!12 10. Jahrgang. LamdurgerEcha Donnerstag, den 10. Septemver 1896 A «zeige» werden die lechSgelpaltene Petitzeile oder deren Raum mit 30 4, für den ArbcitöUlarN, Der» micthuugS- und ^amtlicnanzrigcn mit 20 berechnet. Anzetgeu-Aniiahme in der Erpeditivn (bi« 6 »ihr SlddS.r, Iowik i» lämmtl. «Iinoncen-Büreaur. Redaktion und Expedition: («roste Theaterstraste 44 in Hamburg. Ta« „Hamburger Echo" erscheint täglich, außer Montag«. Ler SlbouucmeutöpreiS (infl. „Die Neue Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. des Post- tiilafog« 3041) ohne Bringcgeld vierteljährlich .* ••) 1.4,20; durch die Kolportöre wöchcutl. 36/^ srci in'S Hau«. Einzelne Nummer 6 ziä- Sonntags-Nummer mit illustr. Sonntags-Beilage „Tic Neue Welt" 10 /4- Verantwortlicher Redaktor: R. Stcuzel in Hamburg. Hierzu eine Beilage. Der fltne Thom Münzer. Wenn zur Zeit der deutsche Arbeiter nicht belästigt sein will, so muß er den zahlreichen „Freunden" aus dem Wege gehen, die an allen Ecken und Enden auf. tauchen und mit dem Geschrei, sie wollten ihm „helfen", hinter ihm her rennen. Alle sind „sozial" geworden. Da kommen Christlich - Soziale, Katholisch - Soziale, Evattgelisch-Soziale und Sozialreformer. In Jünglings- und Gesellenvereiiien, sowie in Hirsch-Duncker'schen Ge - werkvereinen will man die allein richtige Sozialpolitik betreiben; Ultramontaiie, Nationalliberale, Konservative und Freisinnige sind alle lautere und uneigennützige „Acbeiterfrcunde" geworden und sogar die schwäbische Bolkspartei will, was Sozialpolitik betrifft, an der Spitze der Zivilisation marschiren. Die Arbeiter stehen, soweit sie zum Klassenbewußtsein erwacht sind, allen diesen „sozialpolitischen" Schattirungen mit begreislichem Mißtrauen gegenüber, denn sie wissen recht wohl, daß alle diese „sozialen" Gewächse erst wie Pilze in die Hohe geschossen sind, seitdem die Sozial - demokratie eine Macht geworden ist. Daraus erkennen die Arbeiter auch ganz leicht, was man mit ihnen vor- hat; sie sollen auf den Boden der bürgerlichen Welt, anschauung zurückgesührt werden. Die Soziaidemokralie braucht diese „Konkurrenz" nicht zu fürchten, ja nicht einmal als solche zn betrachten, Ohnehin sind es meistens Offiziere und Trommler ohne Soldaten, die da mit vielem Lärm einhermarschircn. Die große Arbeiterbewegung, deren Kern die So - zialdemokratieist, wird von den klafienbewußten Arbeitern gebildet. Dementsprechend hat auch die Sozialdemo - kratie immer verkündigt, daß sich das Proletariat seine Freiheit s e l b st erobern müsse, d. h. im Kampfe gegen die herrschenden Klassen und nicht etwa in Verbindung mit denselben, lvobei diese ihm nur zubilligen, was ihnen paßt, und die Masse schließlich doch immer wieder unter das kapitalistische Joch beugen. Mit der Erweckung dieses Klassenbewußtseins hat eine neue Epoche in der sozialen Geschichte begonnen. Dasselbe ist ein so gewaltiger Faktor, daß es die „Konkurrenten" vollständig von dem Gebiet verschließt, auf dem sich die Sozialdemokratie bewegt; das Klassenbewußtsein der Arbeiter zwingt alle anderen Parteien, auf dem Boden der bürgerlichen und kapitalistischen Wcltordnnng stehen zu bleiben, obwohl diese bedenklich iu's Schwanken gerathen ist, und die Sozialdemokratie allein stürmt energisch voran, der wer- deuden neuen Gesellschaft entgegen. Die „Konkurrenten" mögen sich die schönsten Namen geben, sie mögen ihre Lockpseise noch so schmelzend blasen — sie müssen doch alle dahinten bleiben. So wird es auch Herrn Pfarrer Naumann gehen, der eine national-soziale Bewegung in's Leben rufen uud zu diesem Zwecke eine große Zei- tung begründen will, Herr Naumann ist persönlich ganz gewiß eilte sehr achlungswerthe Erscheinung, ein Mann von Muth und Geist, voll Mitgefühl für die „Ent - erbten", der es auch gewagt hat, dem „König Stumm" ofien Widerstand zu leisten uud dafür von ihm als „ein neuer Thomas Müuzer" bezeichnet worden ist. Stumm hat damit nicht grade eine tiefe Geschichtskenntniß ver - rathen. Aber mit seinem „nationalen Sozialismus auf christlicher Grundlage" wird Herr Naumann auch auf dem Boden der christlich-kapitalistischen Weltanschauung zurückbleiben müssen, so scharf auch die Kritik manchmal ist, die von ihm an den Auswüchsen des Kapitalismus geübt wird. Was heißt denn „nationaler Sozialismus"? Ter internationale Sozialismus verwirft den Rassenhaß und sucht der internationalen Verständigung der Reaktionäre uud der Kapitalisten eine internationale Verständigung der Arbeiter entgegen zn setzen; nebenbei erstrebt er unter den heutige» Verhältnissen eine inter - nationale