Nr. 74 Sonnt««», dc» 2*. Mär; 1909 23. Jahrgang MmvnmerEcho „„ . Das .Hamburger Gcha« erscheint tSqlich, außer OTontnfle. SlbonnementSpreiS (Infi. „Tie Reue Welt - unb „Tie arbeitende Jugend") durch die Poft bezogen ohne Bring-geld monatlich X 1.80. vierteljährlich K 8 60- durch die Kolporteure mSchentlich SO 4 fte« ins v-uS. Sin». Nr. 6 4. SonntooS-Nummer mit illüstr. Beilage .Die Reue SZÖelt* 10 *. Kreuzbandsendungen monatlich x s,70. für Ba« Ausland monatlich x 8^0. Anzeigen die sechtgespaltene Petitzeile oder deren Raum 86 4, Arbeitomart». Vermietung«- und ^amilienanzeigen 20 4. «nzeigen Annahme Nehlandstr. 11. erdgeschoß dis 5 Uhr nactimittagS'. in den Filialen »bi« 4 Uhr nachm t. sowie in allen Annoncen-Bureaux. Plaß- u. Talenvorschriften ohne Verbindlichkeit. Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen entgelt ausgenommen. Buchhandlung und Buchdruckerei-Konlor: Fehlandsir. 11. Erdgeschoß. Redaktion: Ä < Oß Expedition: Fehlandftraße 11. 1. Stock. .yUttlüllrfl Fehlandstraße 11. Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: Karl Teter«,ett in Hamburg. / St. Pauli kinschl. Schanzenstr. bei Heim. Koenen, Sophienstr. 44. YimSbüttel, Langenfelde bei Carl Dreyer, Fruchtallee 42. Hoheluft, yppcudorf, Oiroft-Vorstel und SSinterhude bei Ernst Großkopf, Lebmweg 51. Parmbelk, Uhlenhorst iVlIInlr II* ^ ei Theodor Petereit, Dachftr. 12. Hohenfelde, Borgfelde, Hamm, Horn, Schiffbeck und Billwärder bei Carl Ortel, Bauftr. 26. Hammerbrook bis Ausschläger Billdeich bei Rud. Fuhrmann, Schwabenstr. 33. Notenburgsort und V Bkddel bei Th. Reimer, Lindleyftr. 85. Tilbeck, Wandsbeck, Hinschcvfelüe und Lst-Barmbcck bei Franz Krüger, Kurze Reihe 34. Altona bei Friedr. Ludwig, Bürgerstr. 118. Ottensen, Bahreufcld bei Joh. Heine, Bahrcnieldcrstr. 129 WWW Mw, gegen Ule MUMM hat der Hamburgische Verband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie im Bereich des ersten Hamburger Wahlkreises verbreitet. Hunderttausend sollen demnächst in den zweiten und dritten Wahlkreis geworfen werden. arbeiten unsre Gegner! unsre Presse. Unser Parteiorgan, das Htnnburger Eebs" Die Sägen unb Verleumdungen gegen die Sozialdemokratie, die sie bisher nur in ihren kleinen Zirkeln zutage förderten, schleudern sie nun in Masse unter die ganze Bevölkerung. Unsre Pflicht ist es, sofort energisch diesem kecken Streich entgegenzutreten. Das geschieht am besten, indem wir in möglichst weite Kreise Aufklärung über das Wesen der Sozialdemokratie tragen. Dazu dient vor allem das sich ganz und in unserm Städtegebiet nüein in den Dienst des proletarischen Emanzipationskampfes und der Aufklärung über den Sozialismus gestellt hat, muß darum in jedes Haus und in jede Wohnung dringen, damit die Verleumdungen, die die Gehässigkeit unsrer Gegner fortwährend jetzt über die sozialdemokratische Partei ausschüttet, wirksame Widerlegung finden. Avbettevr ^Parteigenossen! Agitiert für Sie Verbreitnng Set „Hainbnrger Lehs". Zeder Leser muß einen neuen Abonnenten werben. Dann hat der Flugblatt-Unrat des Hamburgischen Verbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie die rechte Antwort gefunden. Hierzu drei Beilagen und das Illustrierte Unter - haltungsblatt „Die Neue Welt". „Nich^reif". Die Redensart, jemand sei nicht reif, politisch mitzu - sprechen und mitzuentscheiden, kann unter Umständen an - gebracht sein, wenn der Betreffende grobe