Nr. 53 Dienstag, den 3. Mär; 1908 22. Jahrgang Hamburger Echo w^sa TaS „.finntbiirflet CT-dio" erscheint ISqlich. nutzer Monlngtz AbonnementSPreis lintl .Tie Nene Itirlt*) durch die Post be,oqen odne Brinqeaeld monatlich A 1,20. vierteljährlich A 3,60; durch die Colporteure wöchentlich 30 * frei ins 6nu8. Linzelne Nummer 5 4. L0iintag8-?!ummer mit illustrierter Sonnloqsbeilaqe .Tic Neue 2Selt* 10 *. Nreuzbandseudungen monatlich *■ 2,76, für das Vlusland monatlich A. 3,50. Redaktion: ä t, q<* Expedition: Fehlandstraße 11, 1. Stock. HaMVIlrg dO Fehfandstraße 11, Erdgeschoß. Derantwortlicher Redakteur: Karl Petersson in Hamburg. f ... St. Pauli bei 5?cinr. Koenen, Sopl'.ienstr. 44. ElMsbiittel, Langenfelde bei Carl Dreyer, Friichtallee 42, SiniSbüttel. Hoheluft, Eppeudorf, Groh-Borstel und Winterhude bet (hilft Grohkopi, Lehmweg 51, Cppendorl. Barmbeck, iVl linilll 4 Uhleuhoist bei Theodor Peiereil, Bachstr. 12, Dannbeck. 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Ein besonderes Kennzeichen des Muckertums ist das ge - flissentliche Zurschautragen der Frömmigkeit, das Hervor - kehren derselben vor den Leuten und das Hereiuziehen der - selben in alle Dinge. Jesus hat schon diesen widerlichen Zug an den Diuckern seiner Zeit, den Pharisäern, mehrfach scharf gegeißelt. Schon in der Bergpredigt sagte er zu seinen Zuhörern, sie sollen nicht sein wie jene, die in den Schulen und an den Ecken auf den Gasien beten, auf daß sie von den Leuten gesehen werden, und die, wenn sie fasten, saure Gesichter schneiden, „auf daß sie vor den Leuten scheinen mit ihrem Fasten" und dergleichen mehr. Echte Religiosität ist wie echte Liebe verschämt, wie Cordelia, der es wider - strebt, gleich ihren Schwestern das Herz auf der Zunge zu tragen. Wer mit seinen höheren Gefühlen und Gesinnungen Parade macht und darin posirt, ist sehr verdächtig, daß es ihm nicht sonderlich ernst damit ist; zum mindesten, daß er nicht in ihnen selbst sein Genüge findet, sondern selbstsüchtige oder gar unlautere Nebenzwecke damit verfolgt. Mit dem idealen Mäntelchen soll das Mißtrauen eingelullt und egoistischen Plänen die Bahn freigemacht werden, namentlich auch kann man andersgesinnte Jnteresiengegner damit schlecht machen und an Widersachern das Mütchen kühlen. Von solchem Biuckertnm sagt der Spanier: „Hinter dem Kreuze steckt der Teufel." Das Muckertum ist aber nicht bloß auf religiösem Gebiet zu Hause. Es gibt auch ein moralisches Muckertum, worüber L. Büchner den Spruch geprägt hat: „Die Tugend wohnt selten da, wo ihre Aushängeschilder glänzen." Wie oft wird z. B. der gute Ruf einer unschuldigen Frau von den Lästerzungen tugendmuckerischer Geschlechtsgenossinnen unter - graben, aus 9ieid und Bosheit, aber keineswegs aus tugend - hafter Gesinnung. Schnödes Tugendmuckertum ist es auch, wenn das geheime Wahlrecht mit der Moral bekämpft wird, weil diese verlangt, seine politische Richtung offen zu bekennen. Abscheuliches Tugendmuckertum, wenn Grenzsperren verlangt und verfügt werden, um die Vieh- und Fleischpreise zu steigern, unter dem Vorwand veterinärer Rücksichten, zum Schutz gegen Einschleppung von Seuchen. Eine große Rolle hat auch immer das liberale Mucker - tum im Kamps des lapitalistijchen. Bürgertums gegen die Arbeiter gespielt. Nicht bloß, daß man den Sozialismus als unverträglich mit der individuellen Freiheit erklärt — wovon bekanntlich just das Gegenteil wahr, da vielmehr der KapiialiSmus der schlimmste Feind der Freiheit ist, und zwar nicht bloß der Besitzlosen —, man hat sogar schon im Namen der Freiheit die Beschränkung der Arbeitszeit und andere Schutzmaßnahmen für die Arbeiter