S!r. *U. DieiMaa, den 14. September 1909. 23. Jahrgang. Hamburger Echo. ... .. Das »Hamburger Echa» erscheint täglich, außer Montags. Abonnementspreis ’> Fehlandstraße 11. Erdgeschoß. Berantwortlicher Redakteur: Cerit ft Kopke in Hamburg. Anzeigen die sechSgespaltrne Petit, eile ober deren Raum 36 4. Arbeitsmarkt. Vermietung«!- und Jamilienanzeige« 20 4. Anzeigen-Annahme Fehlandstr. 11. Erdgeschoß (bis 5 Uhr nachmittag»,, in den Filialen (bis 4 Uhr nachm.,, sowie in allen Annoncen-Bureaux. Platz, u. Datenvorjchriften ohne Berbindlichkeit. Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. Buchhandlung und Buchdruckerei-Kontor: Fehlandstr. 11, Erdgeschoß. cin ^ L Schanzenstr. bei Heim. Koenen, Sophienstr. 44. Eimsbüttel, Laugeufelde bei Carl Dreyer, Fruchtallee 42. Hoheluft, Eppendorf, (Vrost-Borstel und Winterhude bei Ernst Großkopf, Lehmweg 51. varmbeck, Uhlenhorst nlllQlnr bci ^ CDbot Petereit, Bachstr. 12. 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Mit bem Zusammenhang dieser beiden Dinge beschäftigt sich „Tag" der freikonservative Politiker Freiherr v. Zedlitz, stellt die Frage, welche Wirkung die neuen Steuern wohl Neuwahlen zum Reichstage haben würden, und Die N a t i o ii a l l i b e r a l e n , die sich sonst immer für die Berufenen halten, die Äompromißkandidaten zu stellen, machen im konkreten Fall jeyt die Erfahrung, daß die Sache auch ihre Schattenseiten hat. «te haben die Wahlprügel bekommen, die die Wählermassen unzweifelhaft den Konfervativeii mindestens ebenso gern verabfolgt hätten. Aber die Nationalliberalen können sich trösten; die erhaltenen Schläge waren auch für sie nicht unverdient, denn hätten Konservative und Zentrum nicht den Block gesprengt, so hätten die Naiionalliberalen ebenso viel indirekte «teuern bewilligt. Tie Wählermafien haben den „guten Willen" für die Tat genommen. Und sie taten recht daran. Finanzreform" „Post", richtet an „Nein. Was sagt sie?" „Nur was sie von andern gehört hat." „Ueber mich?" „Ja, über Dich und —* „Und —?" „Und Herrn Molinber." Sune verstand weder Lises bittende Stimme noch ihre Worte ganz und wußte nichts zu antworten. Da fragte sie noch leiser: „Weißt Du, was sie sagen?" Er lachte und ließ mit einem Ruck die Leiter los. Lise er - schrak und hielt sich an den Zweigen fest, daS blaffe, müde Ge - sicht Sune zuwendend. Von der braunen Wand und dem grünen Blattwerk hob sich hell und leuchtend ihr goldener Kopf ab. „Nun, das gilt wohl dem Fräulein." „Ja, Sune. Sie sagen, daß Du sie bekommen kannst, so- bald Du willst, und daß Du wieder Deinen eignen Weg gehen willst." Er antwortete nicht. DaS Mädchen stand oben auf die Leiter gelehnt und sprach wieder mit so milder, sanfter Stimme. Welche gewaltsamen Mächte stürmten auf ihn ein aus dieser weichen Gestalt, dieser singenden, leise schmeichelnden Stimme! „Willst Du das jetzt nicht mehr, Sune?" „Was?" „Was ich sagte, beides nicht?" Da hörte sie plötzlich das welke Laub rascheln — Sune ging fort. Schnell, achtlos ritz er die leeren, herabhängenden Apfel - baumzweige zur Seite und brach mit den Fützen die Mohn- stauden im Grase. Er war schon jenseits der Gartenmauer, als Lise von der Leiter herabsprang und sich wild, wie gejagt, durch daS kahle Gebüsch drängte. Drautzen faßte sie ihn. Sie begann zu bitten, rührend, verwirrt. „O, steh' still. Aber geh' bald, liebster — Bruder, Sune, Sune, mein — Sune. Ja, gewiß gehst Du fort. Und tu unS kein Leid mehr. Du bist nie so gut gegen mich gewesen, wie jetzt. Wenn Du gehst, so geh' im guten. Ja, ja. Du warst ja immer so herzensgut. Du konntest früher