Nr. 179. 13. Jahrgang. Da« „Hamburger Echo" erfcfjeint täglich, außer Montag». Der Abonnemcntspreis (bin. „chic Neue Welt") beträgt: durch die Post bezogen (Nr. de» Post- katalogs 3248) ohne Bringcgeld vierteljährlich JH 4,20; durch die Kolportöre Wochen«. 36 4 frei in'» Hau». Einzelne Nunmier 6 4. Sonntags-Nummer mit illustr. Sonntags-Beilage „chic Neue Welt" 10 Verantwortlicher Ncdaktör: E. Heine in Hamburg. Anzeigen Donnerstag, den 3. Angust 1899. werden die fechSgespaltene Petitzeile oder deren Raum uiit 30 aj, für den Arbeit^markt, Ber» miethungS- und Familienanzeigcu mit 20 aj berechnet. Auzcigeu-Anuahme in der Expedition (bis ß Nhr Abds.), sowie in (üinuitl.Annonceu-Büreau». Redaktion und Expedition: Grosse Lhraterstrassc 44 in Hamburg. Hierzu eine Beilage- von 77 gesichert werden, welche nach 15 Jahren von UN g g c 1 u nicht mifhött, Stelle des durch die illcrfasimtg feftgrietzten Steuer- LaS einfachste Mittel dewilltguiigSrcchleS de« Parlaments die Noldverorouung So lange das E i n s ch m u zu sehen, kann in dem Aalle der neuen BerzehruugS» in u ß t e B i eh e in s ch m ug g l er wäre: jeder lv feder einzubcrufcn und zu versuchen, von ihm Die „Jade-Zeitung" vergißt, anzngeben, toelche drakonischen Strafen den L a n d w i r t y treffen sollen, nicht welche den Streik verhindern 'cm das eine Von der Weltbühne. drr aus- dem lungen und Unterlassungen zu vermeiden, welche zu billigen sind. daß Mittheilungen, die sie b l o ß st e l l e n, der Presse nicht gemacht tverden. Ta soll man bemüht sein, Hand- Rcichrraths nicht erhalten." Von einer „dringenden Nothwendigkeit", an dir kicher Versammlungen nach wic bor ungretgnrt erscheint." Ein Radikalniittcl gegen die Mauk- und Klauenseuche cmpsichlt die „Jade-Zeitung": __ öffentlichung bringen Iä{jt. Der Verfasser stellt sich die Aufgabe, auf der Gntndlage statistischen Materials zu prüfen, erstens, wie gross die Belastung der deutschen Industrie durch die Arbeiterschntzgesetzgebung ist, sodann, ob einer weitergehenden Arbeilerschuhgesetzgebung Be - denken entgegenstehcn in dem Sinne, als ob dadurch die Lebensfähigkeit der deutschen Industrie gefährdet würde. Dabei geht er von der Voraus - setzung aus, daß die Arbeiterschutzgesetzgebung nicht etwa nur eine einzig und allein ini Interesse bereits mitten in der „Revolution o b c n", in d er StaatS streichpolitik. Arbeiterschutz und Industrie. Schrankenlose Ausbeutung der wirthschaftlich abhängigen Arbeitskraft, d. h. vieler Millionen arbeitender Menschen, ist für den Kapitalismus das Mittel gewesen, sich zu entwickeln, seine Herrschaft auszugestalten und zu befestigen. In allen Ländern mit kapitalistischer Produktion ist die Ausbeutungs - praxis bis zur rücksichtslosesten Vernichtung des besten Theiles der Volkskraft gegangen. Der ver- sklawtc Arbeiter, sein Weib und seine Kinder wurden durch die Hungcrpeitsche gezwungen, dem Kapital ihre Gesundheit, ihre Bteuschenwürde, ihr Leben aufzuopfern. Herabgedrnckt in's tiefste Elend, in Unwissenheit und Laster aller Art, wurden die Arbeitermassen dazu verurtheilt, sich gradezu hin - morden zu lassen, nm die Habsucht gewissenloser Unternehmer zu ^befriedigen. Niemand schützte sie; die Staatsgewalt hatte lange kein Empfinden für sie, kein Verständniß für ihre Lage und die von Humanität und Knlturinteresseii gebotene Ver - besserung derselben. Bereits in's Ungeheure waren die fürchterlichen Folgen der kapitalistischen AuS- beutnugswirthschaft in England gewachsen, als dort die Einsicht Platz griff, daß es eine unabweis - bare, schleunigst zu erfüllende Pflicht der Staats - gewalt sei, dieser Wirthschaft im Interesse der Arbeiterklasse entgegenzutreten, der Verwüstung der Arbeitskraft durch gesetzgeberische Maßnahmen Ein - halt zu gebieten. So kam die Arbeiterschntz - gesetzgebung zu Stande, aber nicht, ohne daß das Unternehmerthum ihr die heftigste Opposition bereitet hätte. Da würbe behauptet, die Industrie könne eine Beschränkung der „freien Beifügung des Unternehmers über die Arbeitskraft", d. h. der Aus - beutungsfreiheit, nicht vertragen; sie müsse unter diesen Eingriffen der Staatsgewalt „zu Grunde gehen". Dieselben haltlosen, vom Egoismus diktirten Ein - wendungen wurden überall da erhoben, wo es sich später darum handelte, die