Nr. 106. Hamburger 20. Jahrgang. ,egelüste sind immer schlechte Ratgeber. Man will den Gegner im Rtoment verletzen, was ja manchmal gelingt; aber man setzt das eigene Interesse dabei ans den Augen und schädigt sich in letzter Linie selbst. Ein so kostspieliges Vergnügen können sich die überreichen Protzen ja allenfalls gestatten; die kleineren Unter - nehmer aber werden von den Folgen schiver betroffen. Ständen sie nicht unter der Einwirkung des Ter - rorismus der Großen, so würden sie schwerlich mitmachen, sondern mit ihren Arbeitern Frieden zu halten versuchen. Wenn aber schon die Großen zur Befriedigung ihrer brutalen Klasseninstinkte daS Geld wegwerfeu, so hat das doch auch von ihrem Standpunkt einen Sinn nur, wenn sie hoffen können, die Arbeiter wenigstens für die Zukunft wirklich unter das Joch zu beugen und ihre Kampforganisationen zn ruinieren. Die Erfahrung aber könnte sie be - lehren, daß der Erfolg der gegenteilige ist. Die Politik der Rache schmiedet die Arbeiter nur um so fester an ihre Organisationen und treibt diesen immer neue Scharen zu, weil sie in der Organisation allein Schutz und Schirm gegen die boshaften Rachegelüste des machtgierigen Unter - nehmertums finden. So bewährt sich die unkluge Politik der Bos - heit auch hier als die Kraft, die das Böse will, aber das Gute schafft. öit Revolution in RuhllMd. Das neue Ministerium und die Duma. Der Petersburger Korrespondent der „Voss. Ztg." schreibt: An zuständigen Stellen wird über die Absichten des neuen Kabinetts mitgcteilt, daß der Zar und daS Kabinett auf dem Boden des Lktobcrmainsesles stehen. Man geht sogar so weit, zu erkläzen, daß Zar wie Ka - binett überzeugt seien, Rußland sinne nicht anders als „streng konstitutionell" regiert werden. Die wesentlichste Aufgabe des Kabinetts bestehe darin, den Ausbau der versprochenen Freiheiten möglichst schnell und ohne Beunruhigung arößerce Volk»'reise ein - zuletten. Hierbei sei das Ätnistcrium durch keinerlei Engherzigkeit von irgend einer Seite eingeschränkt, auch sei es nicht geneigt, der Jnitialive der Duma irgendwelche Schranken au/zuerlegcn. (?) Die Zusammensetzung der Duma mache keinerlei Sorge. Ter Zar habe im Gegenteil mit Genugtuung wahr - genommen, wieviel tüchtige, arbcitSsreudige und durch - aus zuverlässige Männer in den Reihen der heutigen Opposition stünden. Bei einigem guten Willen auf beiden Seiten würde sich in allen Fragen der Weg der Verständigung finden kiffen. Man solle nur nicht von vornherein dem Kabinett den guten Willen absprechen. Von Reaktion sei keine Rede. Die Lage sei sehr er - schwert worden dadurch, daß die Gesellschaft durch den Entwurf des Staatsgrundgesetzes von neuem beunruhigt und herausgefordert wurde. Der ursprüngliche Entwurf habe lediglich die Abgrenzung der Rechte der Krone und des Parlaments angestrebt, dann habe Witte gerade die Zusätze hineingetragen, die die Gesellschaft am meisten erregten. „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!" * Ministerwechsel. Durch kaiserliche Erlasse wird verfügt: Der Gehülfe des Geschäftsführers des Ministerkomitees, Wuitsch, wurde zum Senator ernannt und Fürst Obolensky feines Amtes als Oberprokurator des Heiligen Svnods enthoben, unter Belassung der Eigenschaft als Mstglied des ReichS- raleS. Der Minister für die Verkehrswege, Nemeschajew, wurde seiner Stellung enthoben. Der Ehef der land - wirtschaftlichen Verwaltung, Nikolsky, wurde seiner Stellung enthoben; an seine Stelle tritt StichinSky. Finanzminister Schipow wurde