Nr.  C>0.  Mittwoch,  den  11.  Mär;  1008.  22.  Jahrgang. 
Hamburger  Echo. 
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Hierzu  zwei  Beilagen. 
Schöne  Worte. 
Der  neue  Staatssekretär  im  Reichsamt  des  Innern,  Herr 
von  Bethmann.Hollweg,  versteht  sich  auf  schöne  Worte  und 
solche  verfehlen  niemals  ihre  Wirkung.  @r  hat  einige  Aeußerungen 
getan,  die  sich  im  Gegensatz  befinden  zu  jenem  schnarrenden 
Bureaukratenton,  der  von  Preußen  auf  das  Reich  übergegangen 
ist;  er  hat  gesagt,  es  gebe  im  Reiche  zu  viel  Reglements  und 
zu  viele  Beamte,  und  er  hat  dem  Abgeordneten  Naumann  zu -
gestimmt,  weil  dieser  von  der  Fülle  der  dürren  Gesetzes -
paragraphen  „an  den  Menschen  wie  er  leibt  und  lebt, 
an  die  humane  Gesinnung  des  Menschen"  appelliert  habe. 
Ter  Staatssekretär  fügte  noch  hmzu,  man  könne  bei  der  ge -
samten  Verwaltung  solche  Gesichtspunkte  „vielleicht  mehr" 
in's  Auge  fassen. 
Zugegeben,  daß  man  im  Reichstage  von  den  Sitzen  der 
verbündeten  Regierungen  aus  solche  Worte  nur  selten  hört. 
Die  liberale  Presse  ist  denn  auch  gleich  aus  dem  Häuschen; 
eines  ihrer  größten  Organe  glaubt  sich  schon  zu  dem  erfreulichen 
Schluffe  berechtigt,  daß  dieser  neue  Staatssekretär  einem  „ge -
sunden  Modernismus"  huldige.  Ach,  wir  haben  schon  ganz 
andere  Worte  gehört!  Wie  liebenswürdig  konnte  Bismarck  zu 
den  Arbeitern  sprechen  und  wie  schien  er  von  dem  Geiste  „herz -
licher  Fürsorge"  erfüllt,  als  er  sie  für  seine  Sozialpolitik  ge -
winnen  und  von  der  Sozialdemobiasie  abziehen  wollte!  Dabei 
war  er  unablässig  aus  die  Ausbffdung  der  indirekten  Besteuerung 
bedacht,  das  allgemeine  Wahlrecht  war  ihm  verhaßt  geworden, 
Normalarbeitstag  und  uneingeschränktes  Koalitionsrecht  erschienen 
ihm  gefährlich.  Als  die  Mlers-  und  Jnvaliditätsversicherung  im 
Reichstage  vorgelegt  wurde,  begründete  Herr  von  Bötticher, 
der  damalige  Staatssekretär  im  Reichsamt  des  Innern,  die 
Vorlage  mit  den  Worten:  „Liebet  die  Brüder!"  Das  ging 
weit  hinaus  über  Herrn  von  Bethmann^Hollweg.  Auch  der 
gegenwärtige  Reichskanzler  liebt  die  schönen  Worte  und  die 
klassischen  Zitate.  Um  so  weniger  liebt  er  das  allgemeine 
Wahlrecht  ! 
Wir  lassen  uns  von  schönen  Worten  nicht  so  schnell  ge -
fangen  nehmen.  Gewiß  würde  es  auch  uns  durchaus  ersieulich 
sein,  wenn  im  Reichsamt  des  Innern  ein  „gesunder  Modernis -
mus"  zum  Vorschein  käme.  Aber  so  lange  wir  eine  solche 
Wendung  nicht  aus  den  Thaten  des  neuen  Staatssekretärs 
herleiten  können,  so  lange  glauben  wir  nicht  daran. 
Man  darf  vergessen,  daß  Herr  von  Bcthmann-Hollweg 
der  Nachfolger  des  Grafen  Posadowsky  ist.  Um  diesen  zu 
stürzen,'  halten  die  preußischen  Reaktionäre  unablässig  und  ge -
hässig  gewühlt,  denn  er  war  chnen  zu  „sozialpolitisch"  geworden. 
In  der  Tat  hatte  sich  seit  der  12  000  Mark-Affaire  in  der  An- 
schauungsweise  dieses  Staatsmannes  eine  nicht  unbedeutende 
Veränderung  vollzogen.  Das  Studium  der  Materien,  die  von 
seiner  Gesetzgebungsarbeit  berührt  wurden,  hatte  ein  gewisses 
„soziales  Empfinden"  in  diesem  geistig  hoch  veranlagten  Junker 
erweckt.  Er  gab  fich  keine  Mühe,  dies  Empfinden  zu  unter -
drücken,  und  ward  darum  seinen  Standesgenossen  bald  gar  sehr 
verhaßt.  Als  er  vollends  die  Wahrung  des  Wahlgeheim, 
nisses  für  eine  sittliche  Pflicht  der  Regierung  erklärte,  ward 
sein  Sturz  unvermeidlich. 
Die  in  Preußen  und  dadurch  im  Reiche  so  einflußreich  ge< 
wordene  Junkerkaste  hat  sicherlich  erwartet,  daß  der  Nachfolger 
des  Grasm  Posadowsky  sich  im  entgegengesetzten  Geleise  wie 
dieser  bewegen  werde.  Tut  er  dies,  dann  kann  er  dazu  reden 
was  er  will;  tut  er  es  nicht,  dann  wird  er  eben  „fliegen".  Der 
rasende  See  der  Reaktion  verschlingt  solche  Opfer  unerbittlich. 
Wie  die  schönen  Worte  des  neuen  Staatssekretärs  gemeint 
sind,  werden  wir  ja  bald  erfahren.  Auch  wir  möchten  so  bald 
als  möglich  aus  den  Fesseln  „dürrer  Paragraphen"  Befreit  sein. 