Unternehmer zu Bei - trägen für den gesetzlichen Arbeiterschutz, Arbeiter- versicherung 2C. herauzuzieheu. In England, in Frankreich, in Belgien und hauptsächlich auch bei uns in Deutschland hat man diese Einwendungen vernommen und vernimmt man sie noch. Als die Krankenversicherung in Angriff ge - nommen wurde, hatte man sich abzufinden mit der vom Unternehmerthum, seinen Organen und parlamen - tarischen Vertretern ausgesprochenen „Befürchtung", die Industrie werde durch die ihr zugemuthete „schwere Belastung" erheblich geschädigt werden. Als die Unfallversicherung und sodanndieJuvaliditäts- und Altersversicherung hinzukam, wurde der „sichere Untergang unserer Industrie"prophezeit mit dem Bemerken, daß dieselbe „unter der riesigen Last der im Interesse der Arbeiter aufzuwendenden Mittel unmöglich konkurrenzfähig bleiben könne" und der Konkurrenz des Auslandes werde „erliegen" müssen. Es braucht hier nicht näher ansgefiihrt zu werden, daß das Gegentheil all' dieser Befürchtungen eür- getreten ist. Die Prophetie des kapitalistischen Egois - mus, der Unternehmer-Engherzigkeit ist von der Logik der Thatsachen ad absurdum geführt worden. Aber die Unternehmer und chre Diener in Presse und Parlament haben nicht anfgehört, Klage zu erheben über die „kaum erträglichen Lasten", die der Arbeitgeberschaft durch die Arbeiterversicherung „auf - gebürdet" seien. In Verbindung mit dieser Klage steht die über die „undankbaren" Arbeiter, die nicht zu würdigen wissen, was die Arbeitgeber für sie zn thun verpflichtet sind, vielmehr „trotz aller gesetzlichen, auf Kosten der Arbeitgeber geschehenden Fürsorge immer höhere Löhne fordern und immer weniger arbeiten wollen", zugleich auch „immer mehr gemeinsame Sache mit der Umsturz- partei machen". Man möchte gar zu gern den Glauben erwecken, daß die Leistungen der Arbeit - geberschaft für die Arbeiterversicherung wirklich ein „bedeutendes Opfer" darstellen. Da werden die Millionen vorgerechnet, welche für die Zwecke dieser Versicherung aufgebracht werden und Verwendung finden. Von den Leistungen, die'direkt ans Sofien der Arbeiter gehen, ist nicht die Rede. Auch nicht von den Milliarden, welche die Arbeiter im Dienste des Kapitals an Neuwerthen schaffen. Sa, wird dann weiter die „Nothwendigkeit" betont, mit der Arbeiierschutzgesetzgebiing innezuhalten. Schon öfter sind wir diesem Unfug entgegen - getreten unter Feststellimg der Thatsache, daß es eine Unwahrheit ist, zu behaupten, die Industrie bezw. das Unternehmerthnm sei berechtigt, Klage zu führen über „zn schwere Belastung" durch die Arbeiter - versicherungs- und Schntzgesetzgebung. Wir haben bnfiir überzeugende Zahlen erbracht, an denen sich nicht rütteln läßt. Eine sehr beaihtenswerthe Bestätigung unserer diesbezüglichen Darlegnng finden wir in einem Auf - sätze den der Fabrikdirektor Greißl-München unter den/ Titel: „Wirtschaftliche Untersuchungen über die Belastung der deutschen Industrie durch die Arbeiterversicherungs- und Schutz- gesetzgebung" in Schmöllers „Jahrbuch" zur Ver- der verabsäumt, den Ruö brach der Seuche unter seinen, Vieh zu melden. Diese Vemachlässigung der Anzeigepflicht ist schon oft die Ursache der Verbreitung der Seuche über ganze Kreise gewesen. Doch ein echter agrarischer Ordniingsmann starrt wie hypnotisirt nach der Grenze; sie muß gesperrt werden, selbst durch Henker und Zuchthaus. Ueber die Geldzuwendungen für Arbeiter- preußischen und Württembergischen Fragebogen, von denen jener bekanntlich das wirthschastlichc, dieser das hygieinische Element ausschließlich betont, ist eine weite Kluft, welche sich auch nicht durch offiziöse Stilübungen überbrücken läßt. Mit Fragebogen, welche nur über ein Theilgebiet Auskunft geben, läßt sich nicht ein einheitliches Bild ge - winnen, und das soll doch erreicht werden. Amtsverschtvicgcuhcit bei der Arbeiter- versicherung. Offiziös wird geschrieben: „Ver - schiedentlich sind über innere Vorgänge bei ben ausfnhrenden Organen für die reichsgefetzliche Arbeiter- versichernng M i t t h e i l u n g c n in d i e Presse ge - langt, welche nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren und die Geschäftsführung bet betreffenden Verwaltungen, ohne indeß Unwahres zu behaupten, blogge ft eilt haben. Nachdem deshalb kürzlich