Nr. 132. 19 Jahrgang. L-'j» -V; '/J ä'Ail . » , Da? .Hamburger Echo« erscheint täglich, außer Montags. LlbonnemcntsprciS (inkl. .Die Nene ZBelt") beträgt: durch die Post bezogen ohne Dringegeld monatlich A 1,20, vierteljährlich X 8,60; durch die Kolporteure wöchentlich 80 * frei ins HauS. tuzelne Nummer 5 *. SonnlagS-Nummer mit illustrierter Sonntagsbeilage .Die Neue Welt« 10*. Verantwortlicher Nedakteur: wustav Wabersky in Hamburg. Donnerstag, den 8. Juni 1905. Anzeigen werden die sechSgespaitene Pelttzeile oder deren Raum mit 80 4, für den NrbeitSmarkt, Bermietungö- und ffamilienan,eigen mit 20 4 berechnet. iUuzeigen Annahme in der Expedition (bis 6 Uhr AbriidS), in den Filialen (bis 4 Uhr Nachmittags), sowie in sämtlichen Annoncen-Bureaux. Redaktion und Expedition: ssrblaiidsirahe U in Hamburg 1. Alialcii' eLud-St. Pauli bei Carl Lementzow, Davidstr. 35. Nord-Lt. Pauli, Eimsbüttel, Laugeuselde bei Carl Dreyer, Margarethenstr. 48, Eimsbüttel. Hoheluft, Eppendorf, Groß-Dorstel und Winterhude bei Ernst Großkopf, Lehmweg 51, Eppendorf. Barmbeck, Uhlenhorst bei Theodor Petereit, Bachstr. 12, Barmdeck. St. Georg, Hohenfelde, Porgfelde, Hamm, Horn und Schifsbelk bei Carl Ortel, Aaustr. 26, B org selbe. Hammerbrook, Rotcnburgsort, Billwärder und Bcddel bei Nud. Fuhrmann, Schwabenstr. 33, Hammerbrook. Eilbeck, Wandsbeck und Hinschcufcldc bei Franz Krüger, Cternstr. 36, Wandöbeck. Altona bei Friedrich Ludwig, Bürgerstr. 118, Altona. Ottensen, Bahrcnfeld bei Johannes Heine, Bahrenseldersir. 140, Ottensen Hierzu eine Beilage. Die Herren Diplomaten. Fürst Bülow hat noch als Graf im preußischen Herrenhause, um der scharfniacherischcn Innkerschaft gefällig zu sein, daS rote Gespenst aufsteigen lassen. Er meinte, der Kampf mit der Sozialdemokratie könne kommen, ober er müsse im richtigen Augen - blick, mit den richtigen Waffen und auf dem richtigen Felde geführt werden. Diese tiefe und geheimnis - volle Weisheit beweist mir, daß der Reichskanzler auch ein Zögling der alten staatsmännischen Schule ist. Wenn er von „dem" Kampfe gegen die Sozial - demokratie spricht, so meint er natürlich nicht den gegenwärtigen, den Staat und Gesellschaft gegen die Arbeiterbewegung führen, sondern jenen auch von Bismarck, Eulenburg, Hammerstein und anderen er - sehnten Straßenkampf, bei dem die Sozial - demokratie von der überlegenen Militärgewalt nieder- geschmettert wird. Möge dem Reichskanzler, der auf diesen Kampf wartet, die Zeit nicht zu lang werden, wie Bismarck, der auch zwölf Jahre lang vergeblich auf denselben gewartet hat. Es würde für die Interessen der Deutschen Reiches viel förderlicher sein, wenn der Herr Reichs - kanzler die Spezialwllnsche der ostelbischcu Junker etwas mehr bei Seite lassen und sich vornehmlich um diejenigen Dinge kümmern wollte, an deren Weiterentwicklung die Augen der ganzen Welt hängen. Die Weltlage ist eine ganz veränderte geworden. Rußlands herrschende Gewalten sind niebergeiuorfcn. Daraus würde sich für eine Regierung, die int Interesse des deutschen Volkes die Situation aus - nutzen will, die Pflicht ergeben, auf eine Ver - ständigung mit den Mächten hinzuwirken, um eine Abrüstung herbeizuführen. Denn die Rüstungen sind doch nur durch die stets drohende russische Ge - fahr in die jetzige Höhe getrieben worden, so daß ihre Kosten die Finanzen zerrütten. Wenn das alte despotische Regiment in Rußland bestehen bliebe, so