Nr. Areitag, den 1. Mär; 1910. 24. Jahrgang. Da« .Hamdnraer ^ehlandNra»« 11. Lrdgeschod. Verantwortlicher Redakteur: (trttk Nüdke i« Hamburg. «»zeigen die sechrgespaliene Peiiizeile oder deren Raum 35 4. Arbeitsmarkt. Vermietung«- und ^nniilieuauzeigen 20 4. Auzeigeu Aiiuahme Fehlandstr. 11. Erdgeschoß ibiS 5 Nhr nachmittag«», in den Filialen »bis 4 Uhr uachiii.), sowie in allen Annoncen-Bureaux. Platz- u. Tatenvorschristen ohn» Verbindlichkeit. Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. Buchhandlung und Buchdruckerei-Kontor: Fehlandstr. 11, Erdgeschoß. 0L» I» I et. Pauli, einschl. Schanzenstr., bei Heinr. Koenen, Sophienstr. 44. Eimsbüttel, Langenfelde bei Earl Dreyer. Fruchtallee 4L. Hoheluft, Eppendorf, «roft-Borstel und Winterhude bei Ernst Großkopf, Lehmweg 61. Barmbeck, Uhlenhorst bei Theodor ist 11 rt I dH ♦ Petereit, Bachstr. 12. Hohenfelde, vorgselde, Hamm, Horn, Schisfbeck und Billwarder bei Earl Ortel, Bam'tr. 2«. Hgmmerbrook bis Ausschläger Billdeich bei Rud. Fuhrmann, Schwabrnstr. 33. RotenburgSort und Veddel bei Th. Reimer, Lindleystr. 85. 0 lllUlHl* Wilhelmsburg bei Carl E. Diehl, Meyerstr. 12, 1. ®t. Etlberk, WandSbetk, Hinschenselde und Lst-Barmbeck bei Franz stniger, Kurze Reihe 34. Alton« bei Friedr. Ludwig, Bürgerstr. 118. Lttensen, Bahrenfeld bei Joh. Hein«, Bahrenfelderftr. 129. Vorwärts für Freiheit und Volksrecht! Abermals finden am kommenden Sonntag in ganz Preußen Denrrnstvatisnen zur Erringung eines freien und gleichen Wahlrechts statt. In Altona-Ottensen versammeln sich die demonstrierenden Volksmassen unter freiem Himmel, auf dem Platz an der Rackertwiete, mittags ir/ 2 Uhr: in Schiffbeck auf der Koppel an der großen Eiche; für wandsbeck und andere Orte unseres Bezirks werden die Veranstaltungen noch bekannt gegeben. Eindrucksvoller als je zuvor muß an diesem Märzensonntag das preußische Volk gegen die sechzigjährige Schmach politischer Entrechtung protestieren! Zahlreicher als je zuvor muß das tzeer der Wahlrechtsstreiter auf dem Kampfplatz erscheinen! Es gilt, mit aller Macht den Volkssturm auf die verrottete Iunkertrutzburg zum Siege zu führen. Männer und Frauen! Folgt mutig der Parole! Nieder mit der Wahlrechtsschmach, vorwärts für Freiheit und Volksrecht! Hierzu zwei Beilagen. Die „verflachende" Demokratie. Goethe zitieren ist modern und am häufigsten hort und liest man das Zitat: „Höchstes Glück der Erdcnkiuder ist doch die Persönlichkeit". Man sagt statt dessen auch „Indi - vidualität". Gemeint ist die Besonderheit des Geistes, des Charakters, des Könnens usw., kurz der Tugenden, womit die einzelnen Menschen untereinander sich auszeichnen. Den Kern des Gedankens hat Schopenhauer herausgeschält: nicht was die Menschen besitzen, kann die Quelle des Werses der Menschen sein, sondern was sie sind, die guten, edlen, schönen Qualitäten, die sie sich erwerben. „Wie das Land am glückMsten ist, welches weniger oder keiner Einfuhr bedarf" sagt er, „so auch der Mensch, der an seinem inneren Reichtum genug hat usw.", wie auch A r i st 0 t e l e S einer reichen Indi - vidualität den höchsten Wert zuspricht. Mit dem Kapitalismus ist das anders ge - worden. Der menschliche Werl bemißt sich nun nach dem was er b e s i tz t. Und das um so mehr, je mehr die Zivilisation die Macht des Besitzes gesteigert hat, je mehr das Geld, der Reichtum, in den Stand setzt, sich zu verschaffen, was das Herz begehrt. In dieser Epoche des Kapitalismus, ist mit der Wünschelrute Geld so ziemlich alles käuflich, und durch Aus - beutung der Arbeit Besitzloser vermehrt sich das Eigentum ohne eigene Arbeit, ohne Zutun des Besitzers. Die Persönlichkeit tritt da saft gänzlich zu - rück gegen das Vermögen. Mag einer ein Dummkopf, ein Lump, ein