Da  liegt  das  Vereinsgesetz  dem  Reichstage  vor.  Welche 
schöne  Gelegenheit,  an  „den  Menschen,  wie  er  leibt  und  lebt" 
zu  appellieren!  Wir  sind  ein  großes  Kulturvolk  mit  einer  Fülle 
von  glänzenden,  geistigen  und  materiellen  Leistungen;  unsere 
Bildung  steht  in  chrer  Gesammtheü  auf  der  Höhe  des  Jahr- 
hunderts.  Wir  brauchen  also  nicht  die  unwürdige  und  kleinliche 
Bevormundung  durch  Polizeivorschriften,  wenn  wir  unsere  öffent- 
lichen  und  gemeinsamen  Angelegenheiten  beraten  wollen.  Die 
alten  Germanen  waren  nicht  so  gebildet  wie  wir,  hatten  keine 
klassische  Literatur,  keine  Eisenbahnen  und  keine  Telegraphen;  sie 
betranken  sich  gern  und  schlugen  gleich  mit  der  blanken  Waffe 
drein,  aber  sie  bedurften  für  chre  Vereine  und  Versammlungen 
keiner  polizeilichen  Anmeldung  und  Genehmigung!  Jawohl,  man 
appelliere  an  „die  humane  Gesinnung  der  Aienschen"  und  verbiete 
nicht  den  Reichsangehörigen,  die  eine  andere  Sprache  ererbt 
haben  als  wir,  diese  Sprache  in  öffentlichen  Versammlungen  zu 
gebrauchen! 
Memand  kann  die  Herrschaft  dürrer  Paragraphen  verhaßter 
sein  als  uns.  Aber  man  ist  gezwungen,  die  Zahl  der  Para, 
graphen  noch  zu  vermehren.  Bestände  bei  uns  eine  her -
gebrachte  und  ererbte  Achtung  vor  den  natürlichen 
Bolksrechten,  wie  sie  anderwärts  besteht,  dann  wäre  man 
nicht  genötigt,  in  sorgsam  ausgearbeiteten  Paragraphen  sich  vor 
Uebergriffen  zu  schützen.  Speziell  auf  dem  Gebiete  deS  Vereins- 
und  Versammlungsrechts  ist  dies  zur  Notwendigkeit  geworden. 
Fr-üher  hatte  man  den  naiven  Glauben,  es  sei  am  besten,  wenn 
gar  fein  Vercinsgesetz  bestände.  In  einzelnen  Kleinstaaten  war 
dieser  Zustand  vorhanden.  An  sich  würde  er  auch  „dem  Men- 
scheu  wie  er  leibt  und  lebt",  entsprechen.  Mer  die  Polizei  tut 
Bann'  was  sie  will,  und  da  ist  man  genötigt,  zu  dem  Mtel 
von  Schntzparagraphen  zu  greifen,  soweit  es  möglich  ist 
Dies  eine  Beispiel  möge  genügen.  Der  Staatssekretär  mit 
bem~  gesunden  Modernismus"  hätte  die  schönste  Gelegenheit, 
diese  seine  Gesinnung  zu  betätigen.  Aber  bei  dem  Vereinsgesetz 
wirb  er  es  ganz  gewiß  nicht  tun  und  bei  anderen  Gelegenheiten 
auch  nicht  Er-  ist  ein  Glied  des  großen  reaktionären  Apparats, 
der  uns  regiert  Als  solcher  kann  er  den  Gang  des  ganzen 
Mechanismus  nicht  hemmen  und  wenn  er  eS  dennoch  versucht, 
""^Neiii^vön°den  grünen  Tischen  der  Staatssekretäre  kann  daS 
Heil  nicht  kommen.  .  ,, 
Die  Besserung  wird  uns  gebracht  von  der  wirtschastlicheii 
Entwicklung,  welche  sichtbar  eine  neue  und  höhere  Stufe  der 
Produktion  vorbereitet,  und  von  dei  großen  sozialen  Volks- 
bewegung,  die  daraus  gerichtet  ist,  dem  Volke  Brot  und  Freiheit 
zu  erkämpfen.  Schöne  Worte  von  Staatsmännern,  auch  wenn 
sie  platonisch  ernst  gemeint  sind,  find  eben  nich  s  werter  als 
das!  -  
Politische  Uebersicht. 
Frühe  Laudtagswahlen  in  Preuhen. 
Als  vor  einiger  Zeit  die  Nachricht  auftauchte,  es  bestehe  die 
Absicht,  die  preußischen  Landtagswahlen  schon  im  Frühsommer, 
statt  wie  sonst  üblich,  im  Spätherbst  vollziehen  zu  fafien,  wurde 
diese  Mitteilung  von  Leuten,  die  darauf  Anspruch  erheben,  daS 
politische  Gras  wachsen  hören  zu  können,  besinnen.  Jetzt  roirb  auch 
von  dem  Berliner  Korrespondenten  der  „Frankfurter  Zeitung", 
der  auf  den  Hintertreppen  des  ReichskanzlerpalaiS  sehr  gut  Be -
scheid  weiß,  angekündigt,  der  Landtag  werde  schon  vor  Ostern 
geschlossen  werden  und  zwar  wahrscheinlich  am  8.  April. 
Die  noch  nicht  erledigten  Vorlagen  —  neben  dem  Etat  daS 
Quellenschutzgesetz,  da-  Gesetz  über  die  weitere  Aufschließung  von 
Kohlenfeldern  in  Westfalen,  das  Gesetz  über  den  masurischen 
Kanal,  sowie  das  Polizeikostenaesetz  —  könnten  ohne  Schwierig, 
keit  bis  zur  zweiten  Aprilwoche  fertiggestellt  werden. 