zu bekämpfen die Stirn gehabt. Am gemeinschädlichsten aber grassiert in Deutschland das nationale Muckertum, und die schlimmsten nationalen Mucker sind die Nationalliberalen. Die nationale Ge - sinnung kann man ihnen freilich nicht ganz absprechen, so wenig wie den Nluckern und Pharisäern die religiöse Ge - sinnung. Aber genau wie diese haben sie mehr und mehr den Nationalismus für ihre Klassenzwecke ge- und miß - braucht, in dem Grade, daß sie die nationale Wohl fahrt immer mehr geschädigt haben. Und so kam es, daß das „sstational" in ihrer Parteifirma ebenso zur Lüge geworden ist wie das „Liberal". Wenn man das lange Sündenregister dieser Partei ins Auge faßt, wie sie fortgesetzt auf politischem wie wirtschaft - lichem Gebiete der Reaktion Handlangerdienste geleistet hat, wie sie fast immer Schritt für Schritt vor den Junkern und der Regierung zurückgewichen ist, wie sie der Reaktion bei - gesprungen ist, so oft sie in Bedrängnis war, und mit ihren faulen Kompromissen dringende Fortschritte und Re - formen verhindert, dagegen allerlei volksfeindliche und ge - meinschädliche Vorlagen und Beschlüffe durchzusetzen geholfen hat — kurz, wie diese Partei es verschuldet hat, daß seit (Nachdruck vorvoren.; Gyldholm. Ein Landarbciterroman von Johan Skjoldborg. Slutorifiene Ucbcrsctzung von Laura Heldt. Per zündet seine Pfeife an. Sophie vcwegt ihren schlanken, biegsamen Körper etwas lässig, aber Maren schlägt energisch aus nach allen Seiten. Es gibt viel zu tun. Vierzehn Teller müssen geliehen werden, vierzehn Löffel, vierzehn Paar Tassen, vierzehn Paar Messer und Gabeln unk außerdem noch Schüsseln und Töpfe. Etwas muß hier geborgt werden und etwas da, lauter verschiedene Tinge: blaue Teller, weiße und grüne und zinnerne Löffel und Horn - löffel durcheinander, und dann muß man noch froh sein, in den Häuschen soviel einigermaßen ordentliche Sachen zusammen- kratzen zu können. Ja, eS gibt noch viel zu tun. Tann erscheint Pers Vater. Er ist groß und dunkel, wie Per selber, aber sein Saar ist grau. Er ist steif und eckig, als wäre er aus Holz, und seine knöcherne Gestalt steckt in einem Rock aus blauem, selbstgcfärbtem Wollzeug, der an den Nähten weiß schimmert und an dem vom langen Tragen das Rauhe, Wollige des Stoffes ganz abgeschabt ist, so daß die Fäden des Gewebes durchschimmern. Er ist Häusler drüben auf Lövenborg. Eigentlich hätte er Pate des Kindes sein sollen, doch konnte er keine Stiefel leihen, die ihm paßten, sagt er; denn seine Füße sind groß, und er hat so große, krumme und gebogene Kellen Seufzend stellt er seinen Stock in die Ecke. Ter Alte brennt vor Verlangen, die Tür zur Küche zu öffnen, in der es kocht und brät. Sophie empfängt ihn mit einem herzlichen Blick ihrer freund - lichen blauen Augen, und er reicht ihr die Hand. „Guten Tag, mein Kind!" . , . Tann wendet er nch den Tuten und Flaschen zu. „Tas läßt sich gut an!" sagt er und nickt kindlich, vergnügt darüber, solchen llebcrfluß bei seinen Kindern angutreffen. Und er lächelt, als sei es lange her, daß er ;o viel Eg- und Trinkbares beieinander sah. ... _ Und nachdem er seinen steifen Körper auf mnen Siy am Tische untcrgebratfit und man ihm ^Pea und ^enf und eine ganze Flasche Branntwein vorgcjetzt hat, sagt er. „Ja, dies hier — das sieht wahrhaftig gut aus.' . ..Nun greis ,u. Vater," jagt Per, „denn die ^Meinung ist, daß Tu einen recht vergnügten Tag ^ben soll» „Ich danke, mein Junge! 