das Reichs- V e r s i ch e r u u g i a tu t feinen Beamten Ämtsver- Z» den sonderbarsten Einrichtnngeu Reaktionszeit gehört, wie die „Franks. Ztg." sühn, der preußische D i s z i p l i u a r h o s, sich jetzt anläßlich des F a l l e s A r o n s die öffentliche Aufmerksamkeit zugewendet hat. Das preußische Dis - ziplinargesetz auL dem Jahre 1862 versagt den Beamten die Garantien, die ihnen in anderen von Staat und Gesellschaft. Veranlassung zu feinen Untersuchungen hat ihm der Umstand gegeben, daß die soziale Gesetzgebung in Folge des Ein - spruchs und des Eiuwirkens gewisser industrieller Kreise in's Stocken gerathen ist. Die Belastung, die der Industrie durch die soziale Gesetzgebung erwachsen ist, berechnet Greißl so, daß er ermittelt, wie hoch sich die Belastung im Ver - hältnisse zu den gezahlten Löhnen beläuft. Er rechnet vom Hundert der Löhne und zieht dabei immer die nach dem Gesetz höchste mögliche Be - lastungsziffer in Betracht. So gelangt er zu folgendem Resultat: Im Durchschnitt beträgt die höchste BelastuugS- ziffer für den Arbeitgeber bei der Unfallversicherung 3 pZt. des Lohnes, bei der Krankenversicherung l'/s pZt., bei der Jiwaliditäts- und Alters - versicherung 1 pZt., zusammen 5 1 /* pZl. des Lohnes oder 5*/i Pfennig auf 1 Mark Lohn. In Pro - zenten ausged.ückt kommen demnach auf die Unfall - versicherung 55 pZt., auf die Krankenversicherung 27 pZl. und auf die Jiivalidiläls- und Alters - versicherung 18 pZt. Auch die Einwirkungen des Gesetzes über die Sonntagsruhe zieht Greißl in den Kreis seiner Uittersilchmigeu. Er berechnet, daß die dem Unter - nehmer aus der Eiiiführnng der Soimtagsrnhe er - wachsene Belastuiig 3 v. H. der von ihm im Jahre gezahlten Arbeitslöhne beträgt. Danach beläuft sich die gefammte Belastung der Industrie durch die soziale Gesetzgebung im weitesten Sinne auf 8 1 /» v. H. des gezahlten Arbeitslohnes. Die Frage, ob die Industrie diese Belastung ohne Schaden fragen könne, bejaht der Verfasser dnrchaus, indem er alle Faktoren berücksichtigt, welche für die Industrie und deren Entwicklung in Betracht kommen, Unternehmergewinn, Produktionskosten, Materialkosten, Konjunktur ec. Er erklärt, daß im Vergleich zu den güiistigen Endergebnissen der industriellen Arbeit die Belastung der Industrie durch die soziale Gesetzgebung so flut wie gar keine Nolle spielt. U. A. führt er ans: „Betrachten wir einerseits die Größe der gefundenen höchsten Belastimgsziffcr, 8t v. H. des Arbeitslohnes, und andererseits die Entwicklung, die die allgemeine Güterproduktion, insbesondere die gewerblich-indicstrielle, während der letzten fünfzehn Jahre genommen hat, so können wir zu keinem anderen Schluffe kommen, als daß Die Festsetzung der neuen Steuern ist der verhüllte Verfassungsbrnch; sie kann mit deutschen Staaten zu Theil werden, und legt die letzte Entscheidung in Disziplmarsachen in die Hände einer rein politischen Behörde: des Staats- Ministeriums. Um aber dem Staatsministerium etwas von dem Odium, das aus Absetzungen lastet, ab- zunehmen, ist vorgeschrieben, daß eS auf Entfernung aus dem Amte nur dann erkennen kann, wenn der Dis- ziptinarhof auf mehr als einen bloßen Verweis erkannt hat. In diesen Disziplinarhof müssen „ivenigsteuS" 4 Mitglieder des Kannuergerichts berufen werden. ES ist nun schon äußerst bezeichnend, daß die preußische 8lc= gierung sich auf diese Mindestzahl beschränkt hat; das richterliche Element ist soweit vertreten, wie es nach dem Gesetz unbedingt nothwendig ist, aber nicht mehr. Noch bezeichnender aber ist die Besetzung der 6 übrigen Mit - gliederstellen ; es sind hierzu ausnahmslos abhängige Ministcrialbeamte ausgesucht. Der Präsident war, als er berufen wurde, Unterstaatssekretär und behält nach seinem Ausscheideir aus dem Haiwtamte die Stelle, wie es scheint nur vorübergehend. Aber nicht einmal die vier richterlichen Mitglieder rcpräsentiren das richterliche Element im gewöhnlichen Sinne. Zwei von ihnen sind Staatsanwälte, d. h. Jnstizdeamte, die nie in ihrem Leben ein anderes als ein staatsanwaltliches Amt bekleidet haben dann aber in das Kammergericht und nunmehr als „richterliche" Mitglieder in den DiSziplinarhok be- „Man sieht auch nicht ein, warum das nicht geschehen könnte. Mochte man einer zu weit gehendm