Nr. 48. 12. Jahrgang. Hamburger Echo. Da» „Hamburger Vcho" tridjrint täglich, außer Montag». Der AbonnementSprriS (inN. „Die Neue Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. brt Poft, tatalog» 3172) ohne Bnngegeld vierteljährlich JtL 4,20; durch die «olportöre wöchentl. 3« aJ frei in'« Hau». Ciiijelne Siummcr 6 aJ. Sonntag«.'Numiner mit illustr. Sonntags-Beilage „Die Neue Welt" 10 aJ. Bcrantivortlicher RedaltSr: Gustav Waberöky in Hamburg. SouuaScnd, Bett 26. Februar 1898. «nzetgeu tttrtm die sech»gespaltene Petitzeile oder beten Raum mit 80 aJ, für den VlrbcitSmarkt, Der» miethuug». und Familieuanjcigr» mit 20 4 berechnet. ««icigeu-Annahmc m der Sprtitton (diS 6 Uhr ftlbdS.». sowie i» (ämmU Anaoncen-Vüreau«. Redaktion und Expedition: «rohe Dheaterftrahe 44 in Hamburg. Hierzu eine Beilage. Der Prozeß Zola. Ein böscS Geschick scheint über Frankreich zu schweben. Die Halbjahrhundertfcier seiner Februar - revolution, die der Korruptionswirthschaft LouiS Philipps ein Ziel setzte, leitet eS ein mit der Ber- urtheilung eines Mannes, dessen flammende Empörung über die niederträchtigen Intriguen einer militärisch- chauvinistisch -antisemitischen Klique — denen ein wahrscheinlich unschuldiger Offizier, der Hauptmann DreyfuS, zum Opfer gefallen, während dieselben Zntriguanten den wahrscheinlich Schuldigen, Major Esterhazy, durch eine militärgerichtliche Justizfarce haben freisprechen lassen — ihn vor daS Schwur - gericht gebracht hat. Zola hat beleidigen wollen, ober nicht, um die Ehre der in Frage kommenden Personen zu verletzen, sondern um ein Gerichtsver - fahren gegen sich selbst zu erzwingen, damit die Wahrheit an den Tag komme und dem ver - letzten Recht Genugthuung werde. Der verfolgte Zweck ist vorläufig nicht erreicht; aber der Weg zum Ziel ist trotzdem gebahnt, wenn zu hoffen ist, daß daS öffentliche Gewissen Frankreichs erwacht, sich freimacht aus dem Taumel der schlimmsten Leidenschaft, in den eine verbrecherische Stimmungs - mache es seit Monaten systematisch hineingezerrt hat. Zola hat sich geirrt, nicht in seinen Anklagen, wohl aber in seiner Beurtheilung der Grenzen, bis zu welchen die französische Regierung in Gemein - schaft mit dem französischen Generalstabe fällig sein würde, im Interesse der „Staatsraison* Recht und Gesetz mit Füßen zu treten. Zola hat sich weiter geirrt in Bezug darauf, wie weit ein Gericht sich in den Dienst der politischen Gewalten stellen und für bereit Zwecke mit unverhüllten Rechts - verletzungen vorgehen werde. Glaubend an seine gute Sache, hatte Zola das Vertrauen, daß das Gericht sich zum Hort der Gerechtigkeit machen und der Wahrheit zum Licht verhelfen werde. Wie sehr hat er sich getäuscht! Nie ist von einem Gericht — und wir sind doch gewiß nicht verwöhnt worden, zumal in den letzten Jahren — mit so kaltblütiger Niedertracht das Recht unterdrückt worden, um den herrschenden Gewalten gefällig zu sein. Es ist ein schneidender Hohn, die Prozedur vor dem Pariser Schwurgericht noch mit dem Namen Recht - sprechung belegen zu wollen. Wo so schamlos das Recht des Angeklagten vergewaltigt worden, um zu verhindern, daß er Licht in die dunkle Angelegenheit bringe, wegen der der unglückliche Dreyfus für Lebenszeit auf der Teufelsinsel schmachten soll, da sollte flammende Schamröthe in Aller Wangen steigen, die noch ei» Fünkchen Gefühl für Ehre und Ge - rechtigkeit haben. Daß dies nicht der Fall, daß im Gegentheil ein rasender Pöbel mit und ohne Glaeshandschuhe der unverschämtesteii Rechtsbeugung Beifall znjubelt, ist eine tief traurige Erscheinung; sie ist erklärlich nur dadurch, daß eine niederträchfige systematische Hetze diese Menschen in absolute Besinnungslosig - keit hiueingetricben hat. Aber noch trauriger ist, daß sich nicht die öffentliche Meinung in inipoitirenber Weise gegen dieses widerliche Treiben empört und den von intriguirenden Militärs und Pfaffen auf - gestachelten antisemitisch-chauvinistischen Pöbel in die Schranken weist. Das gestattet keinen frohen Aus - blick in die nächste Zukunft Fraickreichs. Wo sich die Regierung und ihr Anhang erlauben dürfen, mit frechem Muth die unerhörtesten Ungesetzlichkesten zu