Nr. 72. 21. Jahraanst. LamburgerEcho. TaS „Hamburger Scho'" «scheint täglich, autz« MontagS. Abonnementspreis links. „Tie Neue Weltes beträgt: durch die Post bezogen ohne Bringegeld monatlich jn. 1,20, vierteljährlich *3.60; durch die Kolporteure wöchentlich 30 4 frei inS Haus. Einzelne Nummer 5 *. Sonntags-Nummer mit illustrierter Sonntagsbeilage „Tie Nene Welt" 10 *. Verantwortlicher Redakteur: Karl Petersson in Hamburg. Dienstag, Brit 26 Mär; 1907. ""den die sechsgespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 35 4. für den Arbeitsmarkt, Bermietungs- und xsamilienauzeigen mit 20 4 berechnet. Anzeigen-Ann hme in der Expedition (bis 5 Uhr Llbends), in den Filialen (Lis 4 Uhr Nachmittags), sowie in sämtlichen Annoncen-Bureau^ Redaktion und Expedition: Felilanbstrahe U in Hamburg. Jifinkn 4 bei L-inrick Koenen Seilerstr 27 pt. l. Eimsbüttel, Lanaeuselde bei Carl Dreyer, Mor.Methenitr. 72, Zimsbnttel. Hoheluft, l-ppeudorf, t«roh-«orstel und L^iuterhude bei Lrnü Grosikopf^Anw°a^SI S-7v-?d-rf. «««berk, Uhlenhorst bei Theodor Petereit, Wr. 12, Barmbeck. St. t«eorg, Hohenfelde, Borgfelde, Hamm, Horn und Lchissberk ß rtr i rrt/l ' 2initftr 26 RorVielde Hammerbrook, Siotenburgsort, Billwärder lind Veddel bet 91 itb. Fuhrmann, Lchutabeustr. 33, Hammerbrook. Eilbeck, Waudsbeck und H insklicnfelde bei' F r a n z' K r ü g er, Cternstr. 36, W a n d S b eck. Altona bei Friedrich Ludwig, Burgerur. 118, Slltona. Qttensen, Bahrenfeld bei Johannes Heine, Bahreuselderstr. 129, Ottensen. Kein deutfdier Arbeiter lalle fidi für den Hamburger Hafen anwerben! Hierzu eine Beilage. Fata Morgana. Herr Dernburg kann sich wirklich seiner „Erfolge" rühmen. Die Mehrheit vom 13. De - zember wurde bei den Neuwahlen überwunden, und die neue Mehrheit hat dem Herrn Kolonialdirektor alles bewilligt, was er verlangt hat. Der „Block", der sich zu diesem Zwecke gebildet hat, wird ja noch eine Weile vorhalten. Die linksliberale Presie, die bis kurz vor dem Zusamnienstoße mit dem Zentmm die Kolonien so oft als aussichtslos und allzu kost - spielig geschildert, hat nun mit einem Male entdeckt, daß denselben Kolonien eine glänzende Zukunft bevorsteht. Bei solchem Umschwung beginnt aber mrch die „Farbenpracht" zu wirken, mit der Herr Dernburg die Kolonien ausgemalt hat. Man beginnt wieder zu träumen von Palmenhainen und Goldminen, von reichen Jagdgründen und Diamant - seldem. Aber auch praktisch veranlagte Leute lasien sich von der aufgewendeten „Farbenpracht" blenden und bekommen plötzlich eine Sehnsucht nach Aftika. Kleine Geschäftsleute, Handwerker, Kaufleute usw. haben sich, wie namentlich von Berliner Blättern gmreldet wird, in Maffe entschlossen, nach den Ko - lonien auszuwandem und dort ihr Glück zu ver - suchen: es befinden sich auch viele Personen mit nicht unbeträchtlichen Kapitalien dabei, die ihr Ver - mögen in Ackerbau und Viehzucht anlegen, resp. Famier werden wollen. Dazu mag auch beitragen, daß die südwestaftikanischen Farmer für ihre Ver - luste im Hottentottenkriege, wenn auch nach ihrer Meinung nicht genügend, entschädigt worden sind, so daß mancher von ihnen nun besier daran sein mag als zuvor. Es hieß auch, vor dem Kriege habe cv ui der Kolonie ziemlich schlimm gestalten; erst der Krieg habe es den Farmern und Händlem er- uröglicht, große Profite zu erzielen. Was in Ver - bindung mit der „Farbenpracht" Dernburgscher Zchildemngen nun eine Menge Spekulanten nach Aftika treibt, das ist die Hoffnung auf Staats Unterstützung. Es war ja schon einmal in der Denkschrift eines Beamten ein Plan entworfen worden, die Kolonisiemng mit baren Zu- schüsien an die einzelnen Kolonisten zu fördern. Die Hoffnungen auf Staatszuschüsie werden auch durch die Haltung der neuen Reichstagsmehrheit gehoben. Diese künftigen Ansiedler denken wohl zum größten Tell daran, die Eingeborenen