Verwendung feiner politischen Fähigkeiten, wie sie zur ZeU des Fürsten BiSmarck nahe lag, abgeneigt fein, so sieht man ebenso wenig ein, warum sie dauernd brach liegen und nicht wie andere ähnliche Kräfte an der rechten Stelle im Staatsdienst zur Verwendung gelangen sollen. Graf Bis - marck hat ja schon bisher die Verbindung der BiS- marcklchen Familie mit dem preußischen Staate weiter auffecht erhalten, und dem deutschen Volke ist eB gewiß ein lieberer Anblick, die Nachkommenschast seines poli - tischen Erziehers mitwirkcnd im Getriebe der Politik, als sie abseits desselben zu sehen. So würde, wenn von beiden Seite« die Sachlage ohne Empfindlichkeit ober Prätenston erwogen wird, sich gewiß ein gangbarer Weg zum Wiedereintritt des Fürsten finden." Dem Wunsche des deutschen Volkes wurde daS ganz gewiß nicht entsprechen. Aber daß es gewisse Sttömnngen und Parteien giebt, die sich nach dem Sohne des ersten Reichskanzlers sehnen, ist schon lange kein Ge - heimniß mehr. Gegen die Grrichtimg eines Arbeitsamts wird von osfiziöser Seile polemisirt. Die auch von uns bemängelte Verschiedenheit der Fragebogen, welche für die vom Reichskanzler veranlaßten Erhebungen über die Gründe und Wirklingen der Beschäfti - gung verheiratheter Frauen in den Fabriken hergestellt sind, ist, wie sich die miquel- offiziösen „Berl. Pol. Nachr. auszudrücken belieben, „von gewisser sozialpolittscher Seite" dazu benutzt worden, um die Errichtung eines Arbeitsamts für nothwendig zu erklären. Das offiziöse Organ bezweifelt die Zweck- mäßigkcst einheitlicher Fragebogen und bezeichnet es gegenüber bet Ungleichheit ber Arbeiter- u. s. w. Verhält- nisie in den einzelnen Bundesstaaten als einen Vorzug der gegenwärtigen behördlichen Organisation, daß diesen Verschiedeiiheiten auch bei Erhebungen Rechnung getragen werden kann. Zwischen lokalen Ungleich - heiten und dem im SYste in liegenden Unterschiede der Die Volksverficherung ein Mittel zur Linde - rung der „Leutenoth". Dr« Agrarier sind uner- müdlich im Ausfinnen von Mitteln, die geeignet sind, die Landarbeiter an die Gutskette zu legen. In bet lanbwirthschaftlichen Beilage ber „Elbinger Ztg." wirb ein neuer Vorschlag gemacht. Die Bolksversiche» rung soll als Mittel zur Heranziehunß braver Dienstboten und Tagelöhner bienen. Es soll durch dieselbe Arbeitern und Dienstboten ein „nettes Kapital" gesichert werden, das nach einer zu be- ftimmenben Anzahl von Jahren ausgezahlt wird. Es gethan. „ . , Es handelt sich um Mittheilungen über Vorgänge, I müßte für die (finliefernng eines Schmugglers eine be- die der öffentlichen Kritik dnrchcm« ein Recht deutende Prämie, etwa .tt. 200 für Jeden, ausgesetzt geben, sich ihrer zu bemächtigen. Keine Behörde, keine werden, und wer wissentlich eingeschmuggeltes Vieh kauft, Körperschaft hat einen sittlich-rechtlichen Anspruch darauf, müßte ebenfalls mit Zuchthaus bestraft werden. rufen wurden. „ . ,, . „ In dem „Gutachten" solch einer Körperschaft, e § mag aussallen wie es wolle, wird Niemand etwas Anderes erblicken, als ben HuSbrud bet Stim - mung, bie in ben maßgebenden Regiernngs- kr eisen herrscht. Denn die Sphäre, in ber die 3)!it- alicher des Disüplinarhofes athmen, ist im Wesenllicheu die Sphäre bei Ministcrialbüreaiis, und in Prozessen, in denen eS sich nicht um die Feststellung von Thatsachen, son - dern um bie Bewerthung von Meinungen Hanbelt, ist die Ueberzeugung des Einzelnen von dem Milien, in dem er lebt abhängig. Wenn die gedrückte Stimmung, die angcichlicklich im Kultusministerium lvegen der Affäre Arons herrscht, vom Staatsmiuisterimu getheilt wird, so ist es wohl möglich, hier den Wunsch hegt, durch ein glimpfliches „Gutachten des DisziplinathoseS von der Nothwendigkeit, ben äußersten Schritt zu thun, befreit zu werden, und bie [o ost vertagte Sache noch einmal zu vertagen — bis bie Scharfmacher beim ersten besten Anlaß von Neuem drängen. An ber Bloßstellung der preußischen Regierung würde auch ein vorsichtiges Gutachten des Disziplinarhofes nichts mehr ändern. Eine Regierung, die bei einem verhältnißmäßia un - bedeutenden Anlaß in vier Jahren es glücklich soweit gebracht hat, daß die angesehenste wissenschasiliche Körper - schaft des Landes sich in Konfliktsstellung begiebt, wobei ' ' ganze Staatsministerium