen Reiche. Die Hauptergebnisse ber Berufs- zählung vom 14 Jvni 1895 werden tu ihrer Bedeutung erst erkannt, wenn man sie mit denen ber Zählung von 1882 vergleicht, bet letztvorhergehenbe» Nachstehende kleine Tabelle, in der mir nur die drei Hauptgruppen der Erwerbrihäligen berücksichtigen, gewährt hier einen Einblick. Gesammt-BeiusSbevölkeruug Landwirthschaft Industrie Handel 1882 45 222 113 19 225 455 16 058 080 4 531 080 1895 51 770 284 18 501 307 20 253 241 5966845 Trotz der Bevölkerungsznuahme von 6j Diilliotien ist die Ziffer der landwirthschaftlichen Bevölkerung um I Millionen gesunken, wobei noch zu beachten ist, daß im Vorjahre bet Zählkreis für sie weiter gezogen war als 1882 Um mehr al» 4 Millionen ist die Judustrie- b e v ö l k e t » it g angewachfett, jetzt die stätksteEr. werbSgruppe im Reiche. Auch der Handel hat eine Zunahme von 1 400 000 Personen aufznweife». Diese Verschiebungen in der wirthschastlichen und soziale» Struktur des Volkskötpers, die innerhalb der kurzen Spanne Zeit von 13 Jahren vor sich gingen, sind seht bedeutungsvoll. Ein Gefühl deS Neide», so meint die „Köln. Ztg.", könne die übrigen Erwerbsgrnppen beschleichen, weint sie aus der Denkschrift des Laiibwirlhjchafts. miinsters erfahren, wie sehr sich die Regierung der Land- wirthschaft annimmt. Da» rheinische Organ der Groß- industrielle» erklärt: „Schon au« dieser bloßen Auszählung Ist zu ersehen, wie Unrecht Diejenigen haben, die fortwährend darüber jammern, daß nicht» für die Lanbwirthschaft geschehe. Wenn Angehörige anderer Berufskiaffen die Denk - schrift de» landwirthschaftlichen Ministerinms lesen, werden sie vielleicht mit einem Gefühl de» Neide» auf die Landwirthe sehen, deren man sich in so kräftiger Weise annimmt, selbst bann, wenn e» manchmal auf Kosten anderer Bevölkerung»klassen geschieht. Nnr die Landwirthe vom Schlage der Plötz werden nicht aufhören, zu schreien, und zwar da» Gebotene annebmen, immer aber auf ihrer alten Forderung der „großen Mittel" bestehen bleiben, die sie al» A g i t a l i 0 n « m I t t e l nicht entbehren können." Das ist dnrchan» zutreffend und auch die Voraussage am Schluß, ber auch wir schon Ausdruck gaben, hat sich bereits erfüllt. Die agrarische „Deutsche Tagelztg " giebt ihrer Meinung über die Denkschrift dahin kund: „Mehr als einmal haben wir Gelegenheit genommen, besondere Maßregeln znm Schatze der Landwitthschaft mit geziemenden. Danke zu begrüßen. In eine H h m n e de» Danke» und Preise» au»zu- brechen, liegt aber jetzt, wenige Wochen nach der Ablehnung deS MargorinegesetzeS, daS auch nur ein „kleine» Mittel" wat, keine Veranlassung vor. E« wird sich ja mehrsach Gelegenheit bieten, die einzelnen Ausführungen der Denkschrift unter die Lupe zu nehmen. Für heute mögen folgende Bemerkungen genügen: Ueberau» werthvoll ist uns da» offizielle Zugeständniß, daß in früherer Zeit bitweisen die Interessen bet Landwirthschaft vernachlässigt worben sind Als wir Aehnliche» sagten, hat man itn» bet Demagogen- ihunis bezichtigt. Jetzt wiederholt die amtliche „Berl. Korr." dasselbe, wa» 11118 damals zniu Vorwurf ge - macht wurde. Da» ist ei» erfreuliches Zeichen wachsender Einsicht; und wir