tüchtig auszubeuten; kommt es wieder zu einem Aufstand, so wird von der neuen Reichstagsmehrheit auch reichliche Ent - schädigung zu erlangen fein. Alle diese Erwägungen spielen mit. Die Ansiedler gebärden sich immer in Aftika als „Pioniere deutscher Kultur", während sie doch alle nur dorchin gehen, um Geschäfte zu machen. Sie sind dafür bevorzugte Lieblinge des Reiches, denn man entschädigt sie für die im Kriege erlittenen Verluste. Wenn in das Deutsche Reich selbst ein feindliches Heer einbräche und Ver - wüstungen anrichtete, würde es da auch Entschädi - gungen geben? Solch ein Wirrwarr von Hoffnungen und Ent - würfen ist durch die „Farbenpracht", die der Herr Kolontaldirektor zu verleihen verstanden, erweckt worden. Es kommen die Zeitumstände dazu; eine Reche von Existenzen int Handel und Gewerbe kann sich gegenüber der Ueberfüllung der Erwerbszweige und der Konkurrenz des Großkapitals nur schwer behaupten. In den Kolonien hofft man günstigere Verhältnisse vorzufinden. Im Wahlkampfe suchten die Kolonialpolitiker auch diese Hoffnung zu ver - stärken. Sie erzählten bei jeder Gelegenheit eine rührende Geschichte von einem Deutschen, der nach Deutsch-Südwestafrika ausgewandert und dort ein reicher Mann geworden sei. Hinterher stellte sich bann heraus, daß der Mann mit über JL 30000 in der Tasche nach der Kolonie verzogen war. Solch ein kleiner Kapitalist kann es auch im Deutschen Reiche noch zu etwas bringen. Man kann sich denken, daß an den Kolonial - direktor schon eine Menge von Gesuchen, Anfragen, Anregungen und Vorschläge ergangen sind. Das Spekulanteutum mag sich dabei recht breit machen, wo im Hintergrund verlockend der Reichssäckel winkt. Herrn Demburg mag bei der Sache selbst nicht ganz wohl zu Mute sein, denn wenn man den Ber - liner Blättern Glauben schenken will, so erscheint ihm der mit einem Mal mächtig anschwellende Strom der Auswanderungslustigen schon viel zu groß. Er sucht also einzudäminen, zurückzuhalten. Er will bewirken, daß den Ansiedlern erst nach einer halbjährigen „Lehrzeit" Land gegeben, d. h. verkauft werden soll. Welch ein großartiger Ge - danke! Nur wird die Ausführung nichts nützen, dem wer einmal entschlossen ist, sich in Südwest- aftika anzusiedeln, den können auch sechs Monate Wartezeit nicht abhalten. Wer erst das Geld sirr die Reise daran gewendet hat, der wird auch nicht gern unverrichteter Sache wieder nach Hause gehen. Uebrigens kann es sich bei dieser „Lehrzeit" nur um solches Land handeln, das der Regierung gehört Auch in der Presie, welche sonst grimmig gegen die Mehrheit vom 13. Dezernder loSzuwettern pflegt, finden sich Anzeichen des Mißtrauens gegen diese neue Dernburgiade mit der sechsmonatigen Warte - zeit. Ein solches Blatt meint, Herr Dernburg solle doch lieber seine Meimng rund heraus sagen, ob für Leute, die in den Kolonien sich ansiedeln wollen, auch „gesicherte Aussichten" bestehen. Du lieber Gott — gesicherte Aussichten! Die kann doch auch Herr Dernburg nicht bieten, solange das Reich nicht bares Geld für die Ansiedler hergibt. Ob durch die neue Reichstagsmehrheit, auch wenn sie allen Fordemngen Dernburgs zustimmt, die bisher bekannten Schwierigkeiten in Südwest- aftika überwunden werden können, das scheint uns beim doch mehr als zweifelhaft. Wie man die Dürre, den Wasier- und Futtermangel bekämpfen und wie man die Epidemien unter dem Vieh be - seitigen will, das ist bis jetzt noch nicht gesagt worden. Herr Dernburg wird ja auch demnächst seine große Informationsreise nach den Kolonien antreten. Vielleicht kommt doch auch er zu der Er - kenntnis, daß er besser getan hätte, diese Jnftrma- tionsreise vorher zu machen und feine praktischen Darstellungskünste einstweilen ruhen zu lassen. Die Forderung, daß der Reichstag Barmittel bewilligen soll, um die Kolonisation und Ansiedlung direkt zu fördern, wird