vertheidigen und wo die berufenen Schützer des Rechts nichts Anderes mehr sein wollen als die Schergen der Gewalt, da sieht es trostlos aus. Um sich die ganze Gemeinheit der neuesten Pariser Justizkomödie zu vergegenwärtigen, muß man sich in'S Gedächtniß zurückrufen, welche Beschuldi - gungen zu dem Prozeß gegen Zola geführt haben. In seinem seinerzeit in der „Aurore* veröffentlichten Briefe formulirte Zola seine Anklagen folgender - maßen: „Ich klage den Oberstlieutenant Pellieux an, der diabolische Urheber des GerichtSirrthums gewesen zu sein, und zwar nnwiffentlich, dann aber sein Werk während dreier Jahre durch die absonderlichsten und schuldbarsteu Machenschaften vertheidigt zu haben. Ich klage den General Mercier an, durch seine Geistesschwäche sich der größten Ungerechtigkeit dieses Jahrhunderts mitschuldig gemacht zu haben. Ich klage den General Billot an, Beweise der Un - schuld Dreyfus in den Händen gehabt, sie aber unterdrückt und so das größte Verbrechen an der Menschlichkeit und Gerechtigkest auf sich geloben zu haben, um den belasteten Generalstab zu retten. Ich klage die Generale BoiSdesfre und Gonse an, an demselben Verbrechen mitschuldig zu sein, der Eine wegen seines leidenschaftlichen JHerifaliSinuS, der Andere wegen seines Kastengeistes, für ben das Kriegsgericht eine unantastbare heilige Arche ist. Ich klage Pellieux und Ravary an, eine verbrecherische und ungeheuerlich parteiische llittersuchnng geführt zu Haden; diese Ungerechtig- kest leuchtet förmlich aus dem Berichte Ravarys hervor, der ein Denkmal naiver Anmaßung ist. Ich klage die drei Schriflkundigett im Prozesse Esterhazy an, lügenhafte und betrügerische Berichte ausgearbeitet zu haben, wenn nicht eine ärztliche Untersuchung beweist, daß sie äugen- oder geisteskrank sind. Ich klage die Bureaus des Kriegsmiuisteriums au, in der Presse, besonders im „Eclair* und im „Echo de Paris" einen abscheulichen Feldzug geführt zu haben, um die öffentliche Meinung irre zu führen, und ihre Fehler zu decken. Ich klage das erste Kriegsgericht an, das Recht verletzt zu halten, indem es einen Unschuldigen auf Grund geheim ge - bliebener Beweisstücke vernrtheilte. Ich klage das -weite Kriegsgericht an, diese Ungesetzlichkeit auf Acfehl gedeckt und seinerseits da» Verbreche« be ¬ gangen zu haben, wissentlich einen Schuldigen freizusprechen." Zola fügte dem noch an: „Indem ich diese Anklagen formulire, weiß ich genau, daß ich gegen die Bestimmungen der Artikel 30 und 31 des Preß- gesetzes vom Jahre 1881 über Verleumdung mich vergehe, bemerke aber, daß ich mich freiwillig dieser Bestrafung aussetze. Was die Personen angeht, die ich anklage, so erkläre ich, daß ich sie nicht kenne, sie nie gesehen habe und gegen sie weder Haß noch Rachegesühl empfinde. Diese meine Hand - lungsweise ist nur ein revolutionäres Mittel, um den Ausbruch der Wahrheit undGerechtig- keit zu beschleunigen. Ich habe nur eine Leiden - schaft, die des Lichtes und der Wahrheit, handle im Namen der Menschheit, die so viel gelitten und die ein Recht auf Glück hat. Mein flammender Ein - spruch ist weiter nichts als ein Schrei meiner Seele. Man möge doch nur den Muth haben, mich vor ein Schwurgericht zu ziehen und möge die Unter - suchung im vollen Tageslicht stattfinden lassen. Ich warte." Die Anklage Zolas war eine so furchtbare, daß die Negierung absolut nicht ausweichen konnte und das gerichtliche Verfahrm gegen ihn einleiten mußte. Aber wie ging sie dabei vorl Sie griff einfach den letzten Punkt der Anschuldigungen allein heraus, wohl wissend, daß es schwer zu erweisen sein werde, daß das zweite Kriegsgericht, das gegen den notorischen Lumpen, Major Esterhazy, verhandelte, wissentlich einen Schuldigen freigesprochen hatte. Es war in dieser Beziehung ja wunderschön vor - gearbeitet dadurch, daß der militärische Untersuchungs - richter bei diesem Kriegsgericht, Ravary, seine An - klageschrift nicht gegen den Angeklagten Esterhazy, sondem gegen den Zeugen Oberst Picquart richtete, der es gewagt hatte, durch seine Nachforschungen nach dem wirklich Schuldigen in der Dreyfus-Sache die Kreise des großen Generalstabes zu stören. Bei solcher, mit