Schuft sein (sofern er nur nicht im Zuchthaus gesessen), sein Reichtum stellt ihn weit höher als die Besitzlosen, nicht bloß im gesellschaftlichen Leben — „Der und der ist so und so viel Dollar schwer" ist eine charakteristische amerikani - sche Redensart — sondern auch staatsrechtlich in Preußen, wo der größere Besitz auch ein größeres Wahlrecht verleiht und die Persönlichkeit durchaus nicht in Betracht kommt. Der politi - sche Ignorant, der Wüstling und Schürzenjäger, der Tagdieb, der brutale Rohling hat staatsrechtlich weit höheren Wert als der politisch wohlgeschulte, fleißige und tüchtige Proletarier. Der „Philosoph" Bethmann-Hollweg hat behauptet, „die Demokratisierung verflache": in Wirklichkeit verhält es sich umgekehrt: die Plutokratie und Oligarchie ver - flacht und drückt den persönlichen Wert auf den Nullgrad herab! Das zeigt sich auch in der Bewertung der Künste und Künstler. Welche werden am meisten geschätzt? Die am meisten Geld eintragen. Welche über die Achsel angesehen? Die es noch nicht zu hohen Gagen und Honoraren gebracht haben. Ein Wiener Feuilletonist schrieb kürzlich: Wenn einer in Wien ein beliebter Schauspieler ist, so bezieht er eine Gage von — sagen wir — 20 000 Kronen, und kein Mensch spricht von ihm. Ist er aber in Berlin beliebt und bekommt 60 000, so bewundert ihn alle Welt. Denn im allgemeinen interessiert es die Leute weit weniger, wie einer singt oder spielt, als wie viel er damit verdient. Die Gage macht Den Künstler berühmt, der Weg zur schauspielerischen Unsterblichkeit ist mit Gold - stücken gepflastert. „O Mitbürger, nach Geld, nach Geld nur trachtet am ersten, Tugend, sie kommt erst nach". So lehrt man vom untern und obern JauuS*), und dieses Gebot singt Jugend und Alter int Chor nach, Tugend besitzt du, und Geist, hast redliches Herz und Beredtheit, aber es fehlen zu viermal hundert die wenigen Tausend: Also zählst du zum niedern Volk, zum Pack." H 0 r a z, der berühmte römische Dichter, verspottet damit nicht allein die private Wertschätzung deö Geldes, sondern auch Die staatsrechtliche, wie Die Fortsetzung zeigt (Briefe, 1. Buch, erster). — In den Gymnasien werden Die Klassiker gelesen unD Diese Stelle gäbe einem preußischen Oberlehrer einen trefflichen Anlaß, Dein Dreiklassenwahlrecht eins ans Bein zu geben. Aber er wird sich hüten, die Maßregelung wäre ihm gewiß. Eine verwandte Stelle findet sich bei I u v e n n 1 (gest. 127 n. Chr.): „Stelle du Zeugen in Rom von tadellosem Charakter. Fragt man zuerst nach Vermögen, dann aber erst nach den Sitten: „Wie viel Sklaven er nährt, wie viele Morgen besitzt er Ackers? So viel einer Geld im Kasten be - wahret, so viel Vertrauen besitzt er". Aber auch er kommt vom Prozeßwesen aus tkio StaaiS- recht. Ein Gesetz sprach Den Rittern (Junkern) bessere Plätze int Theater zu, wenn sie das ersorberliche Vermögen besahen. Dazu sagt Der Dichter grimmig vom Armen: „Er packe sich! Hebe sich weg vom Polster Der Ritter. Hier lasse man sitzen ) tiiit römischer Gott. Der Sinti: in ganz Rom. Buben Der Kuppler, wo auch int Bordell sie rourDcn geboren." und so weiter Die Stelle muß schon wegen der „Sittlichkeit" überschlagen werden. Aber gibt es int Grunde etwas Unsittlicheres als ein plutokratisches Wahlrecht wie das preußische? Heißt es nicht Mücken feigen und Kamele verschlucken, wenn man Anspielungen aus das Sexuelle verpönt, aber Dent großen GelD- sack mehr Mitbestimmuitgsrecht in Den öffentlichen Dingen zu - spricht, als Dent Arbeter. Nun, vielleicht beglückt uns Der „Philosoph" Bethmann mit einer preußischen Ethik, welche Die Treiklassenwahl unD Die öffentliche Stimmabgabe mit Argumenten rechtfertigt. Denen ähnlich, womit Die Junker Die Erbschaftssteuer als unmoralisch, weil