Unwissenheit über öffentliche Dinge an den Tag legt. Eine ganz abgeschmackte Selbstüberhebung aber ist es und obendrein eine Un - verschämtheit, dem arbeitenden Volk die politische Reife abzujprechen, das an politischem Wissen und Verslänonis oen herrschenden Klaffen im allgemeinen sicher nicht nachsteht, sie vielfach sogar übertrifft, und das durch seine Vertreter in Staats- und Gemeindeparlamenten das öffentliche Leben mit reichen, gesunden Keimen befruchtet, es bereits eine tüchtige Strecke vorwärtsgebracht und aus dem Sumpf erheblich herausgeführt hat, worin die oberen Schichten das Gemein - wesen versinken ließen, als sie allein die Zügel in den Händen hielten. Wer da die Stirn hat, zu schwaoronieren, das Volk sei politisch nicht reif, der beweist damit nur seine eigne Unreife und gleicht dem Betrunkenen int Liede, der in seinem Dusel von den Straßenlaternen meint: ^Wackeln und fackeln die Kreuz und di« Quer, Scheinen bettunken mir allesamt schwer. Alles im Sturme ring«, Große- und Klein, Wag' ich darunter mich nüchtern allein I" Zu Nutz und Frommen speziell des Düffeldorfer Re - gierungsrats Dr. Negenborn, der im „Verband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie" ebenfalls das alte reaktionäre Lied sang, das Volk sei für das allgemeine gleiche Wahlrecht nicht reif (s. unser Referat in Nummer 70), sei hier reproduziert, was kürzlich in einem aus akademischen Kreisen stammenden Artikel der „Bonner Zeitung" ausgefuhrt war: „Es ist erschreckend, wie unzulänglich die politisch - historische Bildung noch in unsrer jüngsten Generation ist, bei den Studenten. Ich habe selbst häufig die Probe ge - macht. Unter zehn Studenten, die ich fragte (wenn sie nicht gerade neuere Historiker waren), ob wir Frei - handel ober Schutzzoll hätten, haben fünf die Ant - wort völlig versagt und noch einige schwankend ge - antwortet! Neun wußten nicht, was man unter, bem sogenannten Kat Heber s ozialismus zu verstehen hat! Sieben nicht, welche allgemeinen EntwicklungStenbenzen bas Zentrum nach dem Kulturkampf in bte Höhe brachten! Von bem Wesen bes Jnvalibitätsgesetzes hatten alle zehn keine Ahnung! Aehnlich steht es mit bet jetzigen Weltpolitik. Dom russisch-türkischen Krieg (1877/78), ber Bulgarien be - freite unb ben Berliner Kongreß nach sich zog, wußten nur zwei einige Daten ohne jeben inneren Zusammenhang unb ohne eine Kenntnis bet leitenben Weltströmung bes Pan- slavismus. Wie ist ba eine anbre als oberflächliche Neugier befriebigeube philisterhaft - spießbürgerliche Beschäftigung mit ben heutigen Folgeerscheinungen möglich?" — Aus bissen Kreisen geht bie Kaste hervor, welcher Herr Dr. Negenborn angehört, beydem Volk bie politische „Maturität" abziisprechen sich erlaubt! Freilich eben deswegen. Nur ber eigene Reifetiefstanb macht es erklärlich. Denn wenn bie Herren aus bem Kneip-, Fechtboben- unb Komment- leben in bie höhere Sphäre ber Bureaukratie versetzt sinb, haben sie wenigstens baS Zeug bazu, sich politische Reise zu erwerben, unb ihr politisches Interesse wirb bann in bet Regel von gouvernementalen Tendenzen aufs einseitigste beherrscht. Unb eben solche für ben bestimmten Zweck präparierte unb kastrierte Klassen- unb Kastenpolitik, die mit ben Feigenblättern „staatSerhaltenb", „national", „Crbnung" ihren reaktionären, volks- unb freiheit^rembltchen C.jaraktet zu verstecken sucht, will ber Herr in Volks- unb