2°., der Verwalter sagte mir übrigens auch, morgen solle es auf eine viertelitunöc nicht an - Jahrzehnten der politische Karren immer tiefer in den Sumpf geraten ist — immer, indem sie mit dem Wort National als Deckblatt für ihre Sonderintereffen operierte — dann ergibt sich, daß diese Partei unbedingt als anti- nationale stigmatisiert werden muß; zwar nicht ihrer Ab - sicht, aber ihrer Wirkung nach. Nicht einmal die Stockreaktionäre waren solche nationale Schädlinge. Die rohe, brutale, ungeschminkte Reaktion hätte nie so schädlich wirken können; weitaus die Mehrheit der Bevölkerung hätte sich gegen sie erhoben und sie zttrück- geivorfen. Der König Alexander Jannai sagte ans seinem Sterbebett zu seiner Gemahlin und Thronfolgerin Alexandra: „Fürchte nicht die Eittschiedeiien unter den herrschenden Parteien, aber fürchte die gefärbten Zwitter, welche immer die Augen fromm aufschlagen und von edlen Phrasen triefen, unb dabei immer im Trüben fischen wollen." Im gegenwärtigen Wahlrechtskampf zeigt sich wiederum, meß Geistes Kinder die Nationalliberalen sind. Ihre ganze Haltung zielt darauf ab, die Stoßkraft der Bewe - gung abzuschwächen und sie möglichst verpfuschen und versanden zu lassen durch miserable Atterresörmchen, die keinen Hund vom Ofen locken. Die „Kölnische Zeitung" hat es sogar neulich fertig gebracht, den plutokratischen Charakter der Dreiklasseitwahl dreist in Abrede zu stellen — man kann sich denken, mit welchem faulen Zauber. Nur einer ist in der nationalen Muckerei den Nitional- liberalen vielleicht noch überlegen. Der Fürst Bülow. Hat er es doch fertig gebracht, sogar die Polenenteignungs - vorlage als „national" abzustempeln, und was er gegen das gleiche und geheime Stimmrecht Verunglimpsettdes geäußert hat, ist mit dem Begriff „national" Geschwisterkind. „National" ist seine Leib- und Lieblingsphrase, womit er auch den Kamps gegen die Sozialdemokratie führt, und womit er die Reichstagsauflösnng wegen Ablehnung der Kolonialkredite begründet hat. Auch den Block weiß er damit zusammenzuhalten. Die freisinnige und demo - kratische Linke ist ja eine gelehrige Schülerin der Nationalliberalen in der nationalen Muckerei. Politische Uebersicht. Tcr neue Man» an ber Arbeit. Wenn richtig ist, was die .Mitilär.-Pol fiorreip." über die Finanz- pluue bis Heirn Syoow nüucili, |o bewegt er sich völlig t r.t alten Geleise, obwohl gesagt wird, daß die Stengelichen Pläne einer fundamentalen Umarbeitung unterzogen werden. Die auch jetzt noch fengehaltene Mehrbelannng des Branntweins bürste die Gestalt einer reinen Fabrikaisteuer erhalten. Die nmgeformte B a n d e r o I e n ft e u e r dagegen soll, wie verlautet, vorläufig nur die teuren Tabaksorten treffen. Damil wäre nicht viel gebessert. Aber Herr Sydow hat auch an8 seinem früheren Restart neue Pläne mitqebrachl und zivar sehr schlimme. Es heißt nämlich, daß Herr Sydoiv abermals den Posttarif in die Höhe setzen will, und zwar bei den Zeitungen und T e I e g r a m m e ii. Es wird zu diesem Plan bemerkt: „In Kreisen, die Herrn Sydow nahestehen, behauptet man, daß fein eigener Gedanke die Sanierung der Reichsfinanzen über die P o st v er w a 1 1 n n g hin sei. Ihr möchte er in der Ansbringnng der R>ichseinnahmen eine ähnliche Stellung zuweisen, wie fie die Eisenbahnen im Etat Preußens spielen. Angeblich setzt die Reichs- poft an den Postgebühren ber Zeitungen jährlich fast 35 Millionen Mark zu. Etwa 11 Millionen Einnahmen auf diesem Gebiete stehen volle 45 Millionen Unkosten gegenüber. Hier ivill die Sydowsche Reform zuerst einsetzen unb „unter gerechter Würdigung der Verhältnisse" Mehreinnahmen von vielen Millionen schaffen. Auch eine Erböbung der Worttaxe für I n - l a n b t e (e g r a nun e von 5 auf 7 Pfennig gehört inner die dem neuen Staatssekretär ungeschriebenen Finanzprojekte. Nur die Grund - taxe von 50 