mit hineiimerissen wird, ..... solche Regiermig hat sich in eine Sackgasse ver - rannt, aus der es nur einen Ausweg giebt: die gänz - liche Umkehr und die Rückkehr zu dem Grund - sätze von der Freiheit der Wissenschaft. dem § 14 der Verfassung vom 21. Dezember 1867 un - möglich gerechtfertigt werden. Dieser Paragraph lautet! „Wenn sich die dringende Nothwendig - keit solcher Anorbumigm, zu welchm versassungSmäßia bie 3 u ft i ui in u n g de« ReichSrathS erforderlich ist, z u einer Zeit heraus stellt, wo dieser n i ch t v e r s a m in c l t ist, so können dieseldm unter Verantwortung des GesamnilmiiiisteriiimS durch kaiserliche Verordimng erlassen werden, insofern solche keine Ab - änderung deS StaatSgrundgesetzes bezwecken, keine dauernde Belastung de« Staatsschatzes und keine Veiäußernng von Staatsgut betreffen. ... Die GesetzeLkrast dieser Ver - ordnungen erlischt, wenn die Regierung unterlassen hat, dieselben dem nächsten nach deren Kundmachung zusammeii- tretenden ReichSrathe, und zwar zuvörderst beut Hause bet Abgeordneten binnen vier Wochen nach diesem Zu- 1 ianunentritt zur Genehmigung vorzulegen, oder wenn dieselben die Geitehmigung eine« der beiden Häuser des Gedattken alt, es als ein Zeichen „erfreulichen Aufschwungs" zu betrachten, baß st r e i k e n b e Arbeiter in Maschinenindustrie, Baugewerbe rc. in ben letzten Monaten Sttinbenlöhne von 60 bis 70 „verlangt itnb auch bewilligt erhalten haben". Das ist allerbings ersteulich. Aber wie reimt sich die Bekundung ber Freude des offiziellen Blattes darüber zusammen mit der Zuchthausvorlage, ihrer Begründung und der samosett Denkschristlf Der „Reichsanzeiger" will mit dieser Aeußerung nur bas Bedürfniß ber Unternehmer, durch außerordentliche Zuwenbungm das Loos ihrer „Milarbeiter" zu bessern, in desto hellerem Lichte erstrahlen lassen. Daraus folgt eine Statistik der gespendeten Summen, die den Begriff der „Arbeiter-Wohlfahrt" etwas weil saßt. So sind z. B. Stiftungen für Kiitderfürsorge, Allenheime, Bürger- asyle, kirchliche Zwecke, Kunstpstege u. A. m. mitgeredjnct, wenn sie von Fabrikanten ausgehen, ohne daß zu sehen ist, inwieweit dies Einrichtungeii für Arbeiter betrifft. Ja, es findet sich sogar eine Rubrik für „Arineniinter- stützung im Allgemeinen", nur daß sie glücklicherweise noch nicht zur Ausführung gelangt ist. Darin spricht sich jene demagogische Gleichstellung von Arbeiter - Wohlfahrtszwecken mit bloßen Akten der sogenannten Wohlthätigkeit aus, bie der vom Geiste bet moberiten Zeit, vom Bewußtsein seines Rechtes und seiner Würbe erfüllte Arbeiter nicht vertragen kann und will. Der Arbeiter empfindet diese Art von „Wohlthätigkeit" als eine Entwürdigung, zumal er weip, daß sie in der Regel nur dem spekula - tiven Zwecke dient, ihn dem Unternehmer-Interesse noch mehr dienstbar zu machen. Der Arbeiter verlangt, durch entsprechenden Lohn, kürzere Arbeits - zeit rc. in bie Lage gebracht zu werden, verzichten zu können auf die Almosen der Unter - nehmer. Die vom .Reichsanzeiger" gebrachte Uebersicht geht so weit, sogar die Gew inn b e th e iligung ber Arbeiter in derselben Art aufzuführen unb eine einheit - liche Rubrik „Prämiengratifikationen, Gewinnantheile" zu bilben. Die Gewinndetheiligung ber Arbeiter ist aber eine Form ber Entlohnung und bars ebensowenig als Geschenk bezeichnet werben, wie bie Tantieme ber Direktoren. Die Gesammtleistung ist pekuniär nicht un» bebculenb: es sind im Ganzen 6,6 Millionen Mark gi. stiftet worben (gegen 6,8 Millionen im ersten Quartal), unb zwar von 134 Aktiengesellschaften 4,8 Millionen und von 42 privaten Arbeitgebern 1,7 Millionen. Weshalb geht der „Reichsanzeiger" nicht noch einen Schritt weiter unb bezeichnet auch ben effektiven Lohn als .außerorbentlicheZuwendung"» Die llngiiltigfeiteietfiäruufl bet Wahl des Herrn Lotze im achten sächsischen Reichstagswahlkreise wurde bekanntlich in erster Linie veranlaßt durch das unge - rechtfertigte B erb oi einerBerfammlung. Wer aber nun meint, die sächsischen Behörden würden vorstchttger in der ungesetzlichen Beschränkung der Wahl fein, hat sich gründlich geirrt. Es ist zu konstatiren, daß sie in ber alten Weise fortarbeiten. Ju ber „Sachs. Stirb.» Zlg." lesen wir: „Am Montag Abend sollte in Großzschachwitz in Lehmanns Restaurant eine sozialdemokratische Wahl - versammlung statffinden, in welcher ein Referat über bie bevorstehende Reichstagswahl i m Wohlsahrtözlvcrkk äußert sich nach dem „Nrbciter- freund" der „ R ei ch 8 an z ei g e r" im Geiste rück- ftänbiger patriarchalischer Grundsätze. Das offizielle Organ schließt sich — trotz ZuchihauSvorlage, die Belastung von 8, v. H. des .rr b e 118 «: 1^0^6111)00 nu8btürflidi nod.utaEikruf s genossen schäften gegenüber ihren Be- ‘~ M — i-v w er b e unb vn d ust r i e n irgendwie h emmend i „itter Androhung sofortiger Entlassuiig das Gleiche oder schädigend ei uw ir ken zu können, t - DieS beweist schon, daß es in ber gleichen Zeitperiobe j möglich war, trotz dieser Belastung die Löhne zu teigem, und zwar oft um bas Tovpelte und Drei- mchc dieser Belastung; dies beweist ferner die große Ausdehnung des Jndustrialisinus und die große auanti- tative Zmiahme der gesammten inbustriellcn (Suter» Produktion. Auch die Zunahme des Exports von j 3256 Millionen Mark auf 3786 Millionen Mark im Jahre 1897 ist ein Beweis, daß die erwähnte Belastung kein Hemmschuh für unsere Industrie ist." wird vorgerechnet, daß ein 30 Jahre alter Arbeiter, der achten Kreise angesetzt war. Am Spätnachmitiaa bis zum 60. Lebensjahr wöchentlich 20 4 zahlt, .H, 600 1 ging dem Einberufei ber behördliche Bescheid zu, daß ausgczahlt erhalten sann, wenn auch bet Arbeitgeber idle Versammlung v e r b o t e n (e i, weil da» be- 20 pro Woche zahlt. Mit einem Beitrage von 10 4 zeichnete Lokal wegen der geringen Größe der in pro Woche könne einem Dienstbolen eine S u m m e, Betracht kommcnben Räumlichkeiten zur Abhaltung öffent» zur Auszahlung gelangt Wörtlich heißt es bann in dein Artikel: „Sollte die versicherte Person früher sterben, so kann bie Versicherung auf einen anderen Dienst - boten umgeschrieben werden, falls man das anszuzahleude Kapital nicht den Hinterbliebenen zu ®ute kommen lassen will. Wird das Dienstverhältniß aus irgend einem Grunde aufgegeben, so behält natürlich die Herrschaft das VerfügnngS- recht über die Police." Mit echt agrarischer Dreistigkeit wird es alS „natür - lich" bezeichnet, daß bie Police in den Händen bcS Arbeitgebers bleibt, wenn das Dienstverhältniß gelöst wirb, trotzdem der Arbeiter ebenfalls ^Beiträge gezahlt bat Die Annahme, daß diese VersichenuigSart zur Lösung der Frage der Arbciternoth beitragen kann, wirb sich, wenn ber Versuch gemacht wird, als irrig herausstellen. Durch die geringe Aussicht auf eine kleine Geldsumme nach einigen Jahrzehnten werben sich bie Arbeiter nicht köbern lassen. Diejenigen, welche den ostelbischen ®e» falben den Rücken kehren, thun bas, um schon jetzt bessere Arbeitsbedingungen zu erhalten. Jiiiiniig unb Akkordarbeit. Eine Eingabe an das preußische Ministerium des Jinieru in Sachen d e r Nla urerarbeiten bei staatlichen Bauten hat die Berliner Bangewerksinnung abzn- senben beschlossen. Es soll eine Entgegnung auf ben s. Z. ergangenen Erlaß bcs Staatssekretärs Grasen PosabowSkch betreffend bk besondere Berücksichtigung bet im sogen. Gewerkschaftlichen Verein ber Maurer Berlins orgauifirteu A k ko r b a r b e i t er, fein. Tic Innung erklärt die auch vom Ministerium für öffentliche Arbeiten empfohlene Mvorzngung der Akkord- maurer für undurchführbar. Sie weist darauf hin, daß kaum 200 unter btit nahezu ROOO Maurern Berlins ständig in Akkord arbeiten und bie Solidität der Bauten bei der Akkordarbeit vielfach leiben müsse. Es sei auch unrichtig, führt die Eingabe weiter ans, bie Akkord- maurer alb besonders st n a t s t r e u e Elemente an» zaschen. Sie stäuben lediglich in ber einen rein ge» werblichen Frage ber Lohn- ober Akkordarbeit im Gegensatze zu den Sozialdemokraten, feien jedoch im llcbrigcu gleichfalls zum großen Theile Anhänger ber Sozialdemokratie und hätten z. B. vielfach am 1. Mai die Arbeit ruhen lassen. So passirt es also dem Grafen Pofadowskt), daß er in dieser Frage selbst von den tteuesten seiner Getreuen, ben zitchthansaesetzbegeisierten BaugewetkS • Innungs- Männern, im Stiche gelassen wird! Aber Greißl geht noch weitet. Et zieht noch Zeiten in Betracht, in denen die Industrie nicht so gut steht, wie jetzt. Auch siir solche Zeiten sagt er: „Bei der Höhe bet Belastung, wie wir sie gefunden haben, kann diese auch m Zeiten der wirthschaftlichen Stagnation keinen Hemmschuh der Industrie bilden, da für bas Blühen unb Niedergehen dieser letzteren eine Reihe anderer, mächtigerer Faktoren von Einfluß und Ausschlag sind, Faktoren, betten gegenüber bie Kosten ber Arbeiter-Versicherungs- und Schntzgesetzgebung ganz zurücktreteu, nämlich bie Faktoren, die die Ptets- bilbmtg und Gewinnbilbmig bestimmen." Schließlich zeigt Greißl, daß die deutsche In - dustrie bei ihrer Belastung durch die Arbeiterschntz- gcsetze vollauf im Stande ist, im Wettbewerb mit ausländischen führenden Staaten zu bestehen. Und er ermahnt, den gegenwärtigen Auf - schwung der Jndnstre zur Fortentwicklung dieser Gesetzgebung zu benutzen, denn grade jetzt sei die Industrie in der Lage, vermehrte Aufwendungen dafür zu machen. Dieses Urtheil eines mitten im industriellen Leben stehenden Mannes darf als ein sehr schwerwiegendes erachtet werden. Es darf wohl noch darauf hin - gewiesen werden, daß es Politiker giebt, die in tendenziöser Weise die Arbeiterversicherung ansspielen gegen Sozialdemokratie und organisirte Arbeiterschaft. Sie geben diese Versicherung als den Inbegriff aller Sozialreform aus und behaupten, dieselbe habe die Lage der Arbeiterklasse erheblich verbessert. Das ist ja nun allerdings nicht wahr; es ist ganz ausgeschlossen, daß die Kranken-, Unfall-, Jnvaliditäts- und Altersversicherung die Lage der Arbeiter als Klasse heben kann, denn ihre Wir - kungen erstrecken sich nur auf Theile dieser Klasse, auf ganz oder theilweise Erwerbsunfähige und die Angehörigen der Getödteteu. Auch für diese Theile ist die Verbesserung der Lage als Wirkung der Versicherung nur eine minimale. Aber das ist unbestreitbar, daß die Millionen, welche die Industrie dafür aufbringen muß, ihr auch wieder zu Gute kommen; sie fließen, da sie in der Form von Unterstützungen, Entschädigungen, Renten durchaus für die Befriedigung der nothwendigsten Existenz- bedürfnisse verbraucht werden, regelrecht wieder zurück, woher sie gekommen. Davon, daß diese Summen der Industrie verloren gehen, dem National- rcichthum entzogen werden, kann vernünftigerweise nicht die Rede sein. Was die im Dienste der In - dustrie erwerbsunfähig geioordenen und die Ange - hörigen der in diesem Dienste getödteteu Arbeiter dabei profitiren, das ist nicht mehr, als das Mini - mum dessen, was die Industrie ihnen schuldet. Der Sehnsucht nach Veränderungen in der Veaieruna hat der konservative „Reichsbote" m letzter Heit öfter Ausotuck gegeben. Jetzt spricht er hu An- ..... — ... , . fthluß an bu Bemerkung eines auswärtigen Blatte-vorn der Arbeiter bestehende Institution, sondern noth-: Wieder ein tritt _ b e 8 y u r ü c n .per b e r t wendig ist zu einer gedeihlichen Entwicklung Bismarck in den Staatsdienst und sagt. Dieses Verbot schlägt ben diesbezüglichen Intentionen beS Reichstages direkt in'S Gesicht 1 Der Reichstag hat ja eben klipp unb klar ausgesprochen, baß baS Reichs - tagswahlrecht nicht mit ganz unzulässiger Zuhülfenahme bes sächsischen „Juwels" eingeschränkt werden bars. Was geht die Polizei die Größe eine» Versammlungslokals an ? Sie kann das Lokal absperren. Wenn bie AintShcmptmannschaff ihren Grundsatz unbehinbert weiter durchführen könnte, so könnte man ja auf schöne Dinge gefaßt sein während der Wahl» bewegmig. Der Reichstag mürbe bann wiederholt Stellung nehmen müssen — für den alten Fritzen. Hoffentlich verschaffen die höheren Instanzen, die so - fort angerufen werben müssen, dem Reichstag ben nöthige» Respekt. Bemerken-werth ist, daß der Amts» Hauptmann selbst bas Verbot unterzeichnet hat. Staatsstreich und Protestbewegnng in Oester - reich. Am Dienstag fhib in Oesterreich bie neuen Verzehrungssteuern in Kraft getreten, die bas Kabinct Thun unter Anwendung des § 14 bet Verfassung mittels Verordnung auSgefchriebm hat. Wenn inan noch vor einigen Wochen sagen konnte, baS Kabinet Thun treibe auf den Staatsstreich, daS heißt den nackten Verfassnngsbcuch unb bie Er - setzung des Gesetzes burch ministerielle Willkür hm, so ist bas heute schon ein übermunbener Standpunkt: baS Vorspiel ist vorüber, Oesterreich best 11 bet sich einfach erschossen ober mit l e b c ii S I st 11 g«J steuern nicht bie Rede fein. Nichts stand tiufilJegt kichem