Fort- bilbungsschulen der jüngeren Generation einbrillen lassen. Mit welchem Planchen er aber feiner Unreife ein weiteres Zeugnis ausstellt. Als ob nicht bie vielen zauienbe von Arbeitern in ben Schulen schon )o bearbeitet worben sinb, was sie aber nicht abhielt, gute Sozialdemokraten zu werden! Eher bas Gegenteil. Es geljt bamit oft wie mit ber Religion worüber ein bebeulenbet Philologe jagte: „Wir Philologen 'haben zu viel Religionsunterricht gehabt, um noch Religion haben zu können." »Ifo nur immer zu! Verekelt ber Volksiugend grünblich euren Mober, dessen Mißbuft ihr um so widerwärtiger wird, j e dicker ihr eure Schwindelphrasen auftragt! Denn die Arbeiterjugend lernt schon in früher Kindheit die Bedrängnis ihrer Klaffe kennen, und wenn sie erwachsen ist und selbst ihr saures Brot erwerben muß, empfindet sie nur Hohn für jenen ordnungspolitischen Phtasenbtei. Und was ihr bann an Auf - klärung noch fehlt, bas lernt sie leicht in einer anbern Schule — in bet Schule bet Sozialbemokratie! — Unb so weis bie Arbeiterklasse heute ihre politische Reife in tausenb Fällen ihren Klassengegnern mit so fühlbarer Deutlichkeit zu zeigen, baß biefen immer erneut arger Schrecken in bie ©lieber fährt. Jebe Reichstagswahl, jebe Lanbtags- ober Kommunalwahl geben bafür Beispiele. Sogar bie von ben „Nationalen" so viel bejubelte Hottentottenwahl, beten Probukt, ber konservativ-liberale Block, eben unter ver - dientem Gespött am Verenden ist. Der ganze „nationale" Rummel von 1907 hat zwar bie Dummen unb Faulen auf bie Seine zu bringen vermocht, aber bie Anhänger - schaft ber Sozialbemokratie in ihrer Ueberzeugung zu erschüttern, hat er nicht vermocht. Sie hat sich trotz einer beispiellosen Verläumbungskampagne noch um eine Viertel- million vermehrt. Dom Zentrum vielleicht abgesehen, bas sich auf bie Macht ber Kirche stützt, wäre jebe bürgerliche Partei solchem konzentrischen Ansturm unterlegen. Trotz ihrer vielgepriesenen politischen Reise. Daß bie Proletarierpartei biefen Ansturm bestaub, wie sie frühere (Sozialistengesetz) bestauben hat, ist ein gläuzeuber Beweis für bie politische Reife der Arbeiterklasse. Das wissen auch die Leute, bie bas Recht zu haben glauben, hochmütig auf bie „Unreife" ber Arbeiter herabzu- feheu. Mau oerieumbet sie, um in ber angeblichen „Un - reife" einen Vorwanb zu fiubeu, ihnen ihre Rechte zu be- fchueibeu, bamit bie wirkliche politische Reife ben Herrscheuben nicht mehr soll gefährlich werben tönn&n. Unb bemfelben Zweck, sie uuschäblich zu machen, soll bie „Aufklärung" bienen, bie ihnen bie „reifen" Leute aus ben herrscheuben Klaffen zugebacht haben. Glücklicherweise sinb bie Arbeiter heute schtzu so reif, baß sie sich baoou nicht mehr zu sehr beeinflussen lassen. Nach dem Poststreik. Jr. Paris, 28. März. Nichts gelernt und nichts vergesien scheint die Regierung von dem Streik der Postbeamten zu haben. Äiach einem offiziösen Waschzettel hat der heutige Ministerrat die Verfasser des Plakates, daS im Namen der drei Organisationen nach der Beendigung des Streiks in Paris angeschlagen wurde, an ein Disziplinargericht ^zwecks Entlaflung" verwiesen. Daß die kapitalistische Presse vor Wut schäumte über den Sieg der streikenden Postbeamten, hat niemand verwundert und nur den Sieg der Streikenden unterstrichen. Die französische Bourgeoisie hat immer durch ihre rachsüchtige Haltung sich um die Vorteile einer klugen