Nr. 106. onnabe«-r^en 8^Mai 1900. 23. Jahrgang. KambnmerEcho. Lt. Paoli einschl. Schanzensir. bei Heinr. Koenen, Sophienstr. 44 (-imsbüttel, Lauftenfelde bei Carl Treyer, Fruchtallee 42. Hohelost, SPpeudorf, Grojr-Vorstel und rSiaterho»e bei Ernst Groglopf, Lehmweg 51. Sormbed, Uhlenhorst bei Theodor Petereit, Bachstr. 12. Hohenfelde, Borgfelde, Hamm, Horn, Lchiffbeck und Villwärder bei Carl Lrtel, Baustr. 26. Hammerbrook bis Ausschläger Billdeich bei Rud. Fuhrmann, Schwabenstr. 33. Rotenburgsorl und ♦ Veddel bei Th. Reimer, Lindleys». 85. Hilbeck, LLandSbeck, Hinschenfelde und kft-Barmbeck bei Franz Krüger, Kurze Reihe 34. Altona bei Friedr. Ludwig, Bürgers». 118. Ottensen, Äahreufeld bei Joh. Heine, Bahrenselderstr.129. Da? »Hamburger @d)e* rtfMitt «igN», euttr Montag» »lbonnementspreis (tiiH. „Tie Neue Welt" und ..Tie «beitende Jugend") durch bte Post »rzogen ohne Bringegeld monatlich * 1.20, vierteljährlich A 8,60 • durch di- Kolporteure wiichentNch so ch Her ins vaus. Gin,. Nr. 6 *. SonntagS.Nummer mit illuftr. Beilage »Tie Neue Welt» 10 4. ttreutbandiendungen monatlich A 8.70. für da» Ausland monatlich * SM Anzeigen di, iechSgeipaUen, P«iil,eil« oder der«, Raum 86 4. Ar dein» mar«. Vermietung», und Kamiltenanjeigeu 20 4 «nzeigeuEinnahme Kehlandstr. 11, «rdgefchost ibi« 5 Uhr nachmittag»», in den FUialen ibi« 4 Uhr nachm.l. sowie in allen Annoncen-Bureaux. Plast, u. Tetmoo-jcbuften ahne Berdindlichkeit. Reklamen im redaktionellen Teil werden weder grati« noch gegen TntgeU aufgenommen. Buchhandlung und Buchdruckerei-Kontor: Fehlandstr. 11, Erdgefchost. Rtdaklioir: Artmfittrrt Qß Expedition: Fehlandstraste 11. 1. Stock. •vnmeiu q ’•'> Fehlandstraste 11. «rdgelchost. B-rantmortlicher Redakteur: R«l Prtertlon in Hamburg. Hierzu zwei Beilagen. Ak (onfewofioen SWeMirzek. . Zweimal hat der Reichskanzler in offener Reichstagssitzung die (^istenz einer Kamarilla in Preußen abgeleugnet; einmal hat ct . dies unheimliche Wesen sogar als eine „fremde Gift» Pf Ian je" bezeichnet, die auf deutschem Boden nicht gedeihen könne. Es ist dies ein starkes Stück für einen leitenden Staats« mann, da doch eine jedermann zugängliche Rlemoirenliteratur criftiert, in der die Kamarilla am Hofe Friedrich Wilhelms IV. in allen Details geschildert wird, und zwar von Junkern, die u)r selbst ungestört haben. Diese sind auch gar nicht so zimper - lich, wie man nach der saft ängstlichen Berlvahrung des Kanzlers glauben könnte; sie rühmen sich ihrer rettenden Taten, die sie beim Schleichen auf den Hintertreppen des königlichen Schlosses vollbracht, und sie verlangen dafür sogar mit gewohnter Dreistig» keil den Dank des Vaterlandes, das sie vor der „Anarchie" ge - testet haben wollen. Solche Entgleisungen, wie sie der Kanzler sich hat zu schulden kommen lassen, indem er offenkundige Tatsachen in Abrede stellte, tädjen sich gewöhnlich und sie rächen sich auch in diesem Falle. Wir haben schon stüher darauf aufmerksam gemacht, daß sich eine eifrige und unaufhörliche Wühl< arbeit einer mächtigen Kamarilla, die den Kanzler um jeden Preis stürzen möchte, aus verschiedenen Tatsachen er - kennen läßt. Und gerade jetzt, nachdem der Kanzler wieder un - längst die Kamarilla als ein bloßes Gespenst bezeichnet, muß er deren Tätigkest am empfindlichsten verspüren. Denn man wird nicht fehl gehen, wenn man die Taktik der konservativen Partei, die jetzt in der Finanzfrage zu einet so großartigen Verwirrung geführt hat, mit den Einflüssen einer Kamarilla in Verbindung bringt, die ihre Fäden in niederträchtig geschickter Weise zu knüpfen versteht. Indem sie gerade bei der Nachlaß, und Erbschaftssteuer eiusetzte, verstand sie die Junkerschaft int Pande Preußen für sich zu gewinnen, die ihre Steuerscheu und die Gewohnheit der Steuerhinterziehung hinter geschwollenen Phrasen zu verbergen sucht. Tie von der Kamarilla geleitete konservative Taktik hat nun - mehr