Pfennig für zehn Worte — „das Telegramm deS kleinen Mannes" — soll beidehalten werben." Ter Plan paßt bnrchanS in bte ganze Aera d e S Rück - schrittes, in ber wir gegenwärtig leben. Einst fiel ans beut Munbe Wilhelms II. bas Wort: Wir leben im Zeichen deS Verfihis. Heute muß da« Wort schon bahin gemodelt werben, baß wir im Zeichen ber V e r k e h r S h e m m u n g leben. Unb man sollte boch meinen, baß die Regierung durch die Erfahrungen mit der Fahrkarten st euer unb der Einführung deS Ortsportos gewarnt sein müßte. TaS scheint aber nach obigen Mitteilungen nicht der Fall zu sein. Der Tprachrnpnragraph. Die Reichstag-kommission für daS VereinSgesetz bat noch die ganze Sonnabendsitzung mit der Beratung deS § 7 aus- gefüllt, ohne zum Beschluß zu kommen. Zn Beginn der Sitzung brachte der Antisemit Graes noch einen Antrag ein, folgen - den Absatz hinzuzufügen : „Die Verbairblungen können auch in einer nicht- deutschen Sprache in solchen Versammlungen geführt werben, in denen von den in § 152 der Gewerbeordnung ge - nannten Personenkreisen ausschließlich die dort bezeichneten Zwecke erörtert werden." In der Debatte trat Trimborn (Z.s entschieden für da - lli e ch t auf bte Muttersprache ein. TaS bürfc man auch den Polen nicht streitig machen. Durch den § 7 schaffe man zweierlei Staatsbürger, solche, die ihre Mutter - sprache im öffentlichen, und solche, die sie nur int privaten lieben gebrauchen könnten. Ter § 7 bedeute eine Ueberspannung deS Nationalitätsprinzips, die der christlichen Weltanschauung widerspreche. Bisher sei es auch ohne eine solche Vorschrift gegangen. ES würden unzählige Gelegenheiten zu Zwiftig- reiten entstehen. Der Hinweis auf Oesterreich und Frankreich fei hinfällig. Er hoffe, daß sich gegen den § 7 die alte Ab- wehrmehrheit (Zentrum, Freisinn und Sozialdemokratie) wieder zusammenfinden werde, ohne Abbröckelung; daS Zentrum werde fest bleiben. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg will nicht aus dem Naturrecht staatsrechtliche Deduktionen hergeleitet misten. Jnnerlialb der gesamten Gesetzgebung deS Deutschen Reiches be - stehe das Recht deS unbeschränkten Gebrauchs ber Muttersprache durchaus nicht. In der Armee dürfe nicht jeder von der Mutter - sprache Gebrauch machen, auch nicht vor Gericht und im Verkehr mit Behörden. Tas Teutsche Reich als Nationalstaat habe ein tatsächliches Staatsrecht; nicht lediglich deshalb, weil Rasse unb Sprache Überwiegend deutsch sind. ES sei keine Ueberspannung deS Nationalitätsprinzips, daß Armee, Gerichts- und GeschäftS- svrache deutsch ist; warum soll da § 7 ausgeschlossen sein? Die Beweisführung Trimborns mit dem Naturrecht sei juristisch voll - ständig verfehlt. Der Reichsparteiler Dr. Kolbe, ein ehemaliger Ober - lehrer. malte die Polengefabr in den schwärzesten Farben. Mit dem S 7 glaubt er die Polen zu Preußen machen zu können. Unterstaatssekoetär Wermuth erklärte auch den Antrag Graes für unbrauchbar. Eine Kontrolle darüber, ob in der Versammlung tatsächlich Fragen auS § 152 der Gewerbeord - nung behandelt werden, sei völlig ausgeschlossen. Die Absicht, gegen Gewerkschaften vorzugehen, liege durchaus nicht vor. Aber die tatsächliche Schädigung der Gewerkschaftsbewegung wird gleichwohl eintreten. 