Nachgiebigkeit gebracht. Von Herrn Clemenceau hätte man erwarten können, daß er so gescheit sein würde, Generosität und Menschlichkeit walten zu lassen, wie er es am Montag in der Kammer versprach. Aber Herr Clemenceau will offenbar bis zum Ende der Minister bleiben, der am meisten zur Verschärfung der Klassengegensätze beigetragen hat. Um die kleinliche Gehässrgkeit der Regierung ins rechte Licht zu setzen, lassen wir den Inhalt de« Plakats hier wörtlich folgen: „Dank! Zum äußersten getrieben burd; die Böswilligkeit, Roheit und die ertreme Herrschsucht des Herrn Simyan, sind wir in die Ar- beitscinstellung gehetzt worden. , Heute diszipliniert und unsern Funktionen ergeben, wie wir es vorher waren, haben wir beschlossen, unsre täglichen Arbeiten wieder aufzunchmen. Wir erkennen Herrn Simyan nicht mehr als Chef an. Wir haben das Versprechen, sein verderbliches Werk verschwinden zu sehen. Das ist die legitime Genugtuung des Recht« gegen die Willkür. Unsre erste Pflicht ist es, unsern Mitbürgern für die kostbare Unterstützung, die sie uns haben zuteil werden lassen, wärmstens zu danken. Den Schaden vergessend, den wir gezwungen waren, ihr zu verursachen, hat die Oeffentlichkeit fast einmütig unsre Haltung gebilligt. ...... Für ihr Wohlwollen, für die sympathiebezeugungen, die sie uns erwiesen hat, sagen wir tiefaufrichtigen Dank. Durch unsern Eifer, durch unsre Hingebung an unsre Arbeit werden wir uns bestreben, immer die Achtung unsrer Mitbürger zu verdienen. Der Post-, Telegraphen- und Telephondienst sollte wie ein kommerzielles Unternehmen verwaltet werden. Entschlossen, gegen das bureaukralische System zu reagieren, werden wir die Ver - besserung des Dienste« verfolgen, um dem Publikum neue Er- leichtcrungen zu verscliaffen und so die Entfaltung des öffentlichen Reichtums zu begünstigen. Wir sind keine Maschinen. Wir wollen unsre Arbeit heben können, die un« garantieren soll Wohlfahrt und Freiheit." Wer nicht ein engbrüstiger Bureaukrat oder ein rachsüchtiger Autokrat ist, muß vor dieser Kundgebung achtungsvoll den Hut ziehen. Unb bie Beamten haben nacki ber einmütigen Aussage ber Postbirektoren Wort gehalten. Rastlos, Tag und Nacht, weit über bie Dienstzeit hinaus, arbeitet daS gesamte Personal, um mit den ungeheuren Rückständen aufzuräumcn. Und was ist die Antwort der Regierung? Nickt nur, daß sie bie Unterzeichner bei Plakats, b. h. bie Leiter her brei Postbeamtenorganisationen, maß - regeln will; sie läßt weiter mitteilen, baß bem Personal Weber das Gehalt für die Streikzeit, noch die Ueberftunben, bie gemacht werben, um bie Riickstänbe auszuarbeiten, gezahlt werben. Man kann sich schwer vorstellen. wa« bie Regierung anbers machen könnte, um ben Konflikt aufs neue mit weit größerer Schärfe auf- leben zu lassen, ^ebenfalls steht sie dabei unter bem Einfluß bet großkapitalistischen Scharfmacher. Die können sich nun über die Niederlage ber „Autorität" nicht trösten. Sie fürchten die Kon< sc^tienzer. Sie hätten gern gesehen, wenn das Militär in Aktion getreten wäre, nicht, um die Streikenden zu ersetzen, sondern um sie zp massakrieren. Sie scheinen die Hoffnung nicht aufzugeden, Rache zu nehmen. Der ,Temp«" scklägt allen Ernstes vor, daß die Großindustriellen ihre Angestellten mit ber Handhabung ber Telcgraphenapparate vertraut machen sollen, bamit man gegebenen- falls bie Ttreikenben ersetzen könne. Die Idee ist