den Reichskanzler mit seiner Finanzreform in eine Sack - gasse getrieben, aus der er wohl nur durch feinen Sturz oder durch eine vollständige Kapitulation wieder herauskommen kann. Man hat diesen angeblich so schlauen Diplomaten vollständig überlistet. Erst ließ man ihn sich auf die Fiuauzresornt te - legen. Und nun macht man es ihm unmöglich, eben die Finanz, rkform, aus die er sich festgelegt hat, durchzusühren. Er sonnte versuchen, sich seine Position mit einer Auf. lösung des Reichstages zu retten. Uns wäre das ganz recht; denn bamit würde die unselige Block-Aera auf immer ge - schloffen. Von Bülows Standpunkt ans wäre aber eine solche Maßregel ein Verzweiflungsstreich, denn die Neuwahlen brächten seinen Simz ebenso sicher, wie die Neuwahlen vom Februar 1890 den Sturz Bismarcks gebracht haben. Herr Naumann hat sich als vermutliches Resultat dieser Wahlen einen „liberalen Kleinblock" zusammenphantasiert, über welche Spostgeburt man nur lachen kann. Dagegen hat Herr Dr. Arendt wohl ungefähr das Richtige getroffen, indem er meinte, mit neuen Steuern als Wahlparole würde der Kanzler eine Verdopplung der sozialdemokratischen Mandate und eine übermächtige oppositionelle Strömung bewirken. Das mag sein, und in solchem Falle hätte bann die Kamarilla am Hose die Gelegenheit, den Sturz des Kanzlers unvermeidlich zu machen. Gerade deßhalb aber glauben wir, daß eine Auflösung des Reichstages schwerlich erfolgen wird. Ohnehin ist zu einer solchen die Zustimmung des Bundesrats erforderlich und diese Körperschaft dürfte sich unter solchen Umständen denn doch auch schwer entschließen, einer Maßregel zuzustimmen, die höchstens dazu dienen könnte, die Kanzlerschaft Bülows um einige Woche zu verlängern. Will der Kanzler aber nicht zu einem solchen Verzweiflungs- streich sich entschließen, so muß er bedingungslos vor dem Junkettum kapitulieren und auf die vorgeschlagene „Besteurung des Besitzes" ganz oder säst ganz verzichten. Dann kommt die Finanzreform aber schwerlich zustande und ihr Scheitern ist es, was die Kamarilla vorläufig will. Aber auch die Sozial» demokratie hat in der Tat, wie wir schon bargelegt haben, keinen Grund, dem auf dem Dache sitzenden Greis zu Hilfe zu kommen, indem sie eine kümmerliche Erbanfallsteuer bewilligt, während bann bem Volle 400 Millionen indirekter Steuern auf. gepackt würden. In der politischen Verwandlungskimft ist der Reichskanzler, wie man weiß, sehr geschickt. Im Anfang feiner Kanzlerlaufbahn war er den Ueberagrariern gar nicht so sehr zugeian, wie es schien; das ging so weit, daß einige verrückte Freisinnige ihn schon bis zu einem gewissen Grade für die Liberalen reklamieren wollten; mit einem Riale aber entdeckte er sein agrarisches Herz, rühmte sich, daß die Bülows immer den vaterländischen Boden bebaut hätten, und bestimmte sich selbst eine agrarische Grabschriit. Auch in diesen Tagen hat er der „.Kreuzzeitung" die Versicherung gegeben, daß er ihrer Devise: „Vorwärts mit Gott für König und Vaterland!" folge. Aber das alles wird ihm nichts helfen. Wenn er nunmehr kapituliert, so werden die Rkachinaiioneii und Intriguen gegen ihn nur um so heftiger beginnen. Tas Vertrauen zu der Politik dieses Kanzlers wird in den weitesten Kreisen bann geschwunden und nur die nationalliberale Fraktion „Drehscheibe" vielleicht noch für ihn zu haben sein. Tie Kamarilla will feinen Sturz, denn sie will im Reichskanzlerpalais einen Junker „von altem Schrot und Korn" haben und nicht einen, bet gelegentlich liberalen und konservativen Geist „paaren" möchte. Mit dem Block hat Bülow sich seine Zukunft verbaut und die Junker haben dies seltsame Gebilde, da» ihnen von Anfang an verhaßt war, nur benutzt, um die Schwierigkeiten für die Bülowsche Politik zu vermehren und noch größere Verwirrung anzurichten. Im ganzen betrachtet ist für diese Situation die Persönlichkeit Bülows nicht die Hauptsache. Tas kann nur