hoffen, daß der Tag nicht mehr allzu fern fern werde, wo die Einsicht sich in Thate», b. h in wirklich helfende Thaten umsetzt Denn, wenn e» richtig ist, daß die Landwitthschaft früher vernachlässigt worden ist, so hat sie jetzt ein unzweisel- hafte» Recht auf besondere Rücksicht. ... Es liegt uns vollkommen fern, über die Thätigkeit des Landwirthschaft»- jiitiiifleriutu» und feiuen guten Wille» abznsptccheu. Wenn man aber da» Geschehene über seinen thatsächlichen Werth hiuau» steigert, so verliert es an Werth und wird minder gewürdigt Das hätten die Bersasser der Denkschrift etwa» mehr berücksichtigen können . . . Da» System der kleine» Mittel, daS seiner Zeit unter dem Vorsitze deS Kaiser» der Staatsrath erwog und empfahl, weist noch bedenkliche Lücken auf. So lauge diese Lücken nicht ausgefüllt sind, so lange wenigstens nicht ein verheißungsvoller Anfang damit gemacht ist, so lange »och Forderungen, die weder gegen die Handels- Verträge noch gegen andere berechtigte Interessen verstoße», kurzerhand abgelehnt werden, so lange nochGejetzentwüisen, die von der gesammten Landwirthschast gefordert werden, die Zustimmung versagt wird, darf man den Landwirthen nicht übelnehmen, wenn sie au der vollkommene» Würdigung ihrer JntereNen zweifeln." Ja, wenn man dem Teufel bni kleine» Finger giebt, will er die ganze Haub Betreffs der (Näiiseeiufuhr uuS Rußland erklärt die „Nordd. Allg Ztg." die Meldung für un - richtig, daß bereit» ein Gutachten der Veteriiiärkoinmission vorliege, die betreffende Komiuission habe sich nur dar - über änßern sollen, ob der Ansteckungsftoff der Geflügel- cholera durch Ihierärztliche Untersuchung der die Grenze passireudeu Gänse, eveulueN durch Eiurichttiiig von Qnaraittäneanstalten fern gehalten werden könne. Da» Gutachten, welche« sich mich darüber an»lassen soll, wie lange die Quarantäne eventuell zu dauern hätte, sind noch nicht eiugegangen, und Entschließungen sind noch nicht eiugelroffeit. Nuö der Stadt der „teilten Bernmift". Der in Königsberg zwischen der Bürgerschaft und beut Militär, itttb Verwaltungsbehörden au«, gebrochene Streit zieht weitere Kreise. Die Behörden l)nben einen Verbündeten bekommen. Die Korps und Burschenschasten, die Sans-, Pauk- und Radau- Fachvereine ber studentischen Jünglinge, haben sich dem Boykott gegen den Börsengortcu abgeschlossen Was hat dieses Studenienthtim auch noch mit dem B ü t g e r • t h u m zu thun ? Seine höchste und heiligste Idee ist das Referveosfiziersthum. Solche Menschlein spielen v e r u fl n f t i g e 11 Bürgern keinen Schabernack, tueitn sie deren gesellige» Kreise» fern bleiben. Man sieht sie lieber auf de» Rücke», als in’8 Gesicht. Um ihr lvercinSrecht kätiipseit müsse» die Arbeiter allüberall in bett deutschen „Rechtsstaaten". Nicht zuin Weiiigsteii auch in Baiern. Am 20 Februar b. I., zu der Zeit, als ber konfektions- a r b e it e r st r e i k das öffentliche Jnlereffe beschäftigte, wurde in Nürnberg eine von sozialdemokratischer Seite einberufene össen11iche S ch n e i d e r - B e r s a mm - I u 11 g abgehalten, die vorschriftsmäßig nngemelbet und polizeilich überwacht war. Bor Eintritt tu die Tages - ordnung verlangte der Polizeibeamte