nicht lange auf sich warten lassen, und die Spekulanten werden dafür sorgen, daß nach dem Muster der Agrarier entsprechend Lärm gemacht wird. Die Kolonialschwärmer werden dann diesen Länn als „Stimme des Valk es" bezeichnen. So wird es kommen, wie es schon so oft bc fürchtet worden: Ans den Kolonien werden sich vorläufig ganz gewiß keine goldenen Ströme nach Deutschland ergießen. Herr Dernburg hat ja auch selbst längere Zeit für die Ausführung feiner Pläne verlangt. Aber aus den Taschen der deutschen Steuerzahler wird sich ein Goldregen über die Kolonien ergießen, und zwar in einer Zeit, da der Schatzsekretär weiter aufs neue borgen muß, und neue Steuern wieder im Anzuge sind. Ja, ja, es muß wieder Lehrgeld gezahlt werden, und zwar rasch und viel. Wie lange wohl noch der gute deutsche Michel sich das gefallen läßt?! Von der Weltbühne. Die neuen Steuern, die das trotz der bielberedeten „Reicvsfinanzresorm" vom vorigen Jahre im Reichssäckel vorhandene Defizit decken sollen, tauchen schon auf. Die „ftölft. Volks-Ztg." will wissen, daß man sich im Bundesrat bereits wieder mit dem Gedanken einer abermaligen Finanzreform unter dem Reichsschatzsekretär Freiherrn v. Stengel befasse, um daS Hundert-Millionen-Defizit deS kommenden JahreS zu decken, und zwar solle in erster Linie das Projekt einer Tabakfabrikatsteuer in Form einer Banderolensteuer wie bei den Zigaretten in AnSsscht genommen fein. Von anderer Seite wird erzählt, daß der Reichsschatzsekretär die für die Erhöhung der Beamtengehälter notwendigen. Millionen auS einer abermaligenErhöhung d er Brau - steuer bis zur Höhe der in Bayern gellenden Sätze herauSzuschlagen gedenke. Es wird also weiter „finanzresormiert" auf Kosten des armen MaiuieS. Die Börsengese-novelle, die bekanntlich den Agrariern ein Dorn im Auge ist und deshalb als Sprengstoff für den „nationalen Block" zu dienen geeignet ist, soll nach einer offiziösen Mitteilung des „Lok.-Anz." dem Reichstage erst in der nächsten Session zugehen. Die Hinausschiebung wird wie folgt motiviert: „Es liegt zwar bereits ein vom Handelsmlnister Delbrück ausgearbeiteter Ent - wurf vor, der schließlich, wenn es fein müßte, zwischen Ostern und Pfingsten schleunigst fertig- gestellt werden könnte, jebod) dürfte, da es sich um eine sehr umfassende Reform handelt, die Durchberatung im Reichstage vor Schluß der Session nicht mehr möglich fein; anderseits aber haben die an der Reform zunächst beteiligten Börsenkreise den dringenden Wunsch geäußert, die Vorlage nicht zu überstürzen, vielmehr möglichst viel Gewicht auf eine eingehende Vorarbeit zu legen. Dieser Wunsch dürste um so mehr Berücksichtigung verdienen, als es sehr wünschenswert erscheint, die Allgemeinheit über das Wesen und den Zweck der Reform gründlich aufzuklären und so das Verständnis für die be - absichtigte Vorlage zu fördern. Wenn ein rheinisches Zentrumsblatt behauptet, der Kaiser habe kürzlich den Staatssekretär des Innern ohne Wissen des Reichskanzlers ersucht, eine Börsengesetz - novelle auszuarbeiten, so ist diese Darstellung falsch. Die Novelle ist vom Kaiser in der Thron - rede, vom Kanzler in seiner Rede beim Landwirt - schaftsrat angekündigt worden. Kaiser und Kanzler sind sich seit mehr als zwei Monaten völlig einig über die Notwendigkeit und über die Umrisse des Gesetzes." Es wird dann noch weiter mitgeteilt, daß über diese Frage keinerlei Unstimmigkeiten inner - halb der Regierung herrschten: der Kanzler, Gras Posadowskn. Herr v. Rheinbaben und der Handels- minifter seien hier durchaus einer Meinung. Die Mitteilung, gegen welche sich das offiziöse Dementi richtet, stammte aus der „Köln. Volksztg." und besagte: Q --Nebenbei sei erwähnt, daß auch das neueste Zugeständnis Bülows an den Liberalismus, das an» „ s 6te .V ° rf engesetz , nicht Bülows, Arbeit 6 d * s Kaisers Initiative