an sich nicht neu. Herr Clemenceau hat ja auch nach bem letzten Streik der Elektrizi- tätSarbeiter die Genietruppen mit ber Hanbhabung ber Dynamo- Maschinen unb der Führung der elektrischen Untergrundbahn tier - traut machen lassen. WaS daS Militär leisten kann, hat man ja bei dem letzten Streik gesehen. Die militärischen Telegraphisten haben noch nicht den zehnten Teil der Arbeit eines Telegraphen, beamten geleistet. Der „TempS" will also daS Zivilpack zu Streck. Brechern kommandieren. Es ist nur zu wahrscheinlich, daß ba« Zivilpack sich nicht fommanbieren lassen wird. Es ist auch wahr- scheinlich, daß nicht so heiß gegessen werden wird, wie gekocht ist, und baß bie Regierung ein Haar in bet Suppe finben wirb. Mag die Regierung und die sie scharf machenden Kreise waS immer tun, sie werden nicht nur die Postbeamten, sondern da« gesamte Proletariat bereitfinden. Zu ben Leitern bet Streckbewegung kann man ba? Vertrauen haben, baß sie da« rechte Wort unb die rechte Tat zur rechten Zeit finden werden. o t u m JauröS erklärte, er wolle alle persönlichen Fragen beiseite lassen, das Problem liege nicht hier, sondern außerhalb. Die - '■ je bleibe Aus Anlaß der vorstehend geschilderten Vorgänge hat bte französische Kammer sich am Freitag abermals mit bem Streik ber Post- unb Telegraphcnbeainten beschäftigt. Wie schon gestern berichtet, interpellierte Genosse Rouanet wegen bet Maßregelungsversuche. Ueber ben ersten Teil ber Debatte tjt schon berichtet. Fm ferneren Verlauf berselben wirb berichtet: Violette (unabhängiger Sozialist) lenkte bte Aufmerk- somkeit des Hause« auf den Ernst de« Votum«, welche« cß ab- geben werbe. Redner bemühte sich bann, ben Wibetspruch nach- zuweisen zwischen ben Erklärungen BarthouS, ber von Ber- folgungcn nur im Falle beS Scheiterns ber Verhandlungen sprach, und ben Erklärungen Clemenceau«, ber streng gegen bte Ausständigen Vorgehen wollte. Violette fragte, ob die Regierung gerichtlich gegen bie Unterzeichner des Anschlages Vorgehen werbe. Barthou ernriberte, es werbe von ben Ergebnissen ber Unter - suchung abhängen. Violette entgegnete hierauf, da bte Re- Die Kammer lehnte eine Tagesordnung, di« den Beamten- auSftand mihbcllcgt und die unentschieden« Haltung der Regierung bedauert, m.t 203 gegen 171 Stimmen ab. Der Mm'sterprSfident bekämpfte eine einfache Tagesordnung. Er erklärte, er wolle niemand verfolgen, müsse aber sein DiSzcplinarrecht aufrecht erhalten Die einfache Tagesordnung wurde darauf mit 277 gegen 204 Stimmen abgelehnt. Clemenceau nahm etne Tage«, orbnung Chaigne an, die lautet: „Die Kammer ist entschlossen, den Beamten eine gesetzmähig festgestellte ArbeitS- TageSordnung könne eS nicht lösen. Die wichtigste Frage unentschieden, die Frage, welche Wirkung daS V der Kammer aus die Tausende von Beamten haben werde, die dem Worte bet Regierung getraut haben. Es sei keine Zeit zu Wortklaubereien und diplomatischen Rede- Übungen. „Fm vollen Bewußtsein meiner Verantwortlichkeit sage ich, nehmen ®ie s i ch in acht bord e m Ti i ß- trauen ber Beamten und Arbeiter! Die« Miß - trauen könnte furchtbare Folgen haben. Der einzige Weg, ber Ihnen offen steht, ist bet Weg ber e dlenM 11 b c, von ber ber Ministerpräsibent vor einigen Tage co ickon sprach, unb ber allein zu ber Einsicht unb bem guten Wc^n der Be. amten geführt hat." (Beifall auf allen Bänken.) „Dieser Kon- flirt wirb nickt ber