2er Konservative v. Puttlitz wettert ebenfalls gegen die Polen und erklärt, wenn § 7 falle, bann würden feine Freunde, die sonst den weitgehenden freisinnigen Wünschen auch gegen ihre eigenen Ani Hauungen im Interesse des Zustandekommens deS Gesetzes zugestimmt hätten, nicht mehr für das Ge - setz eintreten können. Genosse Heine sprach nochmals entschieden gegen den 5 7. Ter deutsche Charakter des Staate» werde nicht beeinträchtigt lUeetil nur aztornen. tyept -Xtli.1 '-ojdcutiche.it 'Si-rair Gcwallmaßtegeln feien unnötig trotz der Auswüchse de« polni- scheu Nationalgefühls. Die Polen behandeln angeblich dte Deutsche«, -wie-die P r«u-ß » n - die Sozialdemokraten und Juden wirklich behandeln. Mit e.rschreckender Gleichmütig - keit 'fei ber preußische Geist zu Gewalttätigkeiten geneigt, baS zeige sich in ber Polenpolitik besonbers. Man könne vom na - tionalen Ehrgefühl ber Polen nicht verlangen, baß sie sich am Tage nach ber Annahme bet Enteignungsvorlage zum Frieben bereit erklären. Vorbildlich sei die Burenbehandlung der Eng - länder. Wo Gewalt fehle, werde eS bester. Tie Beamten, die Diener deS Volkes, hätten zu lernen, was das Volk braucht, also auch Polnisch. Man wolle die polnischen Organisationen vernichten. § 7 sei ein Verfolgungsparagraph. Auch der Antrag Graef sei nur eine Quelle neuer Ungerechtigkeit. Die Polen seien als Lohndrücker nach Westfalen gerufen, und nun wolle man ihnen das Koalitionsrecht nehmen. Der § 7 fei ein Schlag ins Gesicht der Gerechtigkeit, eine Unehre für das deutsche Volk. Nach einer weiteren Auseinandersetzung zwischen dem Polen B r e j S k i und dem Unterstaatssekretär Wermut wurde die Beratung nochmals auf Montag vertagt. Ueber die Moutagssitzung meldet der Telegraph: Die Ver - einskommission des Reichstages stimmte über den § 7 ab unb nahm zunächst vier Absätze, 2 bis 5, bcS freisinnigen Antrages an unb lehnte fobann in ber Gesamtabstimmung vollstänbig ben ganzen § 7 ab. TaS RrichSvcreinsgesctz und die riiticlftnatlidicit Landtage. Wie wir berichteten, ist sowohl dem bayerischen, wie dem hessischen Landtage ein Schreiben zugogangcn, das vom koburgi- scheu Landrage stammen soll, worin gegen jede rückschrtttliche Aenderung des Vereins- und Versammlungsrechtes Einspruch er - hoben wird. Nun schreibt aber die „Gothaische Zeitung": „/sofort von uns eingezogene Erkundigungen ergaben daS überraschende Resultat, daß dem Herrn Präsidenten unseres g e- meinschaftlichen Landtages ein derartiges Schreiben gänzlich unbekannt ist unb baß ihm die Meldung der Blätter sehr überraschend kommt. Dadurch wirb unsere Mei - nung nur bestärkt, bah eS sich hier nur um eine Privatkunb- g e b u n g eines oder einzelner koburgischer Abaeordneter handeln sann, die unter Verkennung ihrer Rechte unb Pflichten ein gänz - lich belangloses Privatschreiben abgehen liehen, welche» bebauet- licherweise als amtliche Au-Iastung ober al» parlamentarische Resolution abgefaht worben ist." Demgegenüber besagt aber eine offiziöse Melbung au» München: „In ber Angelegenheit beS Schreibens de» „K o - bürget 2anbtag8präfibente n", bah Präsident v. Ortetet in der Sitzung des bayerischen Landtage» vom 27. d M- verlesen ließ, wird festgestellt, daß darin ber koburgische Landtagrbeschluh betr. da» Vereins- und VersammlungS recht mitgeteilt unb der Unterstützung durch den bayerischen Lanb- tag empfohlen wurde." — In Gotha scheint man vergessen zu haben, daß e» neben dem gemeinsamen koburg.gothaischen Landtag noch besondere Land - tage für jeden der beiden Landesteile gibt. Die Münchener wer - ben also wohl Recht haben. Herrn MüllerS Geheimnisse. Der freisinnige Abgeordnete Müller- Sagan produzierte sich am Sonnabend tm preußischen Droiklastenparlantent al» Ent- Hüller sozialdemokratischer Geheimniffe. Beim Etat deS Polizei- ministeriumS sagte er in einer Polemik gegen ben konservativen Abgeordneten Quehl u. a.: 1 ■ „Wie au» ben Kreisen der Arbeitgeber gemeldet wirb, hat bie Zentralleitung ber sozialbemokrati- schen Partei — ich sage absichtlich die