Nr. 88. Lonntag, den 12. April 1908. 22. Jahrgang. LamvurgerEcho. Da« „t.nmburnrr (Fdio- erscheint 15(111». außer Montag, VbonnementSpreiS (Inti. .Tie Neue Stielt*) durch die P°N b»,vgen ohne Bringegeid monaMch * 1,20. vierteljährlich x S.BO; durch die Kolporteure wöchentlich 30 A frei in« tzau«. Einzelne Nummer 6 *. Eonntvgs-Nummer mit illustrierter Sonntagsbeilage »Die Neue Stielt 10 *. «reuzbandsendungen monatlich x 2,70. für do« Ausland monatlich x z^o. Redaktion: , .... Expedition: Fehlandstraße II, I. Stock. Hamburg Fehlandstraße II, Erdgeschoß. Derantworllicher Redakteur: Utarl PeterSson in Hamburg. «nzeiaen die sechSgesvaltene Petit,eile oder deren Raum 86 4. »Irbeit«mnrft, Vermietung-^ und stamilienanzeigen ro 4. Anzeigen-Rnnahme Feblandftr. 11. Erdgeschoß dis 5 Uhr Nachmittags . in den Filialen (bis 4 Uhr Siachm'.), sowie in allen Annoncen-Bureau,. 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In der Schweiz wird zur Zeit eine Angelegenheit be - trieben, welche die Art und Weise charakterisiert, wie der deutsche resp, preuhische Polizeistaat auch im Auslande die dort weilenden Deutschen überwacht, seine Finger in ihre Angelegenheiten hineinsteckt und sie mit allerlei Scherereien heimsucht. Dies ist namentlich der Fall, wenn ein deutscher Reichsbürger sich in der Schweiz aushalten oder niederlassen will. Die früher so vielgerühmte Asyl- und Gastfreiheit der Schweiz ist bekanntlich durch die Anstrengungen der deutschen und russischen Diplomatie fast ganz illusorisch geworden und die herrschenden Klaffen der Schweiz sind mit dem roten Gespenst dermaßen ins Bockshorn gejagt worden, daß sie der europäischen Reaktion gern ein gutes Stück entgegengekommen sind. Dies ist auch in dem deutsch-schweizerischen Üliieder- laffungsvertrag geschehen. Derselbe ist jetzt wieder von deutscher Seite gekündigt worden und soll in einigen Punkten geändert werden. Das ruft die Erinnerung an einige intereffante Vorgänge wach. Der erste Riederlaffungsvertrag zwischen^ dem Deutschen Reich und der Schweiz wurde 1876 abgeschlossen. Bismarck setzte durch, daß in den Vertrag eine Bestimmung aus - genommen wurde, nach welcher keine fremde Person in einer schweizerischen Gemeinde als Bürger und in das kantonale Landrecht ausgenommen werden sollte, die nicht zwei Jahre ununterbrochen daselbst gewohnt und dazu die Einwilligung ihrer heimatlichen Regierung erlangt hatte. Eine andere Bestimmung lautete: „Um in der Schweiz Wohnsitz zu nehmen oder sich dort niederzulaffen, müssen die Deutschen mit einem Heimatschein und einem von der zuständigen Heimatsbehörde ausgestellten Zeugnis versehen sein, durch welches bescheinigt wird, daß der Inhaber im Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte sich besindet und einen unbescholtenen Leumund genießt." Die deutsche Regierung gab an, daß sie diese Be - stimmungen wegen der Militärpflichtigen verlange, die damals in großer Anzahl das schweizerische Bürgerrecht erwarben, um so dem Heeresdienst zu entgehen. Die beiden Bestimmungen wurden in der deutschen und schweizerischen Preffe heftig bekämpft, aber der Bundesrat zu Bern nahm sie an. Er legte die beiden Bestimmungen freilich so aus, daß sie für die Schweiz ein Recht und nicht eine Pflicht enthielten: denn sonst fei mit den beiden Bestimmungen das Asylrecht vernichtet, welches er zwar nicht gewähren müsse, aber nach seinem Belieben gewähren könne. Als unter dem Sozialistengesetz das Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie in der Schweiz erschien, wurde die .Schweiz von verschiedenen preußischen Lockspitzeln heim- gesucht, und zwar sah sich, wie es in einer offiziösen Dar - stellung heißt, die Regierung des