Nr. 43. 12. Jahrgang. LamburgerEcha Das „Hamburger Scho" crjchemt täglich, außrr Montag,. Sa rlbotmenlcntöprriö (iutt. „Die Neue Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. de» Post, toteleg, 3172) ohne Bringegeld vierteljährlich 3t. 4,20; durch die Solportöre wSchentl. 36 4 frei in'» Hau». Einzelne Nuuiiner 6/i&. -LonntagS-Nuininer mit illustr. Sonntags-Beilage „Die Neue Welf 10 4. Verantwortlicher Redaktör: Gustav Wabersky in Hamburg. Sonntag, den 20. Februar 1898. Anzeigen werden die fed)»gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 30 4, füt den ArbeitSmarkt, Der« miethungs- und Familienanzeigen mit 20 berechnet. Ekttzeigen-Annahme in der Expedition (bi# 6 llhr Abds.), sowie in [ämmtt Annoneen-Bürttui». Redaktion und Expedition: Graste Theaterstraste 44 in Hamburg. Hierzu zwei Beilagen und das illustrirte llMterlirtlhnifldblott „Die Neue Welt". Der Polizeistaat. Es wird wohl wenig Leute geben, die noch nicht wissen, das; wir in Deutschland und namentlich in Preußen noch immer im Polizeistaate leben. Die jüngsten Verhandlungen des preußischen Abgeordneten - hauses waren dazu angethan, diese Nichtwissenden vollkommen zu belehren. Es wurde nümlich das vielbcrnfene Kapitel angeschnitten: „Was anständigen Frauen und Mädchen alles passiren kann!" und der Herr Biinister des Innern nahm Gelegenheit, sich über seine Polizei auszusprechen. Herr von der Recke möchte gerne die Er - scheinung des „schneidigen" Staatsmannes machen. Wir geben ihm zu, daß sein energischer Ton und auch sein stattlicher Bart empfänglichen Gemüthern — zu denen wir in diesem Falle nicht gehören — imponiren können. Gar nicht imponiren aber können die Gedanken, die er ausspricht, nicht uns, nicht einmal den Nationalliberalen und den Kon - servativen. Herr von der Recke glaubte nach dem Grund - sätze zu handeln, daß der Hieb die beste Deckung ist, und er that in seiner Rede, als ob weniger die Polizei, als die Presse sich schuldig gemacht habe. Heftig fuhr er gegen die Presse los, die „eine Saac der Beunruhigung" iu's Land getragen und einen „gemeingefährlichen Unfug" verübt habe. Noch nie sei die öffentliche Meinung so unnöthig erregt worden. Dieser Hieb geht natürlich in die Luft, denn Niemand wird sich der Wahrheit verschließen können, daß die Presse in all diesen Fällen nur ihre Pflicht gethan hat. Der Herr Minister fand Widerspruch bei den Nationalliberalen und sogar bei den Kon - servativen. Das kommt daher, daß die polizeflichen „Niißverständnisse" sich nicht nur auf Leute aus dem Volke, sondern auch auf Leute aus den „oberen Zehntausend" erstrecke.,. Was wäre denn eigentlich die Aufgabe der Presse nach der Auffastung dieser Staatsmänner? Wes, was die hohe Obrigkeit thut, von vornherein für weise und unfehlbar zu halten und demgemäß zu prci-en. Mit einem Worte: Die Presse müsse polizeifromm sein, um die Anerkennung dieser Herren zu gewinnen. Nun, wir brauchen diese Anerkennung nicht und wollen sie nicht, aber wir freuen uns, ehrlich gesagt, daß der Herr Minister so gesprochen hat. Denn der gute Deutsche, der sich leider so sehr an die Polizei gewöhnt hat, sieht doch nun, wie er mit der Polizei barm ist. Und wenn die Rede des Herrn Ministers das Selbstgefühl des deutschen, resp, preußischen Volkes verwundet hat, so hat ein Geheimrath noch sich alle Müye gegeben, Salz in die Wunde zu reiben. Man hätte nämlich glauben können, daß jenem armen Mädchen, das in Berlin auf die falsche Anzeige eines boshaften Mensch-n hm auf die Wache geschleppt, über Nacht in Arrest behalten und am anderen Morgen einer polizei- iirztlichm Untersuchung unterworfen worden ist, nunmehr eigentlich genug geschehen sei. Da kennt man aber preußische Geheimräthe schlecht, denn ein solcher brandmarkte die Arme vor voller Oeffentlich- keit mit „gerichtsnotorischen Mittheilungen". So ist es recht! Die Deutschen müssen empfinden, wie sie daran sind, und nur auf diesem Wege kann ihnen die Ueberzeugung beigebracht werden, daß der alte Polizeistaat ein Ueberbleibsel aus alten, finsteren Zeiten ist und daß an die Stelle der alten Ein - richtungen neue treten müssen, die mit der fort - schreitenden Demokratisirung der Gesellschaft sich in Einklang befinden. Von den „Reformen" des Herrn von der Recke erlvarten wir allerdings gar nichts. „In keinem Staate der Welt ist der Schutz der per - sönlichen Freiheit so gewährleistet, wie bei uns", meinte er, und das Angesichts der ange - führten Thatsachen, die gar nicht bestritten werden konnten. Damit wird der Standpunkt des Ministers «Älerdings Indiskutabel. Und wenn man ihn die preußische Polizei als die beste des Kontinents preisen hört — nun, was bleibt ihm denn da zu rrformiren? Namentlich in Bezug auf die Reform der politischen Polizei erwarten wir gar nichts, wenn auch die „Erwägungen" noch nicht abg schlossen sind. Die einzig wirksame Reform der politischen Polizei ist deren Abschaffung. In einem Fall, wo ein Gensdarm einen Müller wegen dessen sozialdemokratischer Gesinnung aus seiner Stellung hatte drängei .vollen, gab man zu, daß hier eingegriffen werden müsse. Und als der Doppelposten vor der Buchhandlung der „Magde - burger Volksstimme" zur Sprache gebracht wurde, da erwiderte man, das sei aus verkehrspolizeilichen Gründen geschehen!!! Und mit diesen „Auskünften" soll sich da? deutsche, resp, preußische Volk begnügen? Das wird es ganz gewiß nicht thun. ES wird sich keineswegs auf den Standpunkt der Konservativen stellen, die sich damit begnügen, daß eine „Reorgani - sation" der Polizei in Aussicht gestellt ist. Nein, eine Besserung kann nur dadurch erzielt werden, daß das Volk eine andere Vertretung wählt. Im preußischen Abgeordnetenhause bominiren zur Zeit die Junker, deren Ideal der Büttelstaat ist, und diese würden, selbst wenn die Regierung wirksame Reformen des Polizeiwesens in Angriff nehmen wollte. Alles aufbieten, um dies zu verhindern. Darüber kann nicht der mindeste Zweifel bestehen. Die Volksverttetung kann, wenn sie will, der Polizei den Daumen auf'S Auge drücken und braucht sich davon nicht abhalten zu lassen, wenn der Herr Minister des Innern mit schützenden Flügeln über derselben schwebt. Die Volksvertretung muß eine andere Zusammensetzung bekommen; dann wird eS auch besser mit der Polizei. Wir wissen wohl, daß das nicht von heute auf morgen zu erreichen ist. Aber nichts kann den Deutschen mehr anstacheln, dahin mit allen Kräften zu wirken, als solche Vor - fälle, wie die letzte Debatte im preußischen Landtag. Als Börne mit bitterem Spott sagte, jeder Deutsche trüge seinen Gensbarmen mit sich in der Brust heruni, da hatte er bis zu einem gewissen Grade Recht, und die Zustände zu seiner Zest waren auch danach. Aber heute blickt man täglich auf das Jahr 1848 zurück. War denn die Volks - erhebung jener Zeit nicht in erster Linie gegen die polizeiliche Bevormundung auf geistigem und ma - teriellem Gebiete gerichtet? Damals wurde der Polizei sehr viel von ihrer Gewalt entrissen, allein die Reaktion verlieh derselben wieder eine solche Machtfülle, daß der alte Polizeistaat fast gänzlich wieder hergestellt war. Und heute sehen wir, daß während die Piaffe nach Brot und Freiheit be - gehrt, die polizeiliche Macht sich womöglich ver - stärkt. Sittenpolizei, politische Polizei, Gewerbe- polizei — welchen Umfang haben diese Organisa - tionen im Klassenstaat angenommen! Das ist ein Anachronismus; das steht in Widerspruch mit der modernen Entwicklung und wird bantm auch auf bie Dauer nicht so weiter gehen können. tzDaß bie Macht bet Polizei im Staate noch eine so große ist, bazu trägt allerbings wesentlich ein gewisses Spießbürgerthum bei, bas sich den Bestand der Welt nicht denken tarnt, ohne daß es an jeder Straßenecke die Helmspitze des Schutz - manns blinken sieht. Wie große Staaten, um nur England anzuführen, ohne einen Polizeiapparat nach dem Muster des preußischen zu besitzen, überhaupt bestehen können, das ist solchen Leuten ein voll - kommen unlösbares Räthsel. Bei jeder Gelegenheit, wenn ihnen ein Streik unangenehm geworden, wenn ein Tumult stattgefunden, wenn ein Anarchist eine blutrünstige Phrase in die Welt geschleudert, schreien sie nach Vermehrung der Polizei und nach Aus - dehnung chrer Befugnisse. Sie tragen einen großen Theil der Schuld daran, daß es so kommen mußte, wie es eben gekommen ist. Ueber alle diese überlebten Dinge wird die Zeit - entwicklung hinwegschreiten. Wir nähent uns dem Zeitpunkte, der eine völlige Ueberlegenheit der intelli- geutereu Elemente unserer Bevölkerung in den Städten, in Handel und Industrie über die länd - liche und spießbürgerliche Rückständigkeit bringen wird. Haben wir erst das Bleigewicht der letzteren abgeschüttelt, bann treten wir in eine neue Epoche ein, beten erstes Werk es sein wirb, dem alten Polizeistaat ernstlich zu Leibe zu gehen. Von der Weltbnhne. Ans dem Reichstage. Berlin, 