Nr. 10. TonnerStag, den 13. Aanuar 1010. 24. Jahrgang. Hamburger Echo Da? »Hamburger Fehlandftraße 11, Erdgeschoß, Berantwortlicher Redakteur: Ernft Köpke in Hamburg. Anzeigen die sechsgespallene Petitzeile oder deren Naum 35 4, Arbeitsmnrtt. Ncrmirtnug«. und Namilienanzeigrn 20 4 '7ln zeige». Annahme Fedlandflr. 11. Erdgeschoß >bis 5 lllir nachmittag«!, in den Filialen ibiS 4 llhr nachm.), sowie in allen Annoncen-Bureaux. Platz- u. Dalenvorschristen ohne Berbindlichkeit. Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. Buchhandlung und Buchdruckerei-Kontor: Fehlandstr. 11. Erdgeschoß. 'V» /♦ « St. Pauli, einschl. Schanzenstr., bei Heinr. Koenen, Sophienstr. 44. Eimsbüttel, Langenselde bei Earl Dreyer, Fruchtallee 42. Hoheluft, Eppendorf, Vtrotz-Borftel und Winterhude bei Ernst Großkopf, Lebmweg 61. varmbeck, ilhlrnhorst bei Theodor Ä’l Petereit, Bachstr. 12. Hohenfelde, Porgselde, Hamm, Horn, Schissbeck und Pillwärder bei Carl Ortel. Baustr. 26. Hammerbrook bis Ausschläger Billdeich bei Rud. Fuhrmann, Schwabens»». 33. Rotenburgsort und Veddel bei Th. Reimer, Lindloystr. 16 0 »»IUIUh Wilhelmsburg bei Carl C. Diehl, Meyerstr. 12, 1. Et. Etlbeit, Wandsbeck, Hinichenfelde und Oft-Parmbeck bei Franz Krüger, Kurze Reihe 34. Altona bei Friedr. Ludwig. Bürgersir. 118. Ottensen, Bahrenskid bei Joh. Heine, Bahrentelderstr. 129. Die Miihlerlisten ntr Dürgerschaftswahl liegen vom 11« fitÖ 1 S* 0(11111111*, werttags von S 4: 111)1*, Sonntag von 11 bis 3 Uhr, öffentlich aus. $criiiimc fein Wähler, sidi \\i ucrncnjüieni, öiii jein Ülanic in Ser M steht! Hierzu zwei Beilagen. Die Baumwollenkrise. Zum zweitenmal innerhalb weniger Jahre sieht sich die Baumwollenindustrie, welche Millionen von Menschen direkt oder indirekt Lebensunterhalt resp. Erwerb bietet, worin Milliarden investiert sind und welche für mehr als 80 pZt. der Erde die nötige Bekleidung liefert, durch den Mangel an Rohmaterial gehindert, ihre Betriebe in normalem Um - fang aufrecht zu erhalten. — So ungefähr beginnt ein Ar - tikel des „Eeonomist" der Wiener „Neuen Freien Prefle" von Arthur Kuffler über das Problem der gegenwärtigen Krise in der Baumwollenindustrie. Die wirtschaftliche Bedeutung derselben mag daran ermessen werden, daß es sich in Oester - reich allein um die Verminderung des Lohneinkommens von mehr als 200 000 erwerbenden Personen handelt, die Fa - milienglieder nicht eingerechnet! Dazu kommt, daß die Steige - rung der Rohstoffpreise die Zahlungsbilanz aller europäischen Länder aufs ungünstigste beeinflußt. Der Mehrwert der Baumwollimporte aus Amerika nach Europa auf Basis des jetzigen Preisniveaus gegenüber dem noch vor acht bis zehn Monaten gültigen wird auf 800 bis 1000 Millionen ge - schätzt. Der Autor gibt zu, daß die ähnlichen Verhältnisse vor fünf Jahren, speziell die enormen Preissteigerungen, durch Die Spekulation verursacht waren. Mit der Bekämpfung der Spekulation und Abschaffung des Terminhandels glaubte man Oie Kalamtlat zu überwinden. Es kann auch nicht geleugnet werden, daß an der jetzigen Preisbildung die amerikanische Spekulation nicht unbeteiligt ist. Allein diese, meint der Autor, könnte unmöglich zu ihren schweren winschaftiichen Nachteilen sich auswirken, wenn die Disparität (Verschieden - heit) zwischen dem Baumwollbedarf der Welt und der Baum- wollvcrsorgung nicht wirklich bestünde. „Es muß als Tatsache bezeichnet werden, daß der Konsum an Baumwollenwaren stetig