Arbeiterschutzgesetzgebung. Alle diese Dinge entsprechen durchaus den Wünschen und Strömungen der modernen Arbeiterwelt. Ma» wird vergebens versuchen, sie wieder in den Rahmen einer einseitigen „nationalen" Ausfassnng einzuengen, die schon von unseren besten Geister», von Schiller, Goethe und Lessing, bekämpft worden ist. Wir kenne» gewiß auch nationale Inter- esse», wir schließe» uns aber nicht mit dem Nationalitäts- Prinzip wie mit einer chinesischen Mauer ab. Oder soll „nationaler Sozialismus" so viel be - deuten, daß man von dem Deutschen Reiche statt von der Arbeiterklasse selbst die Thätigkeit erwartet, die zur Befreiung erforderlich ist? Die Arbeiter wollen sich die politische Macht er- obern, mit der sie sich von dem Druck des Kapitalismus lösen können. Wenn der „nationale Sozialismus" sie aber statt dessen ans die „h ü l f r e i ch e" Hand der Büreaukratie des Reiches verweist, dann werden die Arbeiter ihm lachend den Rücken kehren. Aus „christlicher Grundlage" will Herr Nanmann seine neue Bewegung in Szene setzen. Wie man hört, sollen ihm für sein ZeitungSnnternehmen 400 000 zur Verfügung gestellt sein nnd mit diesem Umstand rechnen wir bedeutend mehr als mit der „christlichen Grundlage". Herr Naumann ist Theologe und glaubt als solcher deS Christenthums nicht cntrathen zu können. Auch dieses hält ihn mit dem „nationalen SozialiSmns" zugleich auf dem Boden der bürgerlich. kapitalistischen Weltanschauung fest. „Christliche Grundlage" be - deutet, daß man von den „Enterbten" Entsagung in Bezug O nf die irdischen Genüsse verlangt, wofür in einer bessere» Welt Belohnung Eintreten soll. Die Arbeiter haben wohl erkannt, tvelch' ein gewaltiger Riegel damit dem „irdischen Werk der Befreiung" vorgeschoben wäre. Es ist daher ganz natürlich, daß bei den klassen - bewußten Arbeitern die m a t c r i a l i st i s ch e n Ueb er. -eugungen vollkommen dominireu. Dabei hat Herr Naumann einen ganz unglücklichen Griff gethan, indem er den ehemaligen Leiter der Berliner christlich-sozialen Zeitung „Das Volk", den bekannten Herr» Oberm in der, zum Chef seiner Zeitung be - stimmt hat. DaS „Volk" war bekanntlich seiner Zeit ein Organ Stöckers nnd Herr Oberwinder war vor seiner 6tNt«W* Episode 6*t*Ue*»fcat in Oesterreich, we er abgesägt wurde. *) Ohne aus die Beschuldigungen eiuzugehen, die während der Zeit deS Sozialistengesetzes gegen Oberwinder erhoben wurden, wollen wir nur be< tonen, daß es unS unbekannt ist, wie weit die Tiefe der christlichen Anschauungen dieses Herrn geht; soviel aber wissen wir, daß die Arbeiter sich augenblicklich abwenden werden, wenn Herr Oberwinder aus dem Plan erscheint. Es ist nur gut, daß das neue Blatt auch „christliche Linsen" •*) zur Verfügung hat — mit der „christlichen Grundlage" deS Herrn Oberwinder würde es sicherlich sonst nicht weit kommen. So sehen wir der Gründung deS neuen „sozialen" Blattes und der neuen „sozialen" Partei ohne alle Be- sorgniß entgegen, denn die klassenbewußten Arbeiter werde» davon ganz unberührt bleiben. ES hat ja imitier noch Platz in Deutschland für neue Parteibilduugen aller Art. Im Uebrigen wird Herr Naumann dazu beitragen, daß der Sozialismus diskutirt wird, wo man ihn bis jetzt nicht gründlich diskutirt hat, und das ist für uns immerhin von Werth. Aber den demokratischen Sozialismus wird der „nationale" SozialiSmns so wenig beeinträchtigen können, als Herr Naumann ein neuer Thomas Münzer ist. •) In Hamburg suchte er Ende der siebziger Jahre auch Fühlung zu gewinnen. Seine Anhänger wollten Bismarck für ihn intereffiren, blitzten aber in Fricdrichs- ruh ab. ••) So nennt der BolkSmuud in einigen Gegenden Deutschlands das baare Geld. Von der Weltbühne. Zur Zwangsorganisation des Haudwcrkö. — Aus den Beschlüssen der bisher abgehalteuen einzelnen „Haiidwerkertage" zu dem Gesetzentwurf über die Zwangs- Organisation des Handwerks ist unzweideutig hervor - gegangen, daß man sich in den Handwerkerkreisen selbst noch keineswegs über die Folgen dieses Eutwurss für das Handwerk klar geworden ist. Alle darüber gehaltenen Nedeii geben Zeugniß ab von der in den meisten Köpfen noch herrschenden Verwirrung uud beweisen nur, daß man sich allerhand unbestimmte Vorstellungen über die Wirkung einer Zwangsorganisation für die Entwicklung des Hand- Werks macht, ans die nachher die Enttäuschung nicht auS- bleiben kann. Die Handwerker sollten aber doch schon dadurch bedenklich werden, daß grade von unzweifelhaft handwerkersreundlicher Seite, die unbefangen die Dinge prüft, wie sie find, vor dem Eingehen auf die