Nr. 142. Sonnabend, Sen 20. Juni 1908. 22. Jahrgang. HamvurgerEcho. .. . »Hamburger Vtbo‘ erscheint tSgttch. augtr »lontagl. tlbonnemeniSpreiS (intl »Die Neue Kielt") durch die Poft bezogen ohn« Brlngeqeld monatlich * l.2ü, vierteljährlich x. 3,60; durch die Kolporteure wiichrntlich 80 4 frei in* Han*. Einzelne Nummer 6 4 Eonntags-Nummcr mit illustrierter 6onntag*btilage »Die Neue Welt" 1« 4. Kreuzbandsendungen monatlich A 8.70. für da* Ausland monatlich A 8.50. Redaktion: Änmfittrrt Expedition: Fehlandstrabe 11, 1. Stock. Fehlandsiraß« 11, Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: Karl Petersson in Hamburg. Anzeigen die sechSgespalten« Petit,eil« »der deren Raum 88 4. «rbeitSmarkt, Vermietung«, und Aomiltenan,eigen 20 4 Anzeigen-Bnnahm» Jeblandstr. 11. Erdgeschoß «bis 5 Ilhr Nachmittag«), in den Filialen (bi* 4 Uhr Nach«.), sowie in allen Annoneen-Vureoux. Platz, u. »atenvorlchriflen ohn« Berdindlrchkeit. 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Hierzu eine Beilagen. »Sozialismus des Aerzens." „Heureka!" wie der Edison des Altertums, Archimedes, sagte, „Gefunden!", oder frei nach dem seligen Haby „Es ist erreicht!" Die Friedenspfeife her! Das Mittel ist entdeckt, den proletarischen Klassenkampf zu beenden und die Arbeiter znfticden zu stellen. Daß man nicht schon lange darauf gekommen ist, und es liegt doch so nahe wie das Ei des Kolumbus! Und was es besonders wertvoll macht: es ist billig, billiger als Brombeeren, es kostet nichts, keine Lohnerhöhung, keine Arbests» zeitverkürzung, keine Auffüllung der „Kompottschüssel", nichts als ein bißchen innere Ueberwindung. Man höre: „Es ist leider nicht zu veickennen, daß weder von der Medechaltung der Umsturzbewegung, noch von der Ge> Währung immer weiterer Rechte ein wirklich sozialer Friede zu erwarten ist. Ihn wird man durch Gesetzesparagraphen und politische Veranstaltungen überhaupt nicht erreichen, sondern lediglich durch den Verkehr von Mensch zu Mensch." Das heißt, wie der blockliberale Archimedes näher ausführt — und keineswegs in einem Winkelblättchen, sondern in den Spalten mehrerer größerer bürgerlicher Blätter — die Kapitalisten sollen mehr persönlichen Verkehr und liebenswürdigen Umgang mit den Arbeitem pflegen auch außerhalb des Geschäfts, geselligen Verkehr wie mft ihresgleichen. Denn, fährt der Artikel fort: „was die große Masse der Arbeüerbevölkerung zur Unznftiedenheft mti ihrem Lose bringt und mü tiefem Haß gegen die bestehende Ordnung erWt, ist weft weniger der Mangel an mehr oder weniger formalen Rechten als der ewig von neuem auftrizende Anblick der unge- heuren Kluft, die arm und reich von einander trennt", nämlich nicht die ökoiwmische Kluft des Besitzes, sondern des geselligen Umgangs. Wie tief der Mann die proletarische Psyche ergründet hat! Wenn die Fabrikanten ab und zu mit den Arbeitern einen Skat dreschen oder Kegel schieben, oder auf einem Arbeiterfest mit einer hübschen Proletarierin das Tanzbein schwingen, dann verschmerzen die Arbeiter alle Nöten, Entbehrungen und Ent - rechtungen. Das Glücksgefühl, so vornehmen Umgangs ge - würdigt zu sein, entschädigt sie reichlich für schäbige Löhne, Ueberarbeitszeit, verkümmertes Koalitionsrecht, sogar für das elendeste Wahlrecht! Das Klassenbewußtsein verblaßt und die Dissonanzen der Klassengegensätze lösen sich aus iu euel Har - monie! Hallelujah! Der geniale Sozialpolitikus knüpft seine Ausführungen als Paraphrase an das neue Schlagwort, das der Berliner Professor der Theologie Adolf Harnack neulich geprägt hat: „Sozialis- mus des Herzens". Ein schönes Wort und von dem Pro - fessor gewiß gut gemeint. Leider aber flüchtet sich die gute Gesinnung oft ins Gefühl, um dem praktischen Han- dein ausznweichen; so