vom Vorsitzenden, daß die anwesenden Frauen und Minder ¬ jährigen ausgewiesen würden, und beharrt« bei diesem Verlange», obgleich ihn der Vorsitzende er - suchte, wenigsten« bei dem ersten Gegenstände der Tage», orbuuitg , „Der Stand de« Konsektionsarbeiterftreiks", beten Anwesenheit al« Interessenten nicht zu beonstandeu. Die Angelegenheit wurde dann ans dem Beschwerde- wege weiter verfolgt; und jetzt liegt die vom 31 Juli tmlirte Entschließung des Min, fterinm» de« Innern vor. Sie besagt, daß bei Erössuung der Versammlung noch kein zwingender Anlaß vorgelegen habe, die Entfernung der Frauen unb Miuderjähtlaen zu ver- X langen. Die Tagesorbiiunz sei so gefaßt gewesen, daß die Erörterung sich in den durch § 152 der Gewerbeordnung bezeichneten Schranken halten konnte. Es hätte genügt und mit Rücksicht auf die damalige Lohnbewegung „ent- sprachen", wenn der Polizeibeamte erklärt hätte, die Ein- Idinug strafrechtlicher Verfolgung auf Grund de« boierl- schen Vereinsgefetze» müsse in Erwägnng gezogen werden, roemt unter Ueber jdjrcttung der in § 152 G -O. ge - logenen Schranken da« „Gebiet der öffentlichen Angelegen- heilen" betreten wctde. Für die Auffassung de« Polizei» beamten, daß eine sozialdemokratische Parieiversammlnng beabsichtigt war, hätten allerdings schon vor Beginn der Versammlung bedeutsame, wenn auch keine ausreichenden Gründe geltend gemacht werden können Al« einen solchen „bedeutsamen Grnnd" hebt die Entschließung die Form der Anmeldung der Versammlung hervor. Eie stellt sich damit auf den bemerken«wcrthen Stand, punkt, daß, wenn Jeniand vorsichtshalber mehr thut, al« da» Gesetz bem Buchstaben nach verlangt, er trotzdem derjenigen möglichst strengen Handhabung und Auslegung des Gesetze» unterliegt, welche feine Handlung, nicht seine Absicht zuläßt. Unser Nürnberger Parteiorgan zieht au« der Ent - scheidung die sehr zutreffende Nutzanwendung: daß man niemals über b le unerläßlichen Anforde - rungen de« Gesetze« hinausgehen dürfe. Die deittsche BolkSvnrtct hält laut Bekannt, machnng de» engeren Ausschusses ihren diesjährigen Parteitag am 11. und 12 Oktober in Ulm ab. Die tagr8orbnnug weist u. A. folgende Punkte ans: „Die neue Marinepolitik und ihre Gefahren." Referent: ReichriagSabgeordneter Galler. „Die Ver - sicherung gegen A r b e i I » I 0 s i g k e i t aus kom - munaler Grundlage." Reserenk: Herr Leopold Sönne - rn a n n. Der Zutritt zum Parteitage ist nur Mitglicdkrn der Partei gestaltet. Mit „Snthrrzorn" droht die naHonallibcrale „Badische Landeszeiiung" dem Zentrum, weil das - selbe „das ganze deutsche Volk tu einen traurigen Zu- stand politischer Zerriffenheit und Schwäche versetzt hat". Das sann nicht länger so gehen; e« „muß ander« werden" ; der „Lntherzorn" soll über'« Zentrum kommen. Die „Bad. Lanbeszlg." läßt sich vernchnien: „Mas die Protestanten um des lieben Frieden« willen sich in ben letzten Jahren von dem Uebermnth der Zentrnnisprcffe gefallen ließen, da« ist kaum zu sagen Endlich, wenn alle Nachgiebigkeit nicht« nützt, iv ; rb in auch hier einmal die Geduld zu Ende gehen und mau sich daran erinnern, wie Luther sich gegen An - griffe zii verhallen pflegte, unb welche Ansicht