und der 1“-“ f ° to skys entsprungen ist. Der ^ Orfcn,rcifen heraus daraus auf - merksam gemacht worden fein, daß infolae des i- 1 * 1 an der Börse Geld gc° könnte größte Betrüger keines verlieren konnte. Weil er bann einfach den SDirferemeinmnnh geltend mache. Daraufhin habe dlr Kasser wfort ohn« Wissen Bülow«, den Grafen Posa- dowSky kommen lassen und ibn nach längerer Rücksprache beauftragt, eine Börsengesetz - novelle auszuarbeiten. Dies ist auch ge - schehe n, und die diesbezügliche Vorlage könnte unmittelbar nach den Osterferien dem Reichstage zu - gehen. Da aber nach unverbindlichen Aussprachen im Bundesrat und bei den Konservativen Unstimmig - keiten zu Tage getreten sind, wird, wie neuerdings bestimmt verlautet, Bülow die Einbringung des Börsengesetzes vorläufig unterlassen. Die Schlußangabe des ZentrumSblattes fit also richtig. Da erscheint es doch, trotz des ossiziösen Dementis, nicht ausgeschlossen, oaß auch die anderen Angaben zutrefsen. lieber die Chaneen des Freisinns läßt sich Dr. Barth, einer der wenigen wirklich liberalen Männer, die wir in Deutschland noch haben, in einem längeren Artikel im „Berl. Tagebl.' aus. Er glossiert zunächst Bülows „diplomatische Politik, je nach Bedarf bald mit der konservativ-klerikalen, bald mit der konservativ-liberalen Mehrheit regieren zu wollen, und meint, der aus solche Weise geschassene Zustand grenze ans Groteske: „Man hat es dem Fürsten Bülow zum Vorwurf gemacht, daß er jahre - lang versucht habe, mit dem Zentrum zu regieren. Die Liberalen und insbesondere die Freisinnigen hatten gewiß keinen Anlaß, jener Politik zuzu - stimmen ; aber es lag doch eine gewisse Logik darin. Das Zentrum und die Konservativen brauch - ten ihren Grundsätzen keinen allzu großen Zwang anzutun, um sowohl im Reich wie in Preußen die Politik des Fürsten Bülow zu unterstützen. Aber 3 e ii t r u m 6 f di u l p o I i t i f gegen da« Zentrum und agrarische Wirtschaftspolitik mit den Freisinnigen zu treiben, das heißt tue Grundsatzlosigkeit -um maßgebenden Faktor i m Staatsl eben machen Der Freisinn könnte sich hjeNeicht damit trösten: Sorten wir es ab! Aber für eine p o l i t i f d) e Partei ist es immer kompromittierend, im Heer bcr J )u ^ icrten Dienste zu nehmen." Dr. Barth verlangt deshalb vom Freisinn, daß er die Chancen ausnutze, die ihm in dieser all - gemeinen volitischen Verwirrung erwachsen. Vom Standpunkt des entschiedenen Liberalismus aus be - trachtet. sei es ein großer Vorteil, daß die Zentrums - partei in die Opposition hineingedrängt ist. Dadurch sei der Einfluß der dxmo'ratischcn Elemente des Zentrums gestärkt uns die Mögiichleit, sich demo - kratischen Reformvorschlägen zu widersetzen, ver - ringert. „Aus dieser Konstellation muß der Freisinn Nutzen zu ziehen suchen. dem sogenannten nationalen, oder wie die Gegner despektierlich sagen, in dem Hottentotten block kann der Freisinn nur die Rolle des treuen Fridolin spielens Er hat aber nicht die geringste Aussicht, mittels dieses Blocks irgendwelche ernsthaften liberalen Reformen durch - zusetzen. Ganz anders liegt die Sache, wenn der Freisinn, unbekümmert um die Block - genossen, in demokratischer Richtung selbständig operiert. Hierbei muß ihn die sozialdemokratische Partei ohne weiteres unterstützen, und die Zcn- trumspartei ist genötigt, entweder mitzumachen oder die demokratische Maske fallen zu lassen." Der Freisinn müsse deshalb im Reichstage bei einer gründlichen Reform unseres skurrilen Vereins- und Versammlungsrechtes und bei der SRcueintcilu n g der W a hl - kreise einsetzen. Bei beiden Materien sei im Reichstage, sobald die Zentrumspartei mitgeht, eine Mehrheit gesichert. Im Preußischen Abge - ordnetenhause müsse ebenfalls bei der Frage der Neueinteilung der Wahlkreise die Probe auf die demokratiiche Ehrlichkeit des Zentrums gemacht werden. Bisher