jesuitischer Sophistik geleisteten Vorarbeit wurde ja das zweite Kriegsgericht förmlich ge - zwungen, an die Unschuld des Esterhazy zu glauben. Die Herren MSline, Billot und ihre Kumpane in dem gegenwärtigen französischen Ministerium, mite sammt den Leitern des großen Generalstabes, ben General Boisdefsre an der Spitze, müssen schon eine eiserne Stirn haben und gefeit sein gegen jedes Empfinden für Recht und Gerechtigkeit, daß sie es wagten, die viel schwererm Aicklagen gegen die Generale Pellieux, Mercier, Billot, Bois- beffre, Gonse, gegen Ravary unb bas Kriegs- ministerium, wie gegen bas Dreyfus-Kriegs - gericht einfach mit Stillschweigen zu übergehen und den einzigen Punkt herauszugreifen, der ihnen einigen Erfolg zu versprechen schien. Sie konnten auch das nur riskircn in der Gewißheit, einen Richter zu finden, der bereit war, sich zum Henkersknecht des Rechts herzngeben und der unerhörtesten Ver - gewaltigung eines Angeklagten seine Hand zu leihen. In der Person des Gerichtspräsidenten Delegorgue hat die Regierung ein würdiges Werkzeug ihrer schändlichen Pläne gefunden. Die Art, in der dieser „Richter" den Prozeß geführt hat, ist ein unauslöschliches Schand - mal für die französische Justiz. Wie ein schurkischer Lakai den Befehlm seines ebenso schurkischen Herrn folgt, so folgte dieser nwderne „Hüter des Rechts* den Wsichten der Regierung und beugte das Recht, um die unehrliche, lügnerische Politik der Regierung zu decken. Der „Mann deS Rechts* schien ein wahres Vergnügen daran zu finden, seine Parteilichkeit, seine Absicht, die Wahrheit zu unterdrücken, mit frecher Ssirn vor aller Welt zu bekunden. Diit einem Grad von Schamlosigkeit, der bisher in den Annalen der Justiz wohl uner - reicht dastand, verhinderte er gewaltsam Alles, was der Erreichung des Zweckes der flammmden Zola- schen Anklage: Licht in das Dunkel der Dreyfus- Sache zu bringen, dienen konnte. Dagegen durften die Generale, die als Zeugen erschienen, sich in den theatralischsten Tiraden über die „Ehre der Armee" ergehen, sie konnten ungehindert bei ihrer Ehre schwören, daß Dreyftis gerecht verurtheilt sei, und dazu allerlei dunkle Drohnngen ausstoßen, dieselben Generale, welche sich in Schweigen hüllten, wem: sie in Bezug auf dieselbe Sache um positive Thatsachen befragt wurden. Sobald die Ver - theidigung eine Frage stellte ut Bezug aus Dinge, über welche die Generale soeben halbe Stnnbm lang sich in pathetischen Redensartm ergangen hatten, fuhr der ehrenwerthe Herr Gerichtspräsident da - zwischen. Dagegen hatte er kein Wort des Tadels, als der jämmerliche Esterhazy sich in beleidigendster Weise gegen die Vertheidigung benahm; schmunzelnd ließ sich dieser nette Richter das provozireudeSchweigen dieses Zeugm gefallen. Ein unerhörter Skandal war c8 auch, daß der GenchtSpräsident es duldete, daß daS Zuhörerpublikum einen wahren Terrorismus im Gerichtssaal ausübte. Auch das gehörte zu dem schimpflichen Spiel. Die Geschworenen, die das Schuldig ober Nichtschuldig zu sprechen hatten, mußten mit allen Mitteln be - einflußt werben, um das gewollte Schuldig heraus - zupressen. Um daS zu erretdjen, wurde ja auch von außen auf sie mit den allergemeinsten Mitteln ein- gcwirkt, so iwch zum Schluß mit der in anonymen Briesen ausgestellten Behauptung, den Geschworenen seien für die Freisprechung Zola? je 10 000 Franks geboten worden. Es ist kein Wunder, daß die aus dem nie sonderlich mit scharfer Urtheilsfähigkeit begabten Klein- diirgerthum entnommenen Geschwormen sich schließ - lich den Glauben an die Schuld Dreyfus', die Un - schuld Esterhazys, die unantastbare Ehrlichkeit des großen Generalstabes und der einzelnen Mitaktöre bei den Intriguen, und baimt an bie schwere Schuld Zolas {uggeriren ließen unb Letzteren schuldig sprachen. Unb nachdem das geschehen, paßte es völlig in d«S Gcsainmtbild diese« Rattenkönigs pro - zessualischer Tragikomödien, daß dieser eisenstirnige Gericht für Zola auf daS höchste zulässige Strafmaß erkannte, ohne bie von ihm verfolgte edle Absicht im Mindesten in Berücksichtigung zu ziehen. Ein passender Schlußstein zu diesem Denk - mal der Schande. Aber wir glauben, daß die