könnte e8 zur Zeit keinen Krieg führen, da es kein Geld, keine Flotte und kein genügendes Heer hat. Wenn aber ein neues Rußland mit modernen Staatseinrichtungen entsteht, so ist ein Krieg erst recht nicht zu erwarten, es sei denn, daß dies neue Rußland von einer reaktionären Macht angegriffen würde. Statt dessen hören die bedauernden Kund - gebungen anläßlich bet russischen Niederlagen bei unseren herrschenden Klassen nicht auf. Daß es deutsche Kosakenblätter gibt, bei denen der russische Rubel eine Nolle spielt, ist offensichtlich; welches Interesse hätten diese sonst daran gehabt, die russi - schen Niederlagen so lang wie möglich zu verschleiern? Und dieses Pack nennt sich auch noch „Patrioten"! Nun wird dazu noch ein anderes Spiel ge - trieben. Einzelne Blätter behaupten nämlich, Ruß - land werde nun seine Eroberungspläne im Osten aufgeben und sich mit aller Macht wieder gegen Westeuropa wenden. DaS ist natürlich eine Spiegel - fechterei, aber sie geht von jenen Kreisen aus, die unablässig Heer und Flotte vermehren wollen, in dem Wahne, eines schönen Tages die Vorherrschaft Englands auf dem Meere brechen und daran noch allerlei Eroberungen auf dem Lande knüpfen zu können. Man sieht, wie die herrschenden Klassen sich jeder ernsthaften Friedenspolitik feindlich in den Weg stellen, und dies Treiben ist um so bedenk - licher, als ja die nächste Zeit brennende Fragen und Verwirrung genug bringen sann. Das offizielle Rußland gebärdet sich, alS ob eS niemals mit Japan Frieden schließen werde. Nun, je tiefer sich das Zarentum hineinrennt, desto besser; der alte Despotismus wird um so eher der Gewalt der Tatsachen weichen müssen. Der Friede muß eben doch einmal kommen. Und bann wirb es sich darum handeln, wie er geschlossen wirb. Wir haben gleich jcbermann bie Tapferkeit der Japaner unb ihre geniale Führung betounbert, wenn - gleich wir babei nie vergessen haben, den Krieg mit seinen Barbarismus zu verurteilen. Daß bie Japaner die russische Macht zertrümmert haben, kommt ber ganzen Kulturwelt zu gute. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, daß auch bas japanische Reich ein Klassenstaat ist. Die japanische Politik wird in reaktionärem Sinne geleitet unb ber Krieg wirb nunmehr auch für bie Japaner ein Eroberungskrieg werben. Sie besinnen sich mm aus ihre „nationalen" Gesichtspunkte. Ihre herrschenden Klassen wollen Expansion; sie wollen neue Absatz- und AuSbeutungs- gebiete sich erschließen. Unb ba können auch für Deutschlanb sich unangenehme Konsequenzen ergeben. Deutschland hat bekanntlich daS „berühmte" Gebiet von Kiantschou von China auf 99 Jahre „gepachtet". Dieser sonderbare Vertrag, bei dem Rußland als der Gebieter Chinas sich aufspielte, erregte gleich die lebhaftesten Bedenken; man be - fürchtete, daß diese „Pachtung" leicht zu internatio - nalen Verwicklungen führen könne. Ader der Reichs - kanzler pries bekanntlich damals die Erwerbung dieses „Platzes an der Sonne" mit all feiner Beredsamkeit an. „Fürchten Sie gar nichts I" rief er mit aller feiner Zuversicht «uB. Nun, dies Kiantschou hat mt6 eine erkleckliche Anzahl von Millionen gekostet unb wird unS noch viele kosten; irgend einen Nutzen haben wir davon nicht gehabt unb auch die amtlichen Denkschriften konnten nur auf eine ganz unsichere Zukunft »erweisen. Nun aber trifft ein, roaS man seinerzeit jnit guten Gründen vorhergesagt hat. Die japairtschc PMr hat