hatte sich das Zentrum unter allerlei dilatorischen Ausflüchten um eine klare Stellungnahme zu dieser Reform herumgedrückt. Aber auch eine materielle Reform des Drci- klassenwahlrechts sei weit aussichtsvollcr, solange das Zentrum in der Opposition gegen die Regierung sei. Allerdings werde man hier nicht auf eine tatkräftige Mitwirkung der Nationalliberalen rechnen können. Endlich sei für alle Fragen der sogenannten Sozialreform mit Einschluß der Reform des Koalitionsrechts die gegenwärtige oppositio - nelle Stellung des Zentrums in demokratischem Sinne verwertbar. Auch hier würde eine energische Initiative des Freisinns Aussichten wenigstens auf Teilerfolge bieten. Aus alledem zieht Dr. Barth den Schluß: „Daß der Freisinn geradezu unverantwortlich han - deln würde, wenn er den naiven Blockkom- pagnon bilden und eine Blocktreue bewahren wollte, die nur den reaktionären Elemen - ten zugute kommen könnte. Der ent - schiedene Liberalismus hat nicht das geringste In - teresse daran, daß das Zwitterding einer konservativ- liberalen, sogenannten nationalen Mehrheit am Leben bleibt. Je rascher sich der Freisinn von der Herrschaft dieser Phrase befreit und zu einer Politik rücksichtsloser liberaler Jfii- t i a t i v e übergeht, um so eher hat er Ausßcht, wieder rnn lebendiger Faktor in unserem politischen Leben zu werden und sich auch bei der Regierung wicdcr jenen Respeki zu verschaffe», den tr heute als allzu bescheidener Gefolosmanu nicht brfiBt Vom Standpunkt eines konsequenten liberalen Politikers ist das alles sehr richtig gedacht. l i ch liberale Männer müßten so handeln, könnten gar nicht anders Vorgehen; sie hätten sich auch gar nicht erst in den Hottentottenblock hineinlocken lassen. Daß der Freisinn in allen seinen Schattierungen auf diesen „nationalen" Leim kroch und bet den Wahlen der Reaktion die schäbigsten Hclferdienste leistete, wäre aber schon Beweis genug dafür, oav in ihm kein wirklicher Liberalismus mehr levr. wenn dieser Beweis nicht schon längst vorher geführt worden wäre. Ist doch Dr. Barth selbst sc Jahren ein Prediger in der Wüste des sterbenden Liberalismus gewesen. Für seinen konsequenten Liberalismus hat er immer nur ein winziges Haus - lein Anhänger um sich schaaren können und etc jämmerliche Haltung des Freisinns bei hcn jungf Wahlen ist wohl bei ihm hauptsächlich entscheidend gewesen für den Entschluß, wenigstens für cm-ge Zeit die Flinte ins Korn zu werfen. Der. Aufruf zur Selbstbesinnung an die Freisinnigen, o aufrichtig er auch gemeint ist, wird deshalb wenig fruchten, weil leider nicht einmal mehr damit gc r<’ । ih l IV 1 ' 1 OC! f ’ 111!. i -1 ’ : ’ IG ' haben, die sich ihnen bietenden Chancen auszunutzen. Das kann nur von Leuten geschehen, die efl mit ihren liberalen Forderungen ernst nehmen. An solchen Ernst muß man aber berechtigterweise zweifeln. Es wäre für Deutschland besser, wenn es bei uns noch einen ernsten konsequenten Liberalis - mus gäbe. Da könnte manches anders fein, als es heute ist. ~ Aber das was sich heute Liberalismus nennt, möchte wohl für sich und feine bürgerliche '.'inhä 'fler d)ü't mehr pMimcheu • idjen, nicht aber dem Proletariat seinen berechtigten Auieil bnrnn aemäiiren. Ilm bteice ;u hnibeni. werfen die „liberalen" Herren sich lieber der Reaktion in die Arme. Freilich verscherzen sie damit auch alle eigenen Chaneen, da eine Demokratie unter Aus - schluß des Proletariats heute ein Ding der Unmög - lichkeit ist. Ein Lob aus rcaktionärem Munde wird wieder den Freisinnigen zuteil. In der „Nordd. Allgem. Ztg." nämlich. Sie preist die „Festlichkeit der konservativ-liberalen Paarung" und schreibt be - sonders den Freisinnigen ein Verdienst daran zu, daß der „Block" noch nicht in die Brüche gegangen ist: Die Präsidentenwahl, die Bewilligung der Kolonialkredite, die gemeinsamen konservativ-libe - ralen