18. Februar. Der Reichstag ist jetzt bei dem schwerwiegendsten Kapitel des Reichshaushaltsetats, den Ausgaben für das Jieichs- heer, angelangt. Bei Titel 1, Gehalt des Kriegsministers, werden in der Regel die allgemeinen Klagen dorgebracht. Fast alljährlich eröffnet der Ultramontane Herr Lingens die Debatte. Dieser fromme Herr ist sehr um die ewige Seligkeit der Soldaten besorgt, und so viel die Heeres - leitung sich auch nihren mag, religiös zu sein und den christlichen Geist in der Armee zu pflegen, Herr Lingens bringt alljährlich den Nachweis, daß dem Teufel noch so viel Spielraum gelassen wird, daß er ganze Regimenter zur Hölle abführen sann. Unser Genosse Bebel brachte einmal wieder das Kapitel der Soldatenmißhandlungen zur Sprache unb wies mit Recht darauf hin, daß immer neues Material zu diesem Kapitel zusammengettagen wird, so lange der Willkür der Vorgesetzten ein weiter Spielraum gelassen ist. Me Mühe der höheren Kommandostellen, hierin Besserung zu schaffm, tverden vergeblich sein, so lange die Frivolitätstrafen für nicht begründet befundene Meldungen und die Allmacht des Vorgesetzten fortbestehen. Die Anforderungen im Dienste können so hoch geschraubt werde», daß jeder davon Betroffene sie als Mßhandlung empfindet, während sie objektiv bettachtet, nur strenge Durchführung des Dienstes sind. Da jeder Soldat mit Flicken, Putzen und ähnlichen Arbeiten, sowie mit einzelnen Dienstübungen, die ihm in Folge natürlicher Anlagen besonders schwer fallen, so gepeinigt werden samt, daß er zur Verzweiflung getrieben wirv, unterbleibm auch die Meldungen schwerer Dtißhaudlungm. Wenn früher bei den Klagen über Dtißhandlungen einmal nachge - wiesen werden konnte, daß es sich nicht genau so zuge- tragcn habe, wie cs dargestellt wurde, bann spielten bie Vertreter bet Armee bie Entrüsteten; nun hat aber bei bet Berathung ber Militärgerichtsordnung der General- aubitör Ittenbach über den Militärstrafprozeß Dinge borgetragen, bie durchaus nicht den That - sachen entsprechen. Unser Genosse wies ihm seine Unrichtig - keiten nach, worauf Herr Ittenbach später erwiderte, er habe sie einem amerikanischen Blatte entnommen, habe allerdings vergessen, anzuführen, daß dieses Blatt aus dem Jahre 1871 stamme. Was würden wohl die Herren von ber Militärverwaltung sagen, wenn man ttgenb einen skanbalösen Vorfall ans ber preußischen Armee anführen unb fest darauf bestehen würde, er sei borge« fallen und bann einige Monate später sagen würde: ich habe den Fall angeführt und Alles, was ich gesagt habe, ist wahr, nur habe ich vergessen, die Jahreszahl zu nennen, c8 war, wie ich zugeben will, vor 25 ober 30 Jahren. Genosse Bebel brachte an der Hand des schweize - rischen Etats den Nachweis, daß einige hundert Millionen jährlich gespart werden tonnten, wenn man zum Miliz- system übergehen wolle. Der Kriegsmmister von Goßler findet, daß es Mangel an Much ist, wenn die Mißhandlungen nicht gemeldet werden. Für dieses Herabgchen der moralischen Qualität, will er die Ausbreitung der Sozialdemokratie verantwortlich machen. Daß eS einem als Soldaten er - zogenen Menschen schwer fällt, sich einen Begriff vom bürgerlichen Leben zu machen, ist selbstverständlich. Er ficht Alles in bestimmten Rangordnungen abgestuft und hätt den Theil der Menschheit, der Generalsabzeichm trägt, für ein Stück höheres Wesen, dem man eS über - lassen muß, alle Mängel zu beseitigen. Sicht er nun, daß es dieser irdischen Vorsehung nicht gelingt, den Zweck zu erreichen, so greift er nach theologischen Vorbildern, zu dem Auskunftsmittel, daß hier der Teufel sein Spiel treiben müsse l Wie im Kopfe deö gläubigen Theologen der Teufel der Inbegriff alles Schlechten ist, so ist es beim Kriegsminister die Sozialdemottatie. Nur so ist eS zu verstehm, daß der Herr immer Behauptungen auf - stellt, bie zu beweisen er nicht den geringsten Versuch macht. Würben bie Sozialdemokraten nicht diese eigen - artige Geistesverfassung als Entschuldigung gelten lassen, dann tonnten sie sich durch derartige Behauptungm be - leidigt fühlen unb verlangen, bet Herr solle wenigstens einmal ben Versuch des Beweises macken. Aber so bös - artig sind ton nicht. Wir find in Glaubenssachen tolerant unb lasten Jeben in feinem Glauben selig werben. Da ber Kriegsminister nun einmal glaubt, daß der böse Feind Sozialbemokratie alles Schlechte schafft, so motten wir ihm auch biefen Glauben lassen, zumal wir wissen, baß man auf