zunimmt und sich im Laufe von zivanzig Jahren fast verdoppelt hat, ohne daß neue Gebiete für die Produktion dieses wichtigsten aller industriellen Rohstoffe erschlossen worden wären." Die ganze Baumwollenindustrie der Welt ist, zum mindesten was die Preisbildung anbelangt, von den Vereinigten Staaten von Nordamerika abhängig; dort aber ist seit Jahren keine wesentliche Vergrößerung der An - baufläche erfolgt. Die Folge ist, daß die natürlichen, durch die Witterungsverhältnisse verursachten Schwankungen der Erntevcrhältnisse für die Baumwollenindustrie und Ver - braucher der Welt entscheidend sind! In Deutschland zählen die Arbeiter zu den am schwersten Leidtragenden der gegenwärtigen Baumwollenkrise. Hier zählt die Textilindustrie, und zwar vor allem in Baumwolle, zu den bedeutendsten, und zwar besonders in Preußen, Elsaß- Lothringen, Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden. Von dem raschen Aufschwung in Deutschland mögen folgende Ziffern einen Begriff geben: Zahl der Spindeln »Z« Tmtjckland Oesteircich-Ungarn Rusjisch-Polen Schweiz Holland Belgien 1887 5 055 000 2 070 000 508 000 1 711 000 215 000 605 000 1898 1887 _ 1898 7 884 000 1 007 000 1 581 000 3 140 000 500 000 600 000 955 000 119 000 286 000 1 700 900 100 000 100 000 270 000 44 000 50 000 881 000 72 000 122 000 Die amerikanische Baumwolle übertrifft an Qualität wie an Preis die anderen Länder. Schwerlich werden sich daher die amerikanischen Pflanzer zur Vergrößerung der Anbau - fläche entschließen, nach dem Vorschlag unseres Autors. Es. ist tiekanntlich schon öfter dagewesen, daß bei guten Ernten an Bodenprodukten ein großer Teil derselben ins Meer ge - worfen wurde, um die Preise enorm in die Höhe zu treiben. Die Baumwollenkrise, bei der ja auch die Unternehmer Haare lassen müssen, könnte aber sehr wohl dazu führen, jenen Vor - schlag auözusühren. ES zeigt sich auch in diesen Erscheinungen die anarchische Natur des Kapitalismus, der die Befriedigung auch der drin - gendsten Bedürfnisse von dem Profitinteresse der Ka - pitalisten abhängig macht, der alles andere will, nur nicht die Prodnktioi! dem wirklichen Bedürfnis der Volksmaffen an- passen. Hier steht freilich das ebenfalls kapitalistische Jnteresie der Verarbeiter der Baumwolle dem der Banmwollenpjlanzer entgegen, wie auch auf anderen industriellen Gebieten das Interesse der Erzeuger von Rohprodukten dem der Weiter- nerarbeiter. In diesem speziellen Falle handelt es sich um ein Naturprodukt, das in ungenügender Menge erzeugt wird. Da solche Krisis nicht zum ersten Male auftauchl, hätte längst systematisch für die bessere Versorgung des Bamn- wollenmarktes Vorkehrung getroffen werden müssen. Das machen aber die widerstreitenden kapitalistischen Interessen un - möglich. Solchen Krisen kann nur eine systematische Ordnuitgder Produktion begegnen, wie die Sozial - demokratie sie in ihrer Zukunftsorganisation der Gesell - schaft im Ange hat, die die Produktion nach dem Bedarf regeln kann. Solange das Profitinteresse allein entscheidend ist, Wird das unmöglich fein. Politische Uebersicht. AuS dem Reichstag. Berlin, 11. Januar. Zum x-ten Male stand heute wieder einmal Mecklenburg aus der Tagesordnung. Wenn Fritz Reuter noch lebte, so würde er nach dem heutigen Ausgange der von den Nationalliberalen und Freisinnigen eingebrachten Interpellation, die mecklenburgische Perfassungsangelegenheit betreffend, bei Durchsicht seiner