auflcbeutei, die „Pachtzeit" müsse abge ¬ kürzt werben, da die Japaner von ihren nationalen Gesichtspunkten aus bie ganze Kiautschonaffäre als eine Machination Rußlanbs betrachteten, bie bezweckte, bas Deutsche Reich bauerub in bie biplomatische Gefolgschaft Rußlanbs zu versetzen. Beim FriebenS- schlnsse wirb bie japanische Diplomatie zweifellos auf biefen heiklen Punkt zurückkommen. Nun wollen bei ber Friebensfrage aber auch Norbamerika, Eng - land unb Frankreich milsprechen unb ihre „Interessen - sphären" abgrenzen. In einem rheinischen Blatte wirb angebeutet, bie Japaner könnten Lust bekommen, eine ostasiatische Monroeboklrin zu proklamieren, riachbem sie bie Russen vertrieben. Danach sollten bie europäischen Mächte ihre Besitzungen auf bem ostasiatischen Gebiete innerhalb ber japanischen Interessensphäre aufgeben. Wir halten ein solches Vorgehen Japans zwar nicht für wahrscheinlich, aber doch nicht ganz für ausgeschlossen. Man muß sich mit dem Gedanken beschäftigen, daß auch bei den Japanern, so besonnen sie sonst auch sein mögen, nach dem Siege der niemals ausbleibende Sieger- hochmut kommen wird. Au Widerwillen unb Vor - urteilen gegen bie weiße Rasse hat es ber gelben so wenig gefehlt, wie ber weißen gegen bie gelbe, unb bie gegen bie Rassenvorurteile gerichteten Strömungen sind in Ostasien sehr schwach. Es wird also für die Herren Diplomaten genug zu tun geben, wenn sie verhüten wollen, daß aus ber Verwirrung in Ostasien weiteres Unheil hervor - geht. An den ostasiatischeu Wirren ist aber bie Sozialdemokratie ganz unschuldig und das Losfahren gegen dieselbe von feiten des leitenden Staatsmannes ist vollkommen deplaciert, wenn es auch im übrigen uns vollkommen falt läßt. Dem deutschen Volke wäre dagegen ein großer Gefallen getan, wenn die deutsche Politik nicht im Schlepptau Rußlands sich bewegen würde. Wir predigen freilich tauben Ohren und wir können deshalb nur hoffen, daß die russische Volks - bewegung zu ihrem Ziele gelangt unb bamit die Netze der Herren Diplomaten zerschneidet. Von der Weltbühue. DaS Rcichöparlamcntö-Elend, welches anläß - lich des plötzlichen Schluffes der Session so recht schar in die Erscheinung getreten ist, gibt selbst den „Leipziger Neuesten Nachr." Veranlassung zu einer Philippika voll sittlicher Entrüstung. DaS sonst so kläglich patrio - tisch zahme Blatt schreibt: „„Man predigt wohl viel, aber sie halten eS nicht; man sagt ihnen genug, aber sie wollen eS nicht hören," also heißt eS beim Propheten Jesaias. Schließlich liegt doch jeder nur so, wie er sich bettet. Hat denn der Reichstag in all den fünfzehn Jahren, in denen die Tendenz der Krone herbortrat, einen patriarcha - lischen, nicht nur auS der Gedankenwelt der Romantik geborenen Absolutismus zu stabilisieren, auch nur einmal Rücksicht genommen auf die Zeichen der Zeit? Hat er nicht au den großen, für unsere Geschichte entscheidenden Ereignissen mit dem bequemen Fata - lismus des Moslems zugeschaut? Mag die Welt zusammenhalten oder in Schutt zerfallen: der Reichstag bleibt unberührt. ... Er sah Kanzler und Minister kommen und gehen, er sah, wie die Zeiten sich wandelten und ganz neue Tendenzen den Tieg erfochten, er vernahm Reden, wie sie niemals zuvor vemommen wurden, und er hüllte sich in den unzulänglichen Mantel ängstlichen Schweigens. Nicht immer wird erhöht, der sich selbst erniedrigt. Ja, c8 geschieht, daß, w e r sich erniedrigt, auch