Anträge in der Budgetkommission, die teilweise auch im Plenum durchgesetzt wurden, die gegen - seitige Rücksichtnahme der Blockparteien während der Etatsberatung, die taktvolle Zu - rückhaltung der Freisinnigen in der Debatte über die Wahlbeeinflussungen und über die polnische Schul st reikfrage, wo- rübi-r die sozialdemokratische Presse in eine Wuiezstasc geraten ist — all das und noch anbercS mehr beweist, daß wir es bei der neuen nationalen Reichs - tagsmehrheit mit einem weit dauerhafteren und innerlich geschlosseneren Gebilde zu tun haben, als cs sich die guten Freunde von der Mitte und vom äußersten linken Flügel haben träumen lassen." Wir wissen nicht, ob die Gelobten über dieses Lob sonderliche Freude empfinden. Wären sie wirk - lich liberal, so müßten sie sich dessen schämen, denn das zweifelhafte Lob beweist nur, daß sie vom liberaler Standpunkt ihre Pflicht nicht getan haben. Mit Recht bemerkt die selbst frei - sinnige Berliner „Volksztg." zu dem Lob: „Was heißt das anders, als daß die Freisinnigen es diesmal a n der Entschiedenheit der Verurteilung amtlicher W ah l b e e i n f l u s s nn g e n haben fehlen lassen! Wie konnten sie sonst so tapfer sckmälen! Und wie haben sie sonst mit fR cd) t amt - liche Machenschaften zur Beeinflussung der Wahler aufs schärfste gegeißelt und verurteilt! Ist es eine erfreuliche Frucht der konservativ-liberalen Paarung, daß in dieser Beziehung, wo die schärfste Kritik am Platze war, derLiberalismusver- s a g t h a t? Auch in der Polenfrage wird den Frei - sinnigen das Zeugnis „taktvoller Zurückhaltung" aus - gestellt, obgleich auch hier mit einer semmelweichen Diploinatenhaltung nichts für die Aufrecht - erhaltung des liberalen Prinzips ge - tanist." „Gewissenhaftigkeit in der Benutznng von ZeitungSuachrichtenk" Durch Bülows Organ, die Norddeutsche Allg. Zeitung", wird hiugewiesen aus eint Aeußerung Bebels in Bezug auf die Auslösung deS Reichsiages: „In jenen Tagen war die Nachricht ber- vreiiet worden, es solle aus Bückeburg ein Telegramm eingenossen sein, in dem es geheißen habe: ich werde die ganze „Bande" auSeinanderjagen. Der daS telegraphiert haben soll, war aber ein ganz anderer als ein Sozialdemokrat." Hierzu bemerkt das Kanzlerorgan: „Der Abgeordnete Bebel fpielte damit auf die vornehmlich von Blättern der Sozialdemokrane und des Zentrums verbreitete Legende an, der Reichskanzler habe vor der Auslösung des Reichstages von Sr. Majestät dem Kaiser ein Tele - gramm solchen oder ähnlichen Inhalts erhalten. Wir verweisen darauf, daß wir bereits in unserer Nummer vom 18. Dezember in der Lage waren, diese Geschichte als eine plumpe Erfindung zu bezeichnen. Indern der Abgeordnete Bebel sie aufs neue in Umlauf setzt, be- kuudtt er wieder den oft an ihm beobachteten Mangel an Gewisseithasiigkeit in der Benutzung von Zeilungs- uachrichien." Wenn bte „Nordd. Allgem. Ztg." eine Nachricht dementiert, so wtrd das von den meisten Politikern wenn nicht alS Bestätigung, so doch als Zugeständnis betrachtet, daß an der Sache die Hauptsache wahr sei. Aber wir wollen mit dem otfiztöseu Blatt nicht rechten, sondern biet einfach feststeUen, daß sein Herr und Meister einen schon vorher in der „Franks. Zig." selbst widerlegten falscheu Bericht dieses Organs ruhig im Reichstag als Arguiuent gegen bte Sozialdemokratie verwendete und auf Bte bereue erfo gic Wiederlegung aufmerksam gemacht, „tmff" und kein Wort mehr über die Sache verlor. . dvE Reisen der „allerhöchsten und höchsten Hcrrichastcu joUeii nach einer neuen Vorschrist der preubnchen E if c n da hnverwalinng Personen, die ftdj durch längere« Verweilen im Bahnbereich oder Fragen auffällig machen, vorläufig fest - gen o m m c n werden. Wir haben bereits auf diese !lf UC 5 C9C htugewiesen als auf ein Zeichen, wie D'U' -Mand m der „neuen Aera" „.ehr und mehr zu