Ueber  die  Absichten  der  Regierung  wird  bann  weiter  mit» 
geteilt:  „Die  Regierung  beabsichtigt,  soviel  man  jetzt  hört, 
wenn  auch  bindende  Beschlüffe  darüber  noch  nicht  gefaßt  sind,  die 
Neuwahlen  zum  Abgeordnetenhaus  im  Früh -
jahr  vornehmen  zu  lasten  und  den  Landtag  zur  ersten  Session 
nicht,  wie  es  seit  langen  Jahren  die  Regel  war,  erst  im  Januar, 
sondern  schon  möglichst  früh  im  Herbst,  etwa  Ende  Oktober, 
einzuberufen.  Zu  diesem  Zwecke  wird  die  Auflösung  des 
Landtages  notwendig,  besten  Legislaturperiode  nach  der  üblichen 
vom  Tage  seines  ersten  Zusammentritts  an  zählenden  Rechnung 
bis  zum  19.  Januar  1909  dauern  würde.  Der  neue  Landtag 
kann  während  der  Dauer  der  Legislaturperiode  des  alten  zwar 
gewählt  werden,  aber  er  kann  nicht  zm'ammentreten,  ehe  diese 
Legislaturperiode  durch  Ablauf  oder  Auslösung  beendet  ist.  Ob 
nun  die  Regierung  das  Abgeordnetenhaus  bereits  Anfang  April 
auflösen  wird  oder  erst  zu  einem  späteren  Termin,  ist  nicht  be -
kannt.  Verfaffungsmäßig  muß  60  Tage  nach  einer  Auflösung 
die  Neuwahl  und  30  Tage  später  die  erste  Einberufung  des  Land -
tages  erfolgen.  Löste  man  also  im  April  auf,  so  würden  die 
Wahlen  im  Juni,  was  sowieso  beabsichtigt  zu  sein  scheint, 
und  die  Einberufung  des  Landtages  im  Juli  erfolgen  muffen. 
Es  würde  dann  allerdings  genügen,  daß  man  ben  Landtag  formell 
einberust  und  dann  bald  wieder  auf  den  Herbst  vertagt.  Man 
nimmt  an,  daß  die  erste  Vorlage,  mit  der  sich  der  Landtag 
im  Herbst  zu  beschäftigen  haben  wird,  die  Erhöhung  der 
Beamtengehälter  ist." 
Von  agrarischer  Seite  wird  ebenfalls  die  fr  ü  h  z  e  11  i  g  c 
Wahl  angedeutet.  Die  „Deutsche  Tageszeitung"  erklärt: 
„Bindende  Beschlüffe  über  den  Schluß  des  Landtages  sind  aller -
dings  noch  nicht  gefaßt  worden.  Daß  der  Reichstag  sich  auch 
vor  Ostern  vertagen  werde,  gilt  als  ausgeschlossen. 
Die  Vertagung  wird  frühestens  Mitte  Mai  stattfinden 
können,  aber  immer  noch  einige  Zeit  vor  dem  für  die 
Landtagswah  l^en  vorläufig  ins  Auge  gefaßten 
Termin." 
Also  bald  nach  Mitte  Mai,  was  mit  den  Angaben  der 
„Frankfurter  Zeitung"  übereinstimmt.  Da  wird  es  für  unsere 
preußischen  j^enosten  notwendig,  die  Vorbereitungen  für 
den  Wahlkampf  alsbald  energisch  in  die  Hand  zu  nehmen. 
Die  kommenden  Landtagswahlen  werden  im  Zeichen  des  Wahl -
rechtskampfes  vollzogen  werden.  Da  heißt  es  alle  Kräfte 
anspannen,  um  der  Reaktion  so  viel  wie  möglich  Abbruch  zu  tun, 
zugleich  aber  auch  das  unerhörte  Unrecht  des  Drei, 
klassen  Wahlsystems  in  das  hellste  Licht  zu  setzen  und 
eine  Basis  für  den  weiteren  Kampf  um  die  Beseitigung  dieses 
Unrechts  zu  schaffen.  
Auch  ein  Grund! 
Der  Sprachenparagraph  im  Reichsvereinsgesetz  muß 
unbebingt  angenommen  werden,  weil  sonst  die  Rechte  der  Deut -
schen  in  ben  überwiegend  polnisch  sprechenden  Gebieten  hinfällig 
gemacht  werden,  so  belehrt  die  Liberalen  die  Zuschrift  eines 
westpreußischen  Freisinnigen  an  die  „Vossisebe  Zei -
tung".  Dieser  Mann  konstatiert,  daß  die  Polenversammlungen, 
in  denen  ausschließlich  pojnisch  gesprochen  wird,  recht  eigentlich 
geheime  Versammlungen  seien.  Der  deutsck  sprechende 
Reichsbürger,  der  dort  auf  deutschem  Boden  seine  Heimat  hat, 
habe  Wohl  das  Recht,  in  solche  formell  öffentlichen  Versamm. 
hingen  zu  gehen  und  sich  an  den  Verhandlungen  zu  beteiligen; 
aber  da  diese  in  einer  Sprache  geführt  werden,  die  er  nickn  ver -
steht,  so  sei  er  tatsächlich  von  diesen  Versammlungen  ausgeschlosten. 
Auf  den  einfachen  Gedanken,  daß,  wer  sich  für  die  Verhandlungen 
in  Polenversammlungen  interessiert,  eben  Polniscb  lernen 
muß,  kommt  dieser  wackere  Freisinnsmann  nicht.  Was  er  nicht 
versteht,  ist  geheim,  und  ginge  es  auf  offenem  Marktplatz  unter 
freiem  Himmel  vor! 