niemals etwa» Böses tun." Ihre Stimme zitterte. Manchmal sprach sie wie die Mutter, bann wieder war ihr Ton nur voll Angst und Qual. «ie war totenbleich, ihr Blick gejagt. Sune ahnte, daß sie in diesen Tagen viel gelitten haben mußte. Doch ihre Hand umklammerte die seine wie ein Schraubstock. Ein wunderlicher saugender Schmerz ging von diesem kleinen Griff um seine Hand aus und erschütterte sein ganzes Wesen. Ein Rausch von Lust und Sozialdemokratie kann der Natur der Sache nach P o r - teile aus der Perstimmung breiter Massen über die Mehr - belastung ihrer Genußmittel ziehen, und jede Bekämpfung der Finanzreform im ganzen liefert nur Wasser auf deren Mühle." 2er Herr hat nicht unrecht. Und es konnte gar nicht anders kommen. Das hätten sich die Liberalen übrigens im voraus sagen können. Wenn sie daraus nun wenigstens die Lehre schöpfen wollten, daß es mit der Ueberbelaftung der Volksmassen am irnbc angekommen ist! Aber bei der nächsten „Finanzreform" wird das alte Spiel sicher wieder beginnen. Hier kann nur der klar und unzweideutig ausgesprochene Wille der Volks- massen ein Ende machen. Daß er bei den nächsten Wahlen schon deutlich zum Ausdruck kommen wird, befürchtet auch der freironferbatibe Führer. Er ermahn: deshalb die bürgerlichen Parteien, den Hader in der „Finanzreform" einzustellen und sich wieder zum Kamps gegen d i e Sozialdemokratie zusammenzuschließen. Unter den obwaltenden Umständen wird freilich nicht viel nützen. menschlichen Körper sich vollziehenden Vorgänge halten kamt, hat darum keine Ahnung von einer modernen Gesellschafts - wissenschaft. Und dennoch stehen unsre sozialen Verhältnisse mit den allgemeinen Krankheitserscheinungen in einem engen Zusammenhang. So hat auf dem allgemeinen medizinischen Kongresse zu Budapest soeben Herr Hofrat Gruber aus München einen großen Vortrag über: „Vererbung, Auslese und Hy - giene" gehalten und hat gegenüber dem erschreckenden Bilde von der Degeneration unsres Volkes, wie er es ge - schildert, eine ebenso erschreckende Rückständigkeit seiner wissen - schaftlichen Anschauungen offenbart. Er forschte nach den Ur - sachen dieser Degeneration und mußte schließlich zugestehen, daß sie vielfach für ihn ein Geheimniß geblieben sind. Woher kommen die vielen Krüppel, die vielen Kurzsichtigen, die vielen Frauen, die ihre Kinder nicht selbst stillen können, die vielen Untauglichen bei der Aushebung der Truppen, die vielen Opfer der käuflichen Liebe, die vielen Nervösen, und die vielen Verrückten? So fragt er und kommt schließlich zu einer Er - klärung, die wie eine Verlegenheitsausrcde erscheint. Die De - generation kommt nach seiner Meinung daher, wenigstens zum größten Teile, daß „beim Kulturmenschen die Auslese — bei der Verbindung der Geschlechter zur Fort - pflanzung — niemals scharf genug sein kann." Und daran knüpft sich der gute Rat:DieKuIturvölker müssen Züchtungskunst treiben!" Man nennt diese neue Wissenschaft Eugenik. Das ist also alles, was der hochgelahrte Herr Hofrat gegen die Degeneration von heute vorzuschlagcn weiß; dies ist seine ganze wissenschaftliche Erkenntnis, die er auszubietcu vermag in dem Geisteskampf gegenüber einer Frage, von der Sein oder Nichtsein der Gesellschaft abhängt. Der Herr Hofrat hat nur das Rauschen der Blätter seiner dicken Bücher vernommen, aus denen er seine nach der Lampe duf - tende Weisheit entnommen; das Rauschen des wirklichen Lebens draußen ist ihm in seiner weltfernen Studierstube wie es scheint, völlig entgangen. Weiß er denn nicht, daß die menschliche Gesellschaft in Klassen abgegliedert ist und daß