Männer, die heute in Frankreich an der Regierung sind und die durch Veranlassung dieser unerhörten Justizfarce schweres Unrecht im Interesse der „Staatsraison" zu decken sich bemühten, sich täuschm werden, toenn sie glauben, die Sache damit au8 der Welt geschafft zu haben. Heute mag man den rasenden Pöbel - massen den Glauben beibringen können, die Sicher - heit und Existenz Frankreichs hänge davon ab, daß Dreyftis als schuldig gelte. Was in Wirklichkeit die ftanzösische Regierung veranlaßt, lieber das schwerste Unrecht zu dulden, als offen f.'arbeit über die Dinge zu verbreiten, steht heute noch nicht völlig fest. Allein die Furcht, den großen Generalstab bloßzustellen, kaun es allein kaum sein. Die Rücksicht- uahrne auf auswärtige Mächte kann in Bezug auf Deutschland und Italien nicht mehr in Frage kommen, nachdem von Seiten beider und von autori - tativster Stelle aus erklärt worden ist, mit dem Dreyfus-Handel nichts zu schaffen zu haben. Bleibt nur noch Rußland. Unb da scheint utt? in ber That ber wunde Punkt zu liegen. Nachdem die Russenfreundschaft mit so viel Pomp unb hoch - trabenden Sieben, mit Kaiser- unb Präsidentenreisen in Szene gesetzt worden ist, wäre es für die fran - zösische Regierung freilich ein beschämendes Ein- gestäudniß, von seinem „besten Freunde" im eigenen Hause bespitzelt worden zu (ein. Müßte das als Thatsache offen zugegeben werden, so würde der chauvinistische Russenrausch wohl schnell verrauchen; mit seinem Verschwinden wäre aber auch das Schicksal dieser Regierung besiegelt. Herr Meline und seine Kollegen kämpfen also offenbar um ihre Existenz als Negierung. Daß sie sich solch schmachvoller Mittel dabei bedienen und sich nicht besinnen, Frankreich in der Achtung der ganzen Welt herabzusetzen, um ihren persönlichen Interessen zu dienen, das ist das Derdammenswerthe. Und das Schlimmste für bie Regierung ist, daß sie trotzbem es kaum wirb hindern können, daß in bie Dreyfusaugelegenheit Licht gebracht wirb. Als un - umstößliches Resultat des Z..laprozesses steht das Eine fest: Dreyfus ist verurtheilt worden auf Grund eines Schriftstückes, das weder er selbst, noch sein Vertheidiger zu Gesicht bekommen hat, und das noch obendrein gefälscht worden ist zu dem Zwecke, ben Angeklagten zu verberben. Welche neue Schuld will die Regierung noch auf sich laben, um nunmehr noch bie Revision des Dreyftisprozesses zu verhiubern? Sie hat wahrlich an ber bisherigen schon genug zu schleppen. Ader solche Schulb bleibt nicht ungerächt. Vor fünfzig Jahren jagte bas Pariser Volk bas korrupte Bürgerkönigthum zum Teufel. Wann wirb es sich soweit ermannen, mit eisernem Besen auch das kor - rupte Gesindel, das heute Frankreich „regiert*, hin- wegznfegen? Der fast endlosen Reihe der schänd - lichsten Skandale ist durch bie jämmerliche Justiz- farce ber letzten vierzehn Tage die Krone aufgesetzt worden. Es ist Zeit, daß das französische Volk sich auf sich selbst besinnt und ein Ende macht, ehe es zu spät ist. Von der Weltbühne. AuS dem Reichstage. Berlin, 24. Februar. Wie im Gebiet der Mode Jahrzehnte alte Sachen plötzlich ganz modern erscheinen, so werden im politischen Leben alte Fragen durch ein unvorhergesehenes Ereigniß aktuell. Im Mai 1820 brachte der damalige Abgeordnete Dr. Hirsch einen Gesetzentwurf ein, durch welchen, wenn er Gesetz werden würde, die Gewerkschaften und Berufsvereine Rechtsfähigkeit erlangen sollten. Differ Entwurf wurde damals an eine Kommission verwiesen, die ihn dann zwar als Material benutzte, aber an der Hand der Biaterialien fiir das Bürgerliche Gesetzbuch einen ganz neuen Gesetzentwurf misarbeilete. Durch die Auflösung des Reichstages im Mai 1893 kam es nicht zu einer zweiten Lesung. Seit 1893 ist nun in feder Session der Eniwmf jener Kommission als Jnitiativanwag sowohl von den Freisinnigen als vom Zentrum eingebracht worden. Die Freisinnigen sind ihrer alten Tradition getreu geblieben und haben den Entwurf auch in dieser Session in alter Fassung wieder eingebracht, während daS Zentnim seinen Antrag dem Bürgerlichen Gesetzbuch anpatzte. AuS dem ZeiitruuiSentwurs such alle Besiimmmigen sortgelassen, die durch da« Bürgerliche Gesetzbuch