er von ben Leisetretern hatte. Es gährt schon lange in diesen Kreisen, und gewiffe Vnrkommniffe ber letzten Zeit, die wie eine Belohniing für die den Protestanten zngefügten kiätikungen anssahen, werden noch lange nachwirken " Die iillramontane Preffe macht sich über diese Drohung luftig. Daß Minister Verbreche» anpreisen, ist eine ganz neue Erscheinung Es war dem französischen Mi-iisterpräsidenlen M 611 u e Vorbehalten, der Welt diese Ueberrafchnug zu bereitet:. In einer Unterredung mit einem Mitarbester de» monarchistischen „GanlolS" äußerte er seine Freude über die neulichen Knüttelthaten In Nord- srankreich. Er nennt daS „Harle Schlappen, die der EvzialiSmni erlitten Hot". Die feigen Ueberfäfle der von Unteriiehiner - Agenten aufgestachelte» Banden sind ihm Akte der „Eigenwehr de» «olle«, da» gegen die kollektivistischen Umtriebe die starke» patriotischen Ueber« Uefernngtn kräftig hachh ckt . ." Mit unfreiwilligem Humor deutet er ferner die blutigen Vorgänge als ein günstige» Zeichen für die Fortdauer feine« Ministeriums, ivelches daraus hinarbeite, dem Lande „Ctbuuiig und Frieden" zu sichern. — So allbekannt MslineS Be - schränktheit ist, derartige Rensiirungeu hätte ihm doch Niemand zngetrant. So spricht kein lltegierungShanpt eine» zivstistrten Staate», sondern höchstens ein ftiupel- loser Bandenführer der südamerlkanilchen Putsch - Repu - bliken. Unser Liller Parleiblatt „Rsveil du Nord" be» richt.t, die Knüttelheldeii von Mohagnie» hätten sich mit der ihnen -»gesagten Straflosigkeit gebrüstet. Nun habe» sie mehr al» das: die Verherrlichung ihrer Thate» durch ben Miuisteipiäsidenten unb die Aufmunterung zur weiteren „Konsolidirung" de« Ministerium« vermittel« de« Knüttels. Der tückische Zufall fügt e«, daß gleichzeitig mit der Mvlfite'fchen Verherrlichung von Kriminallhaten da« Pariser Zuchlpolizeigericht den Verantwortlichen b c S Anarchistenblatter „SibertaUt" zu 1 Jahr Gefängniß nebst 500 Frank« Buße ver. urtheilte, unb baS grabe wegen „Verherrlichung von Sine tojttr der JJtiiliflcr. Roma» in zwei Bände» von Hjalmar Hjorth Boyefen. Aiitorifirte Ueberfetzttug aus dem Englischen von Auguste Scheibe. (Nachdruck verboten.) (11. Fortsetzung.) Solche Folgerungen sind freilich nie ganz sicher, beuii wir erinnern un« an eine Menge von Fällen, in welchen junge Damen aus ihnen selbst unbekannten Gründe» ant Abende einen Bewerber abwiese», den sie am anderen Morgen genommen hätten, ober im Gegen, tljiil, daß sie ben Antrag eine« Mannes ammhmeu, den sie eigentlich abweisen wollten. Vilma hatte sich indessen wähtetid de« kurzen Spazierganges dmch die Gewächs. Häuser klar gemacht, daß Welliitgsord ber einzige Ma»» ihrer Bekanntschaft war, dessen Karakter und Erscheinung ihr ganz zujagten, und anscheinend in Bewunderung versunken stehen bleibend, nm einen riesenhaften, flammen- äüngigen Kaktus zu betrachte», faßte sie beu Entschluß, bte »>'t Wicklung der Sache auf seine Weise zu beschleunigen Sie suhlte sich den Umftäitbcn so überlegen, wie sich tbiten jebe )d)öne grau überlegen fühlt. Das Leben lag wie ei» Siegeszug vor ihr und sie hätte sich »icht vor- ,r oei"t> etwas im Stande sein sollte, hren Willen aus die Dauer durchkreuze». Um so ® u ? be e ® '*} r ' ihren Unwille» zu beineifier» unb z» verbergen, al« sie in biesem wichtige» Augen, bluke einen ihrer Anbeter — einen Mr. Timpso», der seine neue Kocht „Alma" getauft hatte — herbeikommen fab. Et» knabenhaftes Entzücken leuchtete, als der iniige Mann ihrer ansichtig wurde, in seinen Augen au,, unb Alma war nahe daran, ihre Anziehungskraft zu verwunschen. 