diese Gliederung sich auf die Vorrechte gründet, durch welche die große Masse von einer kleinen Minderheit beherrscht und ausgebeutet wird? Die moderne Gesellschaftswissenschaft, die der Herr Hofrat in seinem Vortrage auch nicht einmal gestreift hat, zeigt uns, wie weit diese Unterdrückung und Ausbeutung geht, und welchen Schaden sie dem Volkskörper an seiner Gesundheit zu - fügt. Man kann heute, ohne daß ein begründeter Einwand überhaupt möglich wäre, feststellen, daß bei dem bestehenden Verhältnis von Volkseinkommen und Lebensmittelpreisen eine Unterernährung des weitaus größten Teiles des deutschen Volkes stattfindet. Dazu kommt die so häufige Ueberanspannung der Arbeitskräfte, die Intensität der Arbeit, welche mit dem furchtbaren Konkurrenz - kämpfe in der heutigen Geschäftswelt verbunden ist. Die auf der sozialpolitischen Gesetzgebung beruhende Hygiene hat hier, wenn auch die Arbeitszeit beschränkt ist, bei weitem nicht die notwendige Ausdehnung erreicht. Wir brauchen den engen Zusammenhang der Degeneration mit der kapitalistischen Pro - duktionsform und der Klassenherrschaft wohl nicht noch näher nachzuweisen; auf alle Fälle ist es eine Tatsache, daß die „Auslese" oder Zuchtwahl bei der heutigen Degeneration nicht entfernt die Rolle spielt, wie die kapitalistische Ausbeutung. Dabei muß bemerkt werden, daß bei der Masse des Volkes den Konservativen über bas die „Auslese" weit mehr dazu beiträgt, der Degeneration ent - gegenzuwirken, als bei den oberen Zehntausend. Bei der Masse, wo mehr nach Neigung oder Liebe sich die Paare zu- ammenfinden, werden selten so widersinnige Verbindungen tattfinden, wie bei den oberen Zehntausend, wo männliche und weibliche Krüppel um ihres Geldes willen geheiratet werden. Wie oft liest man Inserate, in denen eine reiche Frau gesucht wird, die auch alle möglichen körperlichen Mängel haben darf! Welch eine „Auslese"! Auf welche Art die Züchtungskunst betrieben werden soll, das sagt der Herr Hofrat nicht näher. Er empfiehlt nicht, es so zu machen, wie die Spartaner, welche alle verkrüppelten Kinder in einen Abgrund warfen; er weiß aber gegen eine solche „hygienische" Maßregel auch nur den Einwand aufzu - bringen, daß man die „Massenproduktion" für einen solchen Verlust nicht leisten könne. So bewegt sich auch hier, wie so oft, die Wissenschaft nur im Jnteressenkreise der herrschenden Klassen. Daß die erste Bedingung, der Degeneration wirksam zu steuern, die Ein - schränkung, resp, die Beseitigung der kapitalisti - schen Ausbeutung in Stadt und Land ist — dieser un - bequemen Tatsache geht der loyale Gelehrte sorgsam aus dem Wege. Von einigen wenigen um so lobenswerteren Aus- rrhmen abgesehen, überlassen cs die Herren Physiologen der Sozialdemokratie, die Erklärung für die Zerstörung der Volks - gesundheit in der unbarmherzigen Ausbeulung der Arbeitskraft und der Unterernährung zu suchen. Wenn man die bei der harten Arbeit verbrauchten Be - standteile von Hirn, Muskeln ujib Nerven durch genügende Ernährung und Erholung wieder ersetzen könnte, so wäre das ein weit gewichtigeres Mittel gegen die Degeneration, als die sorgfältigste „Auslese". Die kapitalistische Weltordnung hat nach dem Vorbilde des feudal-kapitalistischen Junkers Bismarck wohl Millio - näre gezüchtet; daß sie berufen ist, gesunde Völker zu züchten, daran darf man billigcrweise zweifeln. Die Rettung aus dem kapitalistisch-feudalen System von heute bedeutet auch die Rettung aus der Degeneration. Einige hochwohlweise bürgerliche Politiker werden uns hier wieder entgegenhalten, wir wollten den Kapitalismus