geregelt sind, unb ebenfalls ist der Entwurf in Form und Ausdruck mit jenem Gesetz in Uebereinstimmung gebracht worden. Die Frage selbst ist also sehr alt. Aber durch den Erlaß deS Grafen PosadowSky ist dieselbe plötzlich brennend geworden. Und so kam es, daß heute sehr lange Sieben gehalten wurden. Der freisinnige Abge - ordnete Dr. Sch ne ibet begründete zunächst seinen Entwurf. Da die Freisinnigen in der Theorie die Be - rechtigung der Arbeiter zur Gründung von Gewerk - schaften anerkennen, so führte der Antragsteller Alles vor, was für seinen Entwurf spricht. Er sieht in der Gewerk- schaftsorganisatiou ein Alittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Da er die gegenwärtige Gesellschafts - ordnung als Ideal betrachtet, ist selbstverständlich der Sewerkschaftliche Kampf das Mittel, die letzten berechtigten Forderungen der Arbeiter zu erfüllen. Der Zentrumsabgeordnete Spahn, der den An - trag deS Zentrums vertrat, betrachtet ben Entwurf als eine nothwendioe Ergänzung deS Bürgerlichen Gesetz - buches. Er hob mit vollem Recht hervor, daß ohne cm solche» ErgänzlMgSaesetz durch da« Bürgerliche Gesetzbuch ganz unhaltbare Zustände geschaffen werden würden. Je besser eS den beiden Rednern gelang, diesen Nachweis zu erbringen, beste schärfer verurtheilten sie damit selbst die Haltimg ihrer Partei bei Schaffung deS Bürgerlichen Gesetzbuches. Die nothwendige Ergänzung hätte man bei Berathung dek Gesetze« vornehmen sollen. Schon in ber ersten Kommission, also vor fast zwanzig Jahren, hatte ein Milz lieb dieser Kommission, Professor Sohm, Anträge eingebracht, wodmch Berusbvereinen volle Frei - heit unb volle Rechtsfähigkeit eingerämnt werben sollte. Diese Anträge stießen auf den Wiberstanb der preußischen Regierung. Der Geheimrath Knebel setzte eine voll- fläiibige Knebelung ber Berussvereine durch. Später hat bie zweite Kommission und bann der Reichstag eine Milderung eh treten lassen. In der ReichSiagSkommissson hatten unsere Genossen die Sohm'schen Anträge wieder eiiigebracht. Wenn damals die Freisinnigen unb daS Zentrum die Anträge unserer Genossen unterstützt hätten, daun hätte man durch das Bürgerliche Gesetzbuch daS erreicht, was jetzt durch cm EraänzungSgesetz geschaffen werden soll. Die Schärfe der ßnttf ber Herren Schneider unb Spahn traf daher nicht nur bie bestehenden Verhältnisse, sondern ebenso sehr ihre eigene Thätigkeit. Wie gewöhnlich bei Jnitiaiiv - Anträgen, war der BundeSrath außer durch ben Hausdiener nur durch zwei Räthe vertreten, die aber bei solcher Gelegenheit nicht reden dürfen. Da Gras PosadowSky unb die anderen Minister nicht anwesetid, war Herr v. Stumm wohl oder Übel gezwungen, seine Ansicht selbst zu vertreten. Der ganze Haß gegen die Selbstständigkeit bet Arbeitet kam m seiner Rede zum Ausdruck. Er will bie Be- thei'igung der Arbeiter an Organisationen zulassen, wenn dis Führung dieser Organisationen sich in Händen ber Unternehmer befindet. Auch übet bie kaiserlichen Erlasse vom *. Februar 1890 redete er und behauptete, sie seien ganz in »einem Sinne abgesagt Ein Maximal- arbeitvtag ist nach Stumm» Auslegung nicht darin ver - sprochen worden, denn wenn ein solches versprechen ge - geben worden wäre, hätte es doch in der Novelle zur Gewerbeordnung vom Jahre 1890 zum Ausdruck kommen müssen. Selbswerständlich donnerte er auch gegen bie englischen Arbeiterorganisationen u. s. w. Nach diesem Vertreter de« kurzsichtigen, kleinlich despotischen IlniernehmerthumS erhielt Rösicke da« Wort Rösicke besitzt sowohl sozialpolitische KennNriffe wie Gerechtigkeits- unb Billigkeitsgesühl, unb verfügt über ein guter Rednertalent. In mehr als Ijstündtger Siebe unterzog er den Freiherrn v. Sttrmin, dessen Rede unb sein System einer so vernichtenden Kritik, daß Stumm mit Snrnrunzeln wiederholt nach den unbesetzten Minister« sesselu blickte. Da bie Regierung sich dem Machtgebote Smmms unb des Zentralverbandes deutscher Jnbuitriellen gefügt hat, wurde auch sie getrosten. Wären Whniftcr dagewesen, bann hätten sie nicht umhin können, ben Ge - waltigen von Neunkirchen zu bedien. So mußte Stumm allem als Zielscheibe bienen. Rösicke hatte sich wohl ge - rüstet. Ot hatte für jede seiner Behauptungen Niatertal zur Hanb und konnte mit statistischen, sowie mit historischen Belegen nachweisen, daß weder die Industrie noch der Staat einen Rutzen aus dem gegenwärtigen Zustande habe. Rach SlösickeS Rede trat Vertagung ein. Am nächsten SchwerinStag werden unsere Genossen von Eüti unb Legien zur Sache baS Wort erhalte,!. Die Berathnng der Flottenvorkage in der Bübgeikommission hat vorläufig noch keinen Anhalt für ben AuSgang ber Sache geliefert. Die Ver - handlung war nur kurz unb beschränkte sich nach einer breiten Ausführung des Referenten Abg. Sieber auf einige Fragen an ben Staatssekretär Tirpitz, Antworten desselben und ftlrze Bemerkungen dazu. Da entzelue Erklärungen und Mittheilungen deS Staatssekretärs al« vertrauliche bezeichnet wurden, so läßt sich die DtS- kujfiün im Zusamaienhang nicht wiedergeben. D i e Oessentlichkeil hat aber auch, rote bie „Stets. Zkg.* bemerkt, nichts Wesentliche« baran verloren. Da« Bleiste davon sei längst bekannt aus der marineosfiziösen Presse, auS der „Nordd. Allgent. Ztg." und aiiS sonstigen Berösfentlichungm. „Dar Uebrige auS den vertraulichen SNi Theilungen blieb weit zurück hinter den Erwarntnaen, bie mau an diese Eröffiiiingen vielfach geknüpft hatte nach Maß - gabe der besonberen Slnfünbiginigcn, welche dazu schon seit ber Einbringung ber Flottenvorlage gemacht worden waren* ' In Beztig auf dieselbe Sache schreibt ein Mitglied ber Kommission bem „Vorwärts" : „WaS ber Herr Staatssekretär mittheilte, war zum Theil ganz interessant, daß eS aber mit der Vorlage überall in direkter Beziehung stand, kaun nicht behauptet werden. Es wurde auch nachher viel hm unb her ge - sprochen, wobei bald dieses bald jene« alS „sekret" er - klärt wurde, ohne daß sich ber eigentliche Grund dafür erkennen liefe. ES sollten Dinge mit dem Schleier des Geheimnisses umhüllt werben, bie Jedem bekannt sind, ber ein wenig sich mit diesen Fragen beschäftigt hat. Offenbar wollte man mit dieser Art der Verhandlung nach außen hin den Ein - druck erzielen, als handle es sich um Mittheilungen und Offenbarungen in ber Kommission, die von besonder- ausschlaggebender Bedeutung für bie Vorlage seien; davon kann aber gar keine Rede sein. „Die Verhattdlungen in bet Kommission werden, daS bars schon jetzt gesagt werden, keine Anhänger der Flottenvorlage abwendig machen und keinen Gegner be - kehren. Das einzige Interesse konzentrirt sich auf bie Ari, wie baS Zentrum unter Führung Lieber« seine Zu - stimmung zu ben Fvrberungen unb seine Nichtznstiinmung zu bem Flottengesetz näher niotiinrt und welche Stellung die Regierung zu letzterem einnhrrmt." Am Sonnabend soll bie Frage derBinbung de« Etat «recht« behanbelt ro erben, wobei man offenbar auf weitauSgefponnene Debatten rechnet, weshalb die Plenarsitzmtg des Reichstage« ausfallen soll. Wie Flotteupetttioiten im Auslande zu Stande kommen, lehrt ein dem Stuttgarter „Beobachter* zur Verfügung gestellter Brief eines Deutschen auf ber West - küste ©übamerifaS. Der Brief ist vom 2. Januar 1898 batirt unb enthält u. A. folgenden Abschnitt: „Vor 8 Tagen wurde 24 Stunden vor Abgang bet Europa-Post noch schnell ein Schriftstück in ber deutschen Kolonie zur Unterschrift feerumgetragen, in welchem die deutsche Regierung ersucht wird, zum Schutz der deutschen Interessen einen Kreuzer als Station-schiff nach der Weftküste Südamerikas zu schicken. Auch wir mußten natürlich mit unterschreiben, im Klub aber lachte man darüber, beim es war kein Geheimnife mehr, baß baS auswärtige Amt in Berlin an bl c deutschen Vertreter geschrieben hat, möglichst schnell bie nöthigen Schritte zu thun, bie Deutschen im Auslande zu veranlassen, Bittschrfften ein» jufenben, in benen zum Schutze der deuffchen Inlereffen um Kreuzer gebeten wirb; aber möglichst schnell!