Werke behufs einer zu veranstaltenden Neuauflage den § 1 der mccklen- bugischen Verfassung in seiner »Urgeschian von Mecklenburg": ,,'t bliwt alles bim ollen," höasitwahrscheinlich doppelt oder gar dreifach unterstreiclien. Es war dieser Tage höchst amüsant in libe - ralen Blättern zu lesen, daß, siclrereii Nachrichten zufolge, der Reichskanzler in Person die Interpellation zu beantworten gedenke, und zwar recht gründlich. Die liberalen Zeitungsschreiber wissen, was sie ihren Lesern zumuttzn dürfen. Denn daß sie selber an die Richtigkeit dieser Tartarcnnachricht geglaubt haben sollten, ist doch Wohl kaum anzunehmen, ebensowenig, daß sie und die Liveralcu der Meinung mären, daß der Bundesrat die Rolle des Derfassungs- erekutors übernehmen und die Mecklenburg.iwc Rilieiscvaft zwingen würde, ihren Widerstand gegen die Vorschläge der Regierung auf - zugeben. Es will uns nicht in den Sinn, daß auch nur einer der Interpellanten sich dieser Hoffnung hingegeben haben sollte, denn das würde einfach einen so riesigen Umschwung in der Gesinnung der sämtlichen Bundesregierungen bezw. der „maßgebenden" Stelle in der Regierung jedes einzelnen Bundesstaates bedeuten, wie er unter gewöhnlichen Verhältnissen absolut nicht zu ertvarlen ist. Von diesem Gesiclüspunkt aus betrachtet nahm sich auch die Bc- gründung der Interpellation durch den nationalliberalen L i n ck, wohlbestallter Ratsfyndikus in Rostock, ein wenig komisch aus, trotzdem der Redner mit der ernsiesicn Miene von der Welt zu versichern für nötig hielt, daß er und seine Freunde sich für ver - pflichtet halten, den merklenburgischen Regierungen in ihrem 53er- sanungskampfe gegen die Riiterickiaft helfend deizuspringen. Der Vertreter des Reichskanzlers, Dr. Delbrück, verwies auf den von Fritz Reuter formulierten £ 1 der Verfassung beider Mecklen - burg, und zwar unter Berufung auf die B.ismarckfche «icllung- nähme zu der Frage, und unter Hinweis aus den Wortlaut dex Verfassung des Reichs, die nach Bismarck keine Handhabe jur- Ein - mischung des Reichstages und Bundesrats in staatliche Angelegen - heiten zuläßt. Tie Regierungen beider Mecklenburg ließen durch 'hren Bundesratsvertreter, dem mecklenburgischen Gesandten v. Brandenstein, die ziemlich überflüssige weil selbstver - ständlich — Erklärung abgeben, daß sie sich die Hilfe der Liberalen in ihrem Turnier mit der Ritterschaft höflichst verbitten.^ Völlig übereinstimmten mit der Auslegung des § 76 der Reichsverfassung, wie schon dieser Tage in der „Kreuzzeitung" und andern konser - vativen Blättern zu lesen war, nur die Junkerpartei, wie sie durch ihren Redner, dem mecklenburgischen „Ritter" (wie er sich selbst bezeichnete) v. T r e u e n f e l s , erklären ließ, worüber Herr P a ch- n i ck e von den Freisinnigen in ein jammererregendes Lamento aus- brach. Der Zentrumsmann Gröber machte sich über den Wider - spruch zwischen der heutigen Erklärung der mecklenburgischen Re - gierungen und der vor ihren Ständen im Laufe des vergangenen Jahres ein wenig lustig, stellte sich aber, als ivohldisziplin:erteS Mitglied des Schnapsblocks, auf die Seite der Junker, die Kompe - tenz" des Reiches zur Einmischung in diese rein mecklenburgische Angelegenheit bestreitend. Demgegenüber vertrat der Redner der sozialdemokratischen Fraktion, Genosse Frohme, den einzig vcr. künftigen Standpunkt: läßt die bestehende Verfassung des Reiches die dem Reiche jur Schmach und Schande