bet oberflächliche Beobachter glauben. Die gegenwärtig sich erhebenden Fuianz- schwterigkeiren sind nur die Vorläufer häufigerer und größerer solcher Erscheinungen. Sie kündigen einen Zersevungsptozeß an. Die Massen können die immer mehr anschwellenden Lasten nicht mehr tragen und die Besitzenden wollen nichts Beträcht - liches davon auf sich nehmen. Das bedeutet den Anfang vom Ende des hergebrachten Systems- Der hamburgische Staat und seine Arbeiter. Seitdem es eine sozialdemokratische Presse in Hamburg gibt, hat diese auch unausgesetzt und. mit aller Schärfe und Deutlich - keit Kritik geübt and er Ärt, wie sich der Staat den von ihm be« schästrgren Arbeitern gegenüber stellt. Und noch heute vergebt fast kein Tag, an dem das „Hamburger Echo" nicht Ursache hätte und ab und zu Veranlassung nähme, aus vorhandene Mißstände hin - zuweisen. Der crrsoig dreier Antit lit aucy uiwer-'ennbar. Manches ist bereits besser geworden und unsre „maßgebenden" Kreise werden auch nicht eher Rube bekommen, bis sie die Lohn und ArbeitßverhältnissQ der srgatlichen. . Arbeiter estxäglich ge« skaltet haben. Solange freilich die Sozialdemokratie keine Ver - treter in der Bürgerschaft hätte, Ivar alle Kritik nur mit 'sehr geringem Erfolge gefrönt; Mämmonia spreizt sich auf ihren Getd- säcken und gab nur den durchaus nicht zu umgehenden Anforde - rungen nach. Zu einem etwas schnelleren Temvo kam es erst, oder sagen wir lieber: ein klein wenig mehr wurde das Schnecken - tempo beschleunigt, als die Arbeiterschaft sich nach unermüdlicher Agitationsarbeit eine Vertretung in der Bürgerschaft erkämpfte und gleichzeitig die Staatsarbeiter aus ihrer Lethargie erwachtan und sich eine kraftvolle gewerkschaftliche Organisation schufen. Die Erfolge stehen allerdings auch jetzt noch nicht annähernd in einem erträglichen Verhältnis zu der aufgewandien Mühe uns den bedeutenden Kosten; es muß noch manche Bresche in alt- eingewurzeltes Vorurteil und den Kastendünkel geschlagen werden, ehe einigermaßen den Forderungen der Arbeiter Rechnung ge - tragen wird. Die junge, im Jahre 1904 gewählte sozialdemokratische Fraktion hatte sich kaum einigermaßen in die Gepflogenheiten unsres Geldsackparlamcnts eingelebt, als sie auch schon die be - kannten Anträge Paeplow und Genossen einbrachte, deren Verwirklichung einen bedeutenden Schritt nach vorwärts bedeutet Hütte. In zwei ausgedehnten Sitzungen der Bürger - schaft, am 8. und 15. Februar 1905, war das Für und Wider Ser Anträge, deren Beratung verbunden wurde mit von bürgerlicher Seite gestellten, erörtert worden, wobei manche sehr merkwürdige Auffassung unsrer Hochmögenden zutage trat. Mit knapper Mehrheit, 68 gegen 50 Stimmen, gingen sie an einen Ausschuß, der 3'/, Jahre gebrauchte, bis sein Bericht Herauskain. Es zeigte sich eben hierbei sehr deutlich die völlige Unzulänglichkeit des bürgerlichen Parlamentarismus. Die Kreise unsrer maßgebenden Parlamentarier gehen überhaupt nur mit Mißtrauen an Ar- beiterfragen heran; darum veranstaltete auch der Ausschuß erst die umständlichsten und viel zeitraubenden Umfragen, um am Schlüsse derselben in seiner Mehrheit mit großer Selbstgefälligkeit im Bericht konstatieren zu können, daß alles wohlbestellt sei in den Verhältnissen der staatlichen Arbeiter, daß von Mißständen keine Rede sein könne. u,id die Arbeiterverhältnisse in andern Korn- munen um nichts besser standen als in Hamburg. Das war aber, als endlich der erste Bericht erschien, schon nicht mehr richtig. Besonders in süddeutschen Städten sind in den letzten Jahren bedeutende Verbesserungen der städtischen Ar beiterverhältnisse eingetrcten, mit denen sich die in Hamburg gar nicht mehr messen können. Das Material, auf welches sich bie Ausichußmehrheit stützte, war daher völlig veraltet, und der Ausschuß, der die Unbaltbarfeit seiner Position selbst fühlte, glaubte diese dadurch verbessern zu müssen, daß er die