zum Sündenbock für alles stempeln. Das fällt uns gar nicht ein. Wir werden nicht jeden Buckel und jeden Narren im Sünden - register des Kapitalismus verzeichnet haben wollen. Aber daß der Kapitalismus die Hauptschuld an den reihenden Fort - schritten der Degeneration unsrer Zeit trägt, das scheint uns außer Zweifel. Im Volke fördert er die Degeneration durch Ausbeutung, Mangel und Verpauperung überhaupt, bci den herrschenden Klassen durch übertriebene Schwelgereien und Ausschweifungen. Das scheint aber über den Horizont eines Münchener Hofrats zu gehen. Manchmal, wenn er bas Vergnügte, gcksunbe, rotbraune Ge- ficht der Mutter sah, wie sie bem Vater, Der immer blaffet wer» benben Tochter aber einem bet Nachbarsleute zulächelte — bäumte e» sich in feinem Herzen, dachte er an Gewalt im Gefühl seines Rechts, und seine Fäuste ballten sich. Aber seine Glieder waren schlaff, als wollten sie sich lösen, und ein selbstgehässiger, verwirrter Gram, unklar .... Herbstnebel, schlich sich immer tiefer in all fein Denken und Fühlen hinein. Et begegnete allen freundlich bis zur Nachgiebigkeit. Verhalten der Partei in «neben der für sicki au-nützen. Ihr £rgan, die die fonferOatibcn Männer, welche sich CNachbruck verboten.) Sune Storvik. Novelle von Gustaf Allman. Im allgemeinen bringt man den Verhandlungen der 1 " ' 1 i medizinischen Kongresse mit allgemeinen medizinischen Kongresse Recht ein hohes Interesse entgegen. Es offenbart sich dort, welche Fortschritte in der Erforschung von Ursache und Ver - lauf der Krankheiten des menschlichen Körpers und in der Be - kämpfung derselben gemacht worden sind. Eine staunens - werte Fülle neuer Gedanken kommt da manchmal zum Vor - schein. Nicht selten aber bekundet sich eine recht bedauerliche Einseitigkeit bei den Leuchten der Wissenschaft. Gar mancher Physiologe ist ein schlechter Soziologe, d. h. gar mancher Professor, der gediegene Vorträge über die am thfdjcn : besonn sammt. _ _ sehr wohl, datz es, zumal im gegenwärtigen Moment, nicht das foezielle Interesse bet Konservativen gegen die Wahlreform ansspielen bars; es versucht wenn es zu einet Halbwegs demokratischen Rev 'Ji. atrirrt) weih daS Organ der Junker sehr wohl, d Begierde packte ihn, als sie dicht an feiner Wange flüsterte: „Tu sollst heute haben, was Du willst — aber nimm uns hier nicht alles fort — sonst — sonst — was Du willst, Sune —" Er preßte ihren Körper an den feinen, eS weinte in ihm vor Liebessehnen, eine Tiefe öffnete und schloß sich vor ihm. Aber in dieser Heftigkeit der Leidenschaft und des Verlangens nach Zärtlichkeit fühlte er, daß et, nicht sie ein für ewig Ge» fallener wäre, wenn er jetzt annähme, was ihm im Schmetz und nicht in höchster Freude angeboten wurde. In feinen Zügen flackerte bald ein Lächeln, bald ein begin - nendes Weinen. Blind gehorchte er der kleinen festen Hand, welche die feine hielt und ihn wieder hinein führte. Lise und Sune schlichen in fein Zimmer. Draußen schliefen Erde und Meer. Die Leiter stand noch an der Mauer nach dem Garten zu, und die Kriechetstfen unter dem Dachfirst raschelten im Winde. Tic Nationalliberalen als Prügelknaben. Eine längere, den Umständen angemessen recht trübsinnige Betrachtung über den WahIausfa 11 in Stollberg- Schneeberg schließt die „NattonaUib. Korrespondenz" mit folgenden Bemerkungen: „T aktisch wäre es vielleicht richtiger gewesen, wenn die nationalliberale Parteileitung in Schnee - berg-Stollberg die Konservativen und Bündle r die Folgen ihrer Steuerpolitik selbst hätte tragen lassen; wenn sie darauf hingewirkt hätte, baß, wie bei der vorigen