Herrn v. Puttkamer dazu genötigt, weil die Sozialdemokraten dort „Attentate vor- bereiteten". Diese angeblichen Attentate bestanden darin, daß der „Sozialdemokrat" und der „Rothe Teufel" — letzteres ein Witzblatt — sehr scharf gegen die Praktiken der beiden Gewaltmenschen Bismarck und Puttkamer vorgingen. Die Schweiz ließ sich dazu drängen, vier am „Sozialdemokrat" beteiligte Personen ausznweisen, woraus der „Sozialdemokrat" nach London verlegt werden mußte. Eine hübsche Illustration der schweizerischen „Asylfreiheit". Dies war 1888. Im nächsten Jahre kam bann die seinerzeit so berühmte Wohlgemuth-Affäre. Der in Mülhausen Im Elsaß stationierte preußische Polizei-Inspektor Wohlgemuth wollte den Parteigenossen Lutz in Basel zum Spitzel gewinnen. Lutz ging im Einverständnis mit anderen scheinbar auf die Sache ein und Wohlgemut schrieb ihm: „Wühlen Sie nur luftig daraus los!" — Wohlgemuth wurde von Lutz nach Rheinfelden bestellt, dort von den schweizerischen Behörden verhaftet und nach zehntägiger Hast ausgewiesen. Zwar wurde auch Lutz ein Ausweisungsbefehl zugestellt, wo - mit man der deutschen Regierung entgegenznkommen glaubte. Aber Bismarck geriet in eine fürchterliche Wut und ge- berbete sich, als ob bie deutsche Rationalehre verletzt sei. (Nachdruck verboten.) Elsa (Stimm. Eine Erzählung aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Von Andreas Scheu. Neuntes Kapitel. Wllln du die frommen Wadrbeiiswege gehen, Lich selbst und nnoerc tiügft du nie. Lie Frömmelet iaht Aatfche« auch vefteheu — Deswegen hoff' ich fie. iS o e Ih«. Elsa durfte sich in mehr als einer Beziehung glücklich schätzen. Vor allem war sie gesund und bequem behaust und besau in ihrer Wirtin eine gute, mütterliche Freundin. Miy Morrison berechnete vhr die Kosten dcS Lebens billig genug, und sie brauchte sich daher die Erwerb-arbeit des täglichen DroteS nicht allzu schwer zu machen. Ihre deutsche Klasse machte ihr nicht so viel Mühe als Vergnügen, und die sozialpolitischen Unterhaltungen, die darauf folgten, bereiteten ihr manchen großen Genuß. Bruce Morrison batte nun auch begonnen, dcutfaien Unterricht bei ihr zu nehmen, und endlich Ivar sic auch einem gemischten Ehorgcsangverein vcigetreten, in dem nicht ausschließ - lich geistliche Musik zum Uebungögcgenstand genommen wurde. Dennoch fühlte sie sich nicht gänzlich Wohl. Das Land, die Leute, das Klima und am meisten der Charakter der Großstadt an der Clpdc wollten ihrem Wesen durchaus nicht behagen. Die boni häufigen Regen schwer durchfeuchtete Luit, die Seltenheit des Sonnenscheins, die vom Kohlenstaub geschwärzten Sandstein- häuser. der allgemeine Schmutz, die Not der Armut, die Un - wissenheit und die Roheit, die ihr auf Schritt und Tritt ent - gegengrinsten, machten ihr einen Spaziergang oft zu einem^Gang des Leidens und der Schmerzen. Die Bewegung auf der Straße aber war ihr ein Bedürfnis nicht nur der Gesundheit, sondern auch des Wissensdranges, und sie nahm daher jede Gelegenheit wahr, sich über den Stand der Dinge im Leben des Bölkes zu unterrichten. Sie mußte aber bald finden, daß ihr das als Mädchen sehr schwer wurde und daß sie ihre Studienausflüge besonders Abends nicht allein macken durste. Mit Miß Morrison ging sie zuweilen aus, um Einkäufe zu machen: aber sie durfte nicht daran denken, die alte Frau durch das Gewühl des Handelsftadtlebenö zu zerren, und sie suchte da- weil ein preußischer Polizei-Inspektor eine so großartige Dummheit gemacht hatte. Er tobte gegen bie schweizerische Regierung unb sein Sohn Herbert, ben er bamals im aus roärtigen Amt untergebracht hatte, mußte nun eine größere Staatsaktion gegen bie Schweiz einleiten, wobei sich „bet Sohn seines