seines Amtes enthoben, desgleichen UntercichtSminister Graf Tolstoi, an dessen Stelle Senator Kaufmann tritt. Der ReichSkonIroNeur Filossosow wurde seines Amtes enthoben, unter Er - nennung zum Mitglied deS ReichSralcS ; an feine Stelle tritt Schwanebach. Jnstizminister Akimow wurde seines Amtes enthoben, unter Ernennung zum Mitglied des ReichSraleS; an seine Stelle tritt sein Gehülfe Schtiche- glowitow. — Die Gehülfen bei Ministers des Aus - wärtigen, Fürst Obolensky, Ncledinsy, McletSky und des ReichSsekrctärS, Senator Eharitonow soivie Senator Lukjanow wurden in den Reichsrat berufen. Neue revolutionäre Tchilderhebungen. Offiziöse Depeschen aus Riga, 7. Mai, lauten: Eine Baiide von 15 Bewaffneten überfiel gestern Abend die Station Schock unweit T u k k u m, tötete einen Gendarm, einen Schutzmann, den Vorstand des Post - bureaus, einen Schreiber, einen Artillerieoffizier, der sich zufällig dort befand, und plünderte die Kasse des Bahn - hofes und die Postbureaux. Zwei Kompagnien Jufanterte sind von Riga zur Verfolgung der Verbrecher entsandt. — Eine Bande von Revolutionären ermordete mit Dolchen und Beilen im Distrikt Wenden einen Grund - besitzer sowie seine Frau und Sohn und verletzten dessen Tochter schwer. Tas ist die Antwort auf die Henkerarbeit der Zarenschergen ! * AuS Warschau. Vor einiger Zeit wurde über die Ermordung des jungen Kaufmanns Eduard Toeplitz in Warschau berichtet. Eine spätere Pkeldung besagte, daß Eduard Toeplitz das Haus seines VaterS ver - waltet hat, wo Rosa Luxemburg Wohnung nahm, und daß er, als Rosa Luxemburg verhaftet wurde, in den Verdacht geriet, sie der Polizei ver - raten zu haben. Dies sei die Ursache seiner Er - mordung gewesen. Ein Bruder des Ermordeten, Herr Ludwig Toeplitz, stellvertretender Direktor der Banca Eommerciale Jtaliana in Turin, schreibt der „Voss. Ztg." hierzu: „Mein Bruder Eduard Toeplitz verwaltete das Haus unserer Mutier in Warschau, Jasnastraße 5, wo Rosa Luxemburg nie gelebt und gewohnt hat. Diese wohnte in der Jasnastraßei in einer Pension, wo sie auch verhaftet wurde. Nach Aussagen der polnischen sozialdemokratischen Partei war es der Partei unbekannt, wer der Verräter von Rosa Luxemburg gewesen ist, auch wurde in jener Zeit (April 1905) fein Todesurteil seitens der Partei gefällt. Die Partei erklärte, sie habe absolut nichts mit dem Morde meines Bruders zu tun, absolut keinen Grund gehabt, gegen den Ermordeten vorzugehen, der zu keiner Partei gehörte und von der sozialistischen Partei eher als eine mit ihr sympathisierende Persönlichkeit, denn als ein Gegner betrachtet war. Ungefähr gleiche Erklärungen gaben die Parteien „Bund" und „Proletariat" ab. Tie P. P. S. lpolnische sozialistische Partei) erklärt in Nr. 88 ihres Organs „Robotnik" („Der Arbeiter"), ausgegeben in War - schau" am 28. April, daß der bloße Verdacht, cs könne sich um eine politische Rache handeln, das An - denken deS unglücklichen Opfers des BaiiditentumS beleidige. Eduard Toeplitz sei als ehrlicher Mensch bekannt gewesen." Kapons (»nbe. Die Redaktionen der großen Petersburger Blät - ter haben folgendes Schreiben erhalten: Das Arbeitergericht hat festgestellt: 1. Daß Georg Gapon. nachdem er im Dezember 1905 nach Petersburg zurückgekehrt war, mit Witte in Verbindung trat, daß er eine Reihe von Zusam - menkünften mit dem früheren Direktor des Polizei- departements Lopuchin und dessen Gehülfen Ratsch- kowsky gehabt hat, daß er mit dem Leiter der Peters - burger Geheimpolizei Gerassimoff unterhandelt hat. Diese Personen versprachen ihm ihren Beistand bei Wiedereröffnung der Abteilungen seines Verbandes, wenn er ihnen erzähle, was er von der Revolution und den Revolutionären wisse. Gapon er - zählte. 