Zentralleitiing, nicht der Vorstand — verfügt, daß am IS. März d. I. in den Generalstreik eingetreten wirb, daß alle Arbeit - nehmer, die einer sozialdemokratischen Organisation angeboren, an diesem Tage die Arbeit ruhen lasten sollen, um gegen da» bestehende Wahlrecht in Preußen zu demonstrieren. Auf poli- zeilicher Seite ist man ja wohl auf solche Vorgänge vor - bereitet, aber ei ist doch töricht, unter solchen Verhältnissen die bürgerlichen Elemente noch weiter gegeneinander auf^u- brtngen durch solche Uebertreibungen, wie Herr Quehl fie sich gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung erlaubte." ES ist nur gut, daß Herr Müller wenigsten» sein Vertrauen auf bie Polizei, dah sie „vorbereitet" sei. noch nicht verloren bat. Sonst würde e» ibn ja wohl den Schlaf ber Nächte bis zum 18. März kosten. Im übrigen glauben mir. uns darauf beschränken zu können, eine Bemerkung der freisinnigen Berliner „Volkszeitung" zu dem Gesagten wiederzugeven. Sie lautet: „Herr Müller hat im Abgeordnetenhause erklärt, er habe die Nachricht von Arbeit g c b e r feite erfahren. Anscheinend Han. delt e» sich hier um eine s i ch benun»iatorifd) gebenbe Verlautbarung scharfmacherischer Arbeit - geber, Wenn man nicht von einer Wichtigtuerei ohne realen Hintergrund sprechen Will." Block Knyenjammer. Dem .Retter ber Re chsfinanzen", dem Reichsschatziekrciär Sydow, widmet der Blockfreistnnige Naumann in btt „Hilfe" eine Notiz, Worin e» heißt: „E » gibt zur Stunbe feine eigentliche Reichs regiern reg, bie etwas will, sondern nur einen netten Kanzler, der vorn Kaiser gehalten wird, und der alle, alle Tinge auf bie lange Bank schiebt, damit nicht fest- gestellt werben muh, ob er im Reichstag eine Mehrheit besitzt, unb au» wem sie besteht Die Volksvertreter aber müssen o» sich gefallen lassen, aus der „Nordd. Allg. Ztg." gelegentlich zu er. fahren, wem nun bie Reichsfinanzen antiertraut sind Z u sagen haben fie dabei nicht» Später aber sollen sie diesem Manne Geld schaffen. DaS nennt man konstitu - tionelle» Regimen t." Ganz gut! Aver wer hat den flbsolutiSmu» gestärkt? Wer zog in den Wahlkampf mit der Losung: „Für die Kommando- gemalt des Kaisers"? TaS waren dieselben Frei - sinnigen, die jetzt darüber klagen und winseln, daß eS keinen KonstitutürnaliSmus bei un» gibt. Solche Leute, bie vor dem „Thron" auf dem Bauch rutschen unb sich zur Belohnung eine Handvoll Orden zumersen lasten, dürfen sich über Absolutismus unb Nichtachtung ber Volksvertretung wahrlich nicht beklagen. Vom Polizeikampf gegen ausländische Polen. w. „Ter preußischen Lcmbwirtschaft muß geholfen werden; wenn nicht onderS, baun durch Znfnlirnng ausländischer gewerblicher l’lrbcitcr!“ Ta« ist bie Devise, unter ber jetzt unsere Polizei, und VerwaltnngSdehöiben gegin ausländische gewerbliche Arbeiter vor- gehen, bie in ihrem Gewerbe in Preußen Beschäftigung haben. Unb al» Zwangsmittel sühn man ihnen daS Fallbeil ber Aus - weisung vor Angen. So erging e» btin Vergolder Renkowek, einem russischen Pol>n, der in der bekannten Goldleincn» und Rahmen- fabrik von Ä. Werkmeister in Berlin arbeitete und in dem Vororte Boxhagcn-RummelSburg Wohnung genommen hatte. — Der Amts- Vorsteher des Ortes erließ an ihn unter dein 1. Mai 1907 fol« aenbt Verfügung : „Die Beschäftigung ausländischer polnischer Ar - beiter in gewerblichen Betriebeii ist verboten Sie werden kommen. Es käme nicht so sehr darauf an, sagt er, als ich darum bat, fortgehen zu dürfen ... er ist wirklich ganz monier» lieh, unserer — einer muß ja doch kommandieren — wie ist Eurer denn?" „Unserer? Das ist ein rechter Schreihals 1 Prost, Vater!" Per schenkt fleißig ein, unb