letzte fein; schlimmere werben folgen, unb au« Tausenden von Unzufriedenen werden Millionen werden. Schließlick wird dann der Wankelmut und der Efl^nstnn einiger Männer ber Republik ben schwersten Sckaben zufuaen. Schon letzt werben Stimmen laut, bie für ba» Geschehene ben republi. konischen «ebanlen verantwortlich macken Mögen sich die Minister barauf besinnen, was sie der Nation schuldig sindl suchung abhängen. Violette entgegnete hieraus, da bie Re- gierung anerkannte, baß ber Anschlag ein mit bem Streik zu - sammenhängendes Vorgehen barstelle, verpflichtete sie sich ba- durch, keine Verfolgung vorzunehmen. Clemenceau will antworten, aber bie äußerste Linke übertönt ihn burch Lärm. Ein heftiger Wortwechsel bricht zwischen Sarraut unb Rouanet aus, ber nur infolge bes Dazwischentretens von Deputierten nicht in Tätlichkeit auSartet. Darauf ergriff Simyan baS Wort unb fragte Jaure«, ob er bie Verantwortung für bie Beschulbigung übernehme, die gegen ihn (Simyan) tn ber von Jaurös geleiteten Zeitung „HumanitL" gerichtet worben fet. (Bewegung.) Faures antwortete: Ich übernehme Ihnen und jedem gegenüber Verantwortung für alle«, waS unter meiner Leitung geschrieben wurde. Diese Verantwortung ist leichter alS diejenige, welche auf Ihnen lastet. (Beifall auf der äußersten Linken; Lärm link« unb auf anbern Banken.) Ordnung zu geben, bie daS Recht auf ©frei k formell auSschließt, unb spricht ber Regierung da« Vertrauen au?." Der erste Teil dieser Tagesordnung wurde durch Handaus- heben angenommen, der zweite Teil, nach dem formell da« Streikrechi ausgeschlossen wird, mit 470 gegen 68 Stimmen. Endlich nahm die Kammer den dritten Teil der Vertrauens- tagceorbnung mit 341 gegen 247 Stimmen und daraus die Tage«. Ordnung im ganzen durch Händeaushcben an. Politische Uebersicht. AuS dem Reichstag. B e r l i n, 2«. März 1909. Cbne. lange Reden wurden heute eine Anzahl an die Budget, kommission zurückverwiesener Titel an« den im übrigen erledigten verschiedenen Etat« nach ben Beschlüssen der Kommission ange - nommen. Bei dem Titel „Allgemeiner PensionSsondS" beklagte Erzberger da» ungemein rasche Tempo der Offiziers- Pensionierungen unb die infolge davon riesenmäßig anschwellenden Ansprüche an ben PensionSfondS. Dabei bezeichnet er bie Ver - waltung diese« Fonds als eine vorzügliche, ober sehr kostspielige Sinekure. Die gut bezahlten Herren Beamten würden nicht wissen, wa« sie anfangen sollten, wenn ihnen eine dreistündige Arbeitszeit auferlegt würde. Nach Annahme der KommissionS- beschlüsse und einiger von der Kommission vorgelegter Resolu- Honen erfolgte die zweite Lesung des Automobilgesetzes. ES hat lange gedauert, bi« die Regierung endlich dem Drängen au» dem Hause nadigegeben unb sich zur Ausarbeitung unb Ein- bringung eines bie Haftpflicht der Automodilbesiher betreffenden Entwurfs entschlossen hat. Unb al« er enblich erschien, waren fast sämtliche Parteien einig in einer abfallenden Kritik. Von den Rednern fast sämtlicher Fraktionen wurden Verbesserungen der Vorlage für notwendig erachtet. Und wa« ist nun. nachdem die Kommissionen lange Zeit auf die Durchberatung verwendet hat, daraus geworben? Fast nichts weiter, al» wa« in der Regie- rungSvorlage enthalten war. Die Einflüsse de« kaiserlichen Automobilklubs waren mächtig genug, die bürgerlichen Parteien zu veranlassen, alle BerbesserungSanträge der sozialdemokratischen