gereickrenden mecklen- burgiscben Zustände nicht zu, so stimme man dem sozialdemo- tralischen Juikiativanträge zu, daß in jedem Bundesstaate, ein- schließlich Elsatz-Lothringen, Preußen und Mecklenburg, eine auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts gewählte Volksvertretung bestehen mutz. Damit ist dann die strittige Kompetenzfrage gelöst. Wolle man dies nicht, so trage man auch die Verantwortung für alle Folgen, die dieser mittel - alterliche feudale Zustand noch veranlassen wird, denn die Zeit kommt, muß kommen, wo sich das deutsche Volk nicht mehr von enter Handvoll sogenannter „Ritter" bezw. Junker nach deren Be - lieben beuteln läßt. Damit war das Interesse für den Gegenstand der TageSord- i.ung erschöpft und v. Treuenfels und Pachnicke machten sich nun nocb das Privatvergnügen, sich in mehr persönlichen als sachlichen Bemerkungen gegenseitig ein wenig anzuulken. So vcr- lief der erste Tag im neuen Jahre. •21 u» der Budgetkommission des Reichstages. In ihrer ersten Sitzung beschäftigte sich die Budgetkommission mit den im Nachtrag setat für d i e Schutzgebiete angeforderten 2 Millionen Mark und dem zur Fortführung der Usambara-Bahn und zum Ausbau des Hafens von Tanga ins - gesamt erforderlichen Aufwand von 13>? Millionen Mark. Staatssekretär T c r n bürg begründete die Forderung und be - hauptete, daß noch weite Landstriche durch den Bau der Bahn er« schlossen werden können. Wenn sie auch nicht unmittelbar für -je Kleinsiedelungen in Frage kämen, so seien sie doch für den Plantagenbetrieb auch dann sehr geeignet, wenn iich der dauernden Ansiedelung Weitzer klimatisch)« Schwierigkeiten ent. gegenstellen sollten. Die weiße Bevölkerung bfluigt tut Bezirk Moschi, dem Endpunkt der Babu, ganze 573 Personen. Der Bezirk Moschi soll fick' nach den Versicherungen des Staatssekretärs Dernburg und denen des Unterstaatssekretärs v. Lindeguist auch Juni Kaffeevan eignen; ermutigend feien auch die Versuche, die dort mit Baumwollvflanzttngen und Tabakbau gemacht worden seien. Fgrkievung der Verhandlungen morgen. Die Wahlrechtsfrage in der Thronrede. Die wenigen dürren Antündiguiigsworte, die die Thronrede zur Eröffnung des preußischen Landtages der Wahlrechts- frage widmet, haben in bürgerlich-liberalen Kreisen hier und da Überrascht, weil man sich wohl noch in der Illusion gewiegt hat, die Negierung habe das Bedürfnis, so bald wie möglich über ihre Stellung zmder Sache Klarheit zu schassen. Die Crgane der Junker und Agrarier sind aber von dem fraglichen Passus in der Thronrede auch, nicht entzückt. Ihnen sind die wenigen Worte schon zuviel, vor allem der „Deutschen Tages - zeitung", die „unentwegt" auf ihrem Standpunkt beharrt, daß lebe Aenderung des preußischen Wahlrechts vom Uebel sei. -Ifltarierblatt tröstet sich noch mit der Zeit: die „einigen Wochen", nach denen die Vorlage erscheiiien soll, seien ein dehn- Sirer Zeitbegriff, aber es berührt daS Bündlerblau schon un - angenehm, daß über den Zeitpunkt der Einbringung über - haupt etwas gefugt ist, was es nicht vermutet haben will. Dann wtrd hinzugesügt: „Wir haben ihre Einbringung nicht ' ü r no11 g gehalten, verzichten aber in diesem Zusammen hange darauf, dte Gründe tiochmals barjiikgen, die uns ;tt dieser Haltung zwingend veranlaßten. Wir bleiben nach wie vor der Meinung, daß das jetzt geltende preußische Wahl - recht sich bewährt hat und daß es den Vorwurf, vluto-. krakisch zu fein, abgesehen