Vaters" so ungeschickt wie nur möglich benahm. Die „Rorbbeutsche Allgemeinc Zeitung ' brachte eine Zeit - lang täglich einen bonnernben Artikel gegen bie Schweiz, so baß es aussah, als solle dieselbe von bem Deutschen Reich mit Krieg überzogen werben. Damals wurde bie Schweiz in bem Organ Bismarcks als „ein wilbes Lanb" be - zeichnet. Es fehlte in ber Schweizer Bourgeoisie nicht an ängstlichen Gemütern, die an bie Möglichkeit eines Krieges glaubten, anderwärts machte man sich luftig über die ab - geschmackte Komödie, welche Bismarck unb sein Sohn auf - führten. Bismarck forberte nun auch bie strenge Ausführung ber Bestimmungen bes Rieberlaffungsvertrages, worauf ber schweizerische Bundesrat erwiderte, die Forderung von Aus - weisschriften bei anziehenden Deutschen fei sein Recht, aber nicht seine Pflicht. Als bie Schweiz eine Genugtuung für bie Behanblnng Wohlgemuths nicht geben wollte, hetzte Bis - marck auch bie Regierungen von Oesterreich unb Rußlanb auf, mit ihm sich gegen das schweizerische Asylrecht auszu- svrechen. Damit war klargelegt, um was es sich hei diesen Polizeimachinationen eigentlich unb in letzter Linie ge- hanbelt hat. Die Wohlgemut-Affäre aber hatte für bie Schweiz bie bedeutsamc Folge, baß dort eine politische Polizei ge - schaffen wurde. Damit war bas Asylrecht durchlöchert. Der Riederlaffungsvertrag aber wurde von Bismarck ge - kündigt, unb währenb noch über dessen Erneuerung verhandelt wurde, erfolgte der Sturz Bismarcks. Die Regierung Caprivis stellte sich auf einen anderen Standpunkt, als der vom rück - ständigsten Polizeigeist erfüllte Bismarck; sie gab zu, daß bie Schweiz nicht verpflichtet sei, Ausweispapiere zu fordern; diese konnte also nach wie vor Deutsche aufnehmen, bie keine Papiere hatten. Wenn aber Papiere verlangt würben, bann sollte sie nicht bie deutsche Heimatsbehörde ausstellen, sondern die deutsche Gesandtschaft in Bern sollte die Reichsangehörig- teit unb ben „unbescholtenen Seumunb" bescheinigen. Die bentsche Gesanbtschast wurde dadurch mit einer Menge von Schreibereien überhäuft; bie anziehenden Deutschen dagegen hatten, wenn Papiere von ihnen gefordert wurden, die un - angenehme Aufgabe, ihre Heimatsscheine usw. nach Bern jui schicken unb von dort die erforderlichen Zeugnisse zu ver - langen. Es ist uns zur Kenntnis gekommen, daß auch bie,e Förm - lichkeiten namentlich für deutsche Arbeiter, die sich in der Schweiz niederließen, oft sehr lästig waren, anderseits hat aber auch bie Gesanbtschast selbst betont, baß fie oft nicht in ber Lage sei, sich über bie einzelnen Personen, benen sie Zeugnisse ausstellen soll, bie erforderlichen Informationen zu beschaffen. Die deutsche Regierung hat den Riederlaffungsvertrag gekündigt und auf Wunsch der Schweizer Regierung sollen bie beutschen Heimatsdehörben roieber bie Leumunbszeuguiffe ansstellen, wie nach bem Vertrage von_ 1876. Welche klein - lichen Geschichten! Die Schweiz hat sich aut bie Pfade der europäischen Polizeistaaten drängen lassen. Wie stolz steht dagegen England da, welches die Ausländer niemals mit „Leumundszeugnissen" behelligt! Politische Uebersicht. Sin freisinniges Finanzreforniprogramm. Zur Frage der Reichsfinanzreform, die neben anderen aktuellen Fragen auf dem in der Osterwoche startfinden, den Frankfurter Parteitag der freisinnigen Lcreinr- gung zur Besprechung kommen wird, werden die beiden Refe - renten, die M'gcordnetcn Dove und Mommsen, die folgende Resolution Vorschlägen: „Die baldige und für die Zukunft ausreichende Deckung der finanziellen Bedürfnisic des Reickres ist eine unbedingte Notwendigkeit im Jntereiw der Aufrechterhaltung unseres politischen und toirtfchaftlidien Ansehens im