Zwangs- initttitg auf das Entschiedenste gewarnt wird. Von be - sonderem Interesse nach dieser Richtung ist eine soeben erschienene kritische Besprechung des Entwurfs von Pros. Dr. Victor Böhmert in Dresden, dessen Handwerker- frenudlichkeit doch gewiß nicht zu bezweifeln ist. Prof. Böhmert kommt auf Grund einer sehr sachlichen Kritik zu einer völligen Verurtheilung des Entwurfs, der an dem Grundfehler leidet, daß er die Gewerbe - ordnung aus der Grundlage des Zwanges statt auf derjenigen der Freiheit ausbauen will. Er macht ge- wichtige allgemeine, außerdem aber »och besondere Einzel- bedenken gegen spezielle Bestimmungen der vorgeschlagenen Organisation geltend. Einige Hauptpunkte seien besonders hervorgehoben. Er sagt: „Die schwersten Bedenken gegen den Entwurf liegen auf dem volkswirthschaftlichen Gebiete und richten sich gegen den ganzen Geist und die rückwärts g e ■ wendete Richtung des Entwurfs Seit mehr als einem Jahrhundert ist man in allen Kulturstaaten bemüht, das industrielle Schassen der Bevölkerung mit den Errungenschaften und Anforderungen der modernen Technik in Einklang zu bringen und an Stelle der veralteten Zwangsinnuttgen neue freiwillige Ge - nossenschaften zu bilden. . . . Einen Schutz vor Konkurrenz und eine Garantie des Absatzes kann die neue Zwangsinumig keinem Handwerker bieten, weil das Publikum die Gewerbserzeugnisse und de» Dienst der künstigeii Mitglieder von Zwangs- innuiige» ja gar nicht anzunehmen braucht, sondern sich beliebig an einheimische oder auch aiisivärtige Fabrikanten und Kaufleute oder an freie Landhaudwerker wenden und bei ihnen versorgen kann. Die Handwerker werden mithin durch die neuen Zwaugsinnunge» nur neue Kosten tt n d B e s ch r ä n k u tt g e n eintanschen, von denen die Fabrikaitten oder die in Bezirken ohne Zwangs - tunungen arbeitenden Handwerker befreit sind. Der ganze Gesetzentwurf wird voraussichtlich an diese» Wider - sprüchen und an der bevorzugten freieren Stellung der Fabrikanten, Kaufleute und Landhandwerker und der auswärtigen Produzenten scheitern." Der Verfasser führt bittere Klage darüber, daß der Handwerkerstand jetzt fein Heil mehr von der Politik und plötzlichen Aendertuigen der Gesetzgebung als von der allmälig alles ittugestaltenden Technik erwartet, daß er nach Zwang ruft statt nach Freiheit, daß er Schutz vor der Konkurrenz verlangt, anstatt die Beseitigung gewerb- sicher und kommerzieller, kommunaler und staatlicher Be - schränkungen zu fordern. Was oben über die Unklarheit der Zünftler in Be - zug auf die Wirkung der Organisation gesagt ist, zeigte sich auch bei bett Vertretern der Zunft, die als „Hand- werkerkonferenz" in Berlin tagen. Nach den üblichen ein- leitenden Ansprache» wurde dort auf Antrag des Bau - meisters Fetisch zunächst in eine Generaldebatte über die Gruudzüge des Entwurfs eingetreten. Eine prin - zipiell ablehnende Haltung wurde nur von den Delegirteu Metzner und Pfeiffer-Breslau einge - nommen, welch Ersterer den Entwurf wegen des konipli- zirten und unpraktischen Aufsichtsapparats für unannehm - bar erklärte und am liebsten die glatte Ablehnung be - fürworten möchte. Sonst stellten sich die Redner zwar auf den Boden des Entwurfs int Allgemeinen; der Eine wollte jedoch dies, der Andere wieder etwas Anderes daran geändert haben. Die Einzelberathung wendete sich zuerst dem § 82 zu, der bag Verzeichniß der Gewerbe enthalt, für die ZwangSinitungen errichtet werden sollen. Die Konferenz sprach sich eiumüthig dahin ans, daß dies Ver> zeichniß einerseits zu vervollständigen, andererseits zu ver - einfachen fei durch weitere Zusammenfassung der bet* wandten Gewerbe. Neu eingesügt sollen werden die Ge - werbe der Gärtner, Fuhrherren, Gastwirthe, Köche, Messer - schmiede, Psefferküchler, Photographen, Seiler, Zahn- künstler, Fischer, Gürtler und Holzbildhauer. Nach längerer Berathung wurde eine Kommission gewählt, die das Verzeichniß der Gewerbe endgültig feststellen soll. § 82 a wurde in folgender veränderter Fassung ange - nommen : „Die Innungen werden für Bezirke errichtet, welche möglichst so abzugreuzen find, daß teilt Mitglied wegen zu großer Entfernung seines Wohnsitzes vom Sitze der Innung behindert wirb, am GenossenschastS- lebcii theilznnehmen und die Jnniingseinrichtungeu zu benutzen." Ter § 82b, die Zugehörigkeit zur Innung betreffend, gab Anlaß zu folgender Beschlußfassung : „In Bezug aus de» Begriff „Fabrik" ist entweder in dem Gesetze selbst oder in den Motiven ausdrücklich auSzu- sprecheu, daß die Verwendung von Maschinen und die A n z a h l der