biesern Gebiet Strenggläubigen nicht mit Vernunftgründen beisammen sann. Unser Genosse Kunert brachte eine Reihe von Klagen über bie Behandlung ber Arbeiter in den Werk - stätten der Anneeverwaltung, sowie übet ben Sonntags - dienst beim Militär vor. Auch in ben Werkstätten herrscht strenge militärische Zucht. Etwaige Klagen sotten nach streng vorgeschriebenem Jnstanzenzug vorgebracht werden. Ein Verfehlen in ber Form wird bestraft. Nun beschäftigt man aber in ben Werkstätten weder Juristen, noch professionelle Beschwerdeführer. Oft sind die beßen Arbeiter eines Berufszweiges bie unbeholfensten Menschen in schriftlich formalen Dingen. Es bürste auch schwer satten, im ganzen Deutschen Reiche eine Arbeits - ordnung aus Privatbetrieben auszutteiben, in welcher Strafen auf f 0 r m e 1 1 nicht richtig angebrachte Wünsche und Beschwerden gesetzt siitd. Also nach dieser Richtung sind die Staatsbettiebe Musterbettiebe. Interessant war die Mittheilung vorn RegierungStische, daß bei ver - schiedenen Kategorien von Arbeitem Maximal» grenzen für Löhne bestehen. Werden Akkordarbeiten ausgegeben, unb biefe gehören nicht zu den Seltenheiten, bann nützt bie größte Geschicklichkeit und der über« ttiebenste Fleiß nichts, über diese Maximalgrenze darf der Arbeiter nicht hinauskommen. Machen aber die Arbeiter durch Fleiß unb Geschicklichkeit die Rechnungen der Kalkulatoren zu Schanden, bann hilft sich die Ver - waltung mit Lohnabzügen und zerstört die Hoff - nungen der strebsamsten Arbeitsbienen. Dieses Hülfs - mittel wirkt so sicher, daß schließlich die Kalkulatoren Recht haben. Minimal arbeite tag und Maximal lohn paßt auch sichtlich bester in das gegenwärtige System, als der auch von konservativen Soziaipolitikern, wie Rodbertns, angestrebte Minimallohn und Maximal - arbeitstag. Einst toäumten die Konservativen von einem sozialen Königthum. Die Praxis hat diese Träume gründlicher zerstört, als die schärfsten Kritiker unb größte» Pessimisten es sonnten. Hier wirb selbst gegen den banalsten Grundsatz der Manchestermänner gesündigt, denn daß auch hier dem freien Spiel der Kräfte Schranken gesetzt werden sollen, wird auch vom verbohrtesten Bourgeois nicht gebilligt, da sie dem Arbeiter immer sagen, er könne durch Fleiß und Geschicklichkeit ein Vermöge» erwerben. Dieser Grundsatz wttd in den „Diusterwerkstätteu" des Reiches aber in das dttekte Gegencheil verkehrt. Auf die Auflösung des Reichstages wird, wie bie Berliner „Volksztg." „aus guter Quelle" erfährt, in Regierungskreisen mit einige Bestimmtheit gerechnet, da bie Schwenkung ''<‘3 ®' :tnire in der Marinefrage dazu ben Anlaß giebt. „Ma., »»mn.-t an, daß sich das Zen- ttum, obgleich es an sich nichts gegen die Höhe der Marineforderungen emzuwenden hat, doch gegen das Septennat erklären werde. Die R e g i e t u g will aber in diesem Punkte nicht nachgeben, und so würde die Wahlkampagne nach Auflösung des Reichs - tages unter der Devise der Flottenvermehrung eröffnet werde». Gegen das letzte Drittel des März hi» glaubt man eventuell die Entscheidung falle» zu sehe». Als Auflösmigstag würde sich sogar, so sagt man, der 22. März empfehlen, ba man alsdann im Wahlkampfe von flottenfreudiger Seite die Manen des verstorbenen Kaisers Wilhelm I. aufrufen zu können meint, denen zu Liebe „erhalten werden muffe, waö er geschaffen habe," und wie es ähnlich zur Begründung des Paiizerseptennats heißen würde!" Die „Volksztg." meint: „Daß man sich davon einen besonderen Effekt verspricht, ist schon glaub - lich. Daß man sich aber ben Effekt täuschen wirb, ist gewiß." Auch die Gerüchtt über eine Auflösung des preußi - schen Abgeordnetenhauses und die Voniahme von Neu - wahlen vor den Reichstagswahlen erhalten sich in parlamentarischen Kreisen. Ein weiteres Symptom für die baldige Vornahme ber Reichstagswahlen meldet das „Berliner Tagebl.". Demselben wird aus Stuttgart geschrieben, daß ha8 dortige Ministerium des Innern an die bürgerlichen Kollegien ber Städte des Wahlkreises, in welchem eine Ersatzwahl für ben verstorbenen Abg. Frhru. v. Giilt- lingc» stattzufinden hat, die verttauliche Anfrage gerichtet habe, ob im Bezirk eine Strömung für die Vornahme einer sofortigen Neuwahl wahrzunehmen sei, ober ob bie Wahl mit ben allgemeinen Wahlen vorgenommen werben solle, ba ber neue Abgeorbnete kaum noch an ben Berathungen bes Reichstages theilnehmen könne. Aus ber Anfrage geht her - vor, baß nach Ansicht der