Kommissionsmitglieder abzulehnen. So u. a. auch den Antrag, die Dauer der täglichen'Arbeit«, und Ruhezeit ber Chauffeure geseylich festzulegen. AlS unsre KommissionSmitglieber diesen von ben Chauffeuren selbst gestellten Antrag in bet Kommission einbrachten, hieß eS dort: Der Antrag gehört zur Gewerbe- orbnung, unb al« er bann in ber Gewerbeorbnungskommission gestellt würbe, erklärte biefe: Der Antrag gehört, ba e« sich um Lckiitzbestimmungen be« Publikums gegen bie Automobilgefahren handelt, vor die Automobilkommission. Darum hatte die Frak- tion beschlossen, den Antrag dahin abzuändern, daß der Bunde», rat eine den Gegenstand betreffende Verordnung zu erlassen habe. Aber auch davon wollten die bürgerlichen Parteien nichts wissen. Troy der vorzüglichen Begründung de» Anträge» durch unsern Genossen Stadthagen, lehnten sie ihn ab. Dabei leistete ber, ehemals alS „roter Prinz" bezeichnete Schönaich. Sarolath sich die rocltfrembe Naivität, e» fei unbenfbar, baß e» Chauffeure gäbe, bie sich, wie Stabthagen behauptet habe, eine sechSzelm bis achtzehnsiünbige Arbeitszeit gefallen lassen würben. Ebenso erging eS ben übrigen sozialbeinokratischen VerbesserungS anträgen, bie auf bie Sicherung unb AuSbehnung ber Haftpflicht auf bafe Bedienungspersonal und bie Passagiere von Kraftfahr, zeugen im öffentlichen Verkehr abzielten, die von unserm Genossen Stolle vertreten wurden, wie auch dem von Stadthagen be. gründeten Antrag, betreffend Zwangsgenossenschaften für Auto - mobilisten. Daß da» Gesetz hier eine Lücke hat, erkannten die bürgerlichen Parteien selbst dadurch an, daß sie nach dieser Rick, tung hinzielende Resolutionen annahmen. Aber den Mut, diese Materie durch Annahme der sozialdemokratischen Anträge sofort gesetzlich festzulegen, besaßen sie nicht, sondern sie schlichen drum herum, wie die Katze um den heißen Brei, und da» doch offenbar nur um den hohen Protektor be» kaiserlichen Automobilklub» nicht zu erzürnen. Der Arbeitsplan des Reichstags. Der Seniorenkonbent hat in seiner Sitzung vom Sonnabenb beschlossen, Montag unb Dienstag für ben Etat de« Reichskanzler« unb ben Etat bc8 Auswärtigen Amt» zu Der. irenbcn. Donnerstag soll bie britte Lesung be» (Statt beginnen, unb nach ber Erledigung tritt ba» Hau» in bie Osterferien. Man hofft, am Freitag bie dritte Lesung beendet zu haben. Tie AbriistmigSfrage. Die sozialdemokratische R e i ch S ta g » f r a k t i o n hat in ihrer Sitzung vom Freitag beschlossen, zur zweiten Lesung de» Etat« des Reichskanzleramts eine Resolution einzubringen, in der die Regierung aufgeforbert wird, in ter. nationale Vereinbarungen betreff« der B«. grenzung bet Rüstungen zur See und der Be- I e i i ig u n g be» Prisenrecht» (Recht bet Kaperei von Handelsschiffen in Kriegszeiten) in bie Wege zu leiten. Tie Vlockkrise. Nachdem bte Konservativen ihren liberalen Mockgenossen ben Stuhl bot bie Tüt gesetzt unb am Freitag bei dem Beschluß über bie Branntweinsteuer durch die Tat bewiesen haben, daß sie gewillt find, mit dem Zentrum zusammen zu operieren, sollte man meinen, daß auf der linken Blockseite endlich bie Einsicht hämmert, daß mit ber bisherigen Parteigruppierung nicht« mehr )u machen ist. Aber sie lassen noch immer nickt alle Hoffnung ahten und setzen sic wieder einmal auf bie Regierun gen. Tie „Franks. Ztg." läßt sich aus Berlin telegraphieren, daß Bülow die Abgeordneten Bassermann unb Wiemer zu