von einigen Auswüchsen in den Groß - städten, keineswegs verdient. Es wäre deshalb bedenklich, ein im großen und ganzen bewährtes Wahlrecht durch etwas anderes zu ersetzen, von dem man nicht weiß und nicht wissen kann, wie es wirken wird. „Die Vorlage werden wir zunächst abwarten. Ueber etwas, wenn auch nur bedingungsweise, zu urteilen, waS wir nicht kennen, entspricht nicht unserer Art. Die Thronrede hat zum Schluffe der sicheren Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Entschließungen der preußischen Landesvertretung durch strenge Sachlichkeit und pflichtbewußte S t a a t s g e s i n n u n g geleitet wer - den würden. Diese Sachlichkeit und diese pflichtbewußte Staats - gesinnung werden wir auch gegenüber bem_ zu erwartenden Wahlgesetzentwurfe bekunden. Die strenge eadilidifcit fordert, daß man s i ch nicht durch m o d i s ck> e Schlagworte beeinflussen und v e r iv irren läßt. Prüft man das alte Wahlrecht streng sachlich, so itnrö man zu dem Ergebnisse kommen müssen, daß es nicht w o HIg etan i st, an seinen Grund la gen zu rüttel n. Um die pflichtbewußte Staatsgesinnung verlangt, daß man auch bei der Be - ratung dieser Vorlage die erste politische Pflicht, nämlich d i e Staakserhaltung, im Auge behält. Wer im Banne pflicht - bewußter Staatsgesinnung steht, der darf nicht dulden, daß die Staatsantorität geschwächt, daß unser politisches Leben radikalisiert und demo - kratisiert wird. Ist der Wahtgesetzentwurf, was wir vor - läufig nicht annehmeit, geeignet, die R a d i I a l i s i e r u n g des polititcheit Lebens irgendwie zu lörbent, hie Autorität des Staates und der Krone zu schwächen, die Ent - scheidung über die Zukunft des Volkes : n öic Massen z u legen, den Zusammenhang des geschichtlich toeiuotbencn zu lockern ober zu zerreißen, so müßten wir einem derartigen Gesetze s chIr f ft e n Widerstand cutgcgenftcUcn. Dazu würde uns .acku dtc iKuajtdjt auf gewiße Vartewerhältniffe bringen und zwingen, sondern die v f l i w t b e w u tz t e Ltaatsge- s i n n ii n g , die in der diesmaligen Thronrede mit einem be - sonderen und ungewöhnlichen Nachdruck betont und erwartet wird." _ Mit der „pflichtbewußten staatsgesinnung" hat die Thron - rede ein prächtiges Schlagwort - tüt b:e Reaktionäre geprägt, das diejenigen, die eine ernsthafte Wahlrechtsreform wollen, als Beleidigung empfinden könnten. Die „pflichtbewußte -staats- gcffiiiiung" haben natürlich nur die. die wollen, tvaS die Regierung ivill. Das Ägrarierorgan will, daß man bei Beratung der Vor - lage die „Staatserhaltung" irrt Auge behalte. Da die Junker und Agrarier an dem Wort halten: „Der Staat sind tv i r", so fordern sie in ihrem Jnteresie durchaus das Richtige: die S e l b st e r h a l t n n g und die Erhaltung ihrer Macht, die sie unberechtigter Weise im Staate usurpiert haben. Sie bilden auch die Staaksautorität und wollen nicht dulden, daß diese ge - schwächt werde. Jedem solchen Versuch wollen sie schärfsten Wider - stand entgegensetzen. Da muß Herr v. Bethmann-HolUveg mit seiner Vorlage sehr vorsichtig sein, wenn er diesen Widerstand nicht wachrufen will. Die junkerliche „Kreuzztg." betrachtet, vielleicht gestützt aus die genauere Kenntnis der Regierungsab-sichten, die «ache mit weniger Aufregung. Sie bemerkt zu dem Wahlrechtspasius in der Thronrede: »Die Thronrede sagt nur, daß die Vorarbeiten für eine Re- form des Wahlrechts ihrem Abschlusse nahe seien und daß^ die Vorlage