Jnlande und Aus - lande. Zur dauernden Deckung des Mehrbedarfs an laufenden Aus- gaben und des Bedarfs, der zur .Herabminderung des Anleihe- dedürfnisscs außerdem erforderlick ist, genügen nicht allein direkte Steuern oder Steuern, die die vermögenden her nach einer Begleiterin ihres eigenen Alters — - und Mute?. Auch darin lächelte ihr daS Glück, denn sic fand chic solche Ge - fährtin in Alice Grap, einer Tapeziernähenn der F»ma Grind- swne & Ediott, die sich ihrer deutsck)en Klaffe angeschlossen batte. Alice Gray war ein einfache« schottische? Mädcken von guiem Herzen und geschärftem Mutterwitz. Und zwar nicht von dem Konkurrenzwitz der Sorte, die unter dem Beiwort „Canny' in der ganzen englisch redenden Welt sprichwörtlich geworden ist, um einen vorteilkiäschenden Schotten zu bezeichnen. _ Ihr Kopf lvar nicht geschwollen durch Spekulationen der Eigensucht, wobl aber, wie man sagt, „well screwed on" (gut angcschraudt). Hhr Ge - müt war weich wie Wachs und es fiel ihr sehr schwer, die Bitte eineö Nevenmenscken abzuschlagen. Fa, wenn sich einer dir Mühe genommen hätte, sic zu gewinnen, sie hätte ihm aelviß so viel gegeben, daß ihr zu geben nichts mehr übrig blieb. Sie hatte ui der Tat kein anderes Ehrgefühl, als ihr Selbstbewußtsein, und dies war immerdar willig und bereit, sich für irgend ein Bedürfnis menschlicher Kamerewschast hinzugeben. Die warmblütige, optimistische Natur ihrer Genossin half Elsa über mancke bittere Stunde hintveg; denn Alice wußte den dunkelsten Dingen eine Helle Seite abzugewinnen. Nur einmal versagte ihr diese Begabung. Das war an jenem Samstag Nach - mittag, wo sie die Hohe Straße nack dem Salzmarkt hinabgingen und dort bie Greuel der zweitgrößten Stadt des Reickes fast unverhüllt gewahr wurden. Aus den drei bis vier Stockwerke hohen, höhlcnartigcn Behausungen drang durch die zerbrochenen Fensterscheiben ein wüstes Gelärm und strömten ekelhafte Ge - rückte. Sinnlos betruntene Weiber und Männer balgten sick und zerrten sich bei den Haaren oder stachen und hieben mit Messern und. zerbrochenen Flaschen aufeinander los. Die Last war zerklüftet von den Hülferufen, den Flüchen und dem Ge- treiimc sogenannter Kinder, die ihren Eltern assistierten. Die Polizei, an solcke Szenen gewöhnt, blieb untätig. Sie wagte in diese Laster, und Jammerhöhlen nur in Masse und in voller Lcklachtrüstung cinzudringen. Auf Elsas Antlitz malten sick Trauer unb Entsetzen, ja Entmutigung. Sie hatte Schlimmeres erwartet, aber nickt w viel Verworicnheit, kein solckes Elend ber Verzweiflung. Alice schmiegte sich fest an den Arm ihrer Gefährtin. Sic batte dei> gleichen woder gesehen noch geahnt. „Ich bin nie hier gewesen, sagte sie. „ES ist entsetzlich. Aber ich habe gehört, daß alle Klaffen treffen, es muß auch auf geeignete Verbrauch»- st e u e r n zurückgegrisfen werden Voraussetzung für die Zustimmung zu derartigen Verbrauchs - steuern ist die ausreichende Heranziehung b : i ver - mögenden Klasse n zur Tragung der Kosten der Reichs- verwaUung, sei eS im Wege der Einkommens-, Ver - mögens» oder einer Ausdehnung der ErbschaftS- st e u e r auf Deszendenten und Ehegatten. Dazn miihte eine Erhöhung der Matrikularbeiträge unter Schaffung eines besseren Verteilungsmodus auf die Einzelstaaten treten. Mit der Schaffung ausreichender Mehreinnahmen muß aber auch eine Herabsetzung der Ausgaben verbunden sein, nicht nur durch allgemeine Sparsamkeit, sondern auch durch eine Vereinfachung unb Verbesserung bet gesamten Verwaltung unb insbesondere durch eine Herabsetzung der finanziellen Lasten der deutschen Wehrmacht." Tie Freisinnigen — zunächst wenigstens bei weibliche Flügel erklären sich also in bei Frage der Finan^reform