von anderen mißachtet wird. ... Schließlich sind im Lause der Jahre der Worte genug gewechselt worden, man möchte auch einmal Taten seyen. Der Reichstag hat Fragen, denen er die höchste Bedeutung beilegte, immer wieder verhandelt, ohne daß auch nur ein schlichter Kommissar am Regierungstisch erschien, er hat noch am letzten Tage Anklage gegen eben diese Regierung wegen Bruchs der Verfassung erhoben, ohne den schönen Gleich - mut der Ministerseelen zu stören: Hat er jemals gegen solche Nichtachtung kräftig remonstriert? Er hat sich den Maulkorb umlegen lassen, wenn es galt, Stellung zu nehmen gegen kaiserliche Kundgebungen, die daS ganze Volk erregten, und er hat sich den Präsidenten, der solcher Auffaffung Träger war, immer wieder gewählt. Wer sich einen Hofmann zum Führer wählt, will selber Höfling sein. Warum hat man nicht daS freie Recht der Antwort auch auf Kaiserreden proklamiert? Warum hat man auf jene Nicht- adjtung nicht damit erwidert, daß man sich einfach ver - tagte, mit der Erklärung, in Abwesenheit der Mnister nicht verhandeln zu wollen? Warum wird man sich auch im Herbst nicht entschließen, die Session mit einer energischen Interpellation darüber zu eröffnen, auS welchen Ursachen und nach welchen Grundsätzen jetzt die plötzliche Schließung deS Reichslages erfolgt ist? Warum wagt man eS nie, den Ministem die Waffe der Etats - verweigerung auch nur von fern zu zeigen? Man redet tausend Stunden, um nichts zu sagen." In diesen Zeilen liegt eine schwere Anklage gegen die Mehrheitsparteien, aber ebenso eine Rechtfertigung der Sozialdemokratie. Sie allein hat im Reichstage sich aufgelehnt gegen den das Recht des Parlamentes beschränkenden Unfug, eS als streng inne zu haltenden „UsuS" zu erachten, „bie Person des Kaisers nicht in die Debatte zu ziehen". Und sie hat den Präsidenten, der sich durch Beugung der Rechte deS Reichstage« hervorgetan, nicht wieder gewählt. Die Etat»Verweigerung, bie heute für bie Sozialdemokratie nur den Charakter einer Semon- iration gegen das reaktionäre Gewalt- t) ft e in haben kann, würde eine Waffe sein, wenn eS bürgerliche Parteien gäbe, bie fähig unb gewillt wären, mit ber Sojialbemofratie I e m einsam burch Eta t S v e r w e i g e r u ng dem Willen deS Reichstages Geltung zu verschaffen. Aber olche Parteien gibt eS nicht. Daß ber Liberalismus o entsetzlich entartet unb verkümmert ist, daß bie reaktionären Gewalten auf bem Gebiete ber parlamen - tarischen Ausgaben ihn nicht mehr emst nehmen — daran ist die liberale Presse in hohem Grabe mitschuldig; je hat stetig den Geist ber Erbärmlichkeit genährt unb verteidigt, ber ben Parlamentarismus auf ben Hund gebracht hasi Tabakgewerbe und Tabakbestenerung. Am Montag trat in Berlin die Jahreshauptversammlung Les Deutsche« TachaivereinS zuja«»e». Au» dem vom Syndikus Schloßmacher -Frankfurta.M. erstatteten Geschäftsbericht ist hervorzuheben, daß der „Deutsche Tabakverein" sich fortgesetzt mit der Lor- dereilung einer Abwehr ber zu erwartenden neuen Steuersorderungen für daS Tabakgewerbe be - schäftigt und auf Grund überzeugenden Materials, welches er zur rechten Zeit an maßgebender Stelle vor- znlegen unb der Oeffenilichkeit mitzuteilen gedenkt, ber Ueberzeugung zum Durchbruch zu verhelfen hofft, baß man bem Tabakgewerbe, ohne er auf Jahrzehnte hinaus schwer zu schädigen unb namentlich die ErwerbS- verhältniffe der darin beschäftigten rund L(X)