in einigen Wochen dem Landtage zugehen tverdc. Diese Mitteilung ist erfreulich. Je eher durch eine Regierungs - vorlage der öffentlichen Diskussion Ziel und Richtung gegeben wird, desto eher wird b i c aufreizende Agi - tation auf der einen, bie beunruhigende Sorge auf der andern Seite f i di in ästigen. Mag bann der Kampf um die Vorlage selber noch so heftig wer- den, er wird wenigstens nicht mehr allzu lange dauern. Denn das steht — trotz der von einem rreikonservativcn Abgeordneten im Widerspruch mit der Mehrheit seiner Fraktion lunbgcgebenen Ansicht — wohl feit, daß n a di b e m jetzt beabsichtigten Versuch einer Wahlrechtsreform, gleichviel ob er zu einem Er - folge führt ober nicht, b i c Regierung tu absehbarer Zeit nicht wieder mit einer neuen Vorlage an den Landtag heran treten wird, mag die Agitation sich auch noch so wild gebärden." Das Junkerblatt möchte also vor allem der Sache ein schnelles Ende bereiten. Hub es verrat deutlich genug, daß es auf ein Scheitern der ganzen Aktion rechnet, womit baun für lange Zeit die Ha hl rechtsfrage begraben fein fol!. Führt der erste Verfud; nicht zum Ziel, so wirb die Regierung sich nickst roeit-r bemühen; sic hat ja bann ihre „Schuldigkeit" getan und das in der vorjährigen Thronrede gegebene Ver - sprechen eingelöst. Kommt nichts heraus um so besser! So denkt vermutlich die Regierung mit den Junkern und ihrem reaktionären Anhang Beide werden sich aber täuschen, wenn sic wirtlich glauben, daß damit die Wahlrechtsfrage für lange Zeit erledigt wäre. Sie machen die Rechnung ohne die großen Volks m a s sen , die nicht länger rechtlos beiseite stehen wollen, sondern ernstlich ver- laugen, daß ihnen endlich ihr Recht werde. Die Regierung mitsamt den Junkern werben noch einsehen lernen müssen, da st sie sich über diesen Rechtsanspruch nicht mehr taltlädielnb hinwegsetzen dürfen. Tic Scheidung Ser Geister. Ter dicke Agrariervrovhck und begeisterte Anhänger nich^ nur der Prügelstrafe, sondern auch einer brutalen Gewaltpolitik gegen die Arbeiterbewegung, ®r. Oertel, hat am Montag auf einer ichlesi- scheu Provinzialversammlung des Bunde» der Land - wirte gesprochen und dort sein Zukiintisevangeliuiu verkiiiidek. Na - türlich bebrüttet sein schulmeisterlich-poetisches Stgrariergemiit im gegen- roärtigen Moment vor allem die Wahlrechtsfrage und er erklärte dazu: „Hallen wir da» gute Wahlrecht fest, da» mir Haden. Wir braiichen das preußische Wahlrecht al» Damm gegen bie Sozialdemokratie. Wer die Berfassung stürzen will, stellt sich außerhalb der Berfassung und der kann, wie Herr von Kröchcr sagt, nicht Subjekt, sondern muß Objekt der Gejetzgevung fein. Wie können bie antimonarchistischen Sozialdemokraten den VerfassungS- cid bei ihrem Eintritt in bie (fhtjellanbiage schwören? Wie können in Baden naiionalliberale Professoren usw. Pakte mit der Sozial - demokratie schließen * Dafür haben wir kein Verständnis Man komme uns doch nicht mit bei alten MauserungSgeschichte 1 Die Sozialdemokratie hat sich schon verschiebentlidi gemausert, aber fit ist immer radikaler geworden Unser iie u e i Steuer ui atm h a 1 d i e P f I i ch t, bie gewaltsame Entscheidung, zu der die Sozialdemokratie drängt, ' c r n z n h a 11 e n. Er hat die Pflicht, die Autorität, die Monarchie gegenüber dem revolutionären Ansturm zu schützen. Und dabei soll er uns an feiner «eite finden In feinem Traum von einem Gewaltkamps sieht er sich aber doch