ebenso zum Um fall bereit, wie sie ihn beim BereinSgcsetz vollzogen Haven unb in der Wahlrechtsfrage zu vollziehen von vornherein in Aussicht gestellt haben. Gegen die zermürbenbe Wirkung ber Blockpolitik gibt es keine Rettung mehr. Ter Block- freisinn hat nur noch daS eine Bedürfnis: im Block auch weiter - hin geduldet zu werden, um der Reaktion Handlangerdienste leisten zu können. Auf die Durchführung seiner „Grundsätze" legi er keinen Wert mehr, sondern nur noch darauf, vor den Wällern sein Gewissen zu salviercu durch den Schein, als ob ettvas den liberalen Grundsätzen Entsprechendes geschähe. Wie hoch unb heilig haben bie Herren geschworen, keine neuen inbireften Reichch'rcuern befürworten zu wollen, saubern nur noch bireltel Die exbtoürc sind vergessen. „es muß aus ge - eignete Bcrbrauchs'ieuern zurückgegriffen werden"! . Nur eine ganz kleine Bedingung ist dabei, die vermögenden Klassen sollen ..ausreichend" zu den Lasten des Reicks herangezogen werden. Was heißt hier ausreichend. Tie Parteien der besitzenden Klaffen werden sich ja leicht überzeugen lassen, daß solche „ausreichende" Heranziehung schon vorliegt. Auch die Freisinnigen werden keine Unmenschen fein. So ein ganz tl eines winziges Steuerchen, vielleicht eine geringe Erweiteruna der Erb. schastösteuer, wird auSreicken. ihr Gewissen zu beruhigen. Und hinter dieser „Kompensation" verschanzt, werden sie dann den Volksmassen einen hübschen Packen neuer indirekter Steuern auflaben. Er ist ein wahres Hundeelend mit dieser liberalen Feigheit, bie nicht den Mut besitzt, nach den vor der Ocffent- lichieit gepriesenen „Grundsätzen" zu handeln, die gar nicht mehr die Zeii abwarten sann, um die Bereitwilligkett, den Forderungen ber Reaktion zu genügen, zu erklären. Zu der jämmerlichsten Grundsatzlosigkeit gesellt sich bie kläglichste politische Taktik, die schon im voraus die eigenen Karten ausdeckt, damit ber Gegner danach handeln kann. Und nun gar bie Sparsamkeit! Unb bei üe Wehrmacht! Die fordern dieselben Leute, bie sich bei allen Militär, unb Flottenvorlagen im Bewilligen nie genug tun konnten! Nie haben sic den Mut zu einem Nein gefunden und nun wollen sie angeblich an dieser ^stelle sparen. T»» neigt zur Grun0satz»osist«tt ^ie>«tcn»este Heuche- l t i hinziifügen. Freisinnige Btolk-Hnmbug. Die „Voss. Zig." behauptet in einem Artikel über o:c Block - politik, daß bet Block bei zwei Gesetzen, „bie von wesentlicher Bedeutung für das deutsche Volk sind", feine Festigkeit bewährt habe. Beide Gesetze seien „Zugeständnisse an ben Liberalismus"!!! Unter dem Truck ber Block- Politik feien die konservativen „der bürgerlichen Linken entgegen gekommen"!! Sie hätten „weitaus größere Opfer gebrockt als die Freisinnigen". Dann leistet das freisinnige Blatt sich folgendes: „Die Takttt deS Zentrums, das sich durchweg mit der Sozialdemokratie, selbst bei ben gewöhnlichsten Gcschäftö- ordnungsfragen, verdrüberte, hat Fiasko gemacht. ES bleibt bei der Blockpolitik. DaS ist nir ben Liberalismus von unzweifelhaftern Nutzen. Denn die Regierung ist genötigt, in ber Gesetzgebung und Verwaltung auf bie bürgerliche Linke Rücksicht zu nehmen. Sie wird nicht plötzlich liberal, gewiß nicht, aber sie muß mancherlei Maßregeln unterlaffen, bie sich gegen den Liberalismus richten, und mancherlei vornehmen, die der Liberalismus fordert. Tie Linke findet nickt mehr taube Ohren. Ob bet leitende Staatsmann die Beschränkung des Zeugniszwanges gegen die Presse empfohlen, ob die Regierung die Ersckwerung ber MajestötSbeleibigunaSprozeffe burdigefuhrt, ob sie in Preußen bie fachmännische Schulaufsicht in Aussicht gestellt hätte, wenn eS keine Blockpolittt gäbe? Woran sinb bie