* Man maß gestehen, baß bie Herren in bet Re - gierung sich bie verzweifeltste Blühe geben, Stimmung für die Flottenprojekie zu machen. Ader konnten sie sich ernsthaft bem Glauben hingeben, daß dtese Bloche ver - schwiegen bleiben werde? Diese bestellte Ar - ve i t wird sicherlich nicht den Einbruck machen, den bie Regierung wünscht. Treffend konnte Dr. Lieber am Donnerstag in der Büdgeckommisfian sagen, die Aus - land-petitionen schmeckten durchaus nach dem r m ad e in Germany“ und entbehrten naiver Wesse jcver An - deutung darüber, was die Deutschen im Aus- lande zu ben Saften betautragen gesonnen sind, obwohl die Unterzeichner vielfach zu Wohlstand gelangt sind, zum Theil in Konkurrenz mit deuffchen Geschäften. Im Plenum de« Reichstages wird diese Pentionkfabrikaffcm wohl noch in ihrem Werthe ge - würdigt werden. Die UngltickSfälle int Bergba« haben am Donnerstag den preußischen Landtag beschäftigt, aber wie bei ber Zusammensetzung dieser eigenartigen „Volksvertretung* nicht anders zu erwarten war, ist die Sache aiiSgelaufen wie das Hornberger Schießen. Gegenüber den Erkläningen, welche der HandelSminifter v. Brefeld und die Vertreter der Bergbamuteressen über die in Preußen auf diesem Gebiete herrichenden Einrichlungm gaben (hoffentlich beschäftigen sich die Fachleute noch eingehend damit), ist es nicht unan - gebracht, zu konftatiren, daß Deutschland, und in diesem wieder Preußen hinsichtlich bet Hier« lhältnißzahl der Grubenunglücke au der Spille m a r s ch i r t. Ein eugltsches Fachblatt -Third Annual General Report upoe die Mineral Indus try of the United Kingdom“, bringt eine Ta - belle, welche die Zahl der auf 1000 Bergleute ent - fallenden Veruuglückuttgen nn Bergbau der wichffgsten Länder angiebt. Da ergiebt sich beim, daß 1896 in Großbritannien auf 1000 Bergleute 1,47, in Belgien 1,14, in Deutschland aber 2,18 unb in Preußen gar 2,24 Verunglückungen kamen. Dabei ist die Verhältmß- zahl gestiegen; 1892 betrug sie 2,04, 1898 aber 2,25, sank 1894 auf 1,88, um sich 1896 auf 2,12, 1896 gar auf 3,18 zu erheben. In England dagegen blieb sie stets west unter diesen Ziffern und hielt sich ziemlich konstant, 1,46 in 1892 und 1,47 m 189«. Dar vstl- geschmähte Belgien, dessen Arbeiterschuygesetze ja aller - dings saft Alles zu wünschen übrig lassen, ist hinsichtlich der Derhälmißzahlen weit besser gestellt al« Preußen ; eS hatte 1896 nur 1,14 Bet Unglück ungcn auf looo Bergleute. Wie lange soll dieser Zustand, daß das Land der sogenannten Sozialreform zugleich dos Land ist, wo das Leben ber Bergleute am meisten gefährdet wtrd, itoch anbauetn V Wie viel Menschenleben müssen noch zu Grunde gehen, bis matt sich entschließen wtrb, in der Berginspeknon die iwthwendtgen Reformen vorzunehmeii 6 Will maii sich noch lange begnügen mit t« Philosophie des preußischen HandelSminifter«: „Eins darf man niemals vergessen, ber Bergbetrieb ist nächst der Schiff - fahrt ber getähriichste Betrieb, den e» giebt Schon bie Romer sagten, man bars auf die Schifffahrt nicht ver - zichten trotz der Tobe»gefahr. Daiselbe gilt auch vom Bergbau. Wir müssen unsere Kohlen, Misere Erze, unsere Salze fördern, wir müssen sie produziren ungeachtet der Gefahr, aber unsere heilige Pflicht ist. bafür zu sorgen, daß mir, soweit es in unseren Kräften ist, für 1 die Arbeiter Alles thun, daß mir Alle«, was Erfahrung, was Praxis, waS Wissenschaft uns an bte Haub geben, verwerthen." Doch nicht einmal die Heranziehung von Arbeitern zur Grltbeninspeltion will man gewähren; da» zeigt, wie man ben letzten Satz aufjufaffen hat. Eine Mutiert) lifite KonfliktSheheret sieht bie klerikale „Germania" in bem lieblichen Borschlag ber „Hambg. Nacht.", bie den sozialdemokratischen Abgeord - neten gezahtte ttMetftütznng zur Bestreitung deS theuren Unterhalts in Berlin als Handhabe für den Versuch zu benuern, bie Sozialdemokraten au# dem Reichstage au#« zuschliefeen. Da« ZenirumSblatt bemerkt dazu: „ 18 e n n bte verbündeten Regierungen auf bisse Anreizungen bek Fürsten BiSmarck eingehen wollten, so würden sie unvermeidlich einen Konflikt mit beut Reichstage provoziren. Aber mir find überzeugt, daß sie da» nicht thun werben. Fürst BiSmarck wird sich doch selbst sagen müssen, daß bie Re - gierung keine Neigung baden kann, einen Konflikt einzu - leiten, oen Fürst BiSmarck selbst nicht ein - zu leiten wagte, obschon er schon einmal bie Privatbiäteilsrnge „angeschnitten* hatte und an« dem Bezüge von fßrivatdiaten bte Richtigkeit des Mandals herznleiten snchtt. „Sachlich