0 8 ' ~. ichdas verstehen ?" rief Timpson. „Hatten Sie sich absichtlich vor mir versteckt, ober hat mich Harry Wellingford etwa durch Hexerei ganz uiib gar aus Ihrer Erinnerung verwischt?" „So ist'«, Dan," entgegnete Harold lachend. „Ich spielte die Kalypso — Miß Hampton sog den Zauber-1 trank meiner Stimme ein — tiefes Vergessen umfing sie, I und selbst der ivvhlkliugeude Name Timpson entschwand ihreni Gedächtnisse." „Ich habe es ja immer gesagt, daß Wellingford ein gefährlicher Karakter ist," sagte Tiinvfo» mit schalkhaftem Ernste, „und Sie erinnern sich, Miß Hampton daß ich gewissermaßen für ihn verantwortlich bin, denn ich war es, der ih» vorstellte, als er dainalS in Newport Ihr Boot in so Piratenhafter Weise enterte." „Ich spreche Sie von aller Verantwortlichkeit in dieser Sache los, Mr. Timpson," gab Alma zur Ant- wort, indem sie seitwärts an ihrer Schleppe hiuabsah. „Sie wisse», ich verkehre gern mit gefährlichen Menschen. Das Einzige, was ich an einem Manne nicht auShalten kann, obgleich ich es bei Frauen verzeihe, ist harmlose Mittelmäßigkeit." Dabei nahm sie TimpsonS Arm, um mit ihm in ben Tanzsaal zuriickznkehren. Aber auf halbem Wege brehte sie sich um. „Mr. Wellingford, Sie habe» mir meine Tauzkarte nicht wiebergegeben," sagte sie. „Verzeihen Sie nur noch einen Augenblick, ich möchte nur meine Ehiffre au bie Stelle de« Namens Ihres Bruders schreiben, beim ich ertrage eine Ber- iiachlässigung nicht so leicht unb ergebung-voll wie Timpson." Damit kritzelte et etwa« auf die Karte und händigte sie bann Alina ein. „Ist das Ihr Name, Mr. Welliiigforb?" fragte Alma mit plötzlichen, Enöthen unb einem broheubeti Aufblitzen ihrer schivaezen Augen. „Es ist mein symbolisches Zeichen — mein Totem, wie es die Indianer nennen " Timpson warf einen neugierigen Blick auf die Karte, welche eben hinter dem Fächer verschinand, und ah, daß Wellingford ein von einem Pfeil durchbohrie- Herz darauf gezeichnet hatte. • • e Gegen zwei Uhr Morgens hatte Wellingford das Glück, Alma nach ihrem Wogen zu geleiten. Walther, welcher einen Moment zurückgeblieben war, um sich eine Zigarre aiizuzüiide», hielt Harold, al« er an ihm vor- »bergiiig, zwei Finger hin. hüllte sich bann in feinen langen englischen Ueberzieber und nahni an ber Seite seiner Schweller Pla». „Wirst Du Dich auch gewiß nicht erkälten, lieber Walther?" sagte Alma, sich mit spöttischer Aeagstlichkeit ju ihm beugend. „Willst Tu nicht lieber noch einen von meinen Shawl» mnnehmen?" „Nein, danke, liebe« Kind," gab er, ohne die Ironie zu bemerken, zur Antwort. „Ich fühle mich sehr be- haglich." „Ich auch. Ick Hobe e« so besonders gern, wenn in einem geschloffenen Wagen geraucht wirb." „Freut mich, zu hören (paff), daß Dein Geschmack mit dem meinigen (paff) so ganz