Finanzvlänc beS Freiherrn v. Stengel gescheitert? Nur am Widerstande ber freisinnigen Partei. Hetzt wird die Ftnanz- rctünn mit dem Freisinn, unter Berücksichtigung seiner Wunsche gemacht werden. Wir hegen keinen Zweifel, baß ber „Block" auch diese neue Probe bestehen wird." Bon einem „Fiasko" der Antiblockpartei cn zu sprechen ist um deswillen lächerlich, weil ihnen ja von vornherein eine festge schlossen« Blockmehrheit geaenüberftand. Deshalb kann diese auf Kompromiß beruhende Mehrheit auch für sich nickt in Anspruch nehmen, daß sie in ehrlichem Kampfe über bie Minderheit gesiegt hat. Der „Liberalismus" ist vor ben reaktionären Gewalten unb Parteien zu »reu, gc krochen und gebärbet sich nun, als habe er einen öestim- menben unb enti'cheibenbcn Einfluß auf sic auSgeübt Daß die Freisinnigen im ferneren Laufe der Blockpolitik sich noch fester mit der Reaktion verbrüdern werden unb sich diese Gebäude nicbergeriffen unb durch Gemeinbewohnungen er- setzt werben sollen." „Es wird nickt besser werden, Alice." sagte Elsa, „als bis die Zustände, denen dieses namenlose Elend entspringt, nieder- geriffen sind Seht dock den Jammer, ber sich in bieten Hoblcn verbirgt. Er sollte hervor an« Lickt des Tages gezerrt werden!" Alice schauderte. „Ich weiß nickt," sagte sie, „aber ich bin froh, daß diese Dinge im Dunkeln bleiben und nur von denen gesehen werden, die sie aufsucken — so wie wir. , Wenn man diesen Menschen nur ihre Kinder nehmen könnte!" „Eber verhindern, daß sie welche bekommen!" „Ja!" Alice stimmte aus vollem Herzen zu. lieber bie Möglichkeit ober Unmöglichkeit einer solchen Behinderung hatte sie freilich keine Atmung. „Diesen armen, unglücklichen Menschen," meinte sie, „sind ihre Kinder nur so viele Hindernisse und nicht der Sonnenschein, den sie in anderen, glücklichen Heimstätten verbreiten." Elsa nickte seufzend. „Diese Heimstätten sind ja eine Frucht unserer Zivilisation. Und diesen Ausgebeuteten send ihre Kinder wieder nur ein Gegenstand der Ausbeutung und Mißhandlung. Seid Ihr je um elf Uhr Nachts in der Straße gewesen? Und habt Ihr gesehen, wie Scharen solcher Kinder, zerlumpt unb kotbeschmiert, bie OmnibuSstieaen auf und nieder klettern und ihre Abendblätter mit einem Geschrei anbieten, das aus heiser gewordenen Trompeten zu kommen scheint? Wie sie sich um ein rollendes Kupferstück raufen, zerren, schlagen und beschimpfen? Und die Behörde kümmert sich um diese Wesen nicht, sondern überläßt sie ihrem Schicksal." „Die Behörde? Ja, was könnte denn die Behörde dagegen tun?" fragte Alice verwundert. „Nack einer gewissen Abendstuitde sollte kein Kind unter vierzehn Jahren ohne Aufsicht auf bet Straße gcbutbei werden," erwiderte Elsa. „Die Kinder gehören Nachts zu ihren Eltern und in ihre Betten." „Ach, sie gehen nicht gern zu ihren Eltern, die sie prügeln, wenn sic zu wenig Geld bringen. Und viele haben weder an - gehörige noch Betten. Sie schlafen in offenen Hausfluren (doses), unter Brücken unb in Schlupfwinkeln an der Heerstraße. Wir lesen das ja alle Tage in ben Zeitungen und haben uns an solche Abscheulichkeiten gttvöhnt. Ist das besser bei Euch in Deutschland. Elsa?" „Das ist besser; gewiß. Alice. Tic Armut, wenn auch nicht auch dazu srängen werben, die „Reichsfinanzreform" mit macken, b h. auch hier ihre bisherigen Grundsätze verleugnen zu dürfen, baran kann nach den bisherigen Leistungen ber „liberalen" Blockgesellen kaum noch gezweifelt werden. Tie „Berücksichti gung freisinniger Wünsche" wird darin bestehen, daß den Frei - sinnigen erlaubt wird, sich auch in dieser Frage bet Reaktion in die Arme zu werfen. DaS ist ja aber in ber Blockära auch ber sehnlichste Wunsch bes Freisinns. Darin wirb ber