wie gewisse Leute auch gern sich in einem abstrakten Idealismus gefallen, aber für gute kon - krete Forderungen nicht zu haben sind. Wie niedlich hat nicht seiner Zeit der Drinister von Bethmann-Hollweg über sozial - politischen Idealismus zu den scharfmacherischen Industriellen geredet, und was hat sein Idealismus bislang ausgebrütet? Andächüg schwärmen ist nicht bloß, wie Lessing sagt, leichter als gut handeln, sondern will oft, bewußt oder nicht, das lustige Surrogat für substantielle Leistungen bieten. Rian darf nur an die chrislliche Liebe erinnern, oder an die Tiraden jener Friedensfteunde, die zu keinen noch so ausschweifenden Siilitär- und Marineforderungen Nein sagen. Die superbe Idee des Blockpolitikers zeigt denn auch, wie der „Sozialismus des Herzens" verstanden und ausgeschrotet werden will. Wir verzichten auf solchen „Sozialismus des Herzens" und denken an den Vers Heines: Du liebst mich nicht, Du liebst mich nicht, Das kümmert mich gar wenig .... Du hassest, hassest mich sogar, So spricht Dein rotes Mündchen: Reich es mir nun zum Küssen dar, So tröst ich mich, mein Kindchen. Das arbeitende Volk ist weder lüstern nach dem Verkehr mit der Bourgeoisie, noch läßt es sich von ihrer geselligen „Herab- ——i—«88 (Nachdruck verboten.) Nöthen eines jungen Genbrngnngers. Don W. L. Andree. Gesagt, getan. Aschenbolz stellte sich vor uns hin und be - gann folgendes vorzutragcn: Es war einmal ein armer .stcgelbäcker. der ivar wild our- gewachsen, der konnte weder lesen noch schreiben, der dachte, die Erde muß rund sein, weil sie keine Kanten hat, und wenn ich sterbe, ist die Geschichte ans, wie wenn man einen £>uni> den Hals umdreht. Er kannte nix vom Nachlcben. Er sagte: die Pisackerei auf dem Erdcnboden rentiert sich nicht, also fluche und bollwerke ich. tafe die Heide zittert. Sier schnitt Aschenbolz, wahrend er unter niederträchtigsten Flüchen die Handgriffe eines Zicgelbäckers imitierte, eine derart verbissene Fratze, daß ich mich entsetzt abwandtc. ^ic Fratze stehen lassend, referierte er dann weiter: das hörte"'ein Pastor, der kam auf den Ziegelbäckcr an und sprach: Du bist bei Gott nicht besser dran als ein gemeines Küken, stehest auf, frissest Dein Brot, guckst Dich mal dumm nm, kratzest den Dreck von den Hacken und gehest wieder schlafen. Mannig- lich ist mir klar, daß Tu keinen Spass baft am Leben und Flüche wirfst über Gottes gesegnete Fluren. Komm mal mit. ich will Dir klarmachen, dass Du eine «ecle baft. J-b will anseinandcrsctzen, dass diese Seele einen «paztergang macht -um Paradies und unterwegs mal ausgetreten ,st zum Hof. dass dieser Hof die Erde ist, auf der Du lebst. Da kommt e* darauf an, die Gclegenbeit. sich zu reinigen, tüchtig wahrzu- nehmen denn je blanker Du bist, um so schöner wird das Plätzchen sein, welches deine Seele in des Himmels sonnigen Gefilden ^^^Schockschwerenot, sagte der Ziegelbäcker, das ist ia schnurrig! Denn gib mal her die Pillen, dem, will ich sehen, dass ich noch was getan bekomme, ehe ich abschiebe. Der Pastor trommelte vergnügt einen Marsch hinten auf seinen Blankgescheuerten. Sollst Du haben, sagte er artig. Ohne Pinke Pinke aber gibt der Apotheker keine Pillen her. Willst Du selig werden, gut. musst Du i-de Woche einen Taler übrig haben und in mein Haus bringen. Damit wird die Pillen - dreherei im Gang gehalten, und ich rate Dir, punktUeb zu iein im Zahlen, sonst stockt die Fabrikation, und wer weist, was bann kommt. . Ter Ziegelbäckcr trabte sich hinter«^ Ohr. r as ist viel Geld, sagte er bedenklich, aber — waS sein muss, muss sein. lassimg" ftgendwie einfangen. Angemessene Arbeits - bedingungen, Rechtsgleichheit und demokratische Frei - heit verlangt es, und so lange chm diese vorenthalten