Aber  nicht  nur  er  selbst  ist,  trotz  seines  Interesses  für  die 
polnischen  Angelegenheiten,  zu  faul,  die  Sprache  der  Polen  zu 
lernen,  er  hält  es  auch  für  ganz  selbstverständlich  und  gerecht -
fertigt,  daß  die  anderen  Ostmärker  ebenso  faul  sind.  Er  schreibt 
nämlich: 
„Wenn  wir  schon  nicht  selbst  zu  den  Polenversammlungen 
gehen,  so  möchten  wir  doch  wenigstens  wissen,  was  in  solchen 
^genannten  öffentlichen  Versammlungen  gesprochen  wird.  Er -
fahren  wir  das  nun?  Keineswegs!  Denn  auch  die  deutsche 
Presse  kann  über  solche  Versammlung  nicht  toaS  Rechtes  be -
richten.  Es  berichten  über  die  Versammlungen  wohl  die  polnischen 
Zeitungen.  Wie?  Das  entzieht  sich  jeder  Kontrolle,  und  was  hilft 
es  uns  Deutschen?  Wir  können  sie  ja  nickst  lesen.  Die  deutschen 
Zeitungen  können  sich  unmöglich  an  allen  Orten  polnisch  sprechende 
Korrespondenten  hallen,  und  so  fehlen  genügende  Berichte  auch 
in  der  Presse.  Ist  das  noch  Oefsentlickkeit?  Die  polnischen  Per- 
sammlunaen  entziehen  sich  vollständig  der  Ueberwachung  durch  die 
deutsche  Oeffentlichkeil,  sie  spielen  sichhinterderWandder 
polnischen  Sprache  ganz  im  Geheimen  ab.  Wir  in 
der  Ostmark,  die  wir  uns  mit  den  Polen  auf  nationalpolitischem 
Gebiete  nicht  nur,  sondern  auch  auf  wirffckmftlichem  Gebiet  her -
umschlagen  müssen,  wir  haben  gegen  die  Verhandlungen  in  den 
polnischen  Versammlungen  keine  Möglichkeit,  den  dort  vorge -
tragenen  Verleumdungen  und  Verhetzungen  innerhalb  oder  außer- 
halb  jener  Versammlungen  entgegenzutreten;  denn  wir  erfahren 
auf  keine  Weise,  was  dort  gesprochen  worden  ist.  Und  das  poli- 
tische  Leben  soll  sich  doch  in  voller  Oeffentlichkeit  abspielen.  Und 
nun  noch  eins.  Wenn  in  einem  Wahlkreise  ein  polnischer 
Abgeordneter  gewählt  wird,  wie  das  in  meinem  Wahlkreise 
wiederholt  geschehen  ist,  dann  sind  wir  Deutschen  vom 
Reichstag  einfach  abgeschnitten.  Denn  unser  Herr 
Abgeordneter  spricht  nur  in  polnischen  Versammlungen  in  pol. 
irischer  Sprackre.  Uns  Deutschen  fehlt  dann  jeder  Zusammen- 
hang  mit  ihm.  Wir  hören  seinen  Bericht  nicht.  Unser  gutes 
Recht,  ihm  zu  entgegnen,  ihn  zu  interpellieren,  geht  einfach  ver- 
loten.  Wir  haben  eben  keinen  Abgeordneten.  Ist  daS  wohl  in 
der  Ordnung?  Wir  Deutschen  sind  in  dem  politischen  Kampfe 
gegen  die  Polen  aber  wehrlos,  wenn  daS  politische  Leben  sich  nickst 
in  einer  auch  uns  verständlichen  Sprache  abspielt." 
Die  Arroganz  der  Ostmärker  wird  in  dieser  dreist-naiven  Zu- 
mutung,  weil  die  deutsche  Minorität  zu  dumm  oder  zu  faul  sei, 
Polnisch  zu  lernen,  müsse  die  polnische  Majorität  Deutsch  sprechen, 
so  trefflich  gekennzeichnet,  daß  wir  nichts  hinzuzufügen  brauchen. 
Dieser  ©ippfdiaft  zu  Ölefallen  wird  die  brutale  VerpreutzungS- 
politik  betrieben,  die  den  Deutschen  die  Verachtung  der  ganzen 
Kiilturwelt  zuzieht.  Und  diese  Leute  nennen  sich  dann  noch  frei -
sinnig!  Ihre  ton  wahnsinniger  Anmaßung  cingcgebcne  Argu -
mentation  wird  für  würdig  befunden,  von  freisinnigen 
Organen  in  die  Welt  hinausposaunt  zu  werden.  Die  „Voss.  Zig." 
ist  ja  freilich  stark  vom  Polenkoller  infiziert  und  bat  sehr  viel  Zu -
neigung  z>nn  Hakatiomus.  Was  soll  man  beim  Vordringen  sol -
cher  „freisinnigen"  Stimmen  in  die  Oeffentlichkeit  noch  voin 
Freisinn  für  die  Bewahrung  vor  dem  Sprachenzwang  erwarten?! 
AiiSländischx  Arbeiter  und  Sprachenzwang. 
5n  bürgerlichen  Blättern  ist  zu  lesen:  zur  Zeit  macht  sich  ein 
großer  A  n  d  r  ang  von  Arbeitern  aus  S  ü  d  e  u  r  o  p  a  in 
ti  d  v  rheinisch-westfälische  Industriegebiet  be> 
merkbar-  eso  trafen  in  diesen  Tagen  über  3000  italienische 
Ar beiter  in  Grupevn  von  500,  800,  700  und  400  Personen  mit 
Extrazug  in  Köln  ein.  Sie  fuhren  in  da?  Industriegebiet 
weiter.  In  Bochum  meldeten  sich  26  Türken  a  l  s  obdach -
los,  weil  sie  unterwegs  ihren  Führer  verloren  hatten;  die  Leute 
befinden  sich  zur  Zeit  in  Schutzhaft. 
So  zieht  die  Großindustrie  immer  mehr  fremdländische  Ar -
beitskräfte  an  sich.  Gegenüber  den  einheimischen  deutschen  Ar -
beitern  werden  sie  als  Lohndrücker  verwendet.  Und  dann 
will  das  Reich  noch  das  Recht  aufheben,  mit  diesen  Leuten 
in  öffentlichen  Versammlungen  in  ihrer  eigenen  Sprache 
zu  reden,  um  sie  für  die  Interessen  ihrer  eigenen  Klasse  zu  ge -
winnen.  Sicher  ist  die  Verhinderung  dieser  für  die  Arbeiter- 
interessen  unerläßlichen  Aufklärungsarbeit,  neben  der  fanatischen 
Polenfeindschaft,  das  Hauptmotiv  für  das  Verlangen  nach 
dem  Sprachenzwang.  Hieß  es  doch  schon  vor  längerer  Zeit,  daß 
die  rheinischen  Großindustriellen  die  eigentlichen 
Urheber  dieses  Attentats  gegen  die  Rechtsgleichheit  seien.  Die 
Nachricht  ist  nicht  dementiert  worden.  Je  mehr  die  Zahl  der 
fremdländischen  Arbeiter  anschwillt,  desto  mehr  wächst  das  Jnter- 
effe  der  industriellen  Scharfmacher  am  Sprache nzwana.  Denn 
der  Sprachenzwang  verlangt  immer  mehr  den  Charakter  einer 
Aushebung  des  Koalitionsrechts.  Um  so  schändlicher 
wäre  es,  wenn  „liberale"  Politiker  die  Hand  zu  seiner  Einführung 
bieten  würden,  fei  es  nun  auf  direktem  ober  indirektem  Wege. 