Ham. burgischcn Verwaltungsbehörden ersuchte, die neuesten Lohn- und Arbeitsbedingungen mitzuteilen, ehe er mit feinem Bericht vor die Bürgerschaft . trat Tftse wurden dann in einem zweiten Bericht verarbeitet, der zusammen mit dem ersten trat 10. Mürz zuerst in der Bürgerschaft zur Beratung kam. Trotz der an sich geiviß nicht ungeschickten Aufmachung beider Berichte, boten sie doch soviele Bloßen, waren so sehr von echt kapitalistischem Geiste durchweht, daß ihre Zerfaserung und Kritik abfeiten unsrer Genossen, denen sich auch Herr Dr. Petersen von den Ver - einigten Liberalen au die Seite stellte, zu einer vollständigen moralischen 'Jheoerlage der Verteidiger führte. In den drei Sitzungen am 10. März, 28. April und 5. Mai, in denen von unsrer Seite die Genossen Schaumburg, Paeplow, Stelten und Weinheber mit Herrn Dr. P c t e rsen mir den wuchtigsten Waffen des sozialpolitischen Forffchrstts kämpften, während von gegnerischer Seite die Herren P e i s i c h l, Dr. Albrecht, Dr. Mencke der g, Dr. Bagge und Blinckmann durch manchmal recht gewagte Sophismen die Argumente der Ausschußmehrheit verteidigten, traten die sieg - haften Jdecln des. Arbeiterrechis und die Notwendigkeit gründlicher Äendrungen zugunsten der Arbeiterwohlfahrt deutlich in Er - scheinung^ So deutlich, daß sich selbst Herr tr. Monckeverg zu dem Stoßseufzer veranlaßt fühlte: „Tie Sozialdemo- f r a t i e , g e m i n n t leider immer mehr Boden." Er fügte freilich hinzu, „weil gewisse Leute nicht alle werden"; aber er weiß nur zu gut, daß sein vlutokratiseber Herrenstand, punkt immer mehr in die Defensive gedrängt wird. Gewiß, die Sozialdemokratie und die von ihr getragenen Ideen marschieren unaufhaltsam, marschieren über die Köpfe ihrer unerbittlichsten Feinde hinweg. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Ader die Annahme der gestellten Anträge: Schaum» bürg und Genossen und Petersen und Genossen hätte an sich noch gar keinen sozialistüchen Gedanken verwirklicht, was schon die Tatsache zeigt, daß die Vereinigten Liberalen den Kamps Seite an Seite mit unsern Genossen führten. Das waren einfach, wie Herr Tr. Wo l s f s o n scharf und pointiert in einer kurzen Be - merkung hervorhob, Forderungen, deren Erfüllung unsre Kiiltur- entwicklung gebieterisch erheischt, denen die besten Geister, auch der bürgerlichen Welt, das Wort reden. Es steht sehr schlimm um unsre bürgerliche Kultur, daß selbst so absolut notwendige Dinge, wie ausreichender Arbeitslohn und angemessene Arbeits - zeit so hartnäckige Bekämpfer finden; die Mehrheit der Bürger - schaft hat mit ihrem verzweifelten Kamps gegen jeden sozial - politischen Fortschritt nur ihre eigene Brestkiafkigkeit aufs deutlichste dokumentiert. Die Anträge sind a h g e l e h n t, die Anträge des Ausschusses, die weder Fisch noch Fleisch sind, mit einigen verbessernden Wünschen der Herren Tr. Bagge und Persiehl angenommen worden. Aber damit ist der Kampf natürlich nicht etwa zu Ende. Nein, nun beginnt er aufs neue, mit all der zähen und un - ermüdlichen Hartnäckigkeit, die der Sozialdemokratie im all- gemeinen und ihren niederdeutschen Vertretern im besonderen eigen ist. „Jetzt erst recht!" werden sich d,e organisierten Staatr- •ijb * •ncinbearbeitcr sagen, und sie werden mit treuester Hin- ga|e an der Ausgestaltung ihrer Organisation arbeiten, he zu einer immer wuchtigeren und wirksameren Waffe auSgestallen. Taqehcn werden und müssen sie im ureigensten Interesse den ini ch.st e n B st rtz e r s ch a f t S w wh l e n Vorarbeiten, um solche M r be ft e t b'E r t r e t e r hineinzubekommen, die Fleisch von ihrem Fleische sind, die mit ihnen fühlen und denken und ihre Inter- eisen' in' rücksichtslöser Weise vertreten. Nicht mit Sckeuklapven, wie' Herr De Mönckifberg sagte/ will die Sozialdemokratie einzig und allein nur die Interessen der .Handarbeiter sehen; aber diese Interessen haben bisher so