Den Familiensinn untergmbciiD, bekämpft haben! Bet neue WieffnWWMM und WWW Der MWlW des SWes oct Göte. Berlin, 2. März. Die Iustiztommission des ReiwstageS brachte heute die zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderung des «trafgesetzbuäies, zu Ende. Es fielen die zwei Entscheidungen, die als die wichtigsten im Rahmen der Vorlage anzusehen sind. Zu - nächst die über die vorgescklagene Veränderung^der Fasmng des Tatbestandes der Erpressung (§ 253 des straigeietzbuwes s. Wir haben unsere Leser in mehreren Artikeln (zulevt in Nr. 40 uns. Bl.) über die Tendenz dieses Vorschlages, besonders nach seiner Wirtschafts- und sozialpolitischen Seite hin, sowie über den Verlauf seiner Behandlung in der Kommission eingehend infor - miert. Es handelt fielt um einen neuen Erpressuitgsparagraphen, der seiner Fassung und noch mehr seiner offiziellen Begründung nach die schwere Gefahr in sich schließt, daß der strafrechtliche Er - pressungsbegriff, der befanntlidt schon seit Mitte der achtziger Jahre in der Rechtsprechung eine höchst willkürliche, rigorose, ungerechte Anwendung auf koalitionsrechtliche Handlungen der Arbeiter (Streiks, Sperren, Boykotts, Sammlung von Bei - trägen zum Streikfonds usw.) gesunden bat, fortan in noch viel ungerechterer Weise gegen die um bessere Lohn- und Arbeits - bedingungen kämpfende Arbeiterschaft gerichtet wird. Als .Er - pressung" soll mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft werden die von Arbeitern durch D r 0 h u n g m i r A r b e i t s e i n - stellung verlangte Lohnerhöhung, wenn ?er auf die Drohungen bin verlangte Lohn „int Mißverhältnisse zu dem wahren Werte der Arbeitsleistung steht und die Täter sich dessen bewußt waren. Wir haben unserer früheren Kritik nichts mehr von Belang hinzuzufügen. Die sozialdemotratische n Kommissionsmitglioder richteten, unterstützt durch Vermittlungs- Vorschläge des Zentrums ihre Bemühungen hauptsächlich dar - auf, Kautelen gegen derartige mißbräuchliche, mit dem Koali - tionsrecht und auch mit dem pürgerlidien Recht unvereinbare An - wendung des Erpreffungsbegriffs in das Gesetz hineinzubrinaen. Das Resultat der ersten Lesung war die Ablehnung aller Ver - besserungsvorschläge und schließlich die Annahme des S 353 nach der Regierungsvorlage. In der heute beendeten zweiten Lesung machten die Sozial - demokraten und die Zentrumsabgeordneten Gröber und Engelen nette Verbesserung-vorschläge. Erstere hielten sich im wesentlichen an ihren früheren Antrag, ^vonach die Drohung mit einer Arbeitseinstellung oder mit einer Sperre teilte Drohung int Sinne des Gesetzes ist und koalitionsrechtliche Bestrebungen alles in allem überhaupt nicht dem Erpresntngsbegritf zu unterwerfen sind. Der Antrag Gröber-Engelen suchte diele Einschränkung da - durch zu erreichen, daß er als Kriterium des Erpressungs-Delikts die ..Drohung mit einer rechtswidrigen Handlung" for- berte, und zwar unter der Voraussetzung, daß Handlungen au5 § 153 der Gewerbeordnung nicht als rechtswidrige anzusehen sind. Weiter bekämpften die Regierungsvertreter mit Unter - stützung durch Nationalliberale und Konservative ganz entschieden alle' Verbesserungsanträge. Jbrer Erklärung nach würden sie für den -Fall der Nichtannahme der Vorschläge des Entwurf- einer A u S s ch e id u n g der ganzen Materie nicht ab - geneigt gewesen sein. Einer der Herren machte^ geltend, daß die preußische Regierung noch nicht Stellung ge - nommen habe zu der Frage der Anwendung des Er- pressungsparagraphen auf koalitionsrechtliche Bestrebungen. Dieses Eingeständnis ist sehr charakteristisch! -rett naliezu 30 Jahren erhebt die organisierte Arbeiterschaft und die sozial - demokratische Partei in Rede und Schrift entrüstet Beschwerde über