Wahl, wieder ein f r e i f o n f e r b a t i ö c r Kandidat dem Sozial - demokraten entgegengestellt würde. Es mag fein, daß ein solcher noch weniger Stimmen erhalten hätte als der national- liberale. Aber da an einen Sieg ja, wie oben ausgeführt, sowieso nicht zu denken war, so war b i e Stellung bes zum P r ü g_e 11'n a b e n prädestinierten Kandidaten ein Opfer, das die nattonalliberale Partei brachte — cm VI. Der alte Starb ik und Edvin Berndts waren nach der Stadt gefahren. Sie hatten immer häufiger Geschäfte dort zu erledigen. Das bleiche Wasser draußen lag wie im Todes;chlurnmer. Alles war umfangen von dem graublauen, schlafenden Dftober» Himmel, der sich unter der Schwere der Regenwolken zu senken schien. Ein gedämpftes Licht, wie von einem verborgenen Feuer - herd, stieg jeden Morgen über den dunkelblauen niedrigen Hü - geln ins Land. Es war beständige Dämmerung, ein Tag, der nicht erwachen wollte. Seitdem der Wagen mit den Männern ;ortgerai;elt war, herrschte auf beiden Seiten des Weges völlige Ruhe auf den f Der Nachbarsbauer ging am Strande entlang, ">1 Stock und Schirm, wie immer, 'doch mit neuen, glanzenden Holzschuhen. Er tat, als besichtige er drunten einen verfallenen Psahlzaun. Oben in Storviks Garten standen Lise und Mädchen hatte Kriecherbfen in dichte, dunkelgrüne Bu;ckxl zu- fammengebunben. Sune stellte eine Leiter an die Wauer, un bann hängten sie die Zweige in doppelten Rechen auf Nagel unter dem Dachfirst. Life wollte es allein machen, er wllte ihr nur die Leiter festhalten. , Furten Man hätte sie wirklich für Kinder desselben hatten können. Sie waren beide ein wenig fdjianfer, als Landleute tn der Regel sind. Auch geckleidet waren sie, ganz gleichmäßig, in arauc und schwarze grobe Tracht von einfacher Form. Mit stummer, merkwürdiger Wachsamkeit solgten «uneS Blicke jeder Bewegung LiseS. Ihre Nähe schien 1 n »er mu Natur eine Befriedigung, eine fast kindliche Ruhe »u gewahren, die er scksweigend in vollen Zügen genoß. Glitt sein Bli sswnch mal für einen kurzen Moment von ihr ab, so sah er leer unb falt über die weite Küste und kehrte schnell wieder zu demselben ' Toch das Schweigen wurde drückend wie ein hartes Gesetz, baö man brechen möchte. Und sie war es, die — ''f oben auf der Leiter staub — begann: „Weißt Du, Sune, wak Mutter sagt?" Wahlberein der freiton ferbatiben Partei anzu- schließen. Ter Gedanke der Gründung einer j u n g f o n f c r> tonferbatiben Partei, der in Groß-Berlin auf tauchte, sei, so resümiert die „Post", kein glücklicher unb werde eine be - trächtliche praktische Bedeutung nicht gewinnen. Die Freikonserbatiben, die ehemalige „Botschasterfraftion', sind nur ein Häuflein politischer Offiziere ohne Soldaten. Sie möchten sich so ein „Heer" schaffen. Aber viele werden sie wohl nicht einfangen. Folgen der Tabaksteuer. In der „Dresdener Volkszeitung" veröffentlicht der Dres- bener Gauleiter des Teutschen Tabakarbeiterverbandes, O. Wenzel, eine Tarstellung der schlimmen Folgen, die das Verbrechen des Schnapsblocks über die Tabakproletarier Sachsens bringt. Zu. nächst wird festgeftellt, daß 476 Arbeiter und Arbeiterinnen gänz - lich entlassen sind. Daß diese Arbeitslosen seht in andern Tabak - fabriken Unterkommen können, ist völlig ausgeschlossen. Zur Leistung andrer Arbeit ist ihr febroäetlicher Körper vielfach nicht geeignet, und so gehen diese einer mehr als trüoen Zutunst ent - gegen. Tem Hunger unö dem Elend jeno sie überliefert. Dazu kommt, datz .'446 Personen tagelang ansseyen und feiern mutzten, mit einer Gesamtzahl von 26 283 verlorenen Arbeitstagen. Per- kürzte