beschäftigten Oe,eilen allein noch nicht genügen, um einen Betrieb zu einem fabrikmäßigen zu stempeln." Ueber diesen Punkt wurden lange und lebhafte Besprechungen geführt. Reichstags- abgeordneter Jacob Skötter warnte vor zu weit - gehende« Aprderuugen und mahnte zur Mäßigung. NcichSgcsrtzliche Regelung deS AuSwan- dernngSwrfenS. Hebet die für den Reichstag in der bevorstehenden Tagung in Aussicht genommene Vorlage, betreffend das Auswanderungswesen, wird der „Voss. Ztg." mitgetheilt: Der Gesetzentwurf über das AuS- wandernngsivesen soll endlich den Artikel 4 Nr. 1 der Reichsversassung, soweit liier die Bestimmungen über die Auswanderung nach außerdeutschen Ländern der Beauf - sichtigung und Gesetzgebung des Reiches unterstellt sind, zur Ausführung bringen. Der Entwurf ist in erster Linie dazu bestimmt, den Gewerbebetrieb der Ans- wanderuiigsunternehmer, der Auswanderungsexpedienten, die eine vermittelnde Stelle zwischen dem Unternehmer und deren Agenten haben, und der Auswanderungs. agenten zu regeln, sowie Vorschriften über die Ans- Wanderung nach außereuropäischen Ländern, über die Beförderung von außerdeutfchen Häfen anS, und über die Beaufsichtigung des Auswandernngswefeus im In- tereffe der Auswanderer zu treffen. Die Geschäfts- betriebe der Auswanderungsnnternehmer und Auswande- riingsagenten wurden durch § 6 der Gewerbeordnung von den Bestimniungen dieser ausgenommen, und cs war hierzu in den Motiven der Gewerbeordnung bemerkt: „Es wird über das Gewerbe des Ausivandernngswefens eine besondere Gesetzgebung vorbereitet, und es erscheint nicht gerathen, dieselbe bei Feststellung der allgemeinen Gewerbeordnung beiläufig abzumachen.' Bisher war deshalb in Preußen daS Gesetz vom 7. Mai 1853 maß - gebend, wonach AuSwandernngsnnternehmer und Ans- wandernngsagenten ciiietj Konzession bedürfen Da es nicht (??) in der Absichk liegt, eine Beschränkung der Auswanderung herbeizuführen, so dürften die von der polizeilichen Erschwerung der Answandermig handelnden Bestiminnngen, die der im Jahre 1892 an den Reichstag gelangte AnswanderungSgesetzentwnrs enthielt, in dem neuen Entwurf keine Aufnahme gesunden haben. Jener Gesetzentwurf bestimmte, daß jeder Auswanderung-lustige seine Absicht, das deutsche Reichsgebiet zu verlassen, der Ortspolizeibehörde anznzeigen hat, die dies alsdann öffentlich bekannt machen und erst nach Ablaus einer Frist von vier Wochen seit dem Tage der Bekanntmachung dem Attswandernden eine zur Auswanderung berechti geude Bescheinigung ertheilen sollte. Der nationalttbcrnlc Parteitag wird erbauliche Einblicke in die Korruption der „großen Ordnungs- Partei" gewähren. Je näher der Termin heranrückt, um so reichlicher wird der Zündstoff deS Haders, den die Selegirten zu bewältige» baden werden. Wie man weiß, hat die „Nat.-Ztg." die Frage aufgerollt, ob cs für aus - gesprochene Agrarier noch Nanni in einer Partei gebe, die sich liberal nenne; die scharf verneinende Antwort des Blattes sand aber nur spärliche Zustimmung, rief dagegen lebhafte Opposition hervor, die sich ans dem agrarischen Flügel bis zu dem Rus steigerte: Hinaus ans der Partei mit den Berliner Pflastertretern, mit den Boulevardiers I Daß auch Gegensätze aus politischem Ge- biete vorhanden sind und auch hier eine Ptinderheit gegen die Leisetreterei, mit der man in der Partei die rentlionären Tendenzen behandelt hat, zu rebelliren entschlossen ist, dasür fehlt es gleichfalls au Anzeichen. In einer Erörterung der „Wurtteind. Volksztg “ über de» Partei - tag wird ein entschiedenes Bekenntniß zum Liberalismus nnd Kampfstellung gegen alle reaktionären Bestrebungen gefordert. Unter Hinweis darauf, daß die Partei sich im Jahre 1891 auf die „Pflege der alten liberalen Grundsätze" verpflichtet habe, führt das schwäbische Organ Folgendes ans: „Wenn in der von Hannover dem bevorstehenden Parteitag unterbreiteten Resolution von „Wahning der Grundsätze des gemäßigten Liberalismus" die Rede ist, so weiß man in der Partei wohl, daß damit der Gegensatz gegen den abstrakten Radikalismus bezeichnet werden will. Aber nach außen erscheint es doch als Abschwächung der bestimmten Erklärung von 1891 und eine solche Aufsassung wäre höchst bedauerlich. Mit Recht ist in der Hannoverschen Resolution auf die gegenwärtig unsichere politische Lage hingewiesen; der Ausdruck dürfte uoch zu milde sein, gegenüber einer mehr und mehr um- sichgreifenden Praxis, die nicht allzu reichlich bemessenen Rechte von Volk und Volksvertretung direkt zu verringern oder in ihrer Bedeutung herabzudrücken. Mag diese eben