übereinftinunt." Harold kam in einer Art von Verzückung nach Hause. Die Musik lag ihm noch in ben Ohren, die Taiizbewegung dröhnte »och durch seine Nerven unb et empfand das in- stinktive Verlange», irgend etwas Erstaunliches, Ungeheuer- liches zu thu». Aber in einer Dachstube ist um drei Uhr Morgen- die Gelegenheit zu solchen Dingen unglaublich beschränkt, unb so zündete er, da er nichts Besseres vorzunehmen wußte, feine lange deutsche Pfeife an unb füllte den Raum mit dicken Rauchwolken. Dabe schritt er unruhig im Zimmer auf und ab, grif in ber Zerstreuung bald nach einem geschnitzten Papiermesser, halb nach einem bronzenen Leuchter ober nach irgenb einem anderen Gegenstände, der ihm grabe zur Haub lag, starrte diese Dinge an, al« hätte er sie nie zuvor gesehen, und legte sie wieder weg, als begreife er nicht, wozu sie eigentlich bestimmt feien unb welchen Zwecken sie dienten. Er vermochte weder zu Bett zu gehen noch still zu sitze», und obwohl er im Grunde nicht da« geringste Positive zu sagen gewußt hätte, empfand er das brennende Verlangen, sich Jemand nnjueertrauen. Wäre fein Vater in erreichbarer Nähe gewesen, er würde ihn selbst zu dieser ungewöhnliche» Stunde ausgesucht haben. Aber do dies nicht anging und der Telegraph sich nicht für zärtliche Oeftänbiiiffe eignet, so wählte Harold die einzige mögliche Form der Mittheilung, daS heißt, er fetzte sich nieder unb schrieb einen Briet an feinen Vater. Hier bürste beim die Zeit gekommen sein, einige Mittheilungen übet diese» Vater im Besonderen unb die Familie Wellingford im Allgemeinen einzuflechteu. Ein Welliiigforb zu sein, war an und für sich eine Auszeichnung, welche kein Glied der Familie so leicht außer Acht ließ Die Wellingford«, alle blond und schreiend, wie sie seinen weibliche» Verwandten erschienen. Von Natur Feinschmecker und Lebemann, saud er keine» Gefallen am Faste» und an Kasteiungen. Er war ein gewiegter Keimet von Wein, Zigarren und schöngeistiger Literatur, aber Kürbispastete, Bostoner Grobbrot und 1 andere gute Dinge, für welche jeder Bürger Neuengland« sich fchicklicherweise zu begeistern hat, sagten seinem Ge- schmacke nur wenig zu Dagegen fanden starkriechender ausländischer käse, Kaviar, Gänselebirpastete» und ähnliche auSberFtemde stauiutendeDelikaleffenfeinen Beifall. Trotz alledem hatte er — zur äußersten Verwunderung aller feinet Verwandte», bie so etwas nicht für möglich ge. halten, feine Examina an bet Universität mit Auszeichnung bestände». Dann hatte er zwei Jahre in Europa ver- bracht unb sogar ben Orient bereift, allerdings, wie Manche behaupte» wolltcii, nur zu dem Zwecke, um zu erproben, wo e» im Auslaube die feinsten Weine, bie beste» Zigarren, sowie die auserlesenste Küche gäbe, unb unbestritten hatte er in dieser Beziehung auf seiner Reise bie umiufieuuftcii Kenntnisse unb Erfahrungen gesammelt. Nach seiner Heimkehr hatte Hugh Wellingsorb die Stellung eine» Pioseffor« der Geologie an der Universität angenommen, bie seine ahna mater gewesen, und nach - dem er im Lause ber Zeit dreißig Jahre alt geworben, war auch für ihn, wie für die Mehrzahl ber Männer, ber Augenblick gekommen, ernstlich an seine Ver- heirathimg zu denken. Er