Arbeitszeit haben 2203 Arbeiter mit pro SBodie 42 249 ver - lorenen Arbeitsstunden. Ferner ist 2385 Personen bas zu lie- fernbe Pensum erniedrigt worden, und zwar um Vs bis H der bisherigen Produktion. Ter Lohn ausfall macht bemgemäh eine enorme Summe aus. Zwar haben Reichstag und Regierung einen Unterstütziings- fonds für die geschädigten Tabakarbeiter geschaffen; doch wird die ganze Lächerlichkeit des Viermillionenfonds durch vorstehende Lohnberechnungen zur Evidenz bewiesen. Giesberts, bei chrift. Hebe Arbeiter,ekretär, kann wirklich stolz fein auf seinen ihm von der Regierung diktierten Antrag, nur vier Millionen Mark auf zwei Jahre Unterstützung festzusetzen. Etwa ,* 85 000 beträgt allein der Lohnausfall bei sächsischen Tabalarbeiter in 14 Tagen. Da sollen vier Millionen Mark fürganzDeutschland zwei Jahre lang reühen?! Wenn schon allein in Sachsen so ge - waltige Schädigungen zu verzeichnen sind, kann man sich annähernb ein Bild des krassesten Elend? anomalen, daS sich durch Zuiammenstellung der Tatsackien aus dem Reiche ergeben muß. Dabei stehen wir noch ant Anfang der Krise. Das ganze Elend, welches die Raubpolitik des Schnapsblocks über die Tabakarbeiter gebracht hat, wird sich erst in feiner ganzen Größe offenbaren, wenn die setzt leeren Läger sich gefüllt haben. Maffenentlaffungen sind schon angekündigt. Was bedeuten demgegenüber die vier Millionen? Daß sie nicht auSreidien können, um die herein- gebrochene unb noch bevorstehende Not zu lindern, scheint beu Be - hörden selbst einzuleuchten. 'Ulan kann es wenigstens annehmen, wenn man weiß, datz schon über 14 Tage feit Einreichung vieler Unterstützungsgesuche verstrichen sind, die Arbeiter aber noch nichts erhalten, haben. Hat die Behörde Sorge, daß der Fonds zu schnell verbraucht wird, wenn man die Gesuche etwas rascher erledigt? Tie Arbeitslosigkeit und Erwerbsbeschränkung der Arbeiter scheinen auch die Unternehmer für Lohnreduzierungen ausnützen zu wollen. Dieselben Fabrikanten, die als Mitglieder des Teutschen Tabakbereins der Regierung 40 Millionen Steuern angeboten haben, wagen es, den erbärmlichen Lohn der Arbeiter angesichts der ungeheuerlichen Verteurung der ganzen LebenS- Haltung des Volkes noch zu kürzen! antwortet: „Der Ausgang der Wahl im Wahlkreise Stollberg-Schneeberg bestätigt einfach, was schon der Ausfall der Landauer Wahl auf das nachdrücklichste gelehrt hat. Die Reichsfinanzreform mit ihren mehr als 300 Millionen Steuern auf den Verbrauch der großen Massen wirkt eben genau so, wie die Zoll- und Steuer - reform von 1879 und die Erhöhung der Branntweinsteuer und der Getreidezölle im Jahre 1887; d i e Opposition hat vollen Wind in den Segeln, die Mehrheitsparteien zah - len die Zeche. Das ist eine unvermeidliche Folgeerscheinung des Reichstagswahlrechts, bei dem die eigensüchtigsten Motive sich un - gezügelt geltend machen sönnen." Herr v. Zedlitz ist der Meinung, daß alle bürgerlichen Parteien bei Neuwahlen zum Reichstag den Schaden zu tragen haben würden: „Wer sich damit zu trösten sucht, datz die jüngsten Wahlniederlagen auf die Rechnung des schwarzen Blockes fallen, lügt sich daher einfach in die Tasche. National- liberale und Linksliberale werden den Unmut der breiten Massen genau so schwer empfinden, wie die rechtsstehenden Parteien. Die so oft bekundete Bereitwilligkeit, 400 Millionen inbireMeSteuern z u bewilligen, wird ihnen bei den Wahlen genau so angelreibet, als hätten sie biefe Bereit - willigkeit in die Tat umgesetzt. DaS ist bitter, aber auch darin wirb man sich im liberalen Lager finben müssen. Allein