wenig Forderung gefunden, sind so sträflich vernächlässigt worden, daß sie erst einmal mit ganzer Energie zur Geltung gebracht werden müssen. „Steter Tropfen höhlt den Stein." Dieses Sprichworts eingedenk, müssen die .Uainpfkolonnen neu formiert und zu erneutem Sturm auf das Kapitol der. kapitalistischen Selbstsucht begeistert werden. Dann wird die Qual der Staats- und Gemeindearbeiter bald gemildert werden. Menschen wollen sie sein, nicht Arbeitstiere, die im ewigen Trott des Alltags verkümmern. Dafür zu kämpfen ist nicht nur ein schönes, edles Ziel, es ist auch erreichbar durch Selbst- zücht und Opferfreudigkeit. Politische Uebersicht. Bos dem Reichstag. Berlin, 6. Mai. Am heutigen Sckstverinstag gelangten die Initiativanträge des Zentrums und der Konservativen auf Einführung einer staffel- mäßigen Umsatzsteuer für Großmühlen zur Beratung. Wenn diese Anträge nicht schon bei Beginn der Legislaturperwde eingebracht wären, so konnte man leicht ju der Annahme gelangen, die darin enthaltene Steuerforderung tolle einen Teil der Besteurung des Besitzes bilden. Das ist nun freilich nicht der Aall, sondern sie ist ein Glied in der Kette der Verteurung der notwendigsten Lebensmiuel. Die Begründer der Anträge. Sv eck vom Zentrum und R ö s i ck e von den Konservativen, bestreiten das zwar, aber dadurch wird die Tatsache nicht aus der Welt geschafft, daß, wenn das in den Großmühlen mit den besten vorzüglichsten teckmischen Hilfsmitteln hergestellte Mehl durch eine möglichst hohe Steuer verteuert wird, so daß die Konkurrenz gegenüber den kleinen, mit den primitivsten Einrichtungen arbeitenden Bauernmühlen unwirk- fam gemacht wird, daS Mehl im allgemeinen verteuert wird. Das soll ja auch durch die geforderte Steuer bewirkt werden, und daher wird jedes Wort, das sich gegen die Behauptung der Verteurung des Brotes richtet, zu einer mehr oder minder bewußten Unwahi freit. Daß die Fortentwicklung des Großkapitals und die dadurch herbeigeführte Vernichtung deS mittleren und kleinen Kapitals durch derartige Experimente nicht rückgängig gemacht werden kann, haben die Versuche bewiesen, die man mit der Umsatzsteuer für Warenhäuser gemacht Hai. Das kümmert natürlich die kleri- ialen und konservativen MittelstandSretter, denen sich der agra - rische Flügel der Nationalliberajen angeschlossen hat, wie die Nebe Neuners erkennen ließ, ebensowenig, wie die Lebensmittelvei- teurung und es kommt ihnen, wie Räficke erklärte, auch dabei nickst darauf an, mit der Gewerbefreiheit im Müllereigewerbe aufzu. räumen, wie man jetzt in der Steuerkommission kräftig arbeitet, der G»Werbefreiheit im Brennereigewerbe den GarauS zu machen. Tie Regierung ließ durch den Ministerialdirektor Kühn er klären, daß die agrarische Behauptung, außer den kleinen seien auch die mittleren Mühlenbetriebe in den letzten Jahren gewaltig zurückgegangen, eine ebensolche Uebertreibung ist, wie der neulich von ihnen verbreitete Schwindel von dem Verbrauch ungeheurer Mengen aus dem Auslande eingeführter Futtergerste zu Brau- zwecken. Tie mittleren Betriebe haben sich sogar vermehrt und nur die ganz kleinen seien zurückgegangen. Die Regierung werde die Fortentwicklung im Auge behalten und müßte sich ihre Ent - schließungen Vorbehalten. Als einziger Gegner der Anträge kam heute nur der Frei - sinnige Kämpf zum Wort, der sie als einen Kamps gegen den technischen Fortschritt bezeichnete. Wegen vorgerückter Zeit wurde die Schalte abgebrochen und soll am nächsten Mittwoch fortgesetzt werden, wo von unsrer Seite Genosse Molkenbuhr dazu zum Wort gemeldet ist. Um der SteuerkOmmiffion einige ganze Tage zur Verfügung zu stellen, sollen die Tage bis zum nächsten Mittwoch ganz frei bleiben. Yin konservative» Rrchenexempel. Die ganze von den Konservativen verfolgte Taktik in der Finanzreformfrage läuft daraus hinaus, die Regierung zu zwingen, die „Reform" mit dem Zentrum und den Polen