und verfassungsrechtlich ist der Standpunkt des Fürstm BiSmarck durchaus >i n» haltbar. Der Reichstag hat das verfaffungSmäsiige Recht, die Legittmaffon feiner Mitglieder selbst zu prüfen, und diese« Recht ist eilt absolut-selb st ständiges, daS jeder Einwirftuig, jeder Korrekmr durch bie ver - bündeten Regierungen vollständig entzogen ist. Der Reichstag wird sich von diesem Rechte auch nicht ein Tipfelchen nehmen lassen. „Menn bet Artikel 82 ber Reichs Verfassung In den Worten: „Die Mitglieder de« Reichstages bfirfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung bezieheu*, alS ent Verbot msszufassen ist, so sann sich diese« Verbot rnn auf den Empfang von Diäten au« der Reichskasse beziehen. Das hat mich ber Abgeordnete v. Bennigsen inerfmint, als er am 16. April 1867 bei Beratdmig her ReichSverfassilug miSführte, daß durch bte BerfaffungSbeftiinmung bie Zahlung einer Entschädi - gung an einen Abgeordneten aus Privat mitteln nicht ausgeschlossen sein solle, unb Fürst Bismarck selbst hat am 16. April 1867 erklärt, baß ein Verbot ber Aufbringung einer Entschäbigung nicht in bet Verfassung stehe: „Es liegt in ber gelammt en Lage unserer Gesetzgebung, daß bie Regierungen ohne ein» strafgesetzliche Unterlage nm Demjenigen etwas zu ver - bieten Haden, dem sie etwa» befehlen Kirnen.* Ist es übrigens nicht auch eine „Entschäbigung* für bie Reichs« tagsmitgliedcr, daß sie Eis en d a h n .Freifohrkarten besitzen, bie Fürst Bisnmrck zuerst unb ohne Einschränkung cingefüfert hart „Reichstag und ReichStagSpräslbium sind auch gar nicht in ber Lage, zu prüfen, ob ein Ab - geordneter Privatdiäten bezieht, sie Haden lediglich die Legitimatstm nach den Scftimnningcn deS Wahlge - setzes zu prüfen unb zu entscheiden „ES verlohnt sich nicht, die „verfafftmgSrechtkichen* AiiSführuiigeit des Fürsten Bismarck in den „Hamb. Rachr.* einer weiteren Analyse zu nnterzieben Dieselben zerfallen in nichts, und nur bie Tendenz blecht übrig, einen Scheingrund zu konstruiren, um bie ver - bündeten Regierungen ober gar ben Kaiser selbst zu einem DerfassungSkonflikt und zu einem Konflikt mit dem Reichstage zu drängen. Nichts könnte grabe jetzt den Sozialdemokraten gelegener kommen, al« dieser Vorschlag de« Fürsten BiSmarck, nichts mürbe gefährlicher sein, als wenn auch nur der leiseste Versuch gemuckst wurde; ben Vorschlägen des Fürsten Bikmarck zn folgern* DaS Blatt dreht übrigen? ben Spi>st ttm, indem e« werter erklärt: „Sollen Reichstag und ReichStagS- präfibimit -venluell die Innehaltung de» Art. 82 der ReichSverfassuug nach den Jiitennonen b«$ Fürsten Bis - marck überwachen, warum beim nicht auch bie Inne - haltung deS Artikels 29 der Reichsverfassung, wonach die Dfitglieber deS Reichstage? Vertreter deS ge» sammten Volks finb 1 Dieser Arnkel würbe nach BiSmarckS Auffassung für jeden unbedingt g 0 uVer - ne m e 111 a l e n Abgeordneten die Richtigkeit bei Mmchats zur Folge haben; auch müßte jeder Abge - ordnete ausgeschlossen und mtt Entziehung seine« Man - dats bestraft werden, der etwa erklären würde: Ich bertrete hier die Interessen ber Lanbwtrthschaft oder ber Industrie. Grade der Arttkel 29 soll die Bildung von einseitigen Interessengruppen im RerchStoge verbieten, wie sie neurrbing« vom Bunde ber Landwirihe unter dem Patronat deS Fürsten BiSmarckangeftredt werden. St ben Fall, es würbe einmal eine Unterstuchmm an» t werben, welche Abgeordneten eine „® n t • schäbigung* beziehen, so müsste daS sich auf alle Abgeorbneten ohne Unters djieb her Parteien und auf alle Arten von „Entichäbigimg" beziehen. Der erste, ber dann nach Birmarck'sckem Rezepte mit der RichtigkeitSerklärimg seines Mandats bestraft werd n müßte, wurde der intime Freund des Fürsten BiSmmck, der frrifonferonrice Herr v. fiarborff sein. Herr Adg. v. Karborff hat nämlich an ben Herausgeber bet „Gartenlaube*, Herrn Ernst Keil tn Leipzig, einen Bries geschrieben, in bem eS heißt: ,,„Gs dürfte ziemlich Mannt sein, daß ich mich an industriellen Unterncfemimgcn nicht betfeeiligt habe, um Schätze zu sammeln, solidem lediglich um mir zu ermöglichen, ohne Lermögensverluste meine parlamen - tarische Thäligkeit wahrzuitehmeit."*