erwähnte Gefahr in größerem ober geringerem Umfang drohen, so ist so viel ledensalls sicher, daß einer solchen gegenüber nicht blos allgemein die Grundsätze eines gemäßigte» Liberalismus (eine zudem höchst mißverständ- siche Wortzusannnenstellung) zu betonen sind, sonder», daß klar ausgesprochen werden muß, daß weder in der Reichs • uoch in der Landesgesetzgebung die Hand geboten werden will, bestehende Rechte von Volk ober Volksvertretung z n ver- rin gern oder einzuschränken. Umgekehrt erscheintes dringend geboten, die be- fteljen beii konstitutionellen Rechte zu stärken und auS^u bauen gegenüber einer Bran - dung, die in regelmäßigen! Anprall diese Schutzdämme der Freiheit zu unterwaschen sucht." Wie man aus dieser Stimme ersieht, ist im Süden des Reiches die Erkeiintniß von der Gefahr, die unserer Entwicklung von einer Seite droht, die Rechte von Volk und Volksvertretung zu unterwaschen sucht und die Ent- schiedeuheit, ihr zu begegnen, weiter vorgeschritten als im Norden. Aber wer noch von den Nationalliberalen eine Stärkung der Volksrechte hofft, der muß blind oder — nationalliberal fein. Heber sozialdemokratische Rittergutsbesitzer macht die Berliner „Volks-Zeitnng" folgende Mit- theilunge»: „Zu dem fozialbemokratischen Parteitag werden in diesem Jahre niedrere ost preußische Ritter- gutsbesitzer als Delegirte in löotha erscheinen. Das ist nicht etwa ein schlechter Witz, sondern eine wirkliche Thatsache , die den ostelbischen Agrariern sicherlich noch manche böse Stunde bereiten wirb Ueber die Persönlichkeit des einen dieser Rittergntsbesitzer, des Herr» Ebhardt auf Komorowen, wirb uns von gut unterrichteter Seite Folgenbes mitgetheilt : Herr Ebharbtist der älteste Sohn bei bereits verstorbenen Rittergutsbesitzers Ebhardt-Obleweii, der lange Jahre Hinburch — obwohl politisch mehr bei» Stanbpnnkt ber süddeutschen Demokratie zuneigend — Führer der freisinnigen Partei im Kreise Iohannisbnrg war. Nach seinem Tobe bereinigte fein Sohn belbe Guter, die einen Komplex von orei bis viertausend Morgen repräfentire». Herr Ebhardt heirathete eine einsache Arbeiterin, mit der et in glücklicher Ehe lebt. Seine Kinder werden sehr einfach erzogen, sie besuchen die Volksschule des nahen Städtchens Bialla. Er ist ein zielbewußter Anhänger der Sozialdemokratie, von ihm rührte beispielsweise im vorigen Jahre der Antrag für den Parteitag her, der sich gegen die Verwendung von Ammen aussprach. Seine Arbeiter sind so vorzüglich gestellt, wie auf keinem anderen Gute, er stellt zwar hohe Anforderungen, aber er sorgt für feine Leute in — wenn man diesen Ausdruck hier anwenben darf — in wirklich patriarchalischer Weise. Sie finden bei ihm jeder Zeit in jeder Bcdrängniß, Noth und Krank - heit, Rath und Hülse. Daß dieses Beispiel eine starke Wirkung auSübt, ist selbstverständlich, b. h. bei ben Arbeitern, bie barans den nahe liegenben Schluß ziehen, daß, was in Komorowen selbstverstänbsich ist, auch auf den Gütern ihrer Brotherren möglich sein müßte. Natürlich ist Ebharbt (ein „Nothleidenber". Er hat eine vorzüglich eingerichtete Brennerei mit großem Kontingent uiib ist in der Lage, seinen Partemeiiofseii über die Liebesgabe, die bei dem toiitiiigeiitirten Spiritus für Ihn abfällt, genaue Angabe» zu machen. Er ist auch ein eifriger Agitator für die Partei, wie die 1200 Stimmen erweisen, die et bei der letzten Wahl ans seine Person bereinigte, Znm größten Theile stammen diese Stimmen aus den Kreisen der ländlichen Arbeiter. Seine Leute timmen natürlich ohne jeden Zwang für ihn. In den monatlichen Parteiabrechnuiigen erscheint Herr Ebhardt sehr oft unter dem Zeichen: E. Komorowen mit einem beträchtlichen Beitrag Er steht übrigens mit feinen Anschauungen inner - halb seiner Beriissgenofsen nicht allein. Es giebt noch einige andere Gutsbesitzer in den Kreisen Lyck und JohauniSburg, die sich offen zur Sozialdemokratie be- kennen. Man braucht sich alsogarnichtzu wundern, wenn vielleicht schon bei der nächsten Wahl der eine ober der aiibere masurische Wahlkreis, die von den Konservativen als ihre sicherste Domäne betrachtet werben, einen sozialdemokratischen Ritter - gutsbesitzer in den Reichstag schickt." Wir haben dazu lediglich zu bemerken, daß bie Sozialdemokratie ihre Anhänger in allen Ständen und Kreisen hat. Es giebt ihrer auch in unmittelbarer Nähe der F ü r st e n t h r o n e. Die cütfrijtnnfenbcn Bestimmungen deö PreßgeseheS erfahren durch die Rechtsprechung eine immer ausgedehntere Anwendung § 17 des PreßgesetzeS, welcher vorzeitige Berössentlichnng amt - licher Schiststücke