Württembergischen Regierung die Neichstagssession sich schwerlich noch über ben Monat März hinaus erstrecken wird. Die Großindustriellen fangen an in ber famosen „Sa mm el Politik", bie ben extremsten agrarischen Forberungen als Vorspann dienen sott, ein Haar zu finden. Der bekannte Generalsekretär des Zenttalver- bandes deutscher Industrieller, Abg. B u e ck, der schon vor einiger Zeit ber Saminelpolttik unter der Devise: Erhöhung der Getreidezölle seinen Segen gab, erklärt in einem Artikel der „Deutschen Jndnstrie-Ztg.", die V er« ständigungsversuche zwischen Industrie und Landwirthschaft seien gefährdet, nachdem bie Agrarier ihre Pläne so unverhüllt fjaben hervortteten lassen. Bueck begründet bies mit ben Reben des Grafen Kanitz und den Beschlüssen deö beutfrfjen Landwirthschaftsraths, welche festgelegte Tarife entschieden verwarfen. Ebenso habe Gras Kanitz auf dem Dresdener Parteitag der Konservativen erflärt : „Die Zwangsjacke der Handels- verttäge muß „so bald als möglich abgestteift werden". Auch in der Hauptversammlung des Bundes der Land - wirthe am 1. b. M. stellte besten Direttor Dr. Diedrich Hahn unter dem „Bravo" der Hörer fest, daß der Bund der Landwirthe jede handelspolitische Bindung durch Ver- ttäge auf lange Jahre hinaus auf das Entschiedenste zurückweise. Diese Vorgänge erweisen, daß die agrari - schen Führer der HandelSverttäge Überhaupt und ins - besondere Tarifverttäge imbebingt verwerfen. Durch diese Stellungnahme werden die Interessen der Jndustne durch - aus pretSgegeben." „Wie Abg. Möller im Abgeordnetenhaus» am 11. Fe - bruar hervorhob, steht und fällt bie Industrie mit der Aufrechterhaltung unserer Han - delspolitik „BiS dahin hatte die Landwttlhschafi nur Widerspruch gegen bie künftige Bindung ber Ge- t r e i b e z ö l l e erhoben. An anderer Stelle wird dar - über zu mischeiden fein, ob eS möglich ist, Tarifverttäge ohne Bindung der Getteidezölle mtt Ländern zu schließen, die Getteide ausführen wollen, um damit ihre Einfuhr an Jndustrieerzeugnisten zu bezahlen. Der Schwerpunkt der Frage wird auch vollkommen verrückt, wenn er in die Bindung der Getteidezölle gelegt wttd, et liegt viel - mehr in der Höhe deS gebundenen Zolles. Die In - dustrie (nämlich Die wirthschaftSpolitischen Freunde des Abg. Bueck) hat aber oft genug erklärt, daß sie »ach Ablauf der Verträge eine, ben Verhältnissen ber Land- wirthschaft entsprechend« Erhöhung der Getteidezölle unterstützen würde. Auch Die Landwirthschaft habe ein Interesse an fest jebunbenen Zöllen, wie bie blutigen Brollrawalle und >ie Herabsetzung der Getteidezölle in Italien darthun. „Doch Alles daS zu erwägen, ist Sache der Regierung unb der Landwirihe: hier handell eS sich darum, fefl- zustellm, daß die Führer der Letzteren jede Bindung irgend welcher Tarife, wie bie Tarifverttäge selbst, un= bebingt zurückweisen." „Weiter wird von den agrarischen Führern die sofortige Kündigung unserer SDtciff be - günstig unggberträge verlangt. Auch diese Forderung richtet sich gegen daS dringende Interesse der exportirenden Jnbustrim. ES wttd seinerzeit beim Ab- lauf der Verträge zu erwägen fein, ob die Meistbegünsti - gung künftig nach anderen Grundsätzen als bisher ge - regelt werden muß. Eine vorzeitige Kündigung ber MeistbegünstigungSverttäge aber würbe unserer Industrie bie Möglichkeit deö Wettbewerbes in höchst wichtige» Absatzgebieten abschneiden unb sie schwer schäbigen. Eublich kann ber Widerstand der Landwirthschaft unb besonders bet agrarischen Führer gegen bie Erweiterung der Verkehrsmittel durch einen planmäßige» Ausbau von Wasserstraßen nicht unbeachtet bleiben." Am Schlüsse des Artikels heißt eS, die Hattung der agrarischen Führer sei fast misna^nslos bisher von der Landwirthschaft mit Beifall begrüßt und gebilligt worden. „Die Industrie wird reiflich zu erwägen haben, ob ihre vitalsten Interessen eS ihr unter ben bargelegten Verhältnissen gestatte», sich der Landwttch- schaft aiizuschließen, ober bem Rufe nach Sammlung zu folgen, bevor nicht vollkommen unanzweifelbar«, sichere Anzeichen bafür vorliegen, daß bie Landwirthschaft nicht beabsichtigt, den agrarischen Führern in ihrer gegen die Interessen der Jndustne gerichteten Haltung weiter zu folgen." Herr Bueck will also vorläufig nun erst noch er - wägen, ob ein Zusammengehen mit den Junkern noch möglich. Von ba bis zu bem Entschluß, ben Kampf gegen bie agrarischen Anmaßungen aufzunehmen, ist noch weit. Man