und sonstigen agrarischen Parteisplitterchen zu machen. Daß dies die einzige Möglichkeit fei, die Finanzreform über- Haupt zustande zu bringen, versucht eine in der „Krcuzztg." als Leitartikel veröffentlichte Zuschrift zu beweisen. Es wird zu dem Zwecke folgendes Rechenexempel ausgestellt: „Wie die Mehrheitsverhältnisse nach den heute vorliegenden Erklärungen der Parteien zu beurteilen sind, ist zunächst hervor- zuheden, daß jedenfalls das Gegenteil richtig ist. daß also für die Reform mit einer Erbanfallsteuer eine Mehrheit nicht zu finden ist Hinter den 14 Mitgliedern der Kommission, welche den Ersatz dieser Steuer durch die Wertzuwachssteuer verlangt haben, stehen die Konservativen mit 61, das Zentrum mit 105, die Polen mit 20 und wahrscheinlich 5 Elsässer, zusammen also 191 Stimmen. Demgegenüber stehen auf der andern Seite 206 Stimmen. Der „Vorwärts" erklärt aber, daß die Sozial - demokraten nicht daran denken, die indirekten Steuern dadurch Vi ermöglichen, daß sie für diese Erbanfallsteuer stimmen. Gehen die 43 Stimmen der Sozialdemokraten ab, so bleibt also nur eine Stimmenzahl von 163 für die ©rbanfall steuer, und es müßten 87 Konservative hinzu. treten, um diese Steuer durchzu setzen. Davon, daß hieran nicht zu senken ist, wird heute wohl jeder übeizeugt fein. Tie Fraktion hält im wesentlichen geschlossen an der Ablehnung fest. „Selbst wenn aber das Gegenteil geschehen sollte und wenn hsirmft die "Besitzsteueni in Hohe von. 100- Millionen wirklich unter Dockt gebracht würden so würben immer noch vier Fünftel der Reform aus st ehe», und nachdem die Liberalen den größten Teil der indirekten Steuern abgelehnt, bei der Tabaksteuer nur die Bewilligung von 30 bü 40 Millionen in Aussicht genommen und jede Ausgestaltung einer Brannt - weinsteuer, die die Erhaltung des ländlichen Brennereigewerbes ermöglicht, von sich gewiesen haben, so ist in keiner Weife abzu- sehen, wie für diese vier Fünftel der Reform eine Mehrheit zu finden sein soll. Also mit der Erbanfall st euer kann die Reform, wie die Tinge heute liegen, unter keinen 11m- ständen gemacht werden. Aus der andern ceite aber behaupten wir: Für eine Reform ohne Erbanfallsteuer ist, sobald die verbündeten Regierungen sie wollen, eine sichere und ausreichende Mehrheit vorhanden. Es werden also zunächst die 166 Stimmen der Konservativen und des Zentrums in Rechnung gestellt und die Stellung bei Reichspartei, der Nationalliberalen iinb der Antisemiten des längeren erörtert mit folgendem Ergebnis: „Es würde also schon auSreichen, wenn die Reichspartei und nur bie -idältte der Wirtschaftlichen Vereinigung unb ber R e - f o r m p a r t e i sich entschlössen, an einem Zustanbekommen bet Reform ohne Erbanfallsteuer mitzuwirken, währenb bock mit Bestimmtheit anzunehmen ist, daß auch ein erheblicher Teil bet Rationalliberalen unter den gedachten Umstanden zu diesem Schritt bereit sein würde. Dabei ist daran zu er innern, daß alle strei genannten Parteien für den in der Koni Mission angenommenen Antrag der Wirtschaftlichen Vereinigung gestimmt haben. Sie haben also die Wertzuwachssteuer für Immobilien nickst nur, sondern auch eine entsprechende De ftcucrung des Hulvaäises an bett)cfllid)ent Kapitalvermögen gründ sätzlich gebilligt Wir wiederholen also: Sobald bie her b ii n b e t e n Regierungen sich entschließen, bte Be- it e u e r u n g bet Erbansälle von Ehegatten unb Kindern fallen zu lassen, haben sie im Reichstage infolge des konservativen Antrages Diertrich eine Mehrheit zurVer. f ii g u n g . mit der es ihnen möglich sein würde, die Finanz resorni mit 400 Millionen indirekten und 100 Millionen Besitz steuern unter Dach zu bringen. Voraussetzung ist, daß dabei das in Wertpapieren angelegte und an den Banken unb Börsen umlaufende Kapital in zureichenderer Weise all bisher ^Der §3lan geht also daraus hinaus, die konfervativ- Kunst, Wissenschaft und Leben. Die