russischen Z u standen fomnit. Nun ruft die An - ordnung m der bürgerlichen Presse lebhafte Opposition hervor denn es t,i fader Kuitdeukreis dieser Organe für Byzanttnismus, der Schau- und Hurrapöbel, der den Poltzcigrtff im Nacken fühlt. Darum wird mtt großem Aufwand von juristischem Scharfsinn nach- gemteie», dtese Vorschrift sei ungesetzlich und den Beamten, dte sie anwe,iden., drohten sch.vere Strasen. .. .r lc ^odje ’ft iniofein interessant, als sie zeigt, wie die hutgcrltche Press« au der Fiktion fcftbäll, in Deutschr lanb konnte irgend etwas, was Behörden oder ihre Be- amten tun, als Mtgcjctzlich bestrast werden. DaS gibt ci ja gar nicht! Den Poliztsnn möchten wir erst .unberechtigter Festnahme eines heucafi wird. Wenn nur die u n g e f e ß = 1 “2 e J 1 / widerrechtlichen Festnahmen bei Streiks mnnn\>hnh. Urbcn '- wüßten große Lücken in den Polizet- Ader davon will die bürget» UichlS wisse»; sie tut so als hätten wir in Deuischland wirklich ,o eiwaS wie „Rcchtsgaranlien". wegen der Rrichstagswahl. «n?» - »J? r b lKurheffen) meldet der „Order-Bezlrks- >> rr ■sÄ" '“eben aus Cassel gemeldet wird, ist mH« dahier seins Amies als C11 e | dj u 11 n j p c 11 o r enthoben worden: des- zUicheu wuive Heern »ladttaplan Liaez die Geneymi» guiig »um Un.errich.e,, «n der difchSs. liehen Lateinschule entzogen" ** $ie Ursache der Maßregelung ist in dem Verhalten der beiden Geistlichen während der ReichstagS- w a h l (Eintreten für den sozialdemokratischen Kandidaten bei der Stichwahl gemäß der Pom Abg. Müller-Fulda proklamierten Stichwabltakuk) zu suchen. Hätten sie für irgend einen Kandidaten des Reichslügeuperbandes gewirki, so hätten sie sich um baS Vaterland verdient gemacht und ständen hoch in Gnaden. Jetzt trifft sie Bülows gepanzerte Faust. Die neue „Vcrjiingnng der Armee", bte bor einigen Tagen augcEünbigt wurde, bat schon begonnen. Am 22. März sind nicht weniger als 17 Brigade - komm a n d e u r st e 11 u n g e n neu besetzt worden, darunter die Kontmandaniuren btm Metz, Koblenz und Ehrenbreitcnstetit, 7 Infanterie-, 3 Kavallerie-, 4 Artillerie- Brigaden. 10 Generalmajore wurden zur Dis - position gestellt. Tas wird den Pensionsfonds wieder um eine hübsche Summe hochtreiben. Ein „Knlturvioitier" in den Kolonien ist von der irdischen Gerechtigkeit ereilt worden. Mitte Februar ist in S w a k o P m u n d nach fünftägiger Verhandlung ein Prozeß gegen den Farmer Paul Wiehager zu Ende geführt worden. Wie- hager, der sich vor zwei Jahren als Zweiundzwanzig - jähriger in Südwestafrika als Farmer ansiedeltc, war beschuldigt, 1. int Februar oder März 1906 ein Hcrerowcib, das aus der Arbeit weggelaufcn, nachdem es wieder eingefangen war, erschossen zu haben, 2. hatte im Oktober 1906 der Angeklagte ein Hercroweib und ein kleines Mädchen, die ebenfalls aus der Arbeit weggelaufen waren, zur Strafe an Bäume anbinden und „über - sehe n", sie am Abend wieder losmachen zu lassen. Die Anklage behauptete nun, daß die eine der Frauen infolge des Anbindens gestorben und am nächsten Morgen tot vorgefunden sei. Die aitbete, die noch schwache Ledeuszetmeit von sich gab, f« auf Veranlassung d e s Angeklagten durch einen Bastard erhängt und völlig getötet worden Außerdem wurde Wiehager, der übrigens R e s e r v c- offizicr in einem Kavallerieregiment ist, vorgeworfen, nach seiner Verhaftung durch B c st e ch u n g seine Transporteure zur Pflichtverletzung verleitet zu haben. Wiehager erklärte sich in allen drei Fällen für nichtschuldig. Das erste Hcrerowcib sei überhaupt nicht eingefangcn worden, die beiden an die Bäume gefesselten Weiber feien am nächsten Morgen verschwunden gewesen, und von Bestechung der Traneporicurc fei auch teilte Rede. Die Beivets- aufnabmc_ ergab aber ein ganz anderes Resultat. Infolgedessen beantragte der Staatsanwalt in dem ersten Falle wegen Mordes