Verschärfung  des  Gerstenzolles. 
Tas  Zentrum  hat  unter  Führung  des  Abgeordneten 
Iollrat  Speck  zur  zweiten  Lesung  des  Etats  der  Zölle  und 
Steuern  folgende  Resolution  eingebracht: 
„Der  Reichstag  wolle  beschließen:  die  Verbündeten  Regierun -
gen  zu  ersuchen: 
1.  tunlichst  bald  durch  ent'vrechende  Aenderung  der  Be -
stimmungen  der  Gerstenzollordinmg  die  Verzolluna  fämt- 
licherG-rste  nachdemSatzevon.Ll  für  100  Kilogramm 
vorzuschrei^en.  welche  zur  Verwendung  für  Brauerei-  ober 
Brennereizwecke  geeignet  ober  bestimmt  ist; 
2.  ben  Zollsatz  von  Jt  1,30  für  100  Kilogramm  nur  auf  solche 
Gerste  zur  Anwenbung  zu  bringen,  welche  in  geeigneter  Weise 
(burch  Färben  usw.)  amtlick  gekennzeichnet  ober  nach- 
gewiesenermaßen  zu  Futterzwecken  tiertoenbet  worben  ist; 
3.  zur  Sicherstellung  bieser  Maßnahmen  zu  veranlagen,  baß 
bie  Verwenbung  ber  amtlich  gekennzeichneten  Gerste  (Ziffer  2) 
zur  Herstellung  von  Malz  sowie  bie  Verwenbung  solchen  Malzes 
zu  Brauerei-  ober  Brennereizwecken  unter  entsprechenb  hohe 
Strafen  gestellt  wird." 
Der  Gerstenzoll  ist  seinerzeit  bei  ben  Zolltarisbebatten  von 
ben  Agrariern,  der  Rechten  sowohl  wie  des  Zentrums  unerhört 
hochgetrieben  worden,  um  die  Brauerei  zu  treffen.  Tie  für  ihre 
eigenen  Zwecke  benötigte  Futtergerste  sollte  aber  nickt  mitgetroffen 
werden.  Und  so  wurde  die  verrückte  Unterscheidung  zwischen 
Malz-  und  Futtergerste  gemacht,  die  in  der  Praxis  gar  nicht 
durchzuführen  ist  und  deshalb  dem  Zollbetruge  Tür  und  Tor 
öffnet. 
Ter  Erhöhung  des  Zolles  für  guttergerfre,  bie  mit  ber  Re -
solution  beabsichtigt  aber  burch  nichts  gerechtfertigt  ist,  stehen 
aber  Hanbelsvertragsrechtlicke  Schwierigkeiten  entgegen.  Ter 
r>  -'"  sche  und  bet  österreichisch-ungarische  Handels-  und  Tarif- 
Decitay  seyen  ausdrücklich  rcr,  oaß  Ser  Eingungszoll  auf  Cäterjxe 
vom  Hektolitergewicht  ber  Ware  abhängig  lein  solle,  b.  h.  für 
groß?,  schwere  Braugerste  (Hekwlstergewicht  65  bis  70  Kilogramm) 
sollen  M,  4  —  für  „anberc  Gerste",  d.  h.  für  leichte  Futter-  und 
Brenngerste  (Hektolitergewicht  unter  65  Kilogramm)  soll  dl  1,30 
Zoll  erhoben  werden,  soweit  sich  unter  letzterer  Gerste  nicht  mehr 
als  30  pZt.  schwerer  Gerstenkörner  befinden.  Diese  vertrags- 
rechtlich  burch  gegenseitige  tarispolitische  Zugeständnisse  noch  be -
sonders  f eftgelegte  Voraussetzung  wurde  auf  intensives  Drängen 
der  süddeutschen  Zentrumsagrarier  bereits  burdüödiert,,  indem 
man  die  „andere  Gerste"  durch  allerlei  schikanöse  Zollkünste  vom 
Import  fernhalten  wollte.  Man  nötigte  Reicksichatzamt  und 
ssinanzministerien.  „andere  Gerste"  durch  allerlei  Tenaturierungs- 
mittelcken  derart  zu  entwerten,  daß  in  Deutschland  weder  Die 
Futterkonsumenten  noch  die  gewerblichen  Kornbrenner  am  Import 
dieser  „anderen  Gerste"  noch  ein  besonderes  Jntereye  haben 
sollten.  Aber  bie  Denaturierungsverfahren  haben  bislang  ver -
sagt,  wo  es  sich  um  ihre  Anwenbung  in  größerem  Maßstabe 
Hanbelte.  Dem  will  nun  bie  Resolution  sveck  und  Genossen 
cthelfen.  Daß  damit  bie  Hanbelsverträge  verletzt  werden,  kümmert 
die  Agrarier  nickt,  wenn  sie  nur  ihr  Interesse  gewahrt  sehen.  In 
der  Beziehung  sind  bie  bayerischen  Gerstenbauern  nicht  besser  als 
bie  ostelbischen  Agrarier. 
Gehaltserhöhungen  für  Offiziere. 
Die  Beamten  im  Reich  unb  in  Preußen  sollen  auf  bie 
so  bringend  notwendige  Aufbesserung  ihrer  Gehälter  noch  bis 
zum  nächsten  Jahre  warten,  weil  das  Reick  kein  Geld  dazu  Hal, 
Preußen  aber  nicht  allein  vorgehen  will.  Wozu  es  aber  für  die 
Beamten  nicht  langt,  für  die  Offiziere  muß  eS  da  sein, 
denn  ber  Militarismus  kennt  keine  Rücksichtnahme  auf  bie  Finanz -
lage.  Ten  Reichstag  wirb  nächstens  eine  Vorlage  über  bie  Auf -
besserung  ber  Gehälter  ber  Leutnants,  Oberleutnants  unb  Haupt -
leute  beschäftigen,  unb  es  besteht  bie  Absicht,  hier  mit  bem  Gelde 
der  Steuerzahler  sehr  splendid  umzugehen,  obwohl  bie  Zeiten 
sicher  nicht  bazu  geeignet  finb. 