werden, ist alles andere für die Katz! Berichtigung: Im vorletzten Satze des gestrigen Leit - artikels sind versehentlich einige Worte weggeblieben. Er muß richtig heißen: „Der Versuch, jede antimilitaristssche Regung, und käme sie von einem Schwachsinnigen, zu ersticken, ist nichts weiter als ein Eingeständnis der inneren Hohlheit und Schwäche." Gleichzeitig fei bemerkt, daß es Spalte 1 letzter Absatz Zeile 5 nicht „Willen", sondern Wissen heißen muß. Politische Uebersicht. Die Döberitzer Rede. Und endlich kommt sie, die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", mit ihrem verklausulierten Dementi! Zuerst ein langes und breites Geweimer über „die Elemente, die Luit am Unheilstiften haben" und die immer die braven, tüchtigen, ehrlichen, klugen deutschen „Staats - männer" jwozu natürlich Bernhard v. Bülow, der Auftraggeber der „Norddeutschen", gehört) allerlei böser Dinge beschuldigen, an die sie gar nicht denken. Zum Schluß endlich geht der Kops des Bandwurms ab, das Dementi. Es ist so gefaßt: Schlimmer noch ist der Unfug, daß Aeußerungen, die der Kaiser im Kreise seiner Offiziere getan hat, in unglaublicher, willkürlicher Form in die Presse gebracht sind. Was der so bestimmt in Umlauf gesetzten Meldung zu gründe liegt, ist eine Besprechung, die der Kaiser in Döberitz am 29. Mai nach dem Exerzieren bet vor 20 Jahren von dem damaligen Kronprinzen Seiner Majestät Kaiser Friedrich vorgeführten Kaiserbrigade gehalten hat. Die Besprechung hatte nur dienstliche und militärische Angelegenheiten zum Gegenstand und bezog sich nicht auf politische Tagessragen und ist darin auch nicht von „Einkreisen" und von „Umstellen" die Rede gewefen. Wohl aber hat der Kaiser der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß die Armee, dem Geiste Friedrichs des Großen getreu, ihren Ausgaben gewachsen bleiben werde. „Gewiß wollen wir alle unsere Augen gegenüber möglichen Gefahren nicht verschließen. Unsere Soldaten tragen nicht an bet Mütze den unkriegerischen Sinnspruch des Hildesheimer Kontingents der ehemaligen Reichsarmee: Da pacem, dotnine. in diebus nostris. („Gieb uns Frieden, Herr, in dieser Zeit!") DaS Bewußtsein unserer Kraft darf uns die Zuversicht und Ruhe geben, die allein eines großen friedlichen Volkes würdig ist." Merkwürdig, daß die Döberitzer Rede so sehr mißverstanden werden konnte! Aber leider ist eS nicht nur ihr Geschick. Die ganze vor - zügliche deutsche Politik wird ja nicht nur im Ausland, sondern auch int Inland fortwährend mißverstanden! Damit der Döberitzer Affäre der richtige Abschluß nicht fehle, wird, wie man aus Berlin meldet, daS Ermittlungsverfahren „wider Unbekannt" eingeleitet. ES soll festgestellt werden, wer die „In - diskretion" begangen und die Rede „in unglaublich willkürlicher Form in die Presse gebracht" hat. Das kann noch interessant werben'. „fcfine preußtfthe Wahlrrckiroai,dmig feint Finanzreform Diesen Vorschlag haben einige liberale Blatter dem Block- liberalismu s gemacht. Auch die kürzlich von uns niUgeteilten Ausführungen des Abgeordneten Träger laufen auf diesen Vorschlag hinaus. Tie „M ünchener Neuesten Nach - ri cbten" glauben, von ihrem „liberalen unb süddeutschen Stand - punkt" aus vor solcher Taktik aufs eindringlichste warnen zu müssen. Sie schreiben: „So lange bas Zentrum die herrschende Partei war. haben gerade die Liberalen ihm die Politik des „Kub- Handels" stets vorgeworfen. Das Zentrum aber hat stets gegen die Berechtigung dieses Vorwurfes Widerspruch erhoben mit der Segrüiibung, es treibe nur sachliche Politik. Hier aber wird jetzt ein Verhalten empfohlen, das direktalsHandels- geschäft bezeichnet wird. Da tun wir nicht mit. Die Reichsfinanzreform ist eine nationale Forde - rung, ja geradezu d i e Grundlage künftigen Lebens und Gedeihens unseres Vaterlandes. Hier Wandel und Ordnung zu schaffen, ist e in e gebieterische Notwendigkeit, bei der mir nicht markten und feilschen. Gewiss wünschen auch wir die gründlickiste Wahlrechtsreform in Preussen — um der Gerechtigkeit willen —, obwohl sie wahrscheinlich dem Liberalismus ebensowenig in Preussen nützen wird, als sie es bei uns in Bagern getan hat. Aber für feine Wahlrechtsreform muss Preussen selbst sorgen. Es wäre im höchsten Masse politisch unklug, vor diesen preussischen Wagen die Reichspferde vorzusvannen, die ohnehin Mühe haben werden, bas schwere Gefährt der Reichsfiitanzreform ans Ziel zu bringen. Die Liberalen sollen jeden Einfluss auf bte Gestaltung der Reichsfinanzreform gewinnen, den ihre Position im Reichstag ihnen ermöglicht. Um diesen Einfluss aber wäre es sofort geschehen, wenn man derart auf den Kuhhandel gehen wollte. Hier kann gar nicht energisch genug vor dem ersten Schritt auf falscher Bahn gewarnt werden." Aber die liberalen „Realpolitiker" sollten doch bedenken, dass die ganze Blockpolitik nichts anderes ist, als eine elende Schacherpolitik. Weshalb sie das nun gerade in der Frage der Reichsfinanzreform nicht fein sollte, ist blockpolitisch nicht recht zu fassen. Wir sind allerdings überzeugt, dass der Block- liberalismu« in dieser Frage der Regierung zu Kreuze kriechen wird, ohne zu „festen Preisen" gelangt zu fein. Reue Steuerplane. Zu den Steuerplänen des Reichsfchatz- sekretärs Sydow sollte Blättermeldungen zufolge u. a. auch das Projekt einer Zündholz- und einer Leuchtgas- steuer gehören. Nach dem Eindruck, den ein Mitarbeiter des /Berliner Tageblatt" auf eine Anfrage „an heftunterrichteter -stelle" gewonnen hat, ist anzunehmen, dass auch biefe Meldung nicht zutreffend ist. Demselben Mitarbeiter ist erklärt worden: „Es kann zur Zeit noch nicht, auch nimt annähernd, gesagt werden, welche Einnahmequellen zur Erschliessung in Aus - sicht genommen sind. Es laufen übrigens beständig auch aus den verschiedensten Kreisen beS Publikums Vorschläge für neue Steuern ein, darunter auch viele, die zum mindesten einer ge - wissen Originalität nicht entbehren. Dass nach Lage der Sache und bei dem Schweigen, in das sich das Reichsschatzamt, um jede vorzeitige Beunruhigung zu vermeiden, hüllt, der Kombination Tür und Tor geöffnet sind, ist nicht zu verwundern; ebenso wenig, dass dabei ausländische Steuer« und Einnahme - quellen in den Bereich der Kombinationen gezogen werden. So besteht bekanntlich in Frankreich schon längst die Zündholz- steuer in Form eines StaatSmonopols, während Spanien unb Italien, wie unser Mitarbeiter aus derselben Quelle erfährt, die SaSftcuer ebenfalls schon besitzen." Das ist ja der alte Unfug, Steuern deshalb für das Reich als empieblenSwert gelten zu lassen, weil sie in irgend einem anderen Staate eingeführt sind. Roch etwas zur Reichssinanzreform. Rach Mitteilung national!Cberaler Blätter soll sich der Reichsschatzsekretär einem Abgeordneten gegenüber geäußert haben, daß die von ihm entworfene Reichsfinanzreform einen Ertrag von 150 Millionen neuer Steuern liefern würde. Ms Hauptquellen sollten eine Zigarren-Banderolesteuer za. 60, eine Ausdehnung der Reichserbschaftssteuer auk Kinder und Ehegatten za. 80 und ein Zw is ch e n Handels - monopol für Spiritus 150 Millionen eirföringen. Von einer Tividcndensteuer habe bet Reichrschaßsekretär nichts wissen wollen, und auch die Fahrkartensteuer scheine gänzlich in Fort- fall kommen zu sollen. Die „Deutsche Tageszeitung" erklärt, daß eine solche Finanz - reformvorlage auf agrarkonfervativer Seite ent - schiedenen Widerstand Hervorrufen müßte. Sie fügt hinzu: „Qustimmen könnten wir von