nack) Bundesgenossen um. (fr hat sie schon gesunden im — Zentrum. Kirchliche und staatliche Reaktion sollen den Kamps gegen alles, waS Fortschritt heißt, gemeinsam ausnehmen. In bezug aut das Zentrum erklärte Oertel: „Das Zentrum bat im Laufe der Zeit Böcke gemacht, wie wir auch, aber >S hat in vielen nationalen Fragen seine Pflicht getan und ist wirtschaftspolitisch zuverlässig gewesen, und ich gehe zehnmal lieber mit dem Zentrum alt mit dem Freisinn, bei auch mit ber Sozialdemokratie gemeinsame Sache macht, und ich gehe hundert- und tattfenbuial lieber mit dem Zentrum, als mit ber vakerlcindSlosen revolutionären Sozialbe in okratie!" Und dann machte er einen „gottseligen" Augenaufschlag und sagte weiter: „Eine Scheidung der Geister muß kommen; aus bei einen Seite das christliche Volk — aus der anderen die Revolutionäre. Die Sorbcbingung der Einigung des christ - lichen Volkes ist aber die konfessionelle Versöhnung Die Treniiung ber Konfessionen ist nach Gottes Ratschluß in unserem Volke entstauben, sie muß als historische Notwendigkeit ertragen werden, aber wir sollen den Riß nicht unnötig erweitern durch gegenseitigen Haß Der Bund der Landwirte möchte den K r i st a Ili - ja t i o n S p u n k t, die K e r n k r n p p e in dem letzten (int« s ch e i d nn g S k a ni p f e bilden, hat aber nicht den Ehrgeiz, Führer darin zu sein. Der Acker war die Grundlage ber Kultur, er wirb unsere Kultur weiter schützen. Der Pflug hat in ber alten deutschen Sage den Drachen vertrieben; der Pflug wird auch den Drachen der Sozialdemokratie überwinden im Ausblick zum Holze des Kreuzes. Wenn wir nach den Willen dessen handeln, der die tsfeschickc der Böller lenkt, bann wissen wir, wohin bie Fahrt geht: Auswärts — hin zu Gott." Man sieht, wohin nach Ansicht deS ErschulineisterS und Agrarier- jührers ohne Ar unb Halm die Reise gehen soll. Eine Zusammen- iassung der reaktionären Kräfte der staatlichen und kirchlichen Reaktion ist das Ideal, unter dessen Zeichen man die Sozialdemokratie zu über« winden gosst. Der Anfang ist ja schon gemacht im SchnapSblock. Ob aber das Zentrum geneigt fein wird, den Spuren Öertell zu folgen r Mau darf es noch bezweifeln, denn die schwarzen Herren werden nicht so leichtsinnig die (ßefoigschaft der katholischen Arbeiter ausS Spiel setzen wollen, die ihnen unwiderbringlich verloren gehen würden, sobald das Zentrum sich offen unb nn verhüllt mit den protestantischen Agrariern verbünden würde. Aber darin hat Oertel recht: Tie Scheidung bei Geister wirb kommen, nur in einer ihm viel weniger angenehmen Forni. Mut ber einen Seite wirb sich die Reaktion in jeder Gestalt sammeln, aus der anderen mit ber Sozialdemokratie alles, was ernsthaft den K u 11 n r f o r t s ch r i 11 zu förbeni willen» ist. Wer dann Steger bleiben wirb, ist keine Frage. Beseitigung der Lohnzahtuugsdücher. Tie neue G c w e r d e o r b u u ii g s n o v e 11 e, mit ber sich ber Reichstag in der laufenden Session beichästigen soll, wirb nach offiziöser Mitteilung die Beseitigung ber Lohnzahl ungsbücher für minderjährige Arbeiter bringen. Auf Grunb einer Rcichstagsb.jchlusfeS, dem bie Regierungen zustimmten, wurde bunt die Novelle vom Juni 1900 in die Gewerbeordnung eine Bestimmung ausgenommen, welche die Arbeitgeber verpflichtet, auf ihre Kosten für minderjährige Arbeiter LohnzahlungSbüchei einziirichteii. Man er - wartete von dieser Maßregel eine hohe erzieherische Wirkung, weil für