Euthüllunfl des Brahms-Denkmals in der Musikhalle. Am 7. Mai 1833 wurde Johannes Brahms in einem engen Häuschen im Specksgang zu Hamburg geboren. Als Lohn eine» armen Musikers Seine reckt freudlote Ingen, verlebte er in Hamburg, kümmerlich nur sich nährend., einer Hamburg hatte keinen Platz für ihn, als er längst sckon letnenAuf. stieg zur Metsterschaft ber musikalischen Kunst bego tte. Wien bot ihm eine Zuflucht. In Wien hat « t leben gelebt, in Wien hat er den graten „anb . testen1«ne r Werke geschasst, und in Wien ist er am 3. April ^.gestorben. Wohl hatte sich schon vorher Hamburg wiede 1 s'timhi> 8r °® Cn Sohnes erinnert/ Er war zum Ehrenbürger von nannt. Aber was man an ihm sesündigt h°t l 4 dadurch mch. wieder gut machen lassen. Besser sckon fuckte Kuick^vf?^ tilgen, >aß man in Hamburg ganz betrmber8 ■ man ?* und pflegt. Dadurch ehrt man Brahms und ehrt man >tch ' 'Vor einigen Jahren ist am Geburtshaus “°” Johannes Brahm« im Specks gang (jetzt Speckstntnel el { 'L tbell>chafte^ und Vereine, andrer künstlerischer Vereinigungen. r Enthüllung. Nachdem bte letzten Töne einer Motette von Back, die der Hamburger Kirchenchor unter Herrn Böhmer s Leitung sehr schon sang, verklungen waren, trat HerrDirektor Dr. Bieber, der Vorsitzende des Brahms-Denkmalkomitees, das bald na» 1897 zusammengetreten ist. an das vor dem Denkmal ausgestellte Po- biunt und schilderte in .iirzen Zügen das Wesentliche aus Brahms künstlerischem Werdegang un-. charakterisierte in scharten knappen Strichen seine großen Leistungen als Komponist, als Slnnvhoniker vorkiehmlich und als ünriker. -rann übernahm Herr Senator Brandt im Namen der Kommission für die Verwaltung le-; Musikhalle in wenigen warmen Worten des Dankes an das Komitee, vor allem aber auch an den anwesenden Schöpfer des Denkmals, den Brahms kongenialen Meister M ar Klinge r, das Denkmal. Unter bem Klange, einer Melodie von Brahms, wieder gesungen von Herrn Bodmers Kiickwuchor, fiel die Hülle. Und das wundervolle Werk Klinger,- oo- iich in seiner marmornen Weiße und ergreifenden Gro«« und cdjnnheit den Blicken der An- wesenden. Es ist natürlich unmöglich, ein Kunstwerk, das von Klinger in jahrelangem Ringen geiebcrrcn ist, nach viertelstündigem Schauen hier er'ckvv'em zu idnlbern, bet Kunst seines Schöpfers in der Schilderung nach- un. mi:e-.lebend gereckt zu werden. Frei - lich hatten die Vertreter der Presse es Herrn Pro-essor Licht- tvarks liebenswürdigem Litten zu verdanken, daß sie schon vor ber Feier kurze Zeit bas unverhullte Denkmal betrachten konnten. Aber der Künstler :st ,n btefer neuen Schöpfung wieder so ganz eigne Wege gegangen un6 et hat meinca Empfindens so er drückend und erhebend Gewaltige^ unb schönes geschaffen, daß ein wiederholtes Betrachten und Genießen einer eingehenden kirnst, kritischen Würdigung voraufgehen mutz. Nach den flüchtigen .Impressionen von heute nur ein paar Andeutungen. Es war eigentlich » Dtl vornherein selbstverständlich, daß unter Deutsckländs Bildhauern nur Mar Klinger für eil VrahinS-Denkmal in Vetrach. 'ommen konnte. Schon einmal ha “er universelle, geniale .xentcr Klinger Brahms ein Denkmal g 'Waffen: in jener 'Rcije rounberBoner Radierungen, die wir untc I bem Ramen Brahms-Phantasie begreifen. An intimstem M: Jjleben hat Klinger ter sich m bas Besondere ber Kunst von vOfranneS Brahms hineingefunden. Man dürfte hoffen, daß er auch im marmornen Standbild ihm gerecht werden würde. Ohne weitere Vereinbarung vorher erhielt er deshalb den Austrag des Denkmalkomitecs, dem man die'en vertrauensvollen Weitblick hock anrechnen muß. Und als Klinger an die Losung seiner Ans- gäbe ging, wollte er ursprünglich nur eine Herme schassen. Mählich kamen ihm dann im künstlerischen Schassen neue Impressionen unb wuchsen ihm die Gedanken. Und so sehen wir heute sein Werk: Aus dem riesigen Marmorblock hebt sich dominierend heraus die Gestalt von Johannes