Der  Leumaiit  fol!  künftig  ein  Anfangsgebalt  von  ft  15<X)  er -
halten,  je  nach  vier  weiteren  Dienstjahren  kommt  eine  Alterszulage 
von  .K  300  hinzu,  bis  das  Höchstgehalt  von  M  2100  erreicht  ist. 
Dieses  Stabium  tritt  also  nach  achtjähriger  Dienstzeit  als  Offizier 
ein.  Für  bie  Oberleutnants  wird  ein  besonberes  Gehalt  nicht 
mehr  vorgesehen.  In  bie  Praxis  übertragen  liegt  bie  Angelegen -
heit  so,  baß  die  Oberleutnants  und  ältesten  Leutnants  dt  2100 
Gehalt  beziehen.  Abgesehen  vom  Gehalt,  stehen  ben  Offizieren 
noch  Wohnungsgelbzuschuß  unb  servis  au.  bie 
beibe  nach  ber  Größe  ber  Garnisonen  wechseln  unb  nach  Servis- 
klassen  geregelt  werben.  Es  gibt  fünf  Servisklassen,  von  benen 
für  bie  Offiziere  aber  nur  vier  Geltung  haben,  weil  bie  fünfte 
sich  nur  auf  Orte  ohne  Garnisonen  bezieht.  In  ber  höchsten 
Servisklaffe  stünden  künftig  einem  jungen  Leutnant  <<  2460, 
in  ber  letzten  dl  2031  zu.  In  Anbetracht  des  Umstandes,  daß  es 
sich  hier  um  junge  Männer,  von  denen  die  ältesten  höchstens 
26  Jahre  alt  sind,  handelt,  und  die  Vorbildung  dieser  Männer 
verhältnismäßig  wenig  verschlang,  muß  die  Bezahlung  als  sehr 
nobel  bezeichnet  werden.  Man  darf  hier  nicht  vergessen,  daß  nur 
in  Bayern  von  den  Offiziersaspiranten  das  Absolutorium  eines 
Gymnasiums  gefordert  wird.  Bei  ben  Leutnants,  bie  bas  vierte 
Offiziersbienstjahr  hinter  sich  haben,  werden  bie  genannten  Be- 
züge  um  dl  300  jährlich  erhöht.  Sie  betragen  also  dl  2760  bezw. 
.«  2331.  Die  Oberleutnants  unb  ältesten  Leutnants  sollen 
dt  3060  bezw.  *  2631  erhalten. 
Den  Löwenanteil  der  Gehaltsaufbesserung  bekommen,  wie  sich 
von  selbst  versteht,  jene,  bie  gar  keine  Gehaltserhöhung  benötigen, 
nämlich  die  Hauptleute  unb  Rittmeister.  Die  Offiziere 
dieser  Chargen  sind  jetzt  schon  ausreichend  bezahlt.  Ein  Haupt -
mann  usw.  1.  Klasse  bezieht  jetzt  je  nach  der  Servisklaffe,  in  der 
feine  Garnison  rangiert,  dl  5800  bis  4900,  ein  Hauptmann 
2.  Klasse  dl  4600  bis  3700.  Für  bie  Miete  eines  PferbestalleS 
wirb  autzerbem  bas  StallserviS^gewährt.  Hier  wäre  eine  Auf- 
befferung  gewiß  nicht  nötig.  Sie  wird  aber  in  unglaublicher 
Weise  geplant.  Der  Unterschied  zwischen  Hauptmann  1.  unb 
2.  Klasse  soll  überhaupt  fallen,  weil  man  nämlich  schon  bie  jüngsten 
Hauptleute  künftig  so  besolben  will,  wie  es  jeet  bie  Hauptleute 
I  Klaffe  finb.  TaS  AistangSgeball  für  einen  Hmiptma  n  b.-zw. 
Rittmeister  will  man  auf  dl  4000  festsetzen.  Alle  vier  Jahre  tritt 
eine  Erhöhung  von  -N  600  ein,  bis  bas  Höchstgehalt  int  Betrage 
von  dt  5200  erreicht  ist.  Demnach  würde  ein  Hauptmann  usw. 
in  den  ersten  vier  Dien  st  jähren  inklusive  «erviS- 
und  Wohnungsgelbzuschuß  je  nach  der  Garnison  dl  4984  bis  5872 
erhalten.  Vom  vierten  bis  achten  Dienst  jähre 
kämen  dl  5584  bis  6472  und  nach  dem  a  ch  t  c  n  T  i  e  n  st  - 
jähre  dl  6184  bis  7072  in  Betracht.  Nimmt  man  an.  daß  der 
deutsche  Offizier  durckfcknittlick  mit  35  Jahren  Hauptmann  wird, 
so  ergibt  sich,  daß  er  durchscknitilick  im  Aller  von  35  bis  39  Jahren 
ein  Einkommen  von  rund  .  K  5000  bis  5900  erhalten  soll,  im 
Aller  von  39  bis  48  Jahren  werden  dl  ö6OO  Vis  6500  daraus. 
Vom  43.  Lebensjahre  an  will  man  ihm  '<  6200  bis  7100  geben. 
Hat  ein  Hauptmann  in  seiner  Charge  8  Jahre  gedient,  so  braucht 
er  nicht  lange  zu  warten  bis  er  Major  wirb.  Unb  babin  kommt 
eine  neue  große  Aufbesserung  aller  Bezüge. 
Für  bie  Steuerzahler  hat  bieses  Wirtschaften  mit  ihrem  Gelde 
wettere  unangenehme  Konsequenzen,  toeii  bie  Erhöhung  ber  Ge -
hälter  auch  eine  Erhöhung  ber  Pensionen  nach  sich 
zieht. 