den jugendlichen Arbeiter die Gefahr der Verschwendung bestäube. Durch die LohuzahlungSbücher sollte nun bet Trieb zur Spar - samkeit unb daS Bewußtsein ber Abhängigkeit von den Eltern lebendig erhalten werden. Dagegen wurden Bedenken erhoben, ob »der verfolgte Zweck durch die Bestimmung tatsächlich erreicht wurde, weil ein großer Teil der Minderjährigen nicht bei ihren Eltern wohin. Die inzwischen gemachten Erfahrungen haben diese Bedenken vollauf bestätigt. Denn in den Jahresberichten ber Gewerbe aufsichtSbeamten wirb berichtet, daß bie LohnzahlungSbücher sowohl bei ben Minberjcihrigen wie bei ihren gesetzlichen Vertretern sich seh r geringer Beliebtheit erfreuen, so daß die Bücher weder von den jugendlichen Arbeitern mit nach Hause genommen, noch von den Eltern angesehen werben. E« kommt hinzu, baß die Arbeitgeber den Nutzen ber LohnzahlungSbücher bestreiten Unter diesen Umständen ficht bie Novelle zur Gewerbeorbmmg bie Beseitigung der Lohn- zahlttngsbncher vor. Zentrum» - Interpellationen. Die ZentruutSpartei hat int preußischen Abgeordnetenhause folgenbe Interpellationen eingebracht: 1. In Äatiowitz sinb unmittelbare und mittelbare Staats - beamte ans Anlaß Der Ausübung des kommunalen Wahlrechts^Maß - regelungen unterworfen worden. Wie rechtfertigt die Königliche Staats regierung diese Beschränkung in der Ausübung staatsbürgerlicher Rechte V Der Abg. Dr. Porsch wirb diese Interpellation im Plenum des Aogeorbneienhauses begründen. Dte Verhandlung über bie Inter - pellation wird au einem ber nächsten Tage stattfinden. 2 Welche Stellung gedenkt Der Herr Minister für Handel und Gewerbe, insbesondere mich als Vertreter des staatlichen Bergbaues, gegenüber der einseitigen Organisation des Arbeit« Nachweises, wie er im Ruhrkohlearevier vonseiten der privaten Bcrgwerksuuternehmer mit ZwcmgScharakter eingerichtet worden ist, in der Folge einznnehme» ? Wegen die kommunale Doppelbesteuerung. Ter Gesetzentwurf gegen die kommunale Doppelbesteuerung, der in der preußischen Thronrede angefüiibigt worben, ist dem Herrenhaus c bereits zugegangen. Er enthält nur cinc.i Paragraphen, der lautet „Zur Vermeidung von Toppelbestenerungen bei Heranziehung zu direkten Konnnunalsteuern in Preußen unb einem anderen deutschen Bundesstaate sind bei Minister des Innern und der Iinauzniinstcr, in der Regel nach Anhörung der beteiligten preu ßischen Äommunalberbänbe, ermächtigt V ereinvar n u g e u zu treffen und Anordnungen zu erlassen, durch welche bie Steuerpflicht unter Wahrung des Grundsatzes der iltegeniritigleit auch abweichend von den in Preußen geltenden Vorschriften g regelt wirb." In der dem Entwürfe beigegebe, len Begi u n d u ii g nm gesagt: Die Vereinbarungen könnten sowohl zwischen verschiedenen teutschen Bundesstaaten als audi zwischen .ftoiuniunaluerbänOen verschiedener deutscher Bundesstaaten getroffen werben. Die Ve> einbarungeil oder Anordnungen werden entweber aUgeiiiei-ir Grundsätze aufstellen oder einen einzelnen SteuerfaU regeln. Id. Abschluß bezw. Erlaß wirb, nicht von einer Anregung der Sieue. pflichtigen abhängig sein, sondern auch von Amts wegen erfol i.n töiui.ir Eine vorherige Anhörung bei beteiligten Kommuna: verbände wird wegen des Eingriffs in ihr Steiierrcdu regelmä 1 ":. ju erfolgen haben, nur wo die Regelung ohne Beziehung aut ix stimmt" Kommunen erforderlich :st, z. B. im Falle einer eUg: meinen Vereinbarung m ' einem Bundesstaate übet die Winn: