Nr. 16. 15. Jahrgang. Ham burger Echo Da« „Hamburger Ech»" trfteint tägtid), außer Moulay«. Der AbouuementSprei'S (intl. „Die Neue Welt") beträgt: durch bit Post bezogen (Nr. de« Post- katalog» 3195) ohne Bnugegeid vierteljährlich M 3,60; durch die ftolpotlöri tvöchenll. 30 frei in'« Hau« Einzelne Nummer 5 4 Sonntags-Nummer mit illustr. Sountagr-Beilage „Die Neue Welt" 10 4- Verantwortlicher Redaktor' Gustav Wabcrsky in Hamburg. Sonnabend, den 19. Jannar 1901. Anzeigen werden die lechrgejpaltcne Petitzcile oder deren Raum mit 30 4- für den Arbcitsmarkt, VrrmiethnngS- und Aamilienanzrigen mit LO 4 berechnet. Anzeigen -Annahme in der Cxpcdilwn (bis 6 Uhr Abends), in den Filialen, sowie in sämmtlichen Annoncen-Büreau«. Redaktion und Ezpedition: Grohe Theaterstrahe 44 in Hamburg. iTt 11 n 11* H ♦ Nord-St. Pauli, Eimsbüttel, Langenfelde, Lokstedt und Eidelstedt bei Carl Dreyer, Belle Alliancestr. 54, pt. L, Eimsbüttel. Hoheluft, Eppcudorf, Eroh-Borstcl, Fuhlsbüttel, Ohlsdorf und Tllltlllll* Wiuterhude bei Ernst Großkopf, Lehmweg 51, Eppendorf. Barmbek, Nhleuhorst bei Tbeodor Petereit, Heitnmnnstraße 12, Barmbek. St. Eeorg, Hoheufclde, Borgfclde, Hamm, Hör» und Schiffbck bei Carl Ortel, Baustr. 26, Hs. 8, 1. Etage, Borgfelde. Hammerbrook, Rvtheuburgsort, Billwärder und Beddel bei Rud. Fuhrmann, Schmabcnstr. 33, Hammerbrook. Eilbek, NZaudSbck und Hiuscheufelde bei Franz Krüger, Sternstr. 36, Wandsbek. Altoua bei Friedrich Ludwig, Vürgerstr. 89, Altona. Otteuse«, Bahreufcld, Othmarscheu-Blaukeuese bei Johannes Heine, Erdmannstr. 14, Ottensen. Hierzu eine Beilage. Was macht Graf Posadowsky? Berlin, 17. Januar. Wenn Fürst Bismarck seinerzeit mit seiner uii- perglcichlichen Bosheit sich dahin anssprach, die Minister branchten nicht „dickfellig" zu sein, so muß man heute dem Grafen Posadowsky doch zugestehen, daß er gut gepanzert ist. Seit Tagen schon dreht sich die Debatte im Reichstage um das Gehalt des Staatssekretärs im Reichsamt des Innern, resp, wird die Thätigkeit dieses Reichsamts kritisirt, und selbst - verständlich spielen die 12 000 Mark immer wieder iu diese Debatte herein. Zwar hat der Staatssekretär noch gcalltwortet und sich zu vertheidigen gesucht; meist schweigt er sich jedoch über den Gegenstand ans; er ist wieder ganz „Kugelfang" geworden. Erwirb noch manche Kugel anfznfaugen haben, denn die 12 000 Mark werden so bald nicht wieder aus den politischen und parlamentarischen Diskussionen ver - schwinden. Die Freunde des Grasen geben sich alle Mühe, die ant politischen Horizont aufgezogene Wolke zu verscheuchen. Und wunderbar — welche Wandlung hat sich da vollzogen? Der Reichskanzler nannte — das ging einmal nicht anders — die Affäre mit den 12 000 Mark einen Mißgriff und alle Parteien waren mit ihm darin einig, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der Sozialdemokratie, welche iu dieser Sache mehr als nur einen „Mißgriff" sah. Dann wurde abgetönt; Graf Posadowsky stellte sich mit bewegter Stimme als einen Freund und Wohlthäter der Arbeiter hin und die „loyale" Presse half ihm dabei tapfer mit. Man kam allgemach zürn Gegentheil; es gab Zeitniigeu, die — wir wissen nicht, ob gegen Bclohnnng oder nicht — ganz plötzlich behaupteten, der Staatssekretär habe sich mit seinem Verhalten „um das Vaterland verdient gemacht". Selbst das Zenlrnm, das doch die vorn „Arbeiter - freund" Posadowsky so eueigisch vertretene Zucht- hauSvorlage mit der bekannten Schroffheit abgelehnt bat, stimmte seinen Ton herunter und »einte, man habe nun genug von den 12000 Mark gesprochen. Andere meinten wieder, der „Mißgriff" liege nicht beiin Reichsaint des Innern, sondern bei Jenen, die den Bueckbrief in die Oeffeutlichkeil gebracht hätten. Und so säuberten sich die Vertreter der bürgerlichen Moral gegenseitig das Gelvisseu, bis endlich der alte Kardorff, der berühmte Gründer der Laurahütte, den Rekord schlug. Er begrüßte den sozialdemokratischen Antrag, eine Kommission zur Untechichung der 12 000 Mark- Affäre einzusetzen, mit ironischer Freude, nachdem das Zentrum sich gegen deu Antrag ausgesprochen. Er meinte, der Antrag würde eine schöne Gelegen - heit schaffen, dem Staatssekretär im Reichsamt des Innern ein großartiges Vertraneusvotnin zu geben. Wir zweifeln auch gar nicht daran, daß der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt werden wird. Also ein Vertrauensvotum iu einer Sache, die der Reichskanzler selbst als einen Mißgriff bezeichnen mußte. In den parlamentarischen Annalen aller Knliur- läuder wird es wenig dergleichen Vorgänge geben. Posadowsky wird vorläufig im Amte bleiben, das hat er ausdrücklich erklärt. Wann und wie ihn die Woge der Zeit hinwegschwemmt, das muß inan abwarten. Seine Stnnde wird auch schlagen. Wir muffen offen gestehen: Wir beneiden ihn nicht um seine Position und es tvird überhaupt wenig Leute geben, die ihn beneiden. Die Prole - tarier, die an Einkommen kaum in einem Jahre be - ziehen, tvas Graf Posadotvsky in vierzehn Tagen bezieht, werden ihn am allerwenigsten beneiden. Das Vertrauensvotum der bürgerlichen Parteien steht nur auf dem Papier. Dies Papier kann Graf Posadowsky an sich nehmen, wenn er Werth daraus legt. Aber etwas kann nicht beschafft werden, seit - dem die 12 000 Mark-Affäre bekannt geworden — das Vertrauen der Massen zu der vom Reichs - amt des Innern geleiteten Sozialpolitik des Reiche?. Wie eine tiefe Kluft gähut es zwischen diesem Reichs - amt und den Arbeitermasseu. Da müßte ein ganz neuer Staatssekretär mit ganz neuen Maximen, ganz neuer politischer Schulung, ganz anderer Welt- aiischanuug berufen werden, um auch nur einen leisen Schimmer von Vertrauen tviederherzustellen. Dies Vei-trauen war allerdings nur minimal gleich von Anfang an. Das Sozialistengesetz und die damit verbundenen harten Verfolgungen hatte» die Arbeiter gegen alle Regierungsmaßrcgeln iniß- tranisck gemacht, was nur zu begreiflich ist. Als da? Sozialistengesetz fiel H nh der Ausbau, die Er - weiterung der sozialpolitischen Gesetzgebung begann, da wurden einige — allerdings nicht allzu große — Zugeständnisse gemacht, welche die Znstiminuug der Arbeiter fanden. Die Scharfmacher hintertrieben, was zu hintertreiben mar, und die Regierung that ihr Möglichstes, immer wieder neues Mißtrauen zu säen, indem immer mitten zwischen den sozial - politische» Gesetzen wieder die alten Knebelgesetze in neuer Gestalt erschienen. Es kam die Umstlirz- vorlage, es kam das „kleine Sozialistengesetz", es kam die Znchlhansvorlage. Mau tvußte gar wohl, von welchen Elementen die Regierung zu solchen Vorstöße» getrieben wurde. Und daun kam die Enthüllung des Bueckbricfes nud bclekichtete wie mit grellem Blitzesschein, was hinter de» Kouliffeu vorging. Wenn die Freunde des Grafen Posadowsky sich alle diese Tbatsachen vergegeinvärtige», so lverden sie sich selbst sagen müssen, daß man den Arbeitern kaum zumuthen kaun, Vertrauen zu der derzeitigen Sozialpolitik zu haben, lllid sie werden auch keines haben, weil sie Alles, was mit den Scharfmachern nur im entferntesten Zusammenhang steht, mit ge - rechtem Mißtrauen erfüllt. Unter diesen Umständen hat das Verbleiben des Grafen Posadotvsky in seinem Amte gar keinen Zweck, wenigstens was die Sozialpolitik betrifft. Grade die Sozialpolitik soll die Hauptanfgabe des Reichsamtes des Innern sein. Aber wenn sie gleich von vornherein ans so entschiedenes Mißtrauen im ganze» Volke stoßt — kann da etwas Ersprießliches erreicht werden, namentlich luemt man bedenkt, daß auf der anderen Seite die Scharfmacher eiftigst beinüht sind, der sozialpolitischen Gesetzgebmig alle nur denkbaren Hindernisse zu bereiten und sie wo - möglich ganz zum Stillstand zu bringen? Und Iven» die reaktionären Parteien dein Grafen Posadowsky zehntausend Vertrarleiisvoten schriftlich ausstelleu, so wird sich die Masse des arbeitenden Volkes dadurch nicht im Mindesten beeinflussen lassen. So leicht geht das heute nicht mehr, daß man, um die Arbeiter zu beschwichtigen, einfach 6etl)cueri, man wolle „das Wohl der minder bemittelten Klassen fördern", luid daß mau zugleich mit einer Zuchtbaus - vorlage kommt und mit deu Scharfmachern paftirt. Die Herren Staatsmänner, die so oft von den Schlagworten der Opposition reden, mögen sich gesagt sein lassen, daß sie mit den eigenen Schlagworten sparsamer fein sollen. Gras Posadotvsky tvird sich nicht mehr „erholen" föinieit. Von der Weltbühue. AnS dem Reichstage. Berlin, 17. Januar. In der fortgesetzten Etatsdebatte ergriff nach einer kurzen Anregung des konservativen Abgeordneten von Sa lisch über die Ausdehmmg der Unfallgesetze, der in diesen lagen viel geärgerte Baier des ZentralvcrbandeS deutscher Jildustrieltcr und Stellvertreter Stumms, .kardorff in'8 Gehirn zu steigen. Er ärgert sich, daß die Bäeteeelverordutlng Immer noch besteht- Da er ■Stumm vertreten muß, hat er auch die Pflicht, sich über den wilden Rdsickc zu ärgern, und daß er dieses thut, bewies er dadurch, daß er diesen Herrn eine sozialpolitische Molluske nannte. Und daun zog er gegen unsere Partei in's Feld. Selbstverständlich mußte der Streit in der Leipziger Parteidruckerei herhallen und, so gut es ging, schlachtete er die jetzt durch die Presse gebende, von feinem besonders guten Geschmack zeugende Taktlosigkeit .tkabcusteins m>§. Daraus gab er seinem Steiger darüber Ausdruck, daß es immer noch nicht fest steht, ob bic Negierung den Weisungen folgen will, die inan über die Zollsragen ans deiuBüreau desZentralverbandes an sie kommen läßt Seinen Freund Stumm feierte er als Arbciterfrennd und nahm für diesen die Vaterschaft der Arbeiterversichenmg in An - spruch. Dieser Streit um die Vaterschaft ist belnstigenb. In offiziellen und offiziösen Publikationen wird behauptet, daß Bismarck und Kaiser Wilhelm I. in der Botschaft vorn 17. November 1881 die Sache angeregt und in Fluß gebracht haben. Aber sechs Monate vor Erscheinen der Botschaft hatte der Reichstag schon ein Gesetz über die Nnsall- und Krankeiivcrfichcrnng der Arbeiter angenommen, tvclchcs jedoch nicht die Zustimmimg ber Regierung fand. Aber vor der ersten Regierungsvorlage hatte schon der bekannte Schienenflickcr Paare eine Broschüre ver - öffentlicht, in welcher die ganzen Gruudzüge der Unfall - versicherung enthalten waren. So viel steht fest, daß der Plan von Grobkapitalisten ausgeheckl ist und daß inehr k a p i t a l i st i s ch e Gewinnsucht als Wohlwollen für die Arbeiter das treibende Motiv ge - wesen ist. Ein kleines karakterisrisches Jntenuezzo brachte der Zentrumsredner R i n t e l e u hervor. Er glaubte, daß es nöthig sei, die Urtheile des Kammergerichts über das Streikpostenstchen zu vertheidigen. Bei der Interpellation über das Lübeker Streikpostenverbot hatte sein Fraftions- kollege, der Reichsgerichtsrath Spahn, erklärt, daß dieses Lerbot dem Reichsrecht widerspreche. Da nun das Kammergericht, ebenso wie das Haiuburger Ober- landesgericht, Urtheile gefällt hat, nach dem Straßen - polizeiverordnungen zu Recht bestehen, die in ihrer Wirkung sich nicht von dem Lübeker Verbot unterscheiden, so taucht die Frage auf, ob diese Verordnungen noch aufrecht zu erhalte» sind, wenn bas Reichsgericht über die Lübeker Verordnung sich der Ansicht Spahns anschließen wird. Auf jeden Fall wollte Rintelen beweisen, daß im Zentrum auch Gegner des Koalitious- r echtes ber Arbeiter sitzen, uiib darum brachte er diese Gegnerschaft in juristischer Form grobeso zum Ausdruck, wie die Bischöfe es in ihrem Hirten schreiben in theo - logischer Form gethan haben Für die auf arbeiterfang ausgehenden Mitglieder des Zentrums war diese Rede ebenso unbequem wie der Bries des F-reiburger Bischofs. Dann erhiell unser Genosse Fischer- Berlin das Work, der nun eine nochmalige gründliche Abrechnung vornabm. Dem Herrn v. Kardorff sind schon oft grobe Wahrheiten gesagt worden, aber so derb, wie Fischer sie ihm verabreichte, hat er sie sonst noch nicht zu hören bekomme». Da hagelten die klatscheuben Ohrfeigen auf den Helden der berüchtigten Gründerperiode vom Anfang der siebziger Jahre nur so herab. Dem Zentruin war es auch nicht allzu angenehiu, daß unser Genosse die Rintelen'schen Auöführtuigen in die richtige Beleuchtung rückte und dann dazu überging, noch einmal den Grafen Posadowsky und die Zwölftausendmark-Affäre vor- ;unehmen. Ebenso treffend zeichnete er-die komische Figur, die der dicke Dr. Oertel int politischen Leben spielt. Ter Freisinnige Zwick sprach über Frauen- und Kinderarbeit, wobei er mehr Pädagoge al« Sozial- politiker war Dann gab Dr. Oertel einige Probm seiner rohen Denkweise zum Bestm. Bei Besprechung der Bäckerewerordnung sprach er die Hoffnung aus, daß diese bald beseitigt werden möge; zu unserem Genossen Bebel gewandt, sagte er: Hier werde ich Derjenige sein, der zuletzt lacht. Oertel will also lachen, wenn die Lehr - linge int Alter von 14 bi« 16 Jahren wieder der un - begrenzten Ausbeutung prciSgegeben find; wenn die Gesundheit dieser jungen Leute durch längere al« 18ftitnbige Arbeitszeit rniuirt wird. Diese« in Aussicht gestellte Lachen kennzeichnet die Natur de« Anhängers der Prügelstrafe. Kardorff und Oertel wetteiferten darin, den Staatssekretär Grafen Posadowskn zu vertheidigen ; aber sie wollten dafür auch eine Belohnung haben. Posa- dowSkv sollte versprechen, daß säunutliche Haitdelsverträge gekündigt und höhere Zölle für Agrarprodiikte geschaffen werden. Bei aller Zuneigung de» Grafen für die Junker, ließ er sich doch nicht auf dieses Glatteis locken, - sondern begnügte sich damit, eine Erklärung zu wieder - holen, die Freiherr v. Thielutann im vorigen Jahre in der Budgetkommission abgegeben hat und aus welcher Jeder heraus deuten kann, was ihm paßt Sonst stellte Graf Posadowsky noch den vutzigen Sah aus: Aus jedem Blatt der vreußifchen Geschichte könne man er - sehen, daß das Köitigthimt immer die Rechte der unteren Stände vertreten habe. Würde man die Gesetze und Verordnungen einmal durchsuchen, wie diese Rechte vertreten sind, dann findet man in der ersten Verordnung vom 10. Juni 1733 Todesstrafe für Streiks, und in einem der letzten Geseümtivürft Zuchthaus - strafe für dieselbe Handlung, die in ziviusirten Ländern als völlig erlaubt angesehen wird. Und die Fislalität der preußischen Staatsbahuen und Bergwerke mit die rigorose Unterdrückung der Arbeiter in diesen Betrieben steht doch auch auf einem Blakt de. preußismcn Ge- ichichle, von dem man allerdings bei den Festreden schweigen wird. Unser Genosse Rosenow hielt daun noch eilte kleine Nachlese, bet welcher besonders Oertel schlecht weg- kam. Jut Uebrigen verlangte er, daß etwas mehr Sozialpolitik getrieben und bet: Arbeiten der Schutz ge - währt werden solle, ber in den Gesetzen in Aussicht gestellt ist. Für den Kampf gegen den „Umsturz" wird in konservativen und inbustrtellen Schatfmacherkreisen wiederum mobil gemacht. Das Stichwort dafür bat Gras Lituburg-S tirum am Dlontag in seiner Etatsrede im preußischen Abgeordnetenhanse gegeben, indem er erklärte: „Ueber diesen Kampf kommen wir nicht himveg, ttnd wenn auch jetzt sehr viele Theile im Reichstage und im Lande die Lösung auf anderem Stiege erwarten, und glauben, die Sozialdemokratie werde sich zu einer oppo- sitioilelleu bürgerlichen Partei umgestalten, so theilen wir diese Auffassung nicht. Wir '.smarten, daß man den Kamps tu i t Entschiedenheit a u f n e h m e ti wird, ehe es zu spät ist." Berständnißinuig fügt das Berliner Hauptorgan der Scharfmacher, die von Krupp ansgehaftenm ..Berliner Neltesten Nachrichten", dein binzn : „Wir meinen, daß die konservative Partei im Reichstage sich ein großes Ver - dienst erwerben würde, »nenn sie alsbald einen Antrag auf Wiedereinführung des Sozialisten - gesetzes mit entsprechender Abänderung in Bezug auf seine Dauer einbringen wollte. Wird dieser Antrag zunächst auch abgelehtü, so muß er in jeder Session rechtzeitig erneuert werden, wozu jedenfalls größere Berechtigung vorhanden ist als für andere alljährlich wiederkebrend. Anträge. Kommt Zeit, kommt Rath !" Offenbar wittern die Scho.'.ftitacher in Deut Grasen Bulow im» „starken Mam» , »nwi.lwm sie 'Ai-* so lauge Ausschau halten. Oder sie utöchten ihn wenigstens in diese Rolle diu eindrängen. Tie Junker möchtet! gar gern die Bistuarck'sche Politik Voit 1878 79 kopiren. Damals ging das Sozialistengesetz dem großen schutz- zölltterijchcu Raubzug aus die Duschen der Vollem affen voraus; dem Volke hing man mit dem Sozialistengesetz ein Schloß vor den Mund, um ferne Protestrufe gegen die Ausplünderung zu ersticken. Jetzt eben schicken sich die Junker und ihre großinbustriellen Helfershelfer zu einem neuen Beutezüge cm. Stein Wunder, daß sie die Sehnsucht packt, das' vor 22 Jahren gegebene Beispiel nachzuahmett ttnd ein neues Knebelgesetz zu schaffen. Diese Sehnsucht ist heute mit so erklärlicher, als das Proletariat gegenwärtig eine ganz andere Macht leprä- seettirt als damals. ' Je tuehr man es und seine Opposition furchtet, um so größer die Neigung, cs auf'5 Nette völlig munbtobt zu machen. Glücklicherweise steht die Macht zur Verivirklichung der reaktionären Pläne im umgekehrten Verhältniß turn Hitzegrade des scharf - macherischen Feuers. Was 1878 gelang, als die Sozial - demokratie wenige Hunderttauseiide von Anhängern zählte, das ist heute, wo Millionen zn ihr sieben, ein Ding der Unmöglichkeit Mit Recht fiirdet die „Frarrff. Ztg." es sehr auffällig, daß der verantwortliche Dräger der Regieruitgsgen'att solche Aeußernugen und Aufforderungen, wie die des Grasen Limburg-Sttrtuu, in das Laud hiuausgchen läßt, ohne seine Stellung zu diesem Programm kuud zu thun, und ebenso bedauerlich, daß die übrigen Parteien des Landtages auf diesen planvollen Vorstoß nichts zu erwidern hatten. „Wir itehmen an," sagt das Blatt, „daß man es wenigstens int Reichstage versteht, Graf Bülow hierüber die Zunge zu lösen. Tie innerste Statur der preußischen Reaktionäre ist kaum je so nackt und bloß zu Tage getreten, als in diesem Vorgehen. Dem Großgrundbesitz soll die Gesa m in t - heit tributpflichtig gemacht w erden ttnd ebenso erhält die Großindustrie ihre Bereiche- r u u g s z ö 11 e garautirt. Für die große Maffe des Volkes aber nette schwere Lasten. Da nun diese Politik die vorhandelte Unzufriebeuhefl felbftberftänblicb maßlos ver - mehren muß, deshalb neue KnebelungSgesetze, neuer Kamps gegen den Umsturz. Die wahren Um« ft ft r i l e r und Unruhestifter find jedoch Jene, die derartige brutale Vergewaltigung«» Vorschläge machen oder sich ihnen anschließen. Wir hoffen, daß diese Rede des Gutfen Limburg-Stirum und der Konmientar, den sie in den Organen der Scharf - macher fittdet, nun endlich das Sturmsignal gegen die sogenannte V ers öhnungs - Politik bildet, eine Versöhnnngspolitik, die in Wahr - heit für das Volk eine Verhöhn ungSpolitik bedeutet. ES ist wahrhaftig hohe Zeit für eine klare Scheidung der Geister!" Wir befürchten, daß dentokratischc Blatt hofft um - sonst, daß die zitinen Auslassungen als Sturmsignal dienen werden Die antiagrarischen Parteien zeigen gegenwärtig eine an Fatalismus grenzende Lauheit. Sie haben allen Glauben an sich selbst und alle Hoff - nung verloren. So siehfs wcnigstms bisher ans. Die agrarische Bescheidenheit — in Zahlen tvird wieder westlich illustrirt durch einen Antrag, den Graf Mirbach im preußischen Herrenhause gestellt hat und der eine Aenderung des preußischen Ge- setzes über die E r g ä n z u n g «° (Vermögens-) Steuer bezweckt. Der Herr Graf und seine meist dem Hochadel angehörettden Nkitunterzeichner des Antrags wünschen, wie man auS der Begründung des Antrags erfährt, die durchgängige Herabsetzung der LermögenSsteuersätze auf die Hälfte für alles Vermögen, das aus land» oder forstwirthschaftlichen Grundstücken besteht Einen dahiitgehenden SSutrag einzubringen, „be - hält sich der Antragsteller vor"; zunächst ist er so be - scheiden, nur einen Anttag zu stellen, welcher — den ländlichen Grundbesitz unter Umständen noch mehr bevorzugeit würde im Vergleich mit anderem Vermögen. ES soll nämlich, statt der sonst vorgeschriedenen Schätzung deS Werthes ber in Gewerbe- itttb LanbwirthschastS- betrieben angelegten Vermögen, bei Grundstücken, welche ganz oder überwiegend dem betriebe bet Land- ober Forstwirthschaftschaft K. dienen, deren Werth, bfern ihre Eigenthümer dem Einkommensteuergesetze unterliegen, ans dein Einkommen, mit welchem sie im vorhergehenden Steuerjahre zur Einkomnteitsteuer herangezogen wurden, sich ergeben; der simfundzwanztg- sache ertrag dieses Einkommens aus solchen Grund- tücken soll deren steuerbaren Werth bestimmen; bei Grundstücken, deren Eigenthümer dem Einkommensteuer - gesetze nicht unterliegen, soll die Feststellung des sieuer- barett Werthes nach gleichen Gnmdsätzen durch eine besondere Schätzung erfolgen. Woraus es hierbei abge- ehen ist, das erfennt man au? einer in der Begründung erhobenen beweglichen Klage Der Werth eines Majorats, dessen Reinertrag für die Einkommensteuer auf M. 21203 „festgefteOt* war, wurde für die Vermögenssteuer auf mehr als 2 Millionen Mark geschätzt, und der Doppel- millionär, welcher sich dieses Besitze? erfreut, wurde daher wenigstens vermfttelS der Ergänzungsstcuer zu X 1000 Steuer heraugezogett, während er von dem „festgestellten" Reincrttag von X. 21 203 — etwa ein Prozent beS GutsweNheS! — nur ,‘t 630 Ein - kommensteuer zu zahlen hatte. Rach dem Anttage des Grasen Mirbach nun würde das Majorat nur rund auf 25 X 21 000 — 525 000 Mark zu schätzen und daher nur mit X 262,50 Ergauzungsfieuer zu belasten sein. Der arme Majoratsherr würde also nur etwa ein Viertel der jetzt gesetzlichen Vermögens steuer zu zahlen haben. Alles bewegliche Vermögen und auch städtischer Grund - besitz würden, selbst wenn sie keine Rente abroerfen, bett vollen Steuerbetrug zn entrichten haben Man sieht, die Herren Junker verstehett sich daran', die Gesetze zu ihren Gunsten zu gestalten! Unter den Unterzeichnern des Antrages befinden sich 9 Fürsten, Prinzen und .Herzoge, 26 Burggrafen und Grate», 9 Freiherren, 28 andere Adelige und nur ein einziger Bürgerlicher, der freilich auch schon so gut wie adelig ist, Herr Birkuer-Eadiuen. Der angebliche Gruui - satz des Adels: Noblere oblige! scheint für sie nicht zu exifliren, sie denken: Nehmen ist seliger als Geben 1 Die „Nori, der Laudwirthschast", die in beut Liebesgabeu-Geheul der Agrarier eine so große Rolle spielt, erfährt durch die v r e u ß i s ch e n Steuer» ergebniffe eine eigenartige Beleuchtung. Tie dem preußischen Abgeorbnetenhauje zugegangene Uebersicht der (r i n f o m tu c n ft c u e r b t r a ti l a g u it g für 1900 zeigt eine stetige Zuuahtue b eS Einkommens auf de in platten Lande. Die Gesammtzabl der Zettfiten, b. h. derjenigen phtffischen Personen, die ein Einkominett von über 900 Mark haben und deshalb steuerpflichtig sind, ist, seitdem das neue Eiukotutuensieuergesetz eine genaue Statistik ermöglicht, also seit 1892, auch auf dem platten Lande von Jahr zu Jahr gewachsen, und zwar von 5,68 pZt. der Bevölkerung im Jahre 1892 auf 6,86 int Jahre 1900. Auch die veranlagte Eiukomtueusteiier auf dem Vlatten Lande bat sich erhöbt von 30,47 Millionen Blatt im Jahre 1892 auf 38,85 Millionen Mark im Jahre 1900. Die Steigerung ist naiuentlich in den b r,io e n l e tzte u I a h r e n erbeb ti di aehWri DaS veranlagte Etnko m m e n selbst betrug 1892 1 *451 Millionen Mark, 1900 2858 Mil - lionen. Die Veranlagung von 1899 wies ein Plus an Einkommen gegen das Vorjahr nach von 134 Mill. Mark, die neue Veranlagung für 1900 ein Pl«4 von 157 Millionen Mark gegen 1899. Wir wollen nun keineswegs behaupten, daß die Steuerstatistik ein absoluter Gradmesser für die Ber - theilung deS Wohlstandes ist. Aber immerhin wird durch die Zahlen bewiesen, daß von einem Nothstände auf dem Laude keine Rede fein sann WaS bewiesen wird durch die Zahlen, ist, daß zwar daS Einkommen gewachsen ist, aber die Ansprüche noch mehr. Bekehrte Knnalgegner sind nach der „Schief. Ztg." die t&'rtreter der oberschkesischen Montan - industrie ebenso wie die Mitglieder der OvpelnerHandelskammer. Dem konservativen Blatt zufolge werben bre sämmtlichen industriellen wttth- schaftlichen Vereine und die Handelskorporationen Ober- schlestenS schon in allernächster Zeit öffentliche Erklärungen abgeben, daß sie für die erweiterte große neue Kaimlborlagt sind, sofern durch dieselbe die dm Antrag deS Grasen Strachwitz ans dem Jahre 1899 mtsprechmdm Kompensationen gewährt werben, tmd gleichzeitig werben biesclben Bcretne sich mit ihren Ab - geordneten in Lerbiichnng setzm. Tic prcnstischc Sluti-Polcn-Politik greift zu immer bedenklicherm Maßnahmen, um die Polen zur Gcrmanisirung zu zwinge». So wird jetzt der Berliner „VolkSztg." aus Posen, 16. Januar, berichtet: „Die hiesigen Postbeamten polnischer Rationalität, denen es schon früher verboten war, in den Postämtern untereinander oder mit dem Publikum polnisch zu sprechen, dürfe« von jetzt an and) nicht mehr auf der Straße, in öffentlichen Lokalen u. s. w. mit ihren Familienange - hörigen, Bekannten n. s. w. sich in polni - scher Sprache unterhalten. Nach polnischen Blättern sollen auf vielen Postämtern in der Provinz zahlreiche Postsendungen lagern, dte ihrer polnischen Adresse wegen nicht bestellt werden. Au dm Aufgabeorten seien diese Poslpackete aber noch angeno m m c it worden Wie Herr v. Rhcinbaben im Abgeordnetenhanse erklärt bat, sind diese Maßnahmen der Poftbehördc auf feine Veranlassung getroffen worden. Der Reichstag wird Gclegmheit erhalten, sich mit diesen ganz unerhörten Maßnahmen zu befchästigen. Der Abg. v. G l e b o ck i hat mit Unterstützung der polnischen Reichstags - fraktion folgende Interpellation eingebracht: 1) Ist dem Herm Retchskaufler bekannt, baß in letzter Zeit an vielen Orten des Bnndesstaats Preußen die Postbehörden Postwerthjendungen und einfache Briefe entgegen den Bestimmungen der Postordnung vom 20. März 1900 nicht befördert haben, wodurch zum Theil materieller Schaden für das betreffende Publikum eutstauden ist? 2) Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Reichskmtzler zu ergreifen, um in Zukunft solchen Uebelständen boijubeitge» ? Hoffentlich wird den preußischen Behörden, die das Bedürftnß fühlm, das Polenthum zu bekämpfen, mit aller wunscheuswerthen Entschiedenheit klar gemacht, daß sie dabei nicht über den Rahmen des Gesetzes hinanS- gchen dürft«. Xie BciufSgenofscnschasteu und der Zeutral- tterband der Judustrirllc«. Der Abg. Rösicke hatte im Reichstage barattf hingewiesm, daß eine Anzahl Berufsgenossenschaften die Mitgliebschaft deS ZentralverbanbeS ber Jnbustriellen er - worben hätten und widergesetzlich Gelder für MitgliedSbeittäge verwenden. Die „Berliner Renestm Nachrichten" bringen jetzt von berufsgenossenschaftlicher Seile eine „Zuschrift", in der die BehaupNtng Dr. Rösjckes durchaus bestätigt wirb. Vorläufig versucht die be- tteffmde Zuschrift die Ungesetzlichkeit dieses Verhaltens zu bestreiten, setzt stch dautil aber über den klaren Wort - laut beS 8 31 des Gewerbe - UnsallverficherniigSgesetzeS hinweg. Auf solche kleine Ungesetzlichkeiten koninit eS bei» aroßindustriellen Ulitcniehmelthiini aber nicht an. Sie betrachten die BerufSgenosseilschaften als Grundstock g e- werblicher Organisation. Ist doch auch einer der Jhrm, der durch die Schienenflickerei berühmt gewordene Kommcrzienrath Vaare, der Erfinder dieser OrganisationS» form für die Unfallverfichernng Xie Uniformen offne blanke Knöpfe sollen noch nicht allgemein zur Einführung fomuien, sondern c8 soll sich bei der bett. Mittheilung nur um ba5 ostasiatische Karps handeln. Taran wird die Bemerkung geknüpft, daß im Kriegsfalle die blanken AnSrüstungSstückc übrigen« schnell verschwinden werden. Wartlni sie aber dann im Frieden bcibchalten und den Steuerzahlern unnütze Kosten, den Soldaten nnnütze Arbeit aufbürben ? Xae> Ttrafkonto der 2lrbeiterbewegu»<, ist nach bett Zusammenstellungen des Partcivorstaubcs tut Monat Dezember v. I. belastet worden mit inSge- "luunt 1 Jahr. 9 Monaten und 3 Wochen Gefängniß und Mi. 1205 Geldstrafe. i. Reaktionäres ans der Schweiz. ES giebt 1 ioer feit längerer Zeit ans der Schweiz wenig Erfreu - liches für ein ausländische? sozialdemokratisches Blatt z» berichten. Tie Verschärsung der wirthschaftlichm unb politiscbtn Gegensätze zwischen Arbeit und Kapitol bat die bürgerlichen Elemente znianimmgefithrt und da sie im Besitz der politischen Macht sind, so stellen sie eben dieselbe auch in den Dienst ihrer Intereffen. Dafür heute zu>el Beispiele. In Basel besteht bfr größte Konfumverein der Schiveiz mit za. 20 000 Mitglichern, die sich unterschiedslos aus allen «reifen der Bevölkerung refrutirm. Die Spezereihändler und ihre klmibürgerlichen lvic kapitalistischen Bltndekgenoffcn bettcibm gegen den- felbm seit Jahren eine wüste Hetze tmd nun habm sie eitlen „ Antikousuinvercin" gegründet, den man a!S eine Travestie bezeichnen könnte, um den wirklichen Koitfnulverein zu veniichten. Sie haben aber der Wunderttaft dieses ihres nevcsten Kampfmkttels offenbar selbst wenig Wirkung und Erfolg zugettant und sie thaten daher noch ein llebrigcs ttnd wandten sich an den BundcSrath in Bern um feine gefällige Mitwirkung Und derselbe BundeSrath, der dm Arbeiten! gegenüber nur die Sozialpolitik der Negation kennt, gtiff anch sofort ein und verbot den tib» gcnössifchcn Angestellten (Zoll - und Post - beamten 2C.) die Annahme einer Verweil- ttingsrathLstellc im Konsumverein, wodurch er dieselben zu Bürgern zweiter Klaffe degradirte. Gleich - zeitig sitzen aber ganz unbeanstandet andere eidgenössische Bcauitc in den Aussicht«- und VerwaltnngSrächen von — Aktiengesellschaften und helft» denselben fette Ge - winne und Twidcilden „erarbeiten". Alfo eine ganz elende „MittelftandSpolitik", die hoffmtlich das ^Gegen - theil des gewollten Zweckes zur Folge hat. — Codamt ist ein neues nette? Stückchen von unserer „htrr• li<6 e it politischen Polizei" zu melben ES wurden uämltch verfchiedme Fälle festgestellt, in denen die Post Sendungen, die für Anarchisten oder des Anarchismus „Verdächtige" bestimmt waren, statt an die Adreffaten, an die politische Polizei ablieftrtt. ES ist überaus karaklcristifch für dm Stand bet Dinge in der Schweiz, daß außer der sozialdemokratische» Presse bis jetzt nur ein einziges bürgerliches Blatt, die „Züricher Post", dagegen Stellung nahm, währmd die gejammte übrige bürgerliche Presfe diese ungeheuerliche russische Polizeiwirthschaft ausdrücklich oder stillschweigend billigt. Wie tief gesunken ist doch die Schweiz enter ber entarteten Herrschaft der Radikalm. Früher sonnte man die Schweiz dem Ausland als politische« unb sozialpolitisches Vorbild zur Slachahmung Vorhalten, Henle befleißigt sie sich der Nachahmung aller reatitenären Streiche des Auslandes. Und die Sozialdemokratie ist leider noch viel zu schwach, um durch ihre fortschrittlichm und freihkitltcheil Tendenzen jene reaftionärm Tendenzen zn paralysirm. Zum französischen Brrcinögesetz Hal die sozia- l l st l s ch e F r a k t i o n in ber Deputirteiikammer einen Znscitzantrag eingebrachl, wonach sämmtliche be - weg 11 th c n und unbeweglichen Güter der Kongregationen unverzüglich zum Staats- c i g e n t h n in erklärt und jene Immobilien, die die Kongregationen mit Hvvothcken belastet haben ober al» Miether bewohnen, so lauge sequestirl werden sollen, bi» die rechttnäßigen Besitzer dieser Julmobilien in nnzweisel- haster Weise sestgestcUt finb. Xie SarliftcnbciueflHMfl iu Spanien ist trotz aller Ableugnungen der Regierung sehr ernster Natur. Nach der „Köln. Zeitung" veröffentlicht der Madrider „Correo" über einen nahe bevorstehenden Karli st en putsch einen Auffehen crregendm Brief aus Navarra. Der Waffenschmuggel dauere imgeschwächt fort, das ganze Land fei mit karlistisch gesinnten Mönchen gradezu überschwemmt; an allen öffentlichen und vielen privaten Häuseni würden auf ihre Veranlassung als heranSfordkntdeS Erkennungszeichen Plakate mit dem „Herzen Jesu" aitgcdrachl In den Sitzungssälen vieler Gemeinderäthe seien bereits die Bilder der KönigSfamilte durch Ktiizisixe ersetzt. In dm Bergen, sowie in Orten, wo die Wrinerntt verloren gegangen ist, spreche man c» offeii anS, daß die Zeit großer Entschlüsse herannahe. V. HungerSnoth in Niederländisch-Judie». Schon in- vorigen Jahre pnblizirte der (Meiwffe Bau ft o l Briefe von Java, wonach dort eine HungerS- noth drohe. Die Regierung und ihre Presse leugneten damals diese Gefahr, und alS sie schon Thatsache war, leugneten sic sie noch Nnu aber ist es damit plötzlich zu (nide. Alle niederländisch - indischen Zeitungen, die „Sein ara itg - Eourant", die „Loco mo tief" aus Soerabaja, die „S o e r a b a j a = ® o u r a u t" und nun auch der ciiiflußreichc „Java-Bode", ptchlizirm Thatsachen, welche das Vorhandensein einer wirkliche« HungerSiioth sestftellm. Im vorigen Jahre sind in dm DisttiNm Deiiiak tutb Grobogan die Reis-Eniten voll - ständig mißlungen, weil in Folge des vielen Regen» das Land nicht bearbeitet werden konnte. Schott mehr als ein halbes Jahr leidet die Bevölkerung Hunger. Auch der Mais, womit sich sonst die ärmste Bevölkerung »ährt, ist schrecklich theuer unb kostet baS Vierfache de» onstigeit Preises. Man ißt nun allerhand Wurzeln und Knollen, wodurch viele Kraukheitm entstehen. Dazu komint uoch, daß auch aus Mangel an Mutter eine Seuche unter dem Vieh ansgcbrochm ist, tue Surrah- Seuche genannt. Eine der Ursachen, daß dem Mangel an Reis nicht begegnet werden kann, ist die Lage in China, von wo jetzt nichts anSgesiihrt wird. Dies Alles gilt für den Distrikt Samarium. Nu» kommen gleiche Nachrichten ans dem Distrikt Bagelan ber die dichteste Bevölkerung der Erde hat. In Bagelau, wohnten 1891 schon 21557 Menschen auf jeher geo - graphische» Meile. Die Provinz hatte damals lj Mill. Einwohner. Diese Bevölkerung ist nur zu ernähren, wenn jedes Jahr zwei Erntm gewonnen werden; im vergangenen Jahre sind beide Mißemtcn gewesen, und nur m Stam ist Reis zu verkanfm, wozu aber die ärmer« Bevölkerung doch kein Gelb hat. Ein Redaktor bei „Java-Bodc" hat selbst die Gegend besucht und schrewt u. A.: „Hier nud da liegen Kinder aut Zaun. Kinder, traurig nuzi flehen. So bleich unter ihrer braunen Haut, so erschöpft, so matt 1 Sonst glänzen die Augen der Neinen Javaner so vielversprechend.