2. Um den 28. Januar 1906 schrieb Gapon einen Brief an den Minister des Innern Durnowo, in dem er seine frühere revolutionäre Tätigkeit und die Vorgänge vom 22. Januar 1905 leugnete. Dieser Brief wurde durch Ratschkowskv übergeben. 3. Georg Gapon erhielt von Ratschstiwsky und Gerassimoff den Auftrag, die Verschwörungen aegen den Zaren, gegen Witte und Durnowo auszrkiind- schaften und zu verraten. Er nahm es auf sich, einen seiner Anhänger zu ..verführen". Er suchte ihn zu überreden, 25 000 Rubel für die Entdeckung einer Verschwörung zu nehmen, für vier Verschwö - rungen könne man 100 000 Rubel verdienen. Im Namen RatschkowSkys garantierte Gapon dem Ver - räter volle Sicherheit für den Full, daß fein Verrat entdeckt werden sollte. 4. Georg Gapon wurde am 3. November 1905 amnestiert. Das wußte er, trat aber mit der Re - gierung in Verbindung, erstell von ihr Geld und einen falschen Paß auf den Namen Grebnitzky. Für kurze Zeit ging er nach dem AnSlandc. Nachdem er im Dezember 1905 zurückgekehrt ist, wohnte er mit diesem Paffe in Petersburg und erklärte den Arbeitern, er sei gezwungen, illegal zu wohnxn, da die Regierung ibn verfolge. 5. Seinen Einfluß auf den Arbeiter Tschere - muchin mißbrauchend, gab ihm Gapon einen Revol - ver und verleitete ihn zu schwören, daß er den Ar - beiter Petroff töten werde, der eine Reihe von Tat - sachen veröffentlichte, die über das Verhältnis Ga- poiis zur Regierung Licht verbreiteten. Tschere - muchin erschoß sich aber mit diesem Revolver selber und zwar tn einer Sitzung, in der Gapon den Vor - sitz führte. 6. Außer den 10 000 Rubeln, die Gapon für die in England veröffentlichte Schilderung der Vorgänge des 22. Januar erhielt, bekam Gapon im Sommer 1905 von einer Privatperson 50 000 Franken für die Arbeiterfache. Dieses Geld ward den Arbeitern nicht übergeben. Der überführte Gapon gestand daS alles selbst, erklärte aber, er hätte das zur Verwirklichung einer „Idee" gemacht, die er dabei gehabt hat. Georg Gapon ist ein Verräter, Agent Provokateur und hat Arbeiter- gelb unterschlagen, er hat das Andenken und die Ehre der am 22. Januar 1905 gefallenen Ge- noffen geschändet. Georg Gapon ist zum Tode 6er» urteilt. Dieser Spruch ist ausgeführt wor - ben. Mitglieber bes Gerichts. Von der Weltbühne. AuS dem Reichstage. Berlin, 7. Mai. Heute wurde die Tcbaltc über die Zigaretteii- st e u e r v o r l a g e fortgesetzt uiib auch beendet. Ver - gebens beniühien sich unsere Genossen Geyer, v. Elm und M o I k c n b u h r und der Pole Graf Miel- , y n r k i, das Geietz zu verbessern bezw. die schärfsten Bestimmungen zu mildern. Tic Mehrheit redete nicht, abgesehen von einigen unbedeutenden Bemerkungen Dr. Jägers oder deS Berichterstatters Held; sie stimmt für die Pfuscharbeit der Kommission und gegen die VerbesserungsamrSgc der Sozialdemokraten oder der Polen. Das einzige Zugeständnis, daS man den Zigarettenhändlern machte, ist, daß sie nach Jnkrasttreten des Gesetzes eine Frist von drei Monaten zum Verkauf ihrer alten Vorräte erhalten. Der arbeilerfeindliche Charakter der Mehrheit zeigte sich bei der Stellungnahme zu dem soziatdcmokralischen Eutschäblgungsantrag, wonach Arbeiter und Arbeiterinnen, die infolge der Wirkungen dieses Gesetzes brotlos werden, eine Entschädigung erhalten sollen, abgestnft nach der Zeit, die sie