diesen Vorschlägen nur der Zigarren-Banderolesteuer, falls sie zweck - entsprechend eingerichtet auf die überseeischen Tabatksorten gelegt wird. Einverstanden könnte man wohl auch mit einer Steigerung der Erbschaftssteuererträgnisse sein, aber nur, wenn e;r solche durch höhere Besteuerung (bis 100 pZt. bei Jntastat- .tru/ato M vtojdwuu Mi Lruwandt::) erzielt werden sollte. Gegen die Besteuerung des Kinder» unb Gatten er des müssen to i r aber aus oft bar» gelegten Gründen mit größerer Energie an» kämpfe n." Dem BüNdlerorgan ist es unverständlich, „wie der Reich?- schatzsdkretär durch ein Zwischenhandels mo novoI aus dem Spiritus weitere 16 0 Millionen neuer Reichsein - künfte herauSbolen will, ohne das Brennereigowerbe — natürlich zuerst die schwächeren, kleinen resp, mittleren Betriebe — in fei - nem Fortbestanvc zu gefährden". ES müsste bann das Zwischen- Handelsmonopol schon bi« zum gflasweisen AuSschackk von Trmk- brannboetn ausgedehnt werden, und das werde man doch Wohl nicht wollen und auch kaum durchführen können. Gegenjedezu weitgebende Verteuerung des Spiritus, die zu einer starken Verminderung des Konsums, namentlich auch zu technischen Zwecken und zum Ruin zahl» reicher Brennereibetriebe führen müßte, werden die Agrarier und Konservativeii sich auf bas Entschie» benit'e wehren. Wenn der Reichsichatzsekretär nicht einmal von einer Dividenden st euer etwas wissen wolle, „so sollte er andere Mittel in Vorschlag brngen, um feie mit s o hohen '.Reinerträgen arbeitenden rein fapitali^ stischen Großindustriezweige (Kohlen-, Eisen-, chemische Industrie ufro.'i zur Tributlei st ung an bie bedürftige Reichskasse heranzuziehen, che er die wenig rentablen landwirtschaftlichen Industriezweige (Zucker und Sviritusi mit Steuerlasten erdrückt." Ja, ja: Heiliger Florian, verschone unsere Häuser, zünd' andere dafür an! Ter Gipfel der Berlumvunq. Wir brachten vor wenigen Tagen nach der „Kieler Zig." die Mitteilung, wonach Freisinn und Konservative in Flensburg ein Bündnis dahingehend geschlossen halten, daß letztere bei bet Wahl zum preußischen Abgeordnetenhaus für den Freisinnigen Dr.Duus eintraten: jene verpflichteten sich dafür, bei den kommenden fltcichstagsivahlcn für den Brotwucherkondidaten einzu - treten. Der sdirrftlich geschlossene Vertrag wird jetzt in den „Flensburger Nachrichten"" sowie im „Annoncenblatt" veröffent - liicbcr Ratten fressen mit als Kompott, als den Himmel verpassen. Ist nicht wahr, Herr Hodiwürdenk Versteht sich, war die Antwort. Also gut, sagte der Ziegelbäckcr, ich bezahle die Klamtztten. Hier die Hand darauf. Klüngelei im Bezahlen soll als Lumperei gebrandmarkt werden. Abgemacht! Von da an war der Ziegelbäckcr wie umgewandelt, rein nicht mehr wiederzuerkennen. — Hier änderte Aschenbolz die Grimasse und gab dem Gesicht einen furchtbar frohen, von Zuversicht ver - klarten, sphärisch lächelnden, die Lachmuskeln erschütternden Aus - druck. Ich gröhlte schier. Kupinski verzog die Fleischmasse seines Antlitzes zu einem unförmlichen Brei. Tie Acuglein, schon sonst immer schwer auffindbar, tauchten vollends unter in den krampfhaft sich ziisammenziehendeii Speckklumpen. Man hätte denken können, Kupinski würge, zwischen Tod und Leben hängend, an einem Kürbis, der ihm im Schlunde stecken ge - blieben. Er fluchte nicht mehr, fuhr Aschenbolz fort, er buck seine Ziegel mit Sang unb Klang, war immer am Flöten und hatte nichts anderes im Sinn, als das Paradies, nichts anderes im Kops als die Eiiibaltung seines Abkommens mit dem Pastor. Schändlich, den Mann so an der Nase herumzuführen. Er musste schuften wie ein Hund, schmachte» wie ein Vieh, um den Taler am Ende der Woche übrig zu haben. Schweiß aufs trockene Brot war sein