eines Strafprozesse- durch die Presse unter Strafe stellt, ist nach einem Er - kenntnisse deS Reichsgerichts auch für richter- liche Strafbefehle gültig Ihrem Wesen nach, so sagt das Reich-gericht, ist die Strafverfügung ein be - dingtes richterliches Urtheil. Daß gerichtliche Strafbefehle Bestandtheile von Strafprozessen sind und deshalb der Vorschrift deS § 17 deS Preßgefetze« unterliegen, kann nicht zweifelhaft fein. Wie bei den aintSrichterlichen Strafbefehlen, ist aber auch bei den polizeilich e n S t r a f v e r f ü g u n g e n in allen Fällen bie Mög - lichkeit eines künftigen richterlichen Urtheils gegeben. Durch § 17 deS PreßgesetzeS soll aber grobe die Unbe - fangenheit ber bei den GerichtSverhanblungen beteiligten Personen gegenüber einseitigen Darstellungen gesichert werben und dieser Gesichtspunkt trifft bei den polizeilichen Strafverfügungen in demselben Maße zu, wie bet den amtSrichterlichen Strafbefehlen. Die ersteren müssen des - halb gleich den letzteren dem Schutze de- 8 17 unter - stehen, so lange die Frist zur Stellung de- Antrages auf gerichtliche Entscheidung nicht nbgelaufen i st Mit Recht fragt demgegenüber die „Volksztg.". „Wer nimmt denn heute noch an, daß durch bie Ver- öffentlichnng von Schriststücken der bezeichneten Art eine schädliche Beeinflussung der Richter staltfinde?“ Aerzttiche Ehrengerichte. Gegen bie neuerdings geplante und als Gesetzentwurf für den preußischen Land- tag vorliegende Einrichtung von staatlichen Ehrengerichten für Aerzte, welche berufen fein sollen, das angeblich in ber neueren Zeit gesunkene Ansehen des ärztlichen Stande- zu heben, sind nicht mit Unrecht gewichtige Bedenken laut geworden. In den Kreise» der praktischen Aerzte nimmt man hauptsächlich daran Anstoß, daß die be - amteten Aerzte (und bie Militärärzte) zwar zu den Aerztekanimern wählen können, der neuen Gerichtsbarkeit aber nicht unterstellt werden solle», sodann an ber sehr eigenthümlichen und durch nichts gerechtfertigten Be- stimmnng, daß die Aerzte auch für außerhalb ihrer Be - rufsthätigkeit begangene, z. B. politische Vergehen, von den StandeSgerichteii verantwortsich gemacht werden können. Eine Broschüre von Dr. Max @ ä rt n c r in Bunzlau (Verlag von Prenß u. Jünger in Breslau) bringt eine gute Zusammenstellung bet schwerwiegenden Gründe bezw. ber Ausstellungen, welche ber praktische Arzt an dem Entwurf machen muß, und oerbient bie sorgfältigste Beachtung der praktischen Aerzte, wenn der Entwurf nicht Gesetz werden soll. Uebrigen# stehen dem Entwurf, wie schon erörtert, auch juristische Bedenken entgegen, insofern in demselben ber Versuch gemacht wird, reichSrechtliche Bestimmungen durch die Landes- gesetzgebung außer Kraft zu setzen. Die praktischen Aerzte haben alle Veranlassung, den Entwurf in seinen Be - stimmungen sich genau anzusehen, damit sie nicht ein Geschenk erhalten, dessen Wirkungen sie noch am eigenen Leibe zu ihrem Schaden erfahre» können. Der „Arbcitcrmangcl" nud die preußische Regierung. Aus Oberschlesien schreibt man der „Voss. Zeitung": „Die Regierung gestattet die Be- schästignng ausländischer Feldarbeiter in den östlichen Provinzen, läßt aber unerbittlich alle Ausländer, die in Ziegeleien :c. beschäftigt werden, ausweifen. Die natürliche Folge ist ein starker A r b e i t e r m a n g e l in oberschlesischen Ziegeleien, der sich um so fühlbarer macht, da die Baulnst in Folge der Vermehrung der Arbeiterwohnunge» für die großen industriellen Anlagen sehr rege ist. Die oberschlesischen Ziegeleibesitzer beabsichtigen deshalb eine Vereinigung behufs gleichmäßiger Erhöhung der Ziegelpresse zu bilden. Das Odium dieser Preiserhöhung schieben sie mit Recht aus die Regierung, die ihnen die Möglichkeit abgeschnitten hat, bie galizischen Ziegelarbeiter, die früher besonder- zahlreich in den ober- schlesischen Ziegeleien vertreten waren, zu beschäftigen, ohne daß ei» Ersatz dafür geschaffen märe. Durch den Umstand, daß die Regierung vereinzelt der großen Eisen- industrie gestattet hat, galizische Arbeiter anzunehmen, hat sie den Vorwurf ungleicher Behandlung der ver - schiedenen Industrien auf sich geloben, abgesehen von ber unberechtigten Begünstigung der Landwirthschast." DaS Odium der Preiserhöhung der Regierung, den Prosit daraus dem Uiiternehmerthnm — so gleicht sich die Cache ganz hübsch ans. Natürlich werden bie Arbeiter der Ziegeleien von der Preiserhöhung nicht profitiren. Sollte der „Arbeitermangel" nicht lediglich den Vorwand abgeben für da- Bemühen, die Ziegel- preise in die Höhe zu treiben ? Alldeutsche" Projekte. Aus dem dieser Tage in B e r l i n ftattgefjabten außerordentlichen Verband-tage de- „Alldeutschen Verbandes" führte bet Vor - sitzende, Reichstagsabgeordneter Professor Hasse, bei Erstattung des Geschästsberichts etwa Folgende- au8 : Eine Hauptaufgabe des Verbände- bestehe in bet Zurückdrängung fremder Volk-bestand - theile innerhalb deS Reichsgebietes, vornehmsich ber Polen. Der Verband gehe hier Hand in Hand mit dem Ostinarkvereine Mit diesem habe er sich da- Arbeits - feld getheilt. Auch auf größere Planmäßigkeit in der Besiedelung bei der AnsiedlungSbehörde soll hiugewirkt werden. Eine weitere Ausgabe sei die B e r h i n d e r u n g der Einwanderung fremder Raffen in das Reich, z. B. der Slawen und Semiten. Diese Bestrebung finde freilich vor der Hand noch wenig Unter, stützung von Seiten ber Regierung. Mehr Theilnahme bringe diese jedoch den weiteren Vorschlägen de- Vcrbandes, denen in Bezug auf eine Regelung der Auswanderung, entgegen Eine wichtige Aus - gabe erblicke der Verband in der Unterstützung nnd Förderung der Dentschen außerhalb der ReichSgreiizen, besonders in Oesterreich. Eine weitere Bestrebung sei die Anbahnung eines einheitliche» Wirthschaft-gebiete- im deutschbesiedelten Mitteleuropa (Mitteleuropäi - scher Zollverein). Zur Rähersührnng diese- ZweckeS werde eine unmittelbare Verbindung Süddeutsch, lands mit Triest und der Adria durch eine Tauernbahn, ferner ein Rhein-Donau-Kanal angestrebt. Der All - deutsche Verband arbeite an ber Hebung ber deutschen Seewebr, für die er zunächst da# Verständniß im Volke zu werfen in ehe, unbekümmert, ob er auch zeitweise gegen den Strom schwimmen müsse. Auch zu ber Orient- frage hat ber Verband Stellung genommen. Bei einem Zusammenbruch ber Türkei müsse sich D e u 11 ch l a n b an bet Liquidation bei Sultan- be - teiligen und dafür sorgen, baß die von Deutschen bewohnten Laude-theile nicht in fremde Hände sielen. Der Ausschuß habe de-halb 6e- schlossen, eine Eingabe an den Kaiser zu richten. Hinsicht - lich der K o I o » i a lp o 1 i t i k TeutschlandS konstatirte der Redner, daß dem Verbände irgend welche politischen Nebenbestrebiingen fern liegen; für den Verband handle e- sich in der Kolonialpolitik nur um die große deutsche Weltmission, der er Vorschub zu leisten überall bestrebt fet Alle diese Projekte sind mehr oder weniger duiuiu oder unmaßgeblich. DaS D u m in steift aber jedensalll bie Betheiligung Deutschland- an der „Liquidation d e - Sultan 8". Da- könnte uu- grabe noch fehlen, die von Deutschen bewohnten türkischen Lande-theile al- neue Reich-lande zu bekommen. Doch möchten wir nnS erlauben, zn fragen: weshalb fordern die „Alldeutschen" nicht ein Eintreten für bie dem Deutfch- thum zugehörigen russischen Ostseeprovtnzeu? Da wird da- Deutschthum von den zartscheu Knechten fchainlo- nnd brutal unterdrückt Aber freilich, gegen Rußland, den „Freund Deutschland-", läßt unsere „Alldeutschen" der Muth und bie Konsequenz im Stich. Auf König Ttnmmö Kommando versammelte» sich an einem Abend der vorigen Woche in St. Johann eine große Anzahl von Gewerbetreibenden und Handel-, teilten, um Stumm- Sozialpolitik gntzuheißen. Die Einladungen gingen Don der Saarbrücker Handelskammer au-, deren Vorsitzender König Stumm ist, ber auch der Bersanimlimg präsidirte. Man beschäftigte sich mit: 1) Ausnahmen Born Verbot be-Detailreisenit, 2) Bäckerei - Verordnung, 8) Acht-Uhr- Ladenschluß. Freiherr v. Stumm nahn, z« jedem der drei Punkte zunächst das Wort. Nach ber „Neuen Saarbrücker Zeitung" hatten die Be - rathungen folgende- Ergebniß: Alle Ausnahme. Vorschläge hinsichtlich de- Verbote- des Detail- reisen- wurden abgelehnt. Sodann nahm bie Handelskammer Stellung gegen die Väckerel» B e r o r b n u n g im Sinne der Aufhebung derselben, nachdem Freiherr v. Stumm au-gesührt, daß sie zu juristischen Bedenken berechtige, da ber Bäckerei- betrieb auf keinen Fall den gesundheitsschädlichen Be - trieben znznzählen sei. Die Debatte über den von der Reichskoinrnifsion für Arbeiierstatiflik empfohlenen Acht- U h r - La de nschl u ß eröffnete wieder Freiherr v. Stumm mit dem Hinwei-, daß dieser Vorschlag in Folge einet Reihe neuerer Vorgänge, seiner eingehenden Erörterung, sowie des bekannten MI n i ft e r w e ch s e k - aller, hinge nicht mehr alt in gefährlicher Nähe befindlich angesehen werden könne. Die Abstimmung ergab Ablehnung aller auf den Achtuhrschluß be- züglichen Vorschläge. Da- war selbstverständlich. Welcher Gewerbeireibenbe im Königreich Stumm würde auch wagen, anderer Mei - nung zu