hofft bei ben Großindustriellen noch, daß die Junker sich zur Diabhaltung werden überreden lassen, damit Schlotjunker unb Krautjunker gemeinschaftlich die Steuerzahler scheeren können. Aber es scheint unS kaum benkbar, baß bie Plötz und Konsorten zurückgehen, nachdem sie ben Mafien ihrer Anhänger wahr« Wimder- chate» versprochen habm. Die „Kreuzztg." macht ben Herrn Bueck schon recht unverblümt barauf aufmerksam, inbern sie erklärt: „Auf „vollkommen unanzweifelbare sichere Anzeichen", wie er sie verlangt, wirb ber Abg. Bueck vergeblich warten. Aber auch in ben ihm nahestehenden Steifen dürfte man feinen blinden Eifer als berufsmäßiger Jnterefienvertteter der Industrie nicht für opportun er - achten . . . Auch der Abg. Bueck wird nicht in Zweifel stellen können, daß die Erfolge der nordamerikanifchen Handelspolitik auf dem autonomen Tarif und auf derVeriragSlofigkeit beruhen, also auf zwei Vorbedingungen, die auch die agrarischen Führer in Deutschland im Interesse ber Gesundung der Handels - politik des Reiches für nothwendig erachten." Wenn die Industrie mit der Aufrechterhaltung der Verttagspolitik steht unb fällt, die Agrarier aber bie VerttagSlosigkeit wollen, bann giebt es eine Verstänbigung zwischen beiden nicht. Mtt b-'r „Sammlung" hat eS also vorläufig gute Wege. MiguclS Geist beherrscht die prmßische Verwalttmg und wirkt auf allen Gebieten, daS zeigte sich am 17. Februar im preußische» Herrenhause auS Anlaß einer Anfrage deS Herrn b. Woyrsch, was die Regienmg ge - than habe ober thun wolle, um Unglücksfälle auf bem Bahnhof Arieg zu verhütm, wo vor einem Monat eine Gräfin Pfeil, ihre Tochter unb ihr Kutscher schwer verwundet worden sind, weil eine Barriäre nicht geschlossen und der Platz schlecht beleuchtet war. Der Eisenbahn- minister bedauerte natürlich diesen Unfall, meinte aber, ber Wiberstand der Stadt Brieg sei schuld, daß die Bahnhofsanlagen, über die man seit Jahren verhandle, bisher nicht verbessert seien. Wenn die Stadt nicht nach - gebe, werde er den Bahnhof ganz verlegen. Gegen diese Drohung gegen Städte, die sich den finanziellen An - forderungen der Regierung nicht ohne Weiteres fügen, protestirten eine Reihe von Bürgermeistern. Herr Schmieding theilte mit, daß in Dortmund die Stadt sich auch weigere, einfach die Forderungen des Ministers zu erfüllen. Sehr drastisch schilderte Herr Zweigert, daß, wie er nach Berlin kommt, um über die Essener Bahnhofsverhältnifie zu verhandeln, er nicht den Eisen - bahnminister, sondern einen Kommissar des Finanz- ministers angettoffen habe. Der erklärte ihm kurz - weg: „Sie müssen ^.400000 zahlen, sonst be kommen Sie keinen Bahnhof." Der Ober - bürgermeister hat ihm geantwortet: „Nicht ich fahre bie Leute tobt, sondern ber Minister." Sie haben sich bann geeinigt, aber Herr Zweigert meinte, wenn in den Sin« sprächen an bie Stabte so fortgefahren werbe, so würden sich noch viele Katastrophen ä la Brieg ereignen, unb dann habe man bie Klagen an ben Finanzminister zu richte». DaS wollte ein Kommissar des Ministers nicht gelten (affen, aber gleich erhob sich bet Oberbürgermeister von Aachen, Herr Veltmann, unb bezeugte, daß es ihm ganz ebenso ergangen sei. ES ist bas ein Beitrag zum System Miguel unb seinem Grundsatz: Die Städte können zahlen. Hamburg, welches feit Jahrzehnten an einer beispiellose» Bahnhofsinisöre leidet, könnte auch ein Lied von preußischer Eismbahn-Finanzpolitik fingen I Die Polizei unb ihre zahlreichen „Mißgriffe", über die das preußische Abgeordnetenhaus in ben' letzten Tagen verhandelte, geben dem „Hamburger Corresp." Anlaß zu einigen Ausführungen, die darum interessant sind, weil fie in dem Senatorenblatt stehen, welches sonst gegen eine „schneidige" Polizei nichts einzuwmden hat. Zunächst konstatirt der „Correspondent", daß sich der Tadel gegen die Polizei in verhälüiißmäßig milder Form vollzog und nur der freisinnige Abgeordnete Brömel den scharfen Ton anschlug, „der auch nach dem Urtheil ruhiger Männer und Frauen in dem vorliegenden Falle wohl am Platze sein mochte". Weiter heißt c8: „Das Resultat war denn auch kaum, wie man e8 hätte wünschen müssen, sowohl was die fachlichen Zugeständnisse anbelangt, als hinsichtlich der Tonart, die man am Regiernngstilche für angezeigt erachtete. Hinter gewissen nebensächlichen Einzel - heiten der zur Erörterung stehenden Fälle, einigen Ueber - treibungen der fritifirenben Presse und dem allgemeinen Begriff