auf deS Vaters Gesicht zeigen sich bunlelrote Flecke, bie sich nach unb nach üb ex ben ganzen Nasenrücken ausbreiten. "Das ist richtig — ich soll auch von Mutter grüßen. Sie sängt übrigens jetzt an zusammenzufallen, und es läuft immer - fort aus ihrem Loch am Bein; Gott mag misten, waS es ist, aber derlei Dreck gibt es ja genug. Unb dabei will sie doch noch immer mtthumpeln, das alte Wrack, so verschlissen sie auch ist. Es ist wahrhaftig schlimm genug für unfereinen, und dabei ist man doch ’ne Mannsperson. Nein, was ich noch sagen wollte, ich hatte ja Krön Löts Stiefel an, aber ich konnte, hol mich der Teufel, nicht darin gehen." „Weißt Du was?" Per denkt nach. „Ob bie vom roten Jens Dir nicht Pasten könnten?" „Glaubst Du, baß ich bie leihen könnte?" „Wenn er nur welche hat!" »Ja. Das Opfergelb, das hab ich!" Der Alte greift in die Westentasche, um sich zu vergewissern, daß das Geld noch dort, in Papier eingewickelt, liegt. Es zeigt sich, daß des roten Jens Stiefel nicht ganz un - möglich sind, namentlich nach einer Behandlung mit Fett unb Kienruß. Unb als Maren bemach in aller Stille Pauls besten Rock für ihn herbeiholt, sieht ber alte Holt wirklich recht gut aus. Er steht unb betrachtet sich selbst mehrmals von oben bis unten: „Nun könnt ich, meiner Seel, reifen, Wohin es auch fein sollte — meint Ihr nicht auch?" „Ja, gewiß könntest Du bas, Du alter Wichtigtuer," sagt Maren gutmütig-rauh und lächelt, „aber sorgt Ihr Mannsleute nun dafür, daß Tische und Stühle geholt werben; Wir müssen doch was zum Sitzen haben, und Sophie unb ich haben genug mit unserem Kram zu tun!" Zum Frühstück finb nur biejenigen ba, bie bei ber kirch- liehen .Handlung zugegen fein sollen. Zuerst natürlich Amalie, die das Kind halten wird. Sie besitzt ja bie feinsten Kleider unb auch Band unb Staat, um bas Kind herauszupuyen. In der Beziehung ist in ber ganzen Häuserreihe keine, bie ei ihr gleichtun könnte. Tie zweite Hauptaufgabe, nämlich ba» Halten des Häubchens, ist Jakobus’ Frau zuerteilt. Bolette besitzt ja wieder andere Eigenschaften, durch bie sie in den Kätnerhäusern eine bevorzugte Stellung einnimmt. Tann ist noch ber große Paul da, der fahren soll, JakobuS, Tammes und Pers Vater. Leider zeigt eS sich indessen nach beendetem Frühstück, daß der alte Holt kaum noch auf den Beinen stehen kann; er ist ganz fertig. „Ter sann nicht mehr!" sagt Paul unb schaut überlegen ben alten Mann an, ben bie allzu große Freube übermannt hat. „Der befestigt keinen Strang am Wagen mehr, der ist fertig!" Toch Maren antwortet ihm: „Spiel Tich nur nicht auf! Die Sonne ist noch nicht untergegangen unb Du hast schon so viel. Wie Du vertragen kannst — Du Tölpel!" Der alte Holt muß in die hinter bet Stube gelegene Kammer geführt werben, wohinein man in Anbetracht be» Fest - tags bas Bett gebracht hat. ES ist Zeit zum Aufbruch. Tammes schleicht leise und vor- sichtig umher, als sei er feiner Bewegungen nicht ganz Herr; er zerrt an feiner Kleidung, damit alles stramm sitzt, und reibt seinen Pfeifenkopf ant Aermel blank. Jakobus spielt sich auf in einem geliehenen Rock mit langen Schößen und unglaublich großen Seitentaschen. Dabei plappert er unaufhörlich über alle» Mögliche unb Unmögliche unb biegt ben Pfeifenschlauch hin unb her. Die Weiber zupfen, zerren und verbessern an ihrem Anzug. Bolette wackelt so mit dem Hinterteil, baß baS verblichene, grün- grau schillernde schwarze Kleid in all seiner Dürftigkeit bin und her pendelt. Sie ordnet ihr trockneS Saar mit den heller ge - färbten, starrenden Spitzen, das auSsieht, als habe Wind unb Wetter es gebleicht. Dann legt sie bie Wattierte Kapuze an und