Durchschnittsessen. Sonntags ass er Frösche und Ostern, Psingsten und Weihnachten ging er Braten schlucken bei Trapp Trapp in der Pferbemetzgerei. DaS war fein Leden. Er legte sich manchmal ins GraS (blieb aber gemütlich) unb saute sich den Appetit vom Halse am Schmachtriemen unb dachte: Aufrichtig gesagt, lieber Himmel — wenn doch bald der Teufel käme und mich holte! Der Teufel aber pfiff ihm maS und kam unb kam nicht. Er wurde alt wie Methusalem. Und immer hie Taler Samstags 1 Schließlich merkte er doch, daß der Saft aus feinen Knochen ging, er konnte kaum noch jappcn. Unb eines guten Zages, eS war an einem Freitag, quälte er sich auf allen Vieren bis hinter die Hecke, legte sich ba hin unb dachte: Nun wird es wohl am Ende fein, nun gehen so langsam die Klappen zu. Herr Pastor, seufzte er, während süße Schauer der Vorahnung keine Gebeine durchbcbten, Herr Pastor, den Taler, der morgen fällig ist, mußt Du mir zu gute halten — ich kriege ihn wahr» hastig nicht mehr zusammen. Da tat er noch drei Atemzüge und — weg war er. Die Erwartung. waS nun kommen sollte, drückte daS Voll - mondgesicht Kupinstis langsam aus der Breite in die Länge, | bis es als Eiforin stehen blieb. Auch wurden seine Acuglein I wieder sichtbar und hingen fieberisch glänzend an den Lippen des .Humoristen Bolz. Fch lächelte tückisch, mit einem Stich ins Schadenfrohe, weil ich wußte, daß KupinskiS religiöse Einfalt nun einen Schlag in den Nacken bekommen sollte. Aschcnl>olz fuhr fort: ba ging der Vorhang zur Ewigkeit auf. Der Ziegelbäcker hatte Scheu, bte Augen zu öffnen, er dachte, blinzele mal erst ein bisschen, sonst wirst du blind von der Pracht und Herrlichkeit. Er tat's. Aber da sah er biimm drein unb fiel bald auf den Rücken. Herr du meine Güte, sagte er, hier ist ja alles stockfinster unb still wie in einem Grab! Was soll das heissen? Hier setzte Aschenbolz ein Mienenspiel in allen Varianten zwischen den Grenzen Jammer, Enttäuschung und Wut ein. Der Ziegelbäcker tastete wild um sich — kein Ding, was er hätte packen können. Er rief, schrie, brüllte — keine Antwort, keine Seele, die sich regte. Er schmiß seinen Holzschuh mit furcht - barem Wurf von sich — alles still, fein Atem von Widerhall. Ewigkeit, Nacht, nichts. Kein Raum, keine Zeit. Mit einem Wort: Totalität des Wesenlosen. Der Aerrnste wurde fast wahn - sinnig. Er schrie sich heiser nach dem Pastor. Er dachte an die Taler. Er fluchte: Gib mir bie Klamotten wieder, Kreatur, du hast mich beschummelt 1 Nutzte alles nichts. In Kupinstis Brust arbeitete es gewaltig. Er erhob Protest. Ich lachte spöttisch. Er brummte mich an. Ist nicht wahr, sagte er zornig, nintma bloss schwarzes Loch, wenn Du stirbst! Er idi! cutterte Aschenbolz grimmige Worte entgegen: Fch schlag Dich loput, wenn Du sagst, gibt sich kein Himmel! Gibt sich wohl Himmcll — Krawucki! knirschten feine Lippen, und ich merkte ihm an, dass der Zorn keine Spaßerei war. Aschenbolz war gereizt wegen der Drohung. Er zeigte die Zähne, Kupinski auch — wie zwei Hunde, die um einen Knochen buhlen. Hub wir hatten alle drei einen in ber Krone! Ich juxte und rief: Holla, Kumpels! der eine sagt, es gibt einen Gott, der andere behauptet das Gegenteil. Rom gegen Jena! Gut, ringt Euch drum! — wer oben liegt, hat recht! — Ich stieß Kupinski heimlich in bie Rippen und — warf Aschen» bolz einen aufstichelnden Blick zu. Das wirkte. Mitmal schossen beide aufeinander los, Aschenbolz hahnartig, Kupinski wie ein Bär. Vater im Himmel, dachte ich, du brauchst nicht bange zu sein, daß deine Existenz auf den Rücken zu liegen kommt! Tie Gegner packten sich mächtig an. Äuviiiskis Pranken (bei Glaube) hoben den Feind manchmal federleicht hoch und licht. Wir lassen baS Dokument politischer Verlumpung seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung willen im Wortlaut folgen: Vertrag. Zwischen dem Vorstände des Bundes der Landwirte, Abteilung für den Kreis Flensburg einerseits und dem Vorstände des Freisinnigen Vereins in Flensburg anderseits ist heute folgendes vereinbart worden: 1. Ter Vorstand des Bundes ber Landwirte verpflichtet sich, vor der am 16. Juni stattfindenden Wahl zum Hause der Abge - ordneten seinen ganzen Einfluss auf bie für bte Kandidatur des Herrn Lassen-Unewatthos gewählten Wahlmänner dahin geltend zu machen, daß dieselben ihre Stimmen im ersten Wahlgange für Herrn Dr. DuuS abgeben. Auch verpflichtet der genannte, Vor - stand sich. Herrn Lassen zu veranlassen, die für ihn gewählten Wahlmänner aufzufordern, ihre Stimmen Herrn Dr. Duus zu geben. . 2. Beide Vertragschließenden verpflichten sich, für die nächste Reichstagswahl keinerlei private ober_ offizielle Verhandlungen mit den Slationalliberalen und den Sozialdemokraten oder ein - zelnen Mitgliedern dieser Parteien zu führen, sondern jeder für sich einen eigenen Reichstagskandidaten aufzustellen. 3. Wenn Herr Dr. Duus am 16. Juni in das Haus der Ab. geordneten gewählt wird und wenn später bei ber nächsten Reichs- tagswabl der Kandidat des Bundes ber Landwirte mit einem dritten Kandidaten, einerlei Welcher Partei, in die Stichwahl kommt, so verpflichtet der Vorstand des Freisinnigen Vereins sich, öffentlich und privatim eie freisinnigen Wähler energisch aufzu - fordern unb auch durch den ausgefallenen Kandidaten auffordern zu lassen, für den Kandidaten des Bundes der Landwirte zu stimmen. . 4. Beide Vertragschließenden verpflichten sich, bte Agitation für die nächste Reichstagswahl streng sachlich und ohne persönliche Angriffe der Gegner zu führen, auch keinerlei Werbearbeiten in den Kreisen der Sozialdemokraten zu betreiben unb in keiner Weise gegnerische Versammlungen durch provozierende Reden, Interpellationen ober dergleichen zu stören. Die beiderseitigen Reichstagskandidaten sowie die sonstigen Redner und die Presse sollen dementsprcchenb instruiert werden. 5, Dieser Vertrag ist nur gültig. Wenn am 16. Juni Herr Dr. Duus in das preußische Abgeordnetenhaus gewählt unb seine Wahl von dem Abgeordnetenhause für gültig erklärt wird, und soll am 17. Juni 1908 durch die „Flensburger Nachrichten", daS „Flensburger Annoncenblatt" und die „Landpoft" veröffentlicht werden. So geschehen Flensburg, den 15. Juni 1906. Der Vorstand des Deutsch-Freisinnigen Vereins in Flensburg unb der Vorstand des Bundes ber Landwirte Abteilung für bett Kreis Flensburg. Ta wir bie Angelegenheit bereits zur Genüge gewürdigt haben, können wir uns jedes weitere Wort der Kritik ersparen. Was dem nencu preußische» Landtage zunächst zugemuiei wird. Der nette Landtag wird, wie die freikonfervatide „Ppst" (staubt, schwerlich schon am 27. Juni gejWionen werden, sondern Noch ein paar Tage zusammen bleiben, um eine Vorlage Über bie Teuerungszulagen für bie Geistlichen zu erledigen. Es wäre wirklich grotesk, wenn bie erste legislatorische Auf - gabe darin bestehen sollte, den „notleidenden" geistlichen Herren zu helfen. Die „Freisinnige Zeitung" glaubt nicht, roaS bte „Post" ichreibt, weil dazu gar kein Grund vorlicgc. „Denn wie Kultusminister Dr. Holle in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 7. April m-tteilte, haben damals die evangelischen Kirchenbehörden, insbesondere der Oberkttchenrot. bereit? Mahnahinen in Erwägung gezogen, um da, wo es nötig ist, vorschiißweise aus ftrWlidten Mitteln Beihülfe zu gewahren. Es war in Aussicht genommen, in Fällen des Bedürfnisses diese Zuschüsse bis zur vollen Höhe der für die Geistlichen bereits dc- tonnten künftigen Besoldung zu leisten. Zu