Der  Block  wird  sich  hier  ja  wieder  der  ihm  gestellten  Auf -
gaben  würdig  erweisen  und  —  alles  bewilligen.  Zu  erfüllen,  was 
ber  Militarismus  wünscht,  ist  natürlich  eine  „nationale" 
Aufgabe.  Solche  zu  lösen,  hat  Bülow  ben  Block  ja  geschaffen. 
Die  „nationalen"  W  ä  h  j  e  r  aber  werben  es  zu  spät  inne  werben, 
welch  eine  Riesendummheit  sie  begangen  haben,  als  sie 
bie  „nationale"  Mehrheit  schaffen  halfen.  Sie  werben  nun  bitter 
bafür  gestraft  werden. 
Einführung  des  Postscheckve-kchrS. 
In  Form  eines  Ergänzungsetats  ist  dem  Reichstage  am 
Montag,  wie  schon  kurz  erwähnt,  eine  Vorlage  über  die  Ein -
führung  des  Post-Ueberweisungs-  und  Scheck -
verkehrs  zugegangen.  Durch  die  Vorlage  soll  ber  Reichs -
kanzler  ermächtigt  werden,  den  Post-UeberweisungS-  und  Scheck -
verkehr  einzuführen.  Die  Bestimmungen  über  die  Benutzung 
des  Verkehrs  sollen  vorläufig  durck  eine  vom  Reickskanzler 
zu  erlassende  Verordnung  getroffen  werden;  die  grund -
sätzlichen  Vorschriften  aber  sollen  später  auf  bem  Wege  der 
Gesetzgebung  geregelt  werden,  unb  das  betreffende  Gesetz 
soll  spätestens  am  1.  April  1914  in  straft  treten.  In  den  Etat 
werden  zugleich  d-ie  nötigen  Summen  eingestellt,  bie  für  bie 
Einführung  der  Neuerung  erforderlich  werden.  Bei  den  Aus -
gaben  werden  rund  ,t  126  000  mehr  verlangt.  Da  rund 
dl  40  000  durch  die  Einnahmen  gedeckt  werden  sollen,  so  wird 
ein  Zuschuß  von  dt  85  654  erforderlich.  ES  sollen  neun 
Postscheck-Aemter  errichtet  werden  und  zwar  in  SB  e  r  l  i  n, 
BreSlau,  Köln,  Danzig,  Frankfurt  a.  M,  Ham -
burg,  Hannover,  Karlsruhe  und  Leipzig.  Die  Vor -
steher  dieser  Postscheckämter  sollen  3000  bis  4500  Gehalt  be -
ziehen. 
Aus  der  beigegebenen  Denkschrift  ist  über  die  beab -
sichtigte  Regelung  des  Scheckverkehrs  folgendes  zu  ersehen:  Bei 
den  Postscheckämtern  kann  für  jeden  ein  Scheckkonio  auf  An -
trag  eröffnet  werden.  Die  Kontoinhaber  haben  eine  Stamm- 
einlage  von  dt  100  einzuzahlen,  die  auf  dem  Konto  bleibt, 
so  lange  es  besteht.  Eine  Verzinsung  der  auf  dem  Konto  ge -
buchten  Einlagen  soll  nicht  staitsinden.  Ter  Scheck  soll  nicht 
durch  Indossement  übertragbar  sein.  Es  sollen  folgende  Ge -
bühren  erhoben  werden:  1.  Bei  Bareinzahlungen  für  je  dl  500 
oder  einen  Teil  dieser  Summe  5  2.  Für  jede  Barrückzahlung 
ein  Achtel  vom  Tausend  der  auszuzahlcnden  Beträge  und  außer -
dem  eine  feste  Gebühr  von  5  Ä.  3.  Für  jede  Ueberwetsung  von 
einem  Konto  auf  ein  anderes  Postscheckkonto  3  4-  4.  Bei  jähr -
lich  mehr  als  600  Buckungen  für  jede  weitere  Buchung  eine  Zu- 
schlagSgebübr  von  7  H.  Die  Formulare  zu  Zahlkarten  und  für 
Hebertoeifungen  sollen  einzeln  unentgeltlich  abgegeben  werden. 
Der  Preis  für  Zahlkartenformulare,  die  in  Heften  zum  '5ertaufe 
gestellt  werden,  soll  y 3  für  das  Formular  betragen;  die  Scheck- 
jormuLate  sollen  an  die  Kontoinhaber  in  Heften  von  50  Stück 
zum  Preise  von  50  „J  für  das  Heft  abgegeben  werden.  Die 
durch  den  UeberwetsungS-  und  Scheckverkehr  eingehenden  Gelder 
sind  zinstragend  angulqien,  und  zwar  unter  Mitwirkung  der 
Reichsbank.  Die  Reicksbank  übernimmt  die  Verwaltung  der 
Gelder  für  Rechnung  und  Gefahr  des  Reiches.  Für  diese  '5er- 
toaltungbeanfpru  cht  sie  eine  jährliche  Vergütung  von  V4  pZt.  der 
an  sie  zur  zinstragenden  Anlegung  abgeführten  Summe. 
Bescheidene  Wünsche. 