fragt, wie sie sitzt. Amalie aber prangt in einem jener billigen Tamastkleider unb trägt um ben Hals einen roten Scidenschlips mit schwarzen Blumen in ben gefransten Enden. Ihr Hut hat einen hohen Kopf, ist schwarz und mit roten Astern verziert. Zum Schluß vervollständigt sie ihren Anzug dadurch, daß sie einen kleinen französischen Shawl um ihre Schultern hängt. Ter große Paul hält vor ber Tür mit einem Gutswagen. In jeber feiner beiben knochigen Hänbe hält er eine Seine und sitzt so steif und feierlich ba, als seien feine Gebanken weit fort, beschäftigt mit ernsten Dingen. Tie Paten unb Taufzeugen steigen ein mit einem Gesicht», ausbruck, ber verrät, Wie gut sie wissen, baß sie ein Gegen- stand allgemeiner Aufmerksamkeit von allen Türen und Fenstern her sind. Amaliens geblümter Shawl ist der farbenreiche Mittelpunkt all der Pracht, bie bie Gyldholmer Kätnerhäuser an diesem großen Tage entfalten. Paul kehrt sich halb um: „Sind wir nun fertig? Na, denn lo» in Jesu Namen. Hol'» ber Teufel, nun fahren wir los!" Unb fort fährt ber Dagen, dem viele Blicke folgen, al» gälte es eine Reise nach Amerika. Ter alte Holm erwacht und schlägt bie Augen auf. Im Zim - mer stehen zwei im rechten Winkel aneinander gestellte Tische mit Weißen Tischtüchern. Er reibt sich die Stirn unb blickt von neuem hin. Aus bem Tischtuch stehen Teller, unb eine Frau tritt herein mit Messern unb Gabeln. Es beginnt bem Alten zu hämmern. Er begreift E twa- wenigsten». Er faßt in bie Westentasche, wo ba» Lpferaelb ge - legen hat — ei ist noch ba. Die Stiefel be» roten Jen» stehen ba, und Pauls Rock hängt am Balken, und ei ist so still . . . Das Gesicht be» Alten nimmt einen bekümmerten Ausdruck an, unb er schüttelt ben Kopf. Wie im Berger schleubert er bie Seine über die Bettkante hin - aus und sagt: „„Ta soll doch gleich der Teufel dreinfahrenl" ES aclingt ihm, die krummen steifen Finger zu fallen, und er stützt Die Ellbogen auf bie Knie. Als seine Blicke auf die sand - gestreute Diele fallen, schüttelt er abermals den Kopf. Unb habe bewegt er eifrig bie Füße, so daß bie weißen Zehenspitzen der blauen Strümpfe auf und ab Hüpfen. „Das War boch wirklich jammervoll, baß e» mir so gehen muhte — nicht Sophie?" „Nimm eS Dir nur nicht zu Herzen, Großvater," tröstet sie ihn sreunblich. „Ach ja, ich muß mich ja schämen — auch um Euretwillen!" „Derlei nimmt man boch nicht jo genau.“ „Ich würde mich ja ben Teufel drum scheren, wenn ich nicht hätte Gevatter stehen sollen. Aber ich sollte doch beim Kleinen Gevatter stehen, vergiß baS nicht!“ Sophie lächelte: „Ihr habt aber auch einen ganz gehörigen Posten zu Euch genommen." „Ja, ich war so vergnügt und fühlte mich so wohl, verstehst Du, und ba glitt e» denn so leicht herunter — unb wäre es in meinen jungen Jahren gewesen, bann hätte ich wohl meinen Mann gestanden, aber . . . da» ist boch auch ein Teufel-kerl vo.i Mann, ben Tu hast, Sophie." Sie lächelt. Doch ber Alte schüttelt Wieher ben Kopf. „Ich hatte mir doch so bestimmt borgenommen, bi» nach bem Kirchgang zu warten, denn nachher, da . . . ." Die Taufgäste kehren zurück, und bie Geladenen stellen sich ein — ein Dutzend Menschen, bie zum Fest erschienen finb. AuS großen irdenen Schüsseln löffeln sie bie Gerstensuppc, bescheiden, mit langsamen Bewegungen, al» Wenn sie gar nicht hungrig wären; nur bie Augen finb hurtig unb halten AuSguck nach ben Rosinen. TaS bauert lange, unb eine Schüssel nach ber anderen wirb geleert Fast hat eS den Anschein, alb geniere baS Tischtuch diese Menschen, die in den Seuteftuben deS Rittergute- groß geworben finb, unb als müßten sie sich anstrengen, so manierlich zu sein.