der Staatsautorität, die zu den Beschwerde- puntten in gar keinen Beziehungen steht, wurde mehr oder weniger geschickt die Thatsache versteckt, daß es sich hier um eine Reihe von Erscheinungen handelte, die in frappanter Uebereinstimmung auf eine prinzipiell falsche Stellung der Polizei im bürgerlichen Leben schließen lassen und außerdem auf bedenkliche Unregelmäßigkeiten und Willkürlichkeiten in den Funktionen ihres weitverzweigten Apparats." Natürlich ist nach dem „Hamb. Torr." auch das Publikum, welches eine Aversion gegen die Polizei hat, mitschuldig an bem unerquicklichen Verhältniß. „Aber es unterliegt doch auch keinem Zweifel, daß diese prinzipiell falsche Stellung der Polizei grade in Preußen gleichsam in ein System gebracht geworden fit, und zwar in ein so straffes System, wie es nun einmal in Preuße» Üblich ist. Und dieses System hat gestern weder der Minister noch sein Geheimrath preisgegeben, obwohl eS sich grabe in ber letzte» Zeit und speziell in den zur Diskussion stehmden Fällen gezeigt hatte, daß es zu ben schroffste» Zusammenstößen mit ber öffentlichen Meinung, dem RechtS- und Anstandsgefühl weiter Volkstteise führt. Frhr. v. d. Recke ist cm Politiker, der auch in seiner sonstigen amtlichen Thätigkeit bisher noch nicht allzu viel Sinn für die Macht und Bedmtung der öffentliche» Meinung gezeigt hat, unb es war deshalb vielleicht nicht zu erwarten, daß es grabe bei biesern Anlaß ge - schehen werde. Aber wir könne» doch nicht Untertassen, darauf hinzuweifen, daß grabe der „Kurs", der vom preußische» Ministerium des Innern gesteuert wird, zu wiederholten Malen außerordentlich nächtheitig auf bie politische Stimmung im ganzen Deutschen Reich gewirkt hat. Unb in eben diesem Sinne muß es wirken, daß gestern in dem schroffen Ton preußisch- büreaukratischer Unfehlbarkeit Dinge ver - theidigt wurden, die nun einmal nicht zu vertheidigen, kaum zu entschuldigen sind Es ist das unter allen Umständen ein schwerer taktischer Fehler." Der „Hamb. Corr." zeigt hier wieder einmal einen Mangel, ben et auf andere» Gebieten, wie wir schon mehrfach konstatirt habe», bemerke» ließ: Die politische Uebersichtigkeit. Er sieht Fehler unb Mängel i n ber Ferne, nicht aber in unmittelbarer Nähe. Ge - wiß, bie Kritik, welche er an den preußischen Polizei- verhältnisse» übt, ist berechtigt, mehr als berechtigt. Aber warm» in die Ferne schweifen ? Warum erhob beim ber „Hamb. Corr." seine Stimme nicht, als z. B. ber Hamburger Polizeiwachtineistet Schmidt in Funktion blieb, trotzdem er unter einer schweren Anklage stand V Der Man» hat schließlich dreizehn Monate Gefängniß wegen schwerer Delikte zudiktirt erhalten, aber die dabei enthüllten „Gcheiuinisse der Wachtstiche" haben ben ?Corr." durchaus nicht in die Enttüstung versetzt, bie ihm jetzt, ba von Preußen die Rede ist, so schön steht. Und wie verhielt sich das Senatorenblatt im Februar vorigen Jahres, als die berühmten Polizeiattaken gegen Kinder, Frauen unb Greise ftattfanben? UebrigenS hütet sich auch heute ber „Corr.", auf bie Quelle berPolizeiübergriffe einzugehe». DasSvstem, wonach die Polizeiorgane sich a»8 der Kaserne, ans den Militärmiwärtem refrutiren, ist in Hamburg dasselbe tote in Preußen. Hier greife baS einflußreiche Blatt ein, wenn eS ihm um die Sache Ernst iftl Ter „grobe Unfug" hat schon wieder in einem neuen Fall herhalten muffen, Arbeiter an einer Ver - tretung ihrer Interessen zu tauber». An die Arbeiter der „Königin Mariahütte" in Cainsdorf bei Zwickau i./S. wurden Flugblätter vertheilt, in denen die Arbeiter auf« gefordert wurden, die von der Direktion ber Hütte aus- gelegte Petition zu Gunsten der Marine-Vorlage nicht zu unter jcidntcn. Darauf erhielten einige der Flugblatt- verbreiter folgenden amtshauptmannschaftlichen Straf - befehl, ber werth ist, zur allgemeinen Kenntniß gebracht zu werben: „Laut Gensbarmerie-Anzeige habe» Sie am 24. Januar 1898, Abends in der 6. unb 7. Stunde, in Cainsdorf vor den drei Portierhäusern der Königin Marimhütte an Arbeiter dieses Werkes Flugblätter mit der Ueberschrift: „An die Arbeiterschaft der Königin Dtarienhütte in Cainsdorf" vertheilt, in denen dem Direktorium bet Königin Maricuhütte vorgeworfen wttb, bah es bie Arbeiter zur Unterzeichnung einer bie Annahme ber Marinevorlage bezweckende» Petition zu bewegen versuche unb in denen wettet behauptet wirb, daß „der Arbeiter" die Kosten der Marin cd or tage auf« bringen müsse, wie