Tie  Po  st-  und  Telegraphenunterbeamten  haben 
in  einer  kürzlich  in  Berlin  Veranstalteten  Versammlung  ihre 
Wünsche  an  den  Bundesrat  und  Reichstag  in  folgender  Re  so- 
lut  i  o  n  formuliert: 
„Im  Hinblick  auf  die  schon  seit  langen  Jahren  bestehenden 
Teurungsverhältnisse  und  auf  die  daraus  entstandene  drückende 
Notlage  aller  Post-  und  Telegraphenunterbeamten  1.  eine  allge -
meine  und  nachhaltige,  auch  der  in  der  Zukunft  mit  Sicherheit  zu  er -
wartende  Preisentwicklung  auf  allen  Gebieten  Rechnung  tragende 
Besoldungsaufbefferung  mit  größter  Beschleunigung  durchzuführen, 
und  zwar  dadurch,  daß  a)  die  Tagegeldfätze  der  Tiätare  fPost -
boten  usw.),  unter  Abkürzung  des  Tiälariats  und  unter  An -
rechnung  der  vor  der  Postdienflzeit  zurückgelegten  Militärdienstzeit 
auf  das  Besoldungsdienstalter,  auf  dt  3,25,  3,50,  3,75  und  U  4, 
b)  die  Gehaltssätze  der  Unterbeamten  der  Schaffnerklasfe 
(Schaffner,  Briefträger,  Leitungsauffeher  usw.)  von  K  900  bis 
l K  1500  auf  dl  1200  bis  dt  1800,  c)  die  Gehaltssätze  der  ge -
hobenen  Unterbeamten  von  dl  1400  bis  dl  1800  auf  dl  1500  bis 
dt  2200,  und  daß  ferner  d)  die  Wohnungsgeldfätze  aller  Unter- 
beamten  um  50  pZt.  erhöht  werden;  2.  die  von  den  verbündeten 
Regierungen  unter  Zustimmung  des  Reichstags  im  vorigen  Jahre 
in  Aussicht  gestellte  Besoldungsvorlage  fojeitig  jugehen  zu  lassen, 
daß  dieser  )ic  noch  in  seiner  jetzigen  «ession  möglickü  bis  zu 
Ostern  verabschieden  kann  unb  3.  diese  Vorlage  mit  größter  Be -
schleunigung  besannt  zu  geben,  damit  die  drückende  Ungewißheit, 
in  der  sich  die  gesamte  Unlerbeamtenschaft  seit  langem  befindet, 
ihr  dringend  notwendiges  Ende  findet." 
„Notleiveuden"  Agrariern 
aus  die  Strümpfe  zu  helfen,  ist  die  preußische  Regierung  immer 
bereit  und  die  Polenbekämpfung  bietet  ihr  einen  schönen  Vor -
wand  dafür.  Gegenüber  einer  kürzlich  von  der  klerikalen  „Köln. 
VoUSztg."  gebrachten  Nachricht,  daß  die  Regierung  noch  in  dem 
jetzigen  Landtag  eine  Vorlage  einbrtngen  wolle,  durch  die  HX) 
Millionen  Mark  für  eine  Ostmarkenbank  zur  Verfügung  gestellt 
werden,  bemerken  mehrere  Provinzialblätter,  diese  Angabe  sei  un -
richtig.  Es  liege  vielleicht  eine  Verwechselung  mit  einer  a  n  b  e  r  en, 
seitens  ber  Regierung  geplanten  Vorlage  vor.  Danach  soll  ein 
Betrag  von  annähernb  hunbert  Millionen  bereit- 
gestellt  werben,  um  in  ben  Nachbarprovinzen  ber  Ostmark  (Schle -
sien,  Pommern  unb  Ostpreußen>  wirtschaftlich  schwachen 
beutscken  Besitzern  gegenüber  der  Polenzuwanderitng 
ihren  Besitz  zu  erhalten,  indem  eine  Regelung  der 
Verschuldung  ihrer  Landgüter  vorgenommen  wird,  bei  der 
an  die  Stelle  aller  Gläubiger  die  Landschaft  mit  staatlicher 
Unterstützung  als  Hypothekengläubigerin  unter  sehr  gün -
stigen  Bedingungen  tritt.  Es  sei  dies  die  gleiche  Art 
der  Hvpothekenregulierung.  wie  sie  in  Posen  unb  Westpreußen  die 
Ansiedlungskommission  mit  Hülfe  ber  Bauernbank  in  Danzig  unb 
ber  Mittelstanbsbank  in  Posen  mit  großem  Erfolge  burchführt. 
Diese  Vorlage  werbe  jcboch  bem  gegenwärtigen  Land- 
tage  nicht  mehr  zugehen. 
Man  geniert  sicy  vielleicht  noch,  der  Enteignungsvorlage  noch 
weitere  100  Millionen  nachzuwerfen.  Aber  aufgeschoben  ist  nicht 
aufgehoben.  Die  Agrarier  werden  schon  nachbohren,  daß  ihnen 
die  Millionen  nicht  entgehen. 
Fortschreitende  Brrpfaffnug  deS  preußischen 
BolkssckulwesenS. 
Den  guten  Freisinnigen  und  Blockdemokralen,  die  in  der  Er -
setzung  des  preußischen  Kultusministers  Studt  durch  Holle  den 
Anbruch  einer  liberalen  Aera  sahen,  ist  die  Petersilie  verhagelt. 
Aber  ganz  unb  gar!  Es  stellt  sich  heraus,  baß  zwar  Stubt  ge -
gangen,  das  System  aber  geblieben  ist.  Die  Perpfaffung  des 
Volkssckulwesens  schreitet  munter  fort.  Die  „Schlesische  eefiul- 
jeitung"  macht  darüber  bemerkenswerte  Angaben.  Danach  ist  die 
'^ahl  der  zu  Kreis  schulin,  Vektoren  im  Haupiamte  er 
nannten  Theologen  feit  mehreren  Jahren  in  ftarfer  Zu- 
’t  a  h  m  e  begriffen.  Von  ben  im  Jahre  1895  angestellten  16  Schul -
aus  sichte  beamten  waren  nur  zwei  Theologen.  1904  wurden  schon 
sechs  Theologen  angestellt,  1905  neun,  1906  zwölf,  1907  sechzehn. 
Die  im  letzten  Vierteljahr  im  Regierungsbezirk  Breslau  frei« 
gewordenen  Stellen  zu  Brieg  und  Lhlau,  die  bisher  von  einem 
Seminarifcr  und  einem  Philologen  verwaltet  wurden,  besetzte 
man  mit  ehemaligen  Pastore  n.  Da  die  nebenamtliche  streiS- 
fchuloufsickt  der  Geistlichen  in  vielen  Fällen  unhaltbar  geworden 
ist,  so  richtet  man  eben  im  Einverständnis  mit  ben  Konservativen 
unb  unter  allerdings  etwas  zögernder  Zustimmung  des  Zen-