b i e Der Schmerz, Lise soviel Trauer unb heimliches Leid be - reitet zu haben, zehrte wie eine Krankheit an Sunes Gemüt und brach seinen letzten Mut. Er machte keine Pläne mehr, dachte weder an Rache noch an Versöhnung. Daß die Gespielin seiner Kindheit litt, verriet ihm das scheue Schweigen, mit dem sie ohne Blick und Wort an ihm vor - überging. Vielleicht, dachte er, ist gerade diese stumme Furcht ein Zeugnis dafür, daß sie ihn doch wirklich liebte, den sie Bruder nannte, obgleich die andern und der betäubende Einfluß der Zeit sie auf einen andern Weg geführt butten. _ . In diesem Falle war fein Schicksal um ,o schwerer «einen schönsten Traum feit feinen Jugendjahren, seine süßeste und ver - lockendste Erinnerung hatte er geschändet. Und all seine Qualen begannen ihm als die Vollziehung eines heimlich tcher ihn ver - hängten Gerichts zu erscheinen, das nun schrecklich fetn Maß füllte. Von der Höhe des Berges beobachtete Sune eines Morgens im fisbergraucn Nebellicht, wie die Fischerboote in langen Reihen über die weite Wasserfläche hinausglitten. Seine Augen folgten der Flottille, die wie eine Familie von Eidergänsen drautzen kreuzte, sich in die Länge zog und um die schmale Landzunge verschwand. Wie mächtig dieser Anblick die Sinne anzog, hinaus auf das einsame Meer unter dem feuchtkühlen Himmel! Wie ein Fieber- kranker in seinen Visionen nach kühlen Springquellen und eisigem Champagner lechzt, so drängte es Sune danach, die Segel im brausenden Winde knattern, das Wasser gegen die nassen Buge klatschen unb bie eifrigen, kräftigen Stimmen brautzen reden zu hören. Es war wohl etwas von dem väterlichen Leben, das s,ch in dem Nachkommen regte und roiebergebären wollte, setzt, roc fein ganzes eignes Wesen im Kampf lag ober völlig erlosch, roc er wurzellos ward unb in totem Wasser trieb. ®t hatte einer von denen sein wollen, bie einen langen Weg machen aber wieder zurückerwartet und willkommen geheißen werden. Für immer wegblefben wollte er um Gotteswillen nie. .hierher gehörte er, von hier wollte er nicht fort. Dock er paßte nicht mehr hierher. Keiner bedurfte seiner, alle wandten ihm den Rücken. Wer er liebte alles hier, lln- vernünftiger als ein Narr, welcher al? ein Kind, bettelte et darum, für ewig von dieser schweigenden herbstlich oben Küste umfangen zu werden, deren sarge Wiesen und nackte Bäume der Nebel verhüllte. Die einzige lebende Stimme in dieser feiner Welt war die verweinte Stimme Lises — die ihn bat, daß er gehe. Die preußische Wahlreform macht die „Kreuzzeitung" einmal wieder zum Gegenstand einer längeren Betrachtung, aus der in jeder jfcile bie Besorgnis spricht, datz die Juiikerrnacht einen argen stoß erleiden könnte. Spät am Tage kehrte der Vater heim, mit rotem Kopf, im Festrausch. Sune begegnete ihm in dem großen Z' Gesicht war bleich, seine Zunge mcrftcürbig sckftve Barben steif. Währenb sie auf das Mittagbrot warteten, bas die Mutter unb Life brautzen bereiteten, bot ber Bauer seinem Sohne den Rest aus seiner Reiseflasche dar. Sune trank. „Prost, mein Sohn," sagte ber Vater bann und erhob feint mächtige Nase, während er bie Flasche leerte. „Prost! Ich soll meinen Sohn von meinem Freund Molinber grüßen," fügte er darum zunächst Zeit zu gewinnen und den Liberalen das Ver - langen nach einer sofortigen Reform auszureden; ein solches Werk dürfe auf keinen Fall überstürzt werden: „Ein Hinausschieben der Entscheidung über ein wichtiges staatliches Reformwerk würbe ben nicht zu unterfchätzenben Vor - teil bieten, bah badurch ben Parteikämpsen ein Gegen- ftanb vorläufig entzogen würbe, bet nur zu noch größeren Zwistigkeiten im Lager der bürgerlichen Par - teien führen müßte, als sie schon heute zum Schaben des inneren Friedens und zum Nutzen der Sozialdemokratie an der Tagesordnung sind. Wenn die Sozialdemokraten ein Rezept zu schreiben hätten, bas zur Kräftigung ihrer Propaganda und zur Schwächung ber „Bourgeois" bienen soll, dann könnte es nur lauten: Sofortige Einbringung ber preußischen Wahlrechts - reform mit möglichst starkem bemokratischen Einschlag." Heuchlerisch versichert bie „Kreuzzeitung" dann, sie habe nicht etwa bie Absicht, bie Reform zu hintertreiben, benn die Konser - vativen pflegten stets die Staatsraifon über das Parteiinteresse zu stellen. Um so mehr versucht sie, den Liberalen Angst vor der von ihnen selbst geforderten Wahlreform zu machen, indem sie weiter ausfuhrt: „Die Liberalen, besonders aber die Demokraten, gehen freilich von der Meinung aus, der Liberalismus wurde in Preußen und darüber hinaus im Reiche mit einem Schlage bie e r - wünschte Macht und Stärke erlangen, wenn nach ihren Vorschlägen das Wahlrecht reformiert würde. Sie stellen sich dieses Rechenexempel einfach so vor: Grundsätzliche Minde - rung des ländlichen Einflusses durch Temokratisierung des Wahl- rechts unb anbertoeitige Wahlkreiseinteilung unb damit ver - bunden ganz erhebliche Stärkung des städtischen Einflusses. Fazit: Starkes Sinken ber konservativen und noch stärkeres An - wachsen der liberalen Mandate. Aber diese Rechnung ist un - richtig. Es ist ein wesentlicher Faktor dabei vergessen: die S o z i albemolratie, die schon durch die vor kurzem zum ersten Male zur Anwendung gekommene „kleine Wahlrechts - reform" ganz respektable Vorteile batongetragen hat. Schon ein Blick auf die keineswegs glängcnocn Geschäfte, die ber Freisinn auf Grunb bes allgemeinen, gleichen Wahlrechts im Reichstage macht, sollte den Linksliberalen über den Widersinn ihrer radi - kalen Wünsche zur Gestaltung des preußischen Wahlrechts die Augen öffnen." Was hier die „Kreuzzeitung" den Liberalen sagt, das sagen diese sich tief in ihres Herzens Innern auch selbst. Und darum ist es den politisch kurzsichtigen Elementen auch so wenig Ernst mit einer wirklich demokratischen Wahlreform für Preußen, wenn der Freisinn sie auch „programmgemäß" fordert. Er weiß ja sehr gut, daß an eine Erlangung des Reichstags - wahlrechts für Preußen schwerlich so bald zu denken ist, und so- mit erscheint ihm seine eigene Forderung „ungefährlich". Jeden - falls wäre eine wirklich ^demokratische Reform nur möglich Unterführung der Sozialdemokratie, und die Ar - beiterklasse würde auch die Hauptnutznießerin derselben fein. Davor haben aber die freisinnigen Führer und ihr Spießbürger- anhang eine Heidenangst und sie werden sich gern mit einer „Wahlreform" begnügen, die mit den Konservativen gemacht iver- den sann und bann natürlich auch danach geartet wäre. Wenn es also nach den liberalen Wahlreformern ginge, würde sicher nicht Vie! dabei heranskommen. Aber auch die Arbeiter - schaft verlangt im eigensten Slaffcijintcrffc dringend nach einer Reform und zwar nach einer ernsten und sie wird alles dran- setzen, sie zu erzwingen. Das Bürgertum hat aber auch ein wirtschaftliches Interesse an der Reform, denn die Junker- Herrschaft gefährdet, je länger sie dauert, immer stärker die Interessen ton Industrie, Handel und Verkehr. Da werden eilicnlid) politische Bedenken, die aus der Furcht vor bem achten des Einflusses bet Arbeiterklasse entspringen, zurück - treten müssen. Sie wollen im Trüben fischen. Tie Freikonfervativen möchten setzt bie Miß-