sein, al- her Allgewaltige, der mit den Waffen de- Boykotts so scharf zu kämpfen versteht! Ueber den verlauf der sotiutägliche« AnS- tveisttngSaffa're an der elsässisch. französischen Grenze wird dem „Borwärt-" aus Markirch berichtet: Die für gestern nach den Diedeler Höhen angekündigte fran - zösisch-elsässische Volksversaniuiluiig führte eine große An- zahl Genossen ans dem ganzen Elsaß her. Wohl gegen 2000 Personen mögen e» gewesen sein, welche die Morgen- züqe an-Schlettstadt her in unser sonst so stille» Vvgesen- städtchen brachten. In großer Anzahl war natürlich auch die Polizei vertreten. Uniformirte waren zwölf an - wesend, auch eine Anzahl Detektiv- und Polizei-Agenten beehrten uns mit ihrer Anwesenheit. Wohin sich auch unsere Gäste begaben, auf die Straße, auf die Plätze, in die Wirthschaften oder Privathäuser — überall folgten ihnen Polizisten und Gensdarnien in angemessener Ent. fernung. Um halb 1 Uhr ungefähr begaben sich die Theiluehnier nach dem Versammlungsort auf ber fran - zösisch-deutschen Grenze. Dort angekommen, wurden sie von über 30 französischen Gen-därmen nnd Zollbeamten empfangen, welche die Straße nach ber V er - sann» l n n g s st ä 11 e absperrten, trotzdem eine französische Behörde die Genehmigung zur Bersammluiig ertheilt hatte Kurze Zeit nach der Ankunft be« Großtheils der Versamnilungstheilnehmer erschienen auch die beiden elsässischen ReichstaqS-Abgeordiieten, die Genossen Bebel und Bueb. Al- sie bie Grenze über- schreiten wollten, kam ihnen bet französische Poltzet- kommissar von St. Dis entgegen, bet denselben den Ausweisungsbefehl einhändigte und mittheilte, daß sie auf Grund des Art 7 de« Gesetze« vorn 13. November 1849 auf Verfügung deS Ministeriums de- Innern an- Frankreich ausgewiesen seien, weil durch ihre Anwesenheit die öffentliche Ordnung gefährdet werde Die AuS. Weisung rief unter den Anwesenden große Entrüstung gegen die französischen Gen-darmen hervor. Die Gut- riistniig über die Ausweisung ist aber ungerecht, denn sie ist für die Sozialdemokratie mehr werth, aH e- bie imposanteste Versammlung je fein könnte Sie hat un - gezeigt, daß die französische Regierung die Geschäfte be« Kapitalisnms grabe so gut besorgen sann, wie bie preußisch-deuische Polizei. Die Sache hat insofern noch eine heitere Seite, baß bie Ausweisung grabe Genosse Bebel betraf, ber seinerzeit im Parlament gegen bie Annexion von Elsaß-Lothringen stimmte. Nun hat ihm bie französische Regierung ben Dank gegeben und Anerkennung vom Hause Hohenlohe wirb dem Ministerium Müliiie nicht vorenthalten bleiben. Noch interessanter wirb die Ausweisung dadurch, daß auch ein echter Elsässer, Genosse Bueb — von derselben betroffen wurde Demnach verzichtet die französische Regierung auf die sozialdemokratischen Elsaß- Lothringer. Das ist ein Wink, Elsaß-Lothringen einfach sozialbemokeatifch werbe» zn lassen und sofort werde» in Frankreich alle Revanchegeläste verstummen. Frankreich 'wirb dann für alle Zeit auf die Wiederge- winnung Elsaß-Lothringen» verzichten. Die beide» Aus- gewiesenen nahmen diese Maßregel auch gar nicht so tragisch uiib blieben froh nnd heiter. Nach kurzer Rast wurde der Rückweg nach Markirch angetreten, woselbst sich die Theilnehmer bi« znm Abgang be« Zuge« in bie einzelnen Wirthschaften zerstreuten. Die Markircher Arbeiter ließen es sich nicht nehmen, vor Abgang bei Zuges massenhaft zu erscheinen. Auf über 1600 Personen wurde bie Zahl bet Anwesenden geschätzt, bie it: ein bransenbes Hoch auf die internationale Sozialdemokratie einstimmten, als der Eisenbahnzug mit ben auswärtigen Gästen bie Bahnhofshalle verließ. Die Sozialbemokratie be» Elsasser hak einen erfolgreichen Agitation«» t a g hinter sich (»in internationaler Kongreß gegen die Freimanrcrei, arrangirt von klerikalen Fanatikern, soll vom 26 bis 80. September in Trient abgehalten werden. Es soll damit die „nachdrückliche Bekämpsung be- Satan-werk«, so sich Freimaurerei nennt", eiugeleitet werden. Der Papst und seine Kardinäle nehmen sich der Sache sehr an Ersterer hat an ben Vorsitzenden des römischen ZentralkomiteS für den Kongreß ein Breve gerichtet, in welchem daS Unternehmen als ein den „Interessen der Religion" dienendes anerkannt und auf die „Dokumente der päpstliche» Autorität" in dieser Frage, d. h. auf die diversen Verfluchungen der Freimaurerei durch diese Autorität hingewiesen wird. Wörtlich heißt es am Schluß be« Breve« (veröffentlicht in bet „Germania") folgendermaßen: „Ganz gewiß werden die Dogmen verwegenster Gottlosigkeit, wie sie jene Sekte vertritt, und die