Zuchthaus bestraft werden. Ruch den feit Monaten vertagten Reichsrattz die Steuerbewiliignug zu erlangen Graf Thun hat nicht ben geringsten Versuch in dieser Richtung gemacht. Seine Vertheidiger in ber offi - ziösen Presse machen geltend, ein solcher Versuch wäre luSsichtSlo» gewesen Damit ist aber zugleich ringe» tauben, daß Graf Thun gar nicht ernstlich daran denkt, den Reichsrath wieder einzuberusen, um ihm bie Ser» orbnungen zu nachträglicher Genehmigung vorzulegen. Diese wirb er noch weniger zu erlangen vermögen, als bie orbnungsmäßige Bewilligung. Denn inzwischen hat bie öffentliche Mein n n g 1 m ganzen Laube sich gegen die neue Steuer unb bie Art, wie sie m Staude gekommen, erhoben. Diese Erhebung hat, ntSbejoubere Dank des energischen Auftretens der So - zialdemokratie, solchen Umfang unb solche Kraft gewonnen, baß sich im Parlament keine Ma,orität mehr inben wirb, welche das Wagniß unternimmt, ber Regierung Sbeniniiät zu ertheilen. Kaum einen Ort in Oesterreich giebt es, ber von der Bewegung noch nicht ergriffen wäre. Die Behörden arbeiten luftig mit Ver- samtnlnugsverboten unb Auslösungen, ©ifiirung von Beschlüssen unb Konfiskationen ber Zellungen weiter. Daß sie mit allen bieitu Mitteln unb Miltelchen bte mächtige Volksbewegung nicht unterdrücken kömcm, fmiberti im Gegentheil nur mehr und mehr ansachen, sehen sie natürlich nicht ein. Arn Dienstag Abend fanden in Wien nicht weniger als s e ch S z t h n von sozialbemokrattscher Seite einte« rufene F r au e n v e r s a nt m l uii g e n statt, bie von vielen Tausenden besucht waren unb flammenden Protest gegen bie Zuckersteuer und bett Wahlrechtsraub erhoben. Vier biefer Versammlungen wurden wegen Angriffe gegen bie Regierung aufgelöst. Zu Straßeu- Lemonstrationen kam e» nicht, da die Polizei biennal sehr rücksichtsvoll war. Die Polizei mag eingesehen haben, daß eS für fle selbst am Besten ist, ihre Pöbelet aiifjiigeben. Am Sonntag hak ber Wiener Staats - anwalt, Herr »tlingspsr, nicht weniger alS drei Tageblätter konfiszirtl Ein ganz hüb - sches Tagespeusum I Selbst ein offiziöses Blatt ist unter das staatsanwaltliche Fallbeil gerathen, unb nur bie farafterlofen liberalen Geschäftsdlätter finden vor Herrn Äliiigspor Gnade. Nicht viel besser — so gang arg freilich nicht, beim nicht jede Stadt besitzt einen der - art talentvollen Herrn wie Wien — geht eS in der Pro - vinz. Die radikalen Wochenblätter kommen nach Wien mit fast leeren Spalten; ganze Sellen sind dem Konfaskationsmoloch zimi Opfer gefallen. Für die Pa - riser Weltausstellung wlld von Oesterreich auch eine Ausstellung der österreichischen Presse bar» bereitet. Die Wiener „Arbeiter-Zeitung" meint nun, durch nichts könnte ber Welt der Zustand ber österreichischen Presse besser vorgesührt werden, al» durch die Aus - stellung der Konfiskationen, die feit ber Kunbmachung ber ersten AuSgleichver» Ordnung verübt worben find. Darauswürbm die Kulturvölker am genauesten erfahren, was man noch am Ende dieses gesegneten Jahrhunderts einem mün - digen Volk zu bieten wagt Diese leeren Seiten unb Stellen, aus denen dem Betrachter nur da» österreichische Wort „KonfiSiirt" entgegengrinft, find wahrlich bie sprechendsten Dokumente über bie Freiheit „tote in Oesterreich" I „ES ist" — fährt unser Parteiorgan fort — „über - haupt ein großer Fehler, daß der österreichischen Preß» freihell nicht zu größerer Bekanntheit verholfm wirb. Man meint nämlich in Europa, Oesterreich fei ein moderner Kultur- und Rechtsstaat, und behandelt ihn auch als solchen. La baS aber ein großer unb schwer - wiegender Irrthum ist, so wäre eS sehr angezeigt, Oester - reich endlich den (hirobäetn in seiner ganzen, so herr - lichen Ursprünglichkeit aufzuzeigen. Jawohl, es giebt eine spezifisch „österreichische Kultur", und nie konnte man sie so gut studieren wie jetzt, wo sie wahre Orgien feiert. Konfiskationen, VersanimlungSverbote unb Auslösungen, die kaiserliche Verordnung vom Jahre 1854: das ist echtes Oesterreicherthunl I Wir regen allen Ernstes an, daß die anständigen unb unabhängigen Blätter — näm - lich jene, die konfiSzirt werden — eine Zentral - stelle für bat objektive Verfahren be - gründen mögen. Alle konstSzirteii Nummern wären zu sammeln, alle gerichtlichen Entfcheibunatt» im Preß-