in der Zigaretten- industric beschäftigt waren. Als es sich um den Erlaß deS SüßstoffgesetzeS und um die Beseitigung der Privat- postanstaltcn handelte, ja, da war die Bkehrheit fstr Geld- kutschSdiguugen der zum Teil schwer reichen Unternehmer; aber jetzt, wo sich'S um arme Arbeiter handelt, da erklärt die Regierung in holder Uebereinstimmung mit dem Zen - trum und deii Naiionalliberalcn: Nein, das geht nicht f Mögen die brotlos werdenden Arbeiter sehen, wo sie anderweit Beschäftigung finden ; mögen die Tausende von jungen Mädchen der Prostitution anheimfallcu oder mögen sie verhungern, waS flimmerte uns. Menschen - fleisch ist ja so billig; wozu also noch Entschädigung für künstlich herbcigesührtc Verminderung der Arbeits - gelegenheit? Nach Fertigstellung der Zigarettenstcuervorlage bis auf § 2, der morgen zur Abstimmung kommen soll, kam die F r a ch l u r k u n d e n st c u e r v o r l a g e au die Reihe. Nachdem man vor einigen Jahren auf die Frachturkunden für die Seeschifffahrt eine Steuer gelegt und die beteiligten Kreise nicht laut genug dagegen geschrien haben nach dem Muster der uoiletdeuden Landwirte, bat man wahrscheinlich ange - nommen, daß man den Reedern bezw. dem Handel nur einen Gefallen damit erweist, wenn man anch die Schifffahrtsurkunden und ^Frachtbriefe in der 'Binnen« ichifffahrt einer gleichen Steuer unterwirft. Trotz des Hinweises unseres Genossen L i p i u S k i und der Frei - sinnigen Kämpf, G o t h e i n , Dr. W i e m c r und Dowe auf den eminent handelsschädigenden Charakter dieser Steuer, stimmte die Mehrheit dem RcichSschatz- sekrelSr zum Gefallen für die etwa M. 200 000 bringende Vorlage, nachdem der Antrag der Freisinnigen, sie wieder an die Kommission zurückzuverweisen , ab - gelehnt war. Die Leidtragenden in diesem Falle werden die kleinen, „bis auf die Knochen königstreuen" Binnen - schiffer wieder fein, die wirtschaftlich nicht stark genug sind, um die Steuer abwälzen zu können. Tie „dringendsten" Geschäfte deS Reichs - tags sollen, wie gestern berichtet, wenn irgend mög - lich bis zum 30. Mai erledigt werden, um bann bis zum Herbst bie Verhandlungen zu vertagen. „Dringend" sind für die Regierung natürlich in erster Linie der Etat und bie Steuervor - lagen. Würben sie nicht bis zum 31. Mai fertig, so müßte nochmals ein weiteres „Notgesetz" erlassen । werben, ba bas vor bem 1. April beschlossene nur bis i Enbe Mai Vorsorge trifft. Die Regierung will aber auch bie Militärpensionsgefetze noch zur Verabschiebung bringen unb baneben muß bie i Diätenvorlage noch erlebigt werben. Nach bem vom Präsibenten beabsichtigten Beratungsmobus ist unter Fortfall ber Schwerinstage bie Erledigung der bezeichneten Vorlagen innerhalb des in Aussicht Genommenen Termins angängig. Die Einbuße an Schwerinstagen soll dadurch ausgeglichen werden, daß bei Wiederzufammentritt des Reichstages sofort eine Anzahl Schwerinstage stattfinden, damit na - mentlich ber Toleranzantrag bes Zentrums unb ber Antrag auf Heimarbeiterschutz ber Sozialbemokratie ihre Erlebtgung finben. Neben ben Initiativ- anträgen werben im Herbst bie übrigen, bereits aus ben Kommissionen hervorgegangenen Regie - rungsvorlagen in Angriff genommen werben können, ba ber Etat für 1907 erst Mitte Dezember vorgelegt werden wird. Der Seniorenkonvent stimmte ben Vorschlägen bes Präsibenten zu. Hiernach wirb sich ber Verlauf ber Beratungen wie folgt gestalten: In ber laufcnbcn Woche sollen bie sämtlichen Steuervorlagen unb das sog. Mantelgesetz in zweiter Beratung