fing nach unb nach an, die Ehe al« eine Art moralischer Verpflichtung zu betrachten, und kaum war diese Stimmung bekannt ge - worden, al« alle Tanten unb verheirathtten Freundinnen, die sämnitlich überzeugt waren, baß er einen vorzüg- litten Ehemann abgeben würde, sich bemühten, ihm die glänzendsten Partien vorznfchlagen. Mochte e« nun aber fein, daß diese eifrigen Fienndlnuen weniger daraus achtete», ob in ben vorgeschlagenen jungen Damen auch bie besten Ehefrauen verpuppt tagen, ober war Hugh mir zu bequem, sich der Dahl nnb der nothwendig damit verbundene» Werbung zu unterziehen, genug, er hatte wohl ein liebenswürdige« Lächeln für die Mühe, die man sich um seinetwillen gab, rührte aber weder Hand noch Faß, um die Angelegenheit iu (Mang zu bringen, unb sie schritt um kein Haar breit vorwärts (Fortsetzung folgt.) blauäugig, waren ohne Ausnahme stndirte unb gelehrte Leute, Richter ober Geistliche, gewesen, und würden, wen» sie in ihren dunklen Talaren, vom sechszehnten Jahrhundert bis auf unsere Tage, in einer Reihe ausge - wogen wären, eine sehr stattliche Prozession gebildet haben. Der erste Bruch mit diesen Ueberlieferungen ber streng puritanischen Familie fanb unsere« Wissen« zu Anfang dieses Jahrhundert« statt und wuibe durch den Richler Jeremias Welliitgsord herbeigeführt, welcher, wie man sich zuflüsterte, ketzerische Bücher la«, in Bezug auf die Dreieinigkeit gottlose Zweifel hegte unb feinen ältesten Sohn, anstatt Gideon — wie sein eigener Vater unb ein halbes Dlitzenb von feinen Vorfahren geheißen hatte — Hugh Welliiigforb taufen ließ. Die unverheiratheten Tanten, welche in gewissen Abständen wie unfruchtbare Zweige am Stammbaume der Familie Wellingford er - schienen, kreuzten unb segneten sich ob solche» lästerlichen Beginnen« unb würden ohne allen Zweisei Jeremias verstoßen unb verleugnet haben, wenn er nicht da« Haupt der Familie unb als solche« Gegenstand hoher Verehrung gewesen wäre — ober sie beruhigten sich doch erst dann einigermaßen, al« eS ihnen gelungen war, in den Faniillenarchlveii ein frühere« Beispiel ähnlicher Art aufznstöbem, wodurch der Fall be« abtrünnigen Jeremias an Schrecklichkeit etwa« verlor. Möglicherweise übte der Umstanb, daß Hugh Welling - ford gewiffermaßen als bie Verkörperung diese» Bruche« mit geheiligten Familienüberlleserungen gelten konnte, einen bestimmenden Einfluß auf feine Entwicklung au«. Wenigstens gab ec, als er heranwuch«, feinen Tanten vielfache Gelegenheit, in der Familiengeschichte »ach ent» schnldtgeiide» Erklärungen für allerlei Seitensprünge und Ausschreitungen zu suchen, und wäre er nicht gar so hübsch und liebenswürdig, nicht so ganz und gar gemacht gewesen, sich von unverheiratheten Tanten verziehen unb verhätscheln zu lassen, sie würden ihn aufgegebeu und in sein Verderben haben laufen lassen. Wie die Dinge lagen, begnügten sie sich damit, die Rolle des Thore« in den griechischen Tragödien zu spielen, indem sie von Zeit zu Zeit Ihr: „Wehe, wehe I" riefen und sich in an- gemeinen Betrachtungen über ben Helden und seine I. Thaten ergingen. Von sulcht-puritanischem Skandpunkte betrachiet, I waren Hughs Missethaten vielleicht gar nicht so Himmel»!