überhaupt alle Kosten für den Militarismus bem arbeitenden Volke durch indirekte 7 Steuern abgepreßi würden. Da diese Flugbläner, oeren Inhalt in keiner Weise der Wahrheit entspricht, geeignet find, die Arbeiterschaft gegen das Direklorinm der Königni Marienhütte wie gegen andere Klasse» der Bevölkerung in einer ben öffentlichen Frieden gefähr - denden Weise aufznrcizm und die Vertheilung zur Zett deS Schichtenwechsels, also zu Zeiten befonberen Menschenandranges unb ohne Rücksicht darauf erfolgte, ob dem einzelnen Arbeiter am Empfange des Flug - blattes etwas gelegen war, so wird wegen Verübung groben Unfugs auf Grund von Nr. 380,11 des Ncichs- SttafgefetzbucheS gegen Sie hierdurch eine Geldstrafe von M. 30 festgesetzt, im Falle der Uneinbringlichkeit hat an deren Stelle Haft in der Dauer von 6 Tagen zu treten. Zwickmt, 8. Februar 1898. Königliche Amtshauptmannschaft Dr. Schnorr v. Carolsfetd." Wenn c8 richtig wäre, daß der Inhalt des Flug - blattes nicht der Wahrheit entspricht, so würde dic Amts- hauptmannschast von Zwickau genug Strafgesetzbuchs - paragraphen an der Hand haben, um bie llebellhäter zur Strafe zu bringen. Die Amtshauptmannschaft sagt ja selbst, baS Flugblatt „reize gegen anbere Klassen bet Bevölkerung in einer ben öffentlichen Frieden gefährdenden Weise auf". Warum zieht man den Herausgeber unb bie Verbreiter nicht wegen dieses schweren, mit hoher Strafe bedrohten Deliktes vor Gericht? Der „Vorwärts" hat das Flugblatt cingeschen, aber darin weder einen Ver - floß gegen den Aufrciznngöparagraphen »och sonst irgend etwas Sttafdares zu finden vermocht, lind weil nichts SttafbatcS darin ist, aber die löblichen sächsischen Behörden sich durch daS Flugblatt uiiangcnehm berührt fühlen, beziehentlich annehmen, daß irgend Jemand anders sich dadurch unangenehm berührt fühlen könnte, so muß der „Grobe Unfug", das „Mädchen für Alles", herbeigezogen werden. SÜaS noch besonders in'ö Gewicht fällt, ist, daß die sozialdemokratischen Arbeiter ihr Flugblatt zur Abwehr eines gegen sie gerichteten Angriffes verbreitet haben. Und zwar handelt es sich um einen Angriff von nicht weniger als gentlemanlifer Art. Die Direktion der „Königin Marienhütte" hatte die Petition in ihrem Kontor aufgelegt und ließ „ihre" Arbeiter zum Zweck deS Unter - schreibens hereinkontmeit. Ob eine solche Pression auf die abhängigen Arbeiter sich nicht hundert Mal eher als „Grober Unfug" gualifizirm dürfte, als die Wwehr der Arbeiter dagegen? Freilich, Freunde für die Marinevortage werden weder durch solche Machenschaften der Kapitalisten noch durch die eifrige „Grobe UnfugS"-Hülfe den fächstschm VerwaltimgLbchörden gewonnen toerben I Die ungarische Regierung ist bemüht, bie Quelle der Erregung zu verstopfen, und sie hat — der Wiener „Arbeiter-Zeitung" den Postdebit entzogen, das heißt, sie hat der ungarischen Post tierboten, das Blatt, wen» cs in Kreuzband an langt, den Abnehmern zuzustellen. Andere- besagt ber Postdebit nicht, wenn cs auch fteilich nicht unwahrscheinlich ist, baß die Bubapester Polizei, bie in letzter Zeit so tteffliche Proben ihres Einbrccher- talentS gegeben hat, das Verbot dahin erweitern wirb, daß fie auch die Blätter in Kouverts stehle» wttd. Die ungarischen sozialistische» Blätter werde» emfach konsiSzirt, und damit meint man, den ungarische» Arbeiter von jedem Zusammenhang mit der internationalen Sozial - demokratie loszuttennen. Solche Narrenideen paffen ganz gut zu jener blödsinnigen Auffassung, die man in Budapest vom Sozialismus hat. Die zu Ministern ge - wordenen Panduren meinen nämlich ganz ernstlich, ber Sozialismus sei eine Sache, die man verbieten könne, und wenn nothwendig, auch a b f d) a f f e n müsse. Daß sich hier gesellschaftliche Nothwendigkeiten aussprechen, ist ihnen ein chinefischcS Dorf. UebrigenS stellt sich jetzt mehr unb mehr betau», daß bie „Gewaltthaten" der Dauern, welche bas Ein - schreiten deS Militärs und sogar die Erklärung deS Standrechis rechtfertigen sollten, weil übertrieben, wenn nicht vollständig aus der Luft gegriffen find. In Kiralytelek im Szaboleserkomitat sind drei Bauern, darunter auch der Dorfrichter, verhaftet worden. AIS Ursache dieser Maßregel weiß ber „Pester Lloyd" an - zugeben, daß ein Drohbrief, der auf einer Weinstand« aufgeftedt war, den Dorfrichter bewogen habe, als sozia - listischer Agitator aufzuttetenl Als etwa achtzig bis hundert Bauern vor das Gemeindehaus kamen, um bie