Todes strafe, in dem zweiten wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang vier Jahre Zuchthaus und wegen Anstiftung zum Morde fünf Jahre Zuchthaus, und endlich in dem dritten Falle wegen Bestechung sechs Monate Gefängnis, die in vier Monate Zuchthaus umzuwandeln seien. Das Urteil des Gerichtshofes lautete zu a) wegen Totschlages unter Zubilligung mildernder Um - stände auf zwei Jahre Gefängnis; zu b) wegen Körperberletzung mit tödlichem Ausgange in zwei Fällen — unter Zubilligung mildernder Umstände auf je sechs Monate Gefängnis; zu c) wegen Bestechung auf vier Monate Ge - fängnis. Die erkannten Einzelstrafen wurden zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren Gefängnis zusammengezogen. Wie aus der Urteilsbegründung herborgeht, nimmt das Gericht an, daß der Angeklagte das erst erwähnte Herero- tocib nicht mit Uebctlcgung, sondern im Affekt ge - tötet hat. Ferner ist in dem zweiten Falle der Tod der beiden eingeborenen Frauen und die Schuld des Angeklagten daran als erwiesen angenommen wor - den. Daß die eine der Frauen noch gelebt hat und aufgehängt worden sei, hat sich dagegen nicht er - weisen lassen. Zu den beiden ersten Anklagepunkten sind dem Angeklagten mildernde Umstände zugc- hilligt worden mit Rücksicht auf seine Jugend, die bisherige Unbescholtenheit und die allgemeine Sage der Verhältnisse. ' Gegen das Urteil ist seitens der Staatsanwaltschaft und seitens des Angeklagten Be - rufung eingelegt worden. — Am 18. und 19. Februar war eine weitere Anklage wegen Tötung von vier Buschmännern gegen den Angeklagten verhandelt worden. Der Angeklagte wurde indessen diesmal freigesprochen. Drei Jahre Gefängnis für drei Tötungen! Daraus ersieht man, daß es nicht nur sehr milde Richter in Afrika gibt, sondern auch das Leben der Eingeborenen sehr niedrig bewertet wird. Zur Baseler Rhciuschifffahrtsoktlon, über hie unser Schweizer Korrespondent in Nr. 64 be - richtete, gibt eine Zuschrift an die Frankfurter „Volksstimme" eine Darstellung, die geeignet er - scheint, die dem Genossen Wullschläger gemachten Vorwürfe in anderem Lichte erscheinen zu lassen. Es wird ihm ein erhebliches Verdienst um die Be - seitigung der der Schifffahrt auf dem Oberrhcin eittgegenstehenden Hindernisse zugemessen und dann gesagt: „Alle günstigen Momente beachtend, wird man gut tun, der Schifffahrt auf dem Oberrhein nicht allzugrohen Optimismus entgcgenzubringen. Trotz - dem darf man den Bemühungen und Aufwendungen der Baseler Regierung die Billigung nicht ver - sagen. Wo neue Verkehrswege der Volkswirtschaft Vorteile versprechen, soll nichts unversucht bleiben, sie zu erschließen. Von gleichen Erwägungen ge - leitet, bewilligte der Große Rat von Basel nach und nach Ausgaben, die sich auf rund 350 000 FrcS. be - liefen. Als die Sache bis zur Aufnahme der regel - mäßigen Schifffahrt gediehen war, wurde die Re - gierung vor die Notwendigkeit gestellt, für dauernde Landungseinrichtungen zu sorgen oder diese von privater Seite erstellen zu lassen. Hier entsteht nun die Frage, tote sich der Baseler Handelsstand zur Rheiuschifffahrt stellt. Die Herren zeigen sich als richtige Egoisten — sie möchten die Vorteile haben, wollen aber ferne Opfer bringen. Bei dieser Wahrnehmung sah die Regiernng den besten Ausweg darin, die Ladestelle einem Konsortium bon Privaten auf die Dauer von längstens 30 Jahren zu überlassen, natürlich mit den für den Slaal unerläßlichen Garantien. Um eine Hafenanlage handelt es sich durchaus nicht; sollte eine solche sich al* Notwendig erweisen — was man ja noch nicht wetb. so lauge die Ruetm'chiffiahrt al* Prahlern gilt — so wird sie der Staat Herstellen und den Beiried übernehmen. Die sozialdemokralischen Vertreter im Großen Rate waren gegen die von der Regierung borgeschlagene und von elfterer Behörde gtttgeheißenc Lösung. Aber sie waren