Block auck. soweit es vom Freisinn abhängt, alle Proben bc stehen. Nur ber erste Schritt kostet Ueberwinbung. Der erste ist getan, bie anberen werden folgen. Das politische G c - wissen beim Freisinn ist tot (Sine (Prhmentna. Im ABE-Buch für freisinnige Wähler, Jahrgang 1869, einer offiziellen, von Eugen Richter herausgegebenen Parieischrift, be - ginnt etn Kapitel „Polengcseye in Preußen" wie folgt: „Die freisinnige Partei ist von den Äartellpartcien heftig ange - griffen worden, weil sic gleich der ZcntrumSpartei int preußischen Abaeordnctenhause gegen d i c sogenannten Polen gesehc in ber Session 1885/86 gestimmt hat. Aber auch die frei - sinnige Partei wünscht eine möglichste Assimilierung der Polen mit beut Deutschtum unb begünstigt nichts weniger als die Wieder - herstellung eines selbständigen Polens .ober eine selbständige Organisation polnischer Landesteile. Auch die letzteren sollen einen Bestandteil Preußens und Deutschlands bilden, aber eben deshalb haben sie auch aut das gleiche verfassungs - mäßige Recht mit allen Einwohnern Preußens unb Deutsch - lands Anspruch. Die freisinnige Partei hat gegen bie sogenannten Polcngefetze im Abgeorbnetenhause darum gestimmt, weil dieselben einen Ausnahmccharatter haben unb die Staatsbürger polnischer Herkunft durch diese Gesetze schlechter gestellt werden als die Deutschen, lediglich wegen ihrer A b st a ut tu u n g. Die freisinnige Partei hat gegen die sogenannten Polengesetze gestimmt, weil sie in denselben kein taugliches Mittel erkennt, die Assimilierung der Polen mit bem Deutschtum zu fördern/ ES wirb bann weiter auSgcführt, bah durch Polengesetze die Gegensätze nicht gemildert, sondern verschärft werden unb zwar zum Nachteil beS Deutschtums. Alle Gründe werden zusamuien- flefafct, die bie Freisinnigen auch jetzt hätten bestimmen müssen, gegenbenSprachenzwangSparagraphendeSReickS vereinsgesehes zu stimmen. Die linksliberale „Berl. Volks-Ztg." bemerkt wehmütig-sarkastisch, Eugen Richter habe damals wohl nicht geahnt, wie schnell nach seinem Tode seinen Freunden unb parlamentarischen Günstlingen auch in ber Polen- frage im Zeitalter der Blockpolitik das Rückgrat gebrochen sein würde! Nationalliberale und Grundsätze. Bei bet Beratung deS ZeittrnniSantrages zum Vereinr- gesetze, baß in den Bundesstaaten, die ein freiheitlicheres Bcr- cinsgesetz haben, diese freiheitlicheren Bestimmungen erhalten bleiben wllen, erinnerte Genosse David an eine Rede dcS nationaHibcrakn Abg. Dr. Osann vom 13. Dezember 1007 in der hessischen Kammer, m der cs u. a. hieß: „Ich darf darauf Hinweisen, daß auf dem Wiesbadener Parteitage unsere Partei am 6. Oktober den Beschluß gefaßt bat, dahin zu wirken, daß die in ben einzelnen -BunbeSstaäten beftelsettden Freiheiten keine Einschränkung erfahren sollen." ! ' ■ In der Tat lautete benn auch biefer Beschluß nach den „Nationalliberalen Blättern" wörtlich: „Der Allgemeine SBertretertag ber nationalliberalen Partei spricht bie Erwartung aus, baß daS in Aussicht stehende Gesep bett, das Reichs-, Vereins- und Versammlung-recht in freiheit - lichem unb nationalliberalem Sinne gestaltet wirb, unb daß ins - besondere bie in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Frei- heiten keine Einschränkung erfahren." Damit vergleiche man nur, daß gegen obigen Antrag fm Widerspruch mit einem vor wenigen Monaten nackgefaßten Be- sckluß ihres Parteitages mit Ausnahme deS oben genannten Abg. Dr. Osann sämtliche Nationalliberale ge - stimmt Haben. Nationalliberalismus unb — Grunbsätze! Wer ist der Urheber dcö Sprachenparagraphen ? Ueber bie Urheberschaft am Sprachenparagraphen sind bie Akten noch nicht geschienen. Betanntlich Hat Staatssekretär