Brahms. Das ursprünglich hermenartige ber Schöpfung brückt sich noch aus. Nur die Büste und der wundervolle Kopf sind ins Detail ausgearbeitet. Sonst hüllt sich um bie hohe Gestalt, die nur leicht angebeutet ist, ein weiter Mantel. Ter rechte Arm erhoben unb zum Kinn gebeugt, baS sich leicht gegen die rechte Hand lehnt. Ter Blick ist ickeinbar in die Weite gerichtet wie bei allen, bie in Wirklichkeit die Tiefe ihres reichen Innenlebens schauen, auS dem heraus sie uns die großen Kultnr. schätze schenken Wie ein Wunder fast, das sich in schöner Ber- geiltigung chziöst aus dem Marmor, hebt sich so bet Meister vor unfern Blicken. Und um dies Wunber, feine visionäre Erscheinung gleichsam unterstützenb, schweben eine Anzahl andrer Gestalten. Ganz unten zu seinen Füßen reckt ein kräftiger Mann, gestaltet nur in einem kurzen Sckulter-Torso, die Arme um den Meister und preßt das leidenichaftbelebte, charakteristische Antlitz gegen die pom wallenden Mantel umhüllten Glieder. Links etwas höher hinauf erscheint eine weibliche Gestalt, auch nur ein Rumps-Torso, die in lchmerzlickcm Entzücken ber Musik des Meisters zu lauschen scheint. Ueber ihr empor ragt eine jugendlich-jungfräuliche Gestalt, die mit gefalteten Händen wie int befeligenSen Traum in die Weite blickt. Hinter dieser, etwas seitlich hervorgebeugt, schwebt bie vierte Erscheinung empor, die, wie die jungsränlichs Gestalt, völlig euSgearbcitet ist. Ihr Mund scheint au? in bangem Hoffen leiden- schattlich bewegtem Antlitz dem Meister schöpferische Gedanken ins Herz senken zu wollen. Tas ungemein bewegte Leben der vier Erscheinungen bildet im Verein mit der unenslichen Ruhe, die ilter bem Antlitz de? Meisters lagert, einen Akkord von ge - waltiger Kraft und großer Schönheit. TaS wirb bleiben, auch wenn sich sonst gegen die Idee KlingerS, die sicher noch viel, n'»' umstritten werden wird, noch so viel sagen läßt. Hamburg ist durch dieses BrahrnS.Denkmal, durch dieses überwältigende Kunstwerk Max Klinger», Detitfchland» genialstem bildenden Künstler, um ein Kunstwerk bereichert, an pem wir alle unsre tiefste Freude haben werben. Wie hier noch einmal gesagt werden mag, ist baS Denkmal entgeltlich zu besehen vom 8. b i s 23. M a i einschließlich, währen? der Zeit von 10 bis 1 Uhr. Eingang Ringstraße, Ecke Holsten- platz. Kleines Feuilleton. Ist Gaslicht den Zimmcrpstaiize» schädlich? DaS Gar, welches wir im Zimmer brennen, bat an jedem Ort andre chemische Zusamiiiensetziing, inbeni bie Verunreinigungen, die dem Gase betgemengt sind unb den Pflanzen zu schaden oeriiiögen, bald in kleineren, halb in größeren Mengen vorhanden sind. Hiernach ist eS gut verständlich, baß in einem Orte Gaslicht den Pflanzen schadet und im andern ein Schaden nicht zu verspüren ist. Ja selbst GaS auS einer unb derselben Anstalt kann je nach den Rohrleitungen, bie eS big zur Verwendung-- stelle durchströmt, bald mehr bald weniger schädlich sich erweisen. Ein weiterer, bisher nicht genügend gewürdigter Umstand ist in ber Menge beS in einem gewissen Raume verbrannten Gase« und in der natürlichen Eufienteuerung durch Fenster, Türen unb poröse Mauern zu suchen. Auch die einzeliien Pflanzen sind in ihrer Empfindlichkeit gegen die Ausströmungen von GaS verschieden. (AuS dem praktischen Ratgeber im Obst» unb Gartenbau.) Bücher und Schriften. ,,»r6eiter-3tt8enb" 9lr.it: Tie Verfassung deS Leutschen Reiche«. IL Con Ludwig Frank. - Tie Frage ber Jugendbildung auf foeiatbemo kratifchen Parteitagen, von Wilhelm Schröder Tie beiden Angler. Con Aug. Wysocki. — Blüten unb Insekten. Bon Banne Dorsch- kewln. - TaS Werden im Weltall Bon ijelij Linke. — Aus der Praxis der Jugendbewegung. — Bom KrtegSschauvlatz. — Ter Pranger der Lehrlingsschinder. - «eilag. ter blinde Passagier. Bon VI a i K>>t h — Tie Marseillaise ber russischen Revolution. Bon Tiekenbach. — CtueUe bet RttchtumS. Gedicht von £>. Thurow usw