diesem Zweck War eine Summe von nahezu 2% Millionen Mark in Aussicht genommen. Auch hinsichtlich der katholischen Geistlichen sprach der Kultusministei die sicherlich nicht unbegründete Er - wartung aus, daß in Fällen besonderen Bedürfnisses ebenfalls Vorschüße aus kirchlichen Geldern gewährt werden würden. Wozu soll also jetzt noch eine besondere Teuerungsvorlage für die Geist - lichen bienen?" Wte kann die „Freisinnige Zeitung" nur w fragen? Das muss doch bie liebe Regierung bester Wissen Geistliche verdienen doch mehr Rücksicht als Arbeiter unb kleine Beamte. Wenn die Herren flogen, muß schnell geholfen werben. «lockbrüderliche Mandats Konkurrenz. Die Konservativen haben den Nationallibe - ralen nicht weniger als zehn Landtagsmanbatc abge- nommen. Darüber sind die Nationalliberalen natürlich schmerz» sich bewegt und doch entrüstet. Aber die „Kreuzztg." respektiert ihren Schmerz ganz und gar nicht; sie wühlt mit ber Sonbe gtp tiger Kritik in der Wunde: „Die Gruppe, die am anmassendsten auftrat, am skrupel - losesten agitierte, nach allen Richtungen schacherte, die mit Versprechungen verschwenderisch um sich warf und an den Konser - vativen keinen guten Faden liefe, bie nationalliberale Partei, suchten ihn auf den Kopf zu stellen, allein der Atheismus war gewandt und stand immer wieder auf den Seinen. Das hatte dein Gilbe. Ich merkte, dass Skschenbolz tückisch seine Kräfte schonte. Der Pollack keuchte schon. Plötzlich geriet dieser in eine bedenkliche Sage, er stand förmlich in der Schwebe, hatte daS linke Bein steif hoch stehen und fuchtelte mit dem rechten Arm über sich nach Festem. Ich bin nicht fähig, die Kolossalität des Augenblicks, wo ber Himmel auf eine Santo zu stckhen dam und auf feiten des Zu - sammenbruchs neigte, in Worten wiederzugeben. Ich konnte efn wenig in das SatanSgesicht Aschenboh;' sehen. Er blickte mich diebisch an, während er, mit Katzenzähigkcit, Zoll für Zoll, den Schwerpunkt ber feindlichen Masse aus .’vr Lotrechten brachte. Ich erhöhte seine Kraft durch heimliche Winke. Und da, da drehte sich KupinSki wie ein Windmühlenflügel, klappte zusammen und stürzte krachend hinab in den Staub der Erde. Bravo! bravo! schrie ich gröhlend — es ist unwiderruflich entschieden: Es gibt kein Jenseits! Aschenbolz wischte sich den Schweife von ber Stirn. Kupinski blieb liegen und bohrte den Kopf in den Sand und heulte vor Wut. Plötzlich stand er auf und warf sieb von neuem auf den Widersacher. Schaum itanb ihm vor den Lippen. Ich sprang ihm in den Nacken. Ha, Vogel! rief ich wild, jetzt bist Tu kusch, sonst packt Dich mal Dein Kumpel Hunding! Er liefe nicht nach. Er knirschte: Gibt sich Himmel! Kra - wucki I Gibt fick) Gott! Ich höhnte: So hat es ber Glaube von jeher gemacht — hundertmal in den Staub gestreckt durch die Vernunft, hundertmal wieder aufgekrabbelt und gebrüllt: Nimma, nimma, nimma! Aschenbolz, in gefährliche Falschheit versetzt, erwehrte sich des blindwütigen Angreifers durch nachhaltige Schläge auf dessen Schädel. Plötzlich hatte Kupinski ein Messer in der Hand. Ich sah es früh genug. Ha, Warte Bursche! bornierte ich, das soll Dir leid tun! Mitdcm hatte ich fein Handgelenk erfaßt und gedreht, und im nächsten Moment lag er, einen schrecklichen Schmerzensschrei ausstoßend, zähneklappernd mir zu Füßen. Das Messer trat ick in bk Ecke. Dann hob ich den Arm, Wie damals der Betriebsführer, als er die Leute jagte. Kupinski, sagte ich finster, hier ist kein Platz für Lumpen. Packe Dich und kehre uns nicht wieder. Er wußte, mein Arm war stark, und was ich gesagt, un- Widerruflich. Also erhob er sich und verließ, die Augen scheu nach mir drehend, so eilig wie möglich bie Stätte ber gestürzten Allmacht. r itortf«tirae feigt.