v. BeetHmann-Hollweg bei Beratung der Paragraphen im Reichs - tage bie Angabe dementiert, baß bie rheinisch-westfälischen Groß - industriellen den Anstoß dazu beim Reichstanzler gegeben hätten. In diesem Demenri muß offenbar auf bie beiden Worte „beim Reichskanzler" besonders starke Betonung gelegt werden, um das Dementi richtig zu verstehen. Dem „Berl. Tagebl." wird nämlich zu der Sache aus Dortmund geschrieben: „Ich kann Ihnen nun folgende Tatsachen mittcilen, die kein Dementi aus der Welt schasst. Hier in Dort - mund sprach in einer großen öffentlichen Versammlung, bie von der Leitung der nationalliberalen Partei einberufen worden war. Abgeordneter Bassermann über „Des Reiches Politik", einige Zeit nach seinem Besuch beim Reichskanzler in Nordernev. Gerade damals war in einigen Blättern die Meldung aufgetaucht, das Vcreinsgcsetz enthalte ein Verbot des Ge - brauches fremder Sprachen. Lebhaft, ,a mit einer aus - fallenden Schärfe wandte sick bet «bgeorbnete Bassermann gegen diese Behauptung. Das Gesetz, so erklärte er, enthält keinen „Sprachparagraphen". Fürst Bülow habe an eine lolckc Bestimmung absolut nickt gedacht. Allerdings aber werde in ge wissen Gegenden, etwa hier im Jndusttiebezttk, eine gewisse Ein- bämntung der polnischen Agitation nötig fein. Abgeordnete- geringer, ja vielleicht noch großer als hier, ist nicht so abswßend. nicht so greulich in die Augen springend. Unsere Armen find durckscknittlich reinlicher, sind gesitteter — sind nicht so vertiert." „DaS mag ein Kompliment für Eure Landsleute fein," sagte Alice sinnend; „c5 scheint mir aber keines für die Tiere." „Ihr habt reckt," beeilte sich Elsa zu erwidern. „Diese find dock natürlich in ihrem Wesen und unfähig, zu raisonnieren und zu spekulieren. WaS mich beim Anblick dieser Kinder am tiefsten erschüttert, ist bie Frage: Wo sind ihre Mütter, wo ihre Schwestern? 11 nb beim Anblick jüngerer urtb älterer Manner: Wo sinb ihre Geliebten, ihre Frauen: kurz: Wo ist ba8 Weck? Bei unS zu Hause ist baS brave, schaffende und sorgende Weib die mächtige Schranke, bie sick ber allgemeinen Verelenbung cni gegenstellt. Aber hier! Was soll auS dieser Generation werden ' „DaS liegt in GotteS Handl" sagte Alice, die ein stimmlich erzogenes Mädchen war. Etwa« Besseres fiel ihr nicht ein. Und Elsa, die wohl eine Antwort darauf gewußt hätte, unterließ cs, ihr direkt zu widersprechen. Wohl aber suchte sie Alice zu beeinflussen, indem sie die Aufmerksamkeit dcS Mädchens auf Dinge und Ersckeinungeu lenkte, die es bisher nicht beachtet, auS deren Dasein eS ncd. keine Lehre gezogen hatte. So hätte sie ihre junge Freundin gern öfter ins Theater genommen; aber dieses Vergnügen wurde ihr zu sehr vergällt, als baß eS ihr für andere begehrenswert c scheinen konnte. Das Theater als Institut lag sehr im argen. Die „Um-o guid" (bic Frommen) vermieden und beschimpften eS als eine Einrichtung des Teufels. Und bic Kundschaft ber Menge erlauft:- sick daS Tveater um den allzu hohen Preis der Niedrigkett. C gab keine Lokalgesellschaft in den zwei Theatern Glasgow:-, sondern bloß gastierende Truppen, btc sich wöchentlich ablosle-u und zumeist Possen und Singspiele der banalsten Sorte brachten Einmal im Jahre kam eine große Operngesellsckast au: London; unb bann machten bie Herren «tuventen ber Hochschule cS sick zur Aufgabe, bie Vorstellungen burch wüstes Lärmen, Dudelsackpfeifen, Johlen und Unratwerfen zu stören, wenn nicht unmöglich zu machen. Da konnten Leute von Gesckmack wu’adi nicht hingehen unb sich zur Staffage solcher Orgien hergeben. Denn von Ordnern war nichts zu sehen unb die rohen Gesellen hatten das Haus immer gänzlich in ihrer Gewalt. sgortfetitna TotaU