erledigt werden. Tann folgt die zweite Lesung der Diätenvorlage. Hieraus dritte Be - ratung ber Steuervorlagen, bes Flottengesetzes unb ber Diätenvorlage. Diesen Verhandlungen schließt sich die zweite Beratung der Militärpensionsgefetze an, für die drei Tage in Aussicht genommen sind. Dann folgt bie dritte Beratung dieser Gesetze, während die dritte Lesung bc5 Etats ben Schluß ber vor ber Vertagung in Aussicht genommenen Be - ratung macht. Der neue Fahrkartenstenerantrag ber Mehrheits - parteien des Reichstages liegt jetzt im Wortlaut vor. Er lautet: 1. Im Artikel 2 erhält die Nummer 7 des Tarifes folgende Faffung: Personenfahrkarten. 7. ») Fahrkarten, Fahrscheine unb sonstige Ausweise über die erfolgte Zahlung deS PcrsonenfabrgeldeS im Eisenbahnverkehr auf inländischen Bahnlinien in III. II. I. bei einem Fahrpreise von: 2l> agents lafu 0,60 A bis 2 M.. . . 5 10 20 mehr als 2 5 . 10 20 40 - . 5 „ ff 10 M • • . 20 40 80 5* = „ 10 „ 20 . 40 80 160 S 2. „ 20 30 . 60 120 240 g = „ 30 40 ff • . 90 180 360 S ~ „40 „ 50 . 140 270 540 x-5 ff . 60 „ • - . 200 400 700 Fahrkarten von Straßen- unb ähnlichen Valuten, welckie getrennte Wagenklafscn nicht führen, werben wie Fahrkarten dritter Klasse behandelt. b) Fahrkarten, Fahrscheine und sonstige Aus - weise über die erfolgte Zahlung deö Personenfadr- aeldeö im DarnvfschifsSverkehr auf inländischen Wasserstraßen und Seen sowie int Danwffchisss- verkehr der Nord- und Ostsee zwischen inländischen Orten unterliegen den unter a für die dritte Wagen- klasse festgesetzten Steuersätzen. Wenn das Dampf - schiff verschiedene Fahrklassen führt, gelten die unter a für bie dritte Wagenklasfe festgesetzten Steuersätze für die niedrigste Fahrklasse, die unter a für bie zweite Wagenklasse festgesetzten Steuersätze gleichmäßig für die höheren Fahrklaffen. Befreit find: 1. Fahrkarten usw., wenn deren tarifmäßiger Fahrpreis, bei Zeitkarten ber Gesamt - preis ber Zeitkarte, bei Fahrkarten von unb nach auSlänbischen Orten ber Fahrpreis für bie im Jn- lanbe zurückzulegenbe Strecke ben Betrag von 60 F nicht erreicht; 2. bie zu ermäßigten Preisen auS- gegebenen Militär- unb Arlieiterfahrkarten, 3. Fahr - karten der brüten Wagenklasie, soweit im Eisenbahn- Verkehr eine vierte Wagenklaffe nicht geführt wirb, unb ber Fahrpreis bet brüten Wagenklasfe den Say von 2 F für das Kilometer nicht übersteigt. Anmerkung zu Tarifnummer 7. Von Zu - satzkarten, die zur Fahrt in einer anderen Zug - gattung oder auf einem Dampfschiff anderer Gattung (Gib, LuruSdampfer) berechtigen, ist eine besondere Abgabe nicht zu entrichten. Von Zusatzkarten, die zur Fahrt in einer höheren Fahrklasse berechtigen, ist die Stempelabgabe in Hohe des Unterschiedes zwischen dem Stempclbetrage für diese Fahrklasse unb dem zur Hauptkarte geschuldeten Stempelbetrage zu entrichten. Berechtigt eine Fahrkarte nach Wahl des Reisenden zur Benutzung der Eisenbahn oder deS Dampfschiffes, so hat die Stempelberechnung unter Berückstckstigung derjenigen Besördetungsweise zu erfolgen, die den höheren Stempelbetrag Ergibt. Die Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn eine Fahrkarte (Fahrscheinheft) zum Teil zur Benutzung einer höheren Wagenklasse berechtigt. II. Im Artikel 1 ist hinter dem § 40 i folgende Vorschrift einzufügen: § 40 i i. Der Bundesrat ist befugt, während einer längstens auf ein Jahr zu bemessenden Ueber. gangSzeit das Verfahren bei der Stempel, erbebung abweichend von ben vorstehenben Vor- schritten zu regeln. Das Zentrum Hai nach ber „Germania" be - reits am Sonnabend feinen Segen zu diesem An- trage gegeben; auch die Regierung ist mit ihm ein - verstanden. Ta wirb bie steuersüchtige Mehrheit alle noch so gewichtigen Grünbe gegen diese Ver- kehrsbelastungen in den Wind schlagen. Geld, viel Geld soll beschafft werden, um den großen Reichs- dalles wenigstens für kurze Zeit zu heilen. Ta kommt eS ben Mehrheitsparteien nicht mehr daraus an, welche» Unheil durch die ausgeklügelten Steuern ungerichtet wirb. Gegengründe unb Gegenanträge werben, »nie bei ber ZigareUensteuer, einfach niebergeftimmt. Taö amtliche GrgcbniS ber Stichwahl in Darmstabi-Großgerau ist folgendes: ES wurden 32 437 gültige Stimmen abgegeben. Davon erhielt Landtagsabgeordneter Genosse Berthold 16632, Rechtsanwalt Dr. Stein (NL.) 15 805. Berthold ist gewählt. Roche für die Niederlage in Darmstadt wollen die Nationalliberalen an der Freisinnigen Vereini - gung nehmen, die es zusammen mit den versprengten Nationalsozialen und einem Häuslein süddeutscher Demokraten versucht, den Liberalismus ernst zu nehmen und aus den schönklingenden Worten die Konsequenz in Taten zu ziehen. Der in Darmstadt gemachte erste Versuch dieser Art ist ja verun - glückt; die große Mehrheit der „entschieden Libe - ralen" hat die paar Führer total im Stich gelassen. Dieser Verrat der „entschieden Liberalen" an bett eigenen Parteigrunbsatzen hat der Sozialdemokratie nicht geschadet, ihren Sieg nicht hindern können. Der Sieg wäre wahrscheinlich auch unser gewesen, wenn der Wahlausschuß der „Bereinigten Liberalen" die Wahlparole „Für den Sozialdemokraten" nicht ausgegeben hätte. Aber bie unterlegenen National- liberalen wollen einen Prügeljungen für ibtj Mißgeschick haben und da ist ihnen die Freisinnige Vereinigung gerade recht dazu. Der Zentral- vorstand der nationalliberalen Par- t e t hat also am Sonntag in Berlin folgende weit- erschülterube Rcsoluiion veschlossen. „Der Zentralvorstand der nationalliberalen Partei spricht seine E n l r ü ft u n g darüber auS, daß die sogenannten „Bereinigten Liberalen" int Wahlkreise Darmstadt-Großgerau unter dem aus - schlaggebenden Einflüsse anerkannter Führer der mit den Nationalsozialen fusionier - i e n Freisinnigen V e r e_i n i g it n g die Parole ausgegeben haben, in der Stichwahl für den sozialdemokratischen Kandidaten gegen den von ihr als persönlich einwaiidsrei anerkannten national- liberalen Kandidaten einzutreten. Ter Zentralvor- stand muß dieser Tatsache gegenüber die angeblichen Bemühungen ber genannten Partei, einen Zusammenschluß aller Liberalen her - beizuführen, als für bie liberale Sache wertlos bezeichnen. Der Zentralvorstand fordert die Partei - freunde im Laude auf, jedem Kandidaten ber Freisinnigen Vereinigung so lange ihre Stimme zu versagen, bis biefc Partei genügenbe Sicherheit dafür bietet, daß sich ihre Anhänger einen betartigen Verrat an bet liberalen Sache nicht wieder zu schulden kommen lassen werden." Die „Rationalzeiiuitg" versucht dies« Resolution noch zu verschärfen durch die Bemerkung: „Es wäre eine gefährliche Selbsttäuschung, wenn sich die freisinnige Bereinigung auch nur einen Augenblick bei dem Troste beruhigen würde, daß eine Resolution nicht mehr sei, als ein Stück Papier. Die Resolution bedeutet ein Ultimatum in schärfster Form, wenn auch noch keine sor. melle Kriegserklärung." Bezeichnend für die Situation im „liberalen" Lager ist, daß die „Freie Tentfche Presse", das ofsi- zielle Parteiorgan der freisinnigen „Volkspartei", diese Wutausbrüche der Diationallibcralcn gegen bie feindlichen Brüder vom Freisinn mit gewisser Ge- mirttuung registriert. Haben doch auch die Organe dieses Jamnterfreifiniis f ü r ben Reaktionär Dr. Stein in Darmstabt Propaganda gemacht. Die Herren Dr. Barth und Naumann werden den papieriien Bannfluch der Nationalliberalen wohl nicht allzu tragisch nehmen. Ersterer erklärte am Sonnabend in seiner „Nation": „Eine Einigung deS Liberalismus zu dem Zweck, um eine n e u e S ch u tz- truppe für die Reaktion herzustellen, kann vom Stastdpunkt des entschiedenen Liberalismus au3 nicht nachdrücklich genug bekämpft werden. Eine derartige Einigung würde nicht nur das Ende des wirklichen Liberalismus bedeuten, son- dern auch der Sozialdemokratie neue politische Kräfte zuführen." Das ist richtig. Aber die neue Schuhtruppe bet Reaktion ist wirklich aus den Rethen der „ent - schieden Liberalen" erstanden. Und das Ende des „wirklichen" Liberalismus ist in sehr greifbare Nähe gerückt, denn, wie die Wahl in Darmstadt zeigt, hört der „wirkliche" Liberalismus auf, Wirk- lichkeit zu sein, sobald es Ernst werden soll. Wenn die Führer deö „wirklichen" Liberalismus ihre Mannen zum Sturm gegen die Reaktion komman - dieren, dann kehren die meisten schleunigst um und rennen in das gegnerische Lager. Wir kannten diese ..liberalen" Pappenheimer schon immer; bie Darmstadter Wahl hat sie wieder in voller Glorie gezeigt. Die süddeutschen Nationalsozialen haben am 7 Mai in Stuttgart ihren Parteitag gehabt, aus dem sie „zur Einigung deS Liberalismus" folgende Resolution anuahmen: „Ter Parteitag sieht in der Einigung des Liberalismus nach wie vor eine Haupt- aufgabe seiner einzelnen Verbände und Vereine. Dabei ist sklbsiverständlich, daß eS fick bei jeder Einigung des Liberalismus nur um die Selbstbesinnung der liberalen Gruppen auf ihre entschieden freiheitlichen Aufgaben unb daher praktisch unter den gegenwärtigen politischen Ver« hältniffen nur um die F r o n t st e 11 u tt g gegen bis rechtsstehenden Parteien handeln bars. Die Stichwahl in Darmstadt hat gezeigt, daß — von wenigen achtenswerten Ausnahmen abgesehen — bie „Liberalen" in Hellen Haufen in« reaktionäre Lager über - laufen unb an die „cntschieben freiheitlichen Aufgaben" nicht im Mindesten denken, wenn ihre Spießdürgergemütcr durch ben Sozialismus erschreckt werden. Die Neueinteilung der Reichötagswahlkreife in Glsaft-Lothiingen sollte nach der Mitteilung des „RetchSanzeigerS" eine am letzten Donnerstag im Bundes - rate behandelte Vorlage betreffen. Nach einem Straß - durger Telegramm handelt eS sich dabei nur um eine Bagatelle, nämlich lediglich barum, daß bie Wahlkreise 18, Tiedenbofen, unb 14, Metz, derartig abgegrenzt werben sollen, baß eine vor einigen Jahren neu ent« stanbene Gemeinbe in Stahlheim, die zu Teilen beiden Wahlkreisen angehört, in ihrem ganzen Umfange dem 14. Wahlkreise zugewiesen wird. Zum Nachfolger Buddcö als Eisenbahnminister soll nach ben Mitteilungen Berliner Blätter bet Prä - sident der Eisenbahitdireknou Köln, Breitenbach, ernannt worden fein; die Ernennung soll jedoch erst in einigen Tagen offiziell besannt gegeben werden. Breiten - bach ist Jurist, aber schon lange int Eisenbahndienst. Er wurde am 16. April 1850 in Danzig geboren, 1878 zum RegiernngSafsesfor ernannt, 1882 wurde er als ständiger HülsSarbeiter ins Eifenbahmninisterium be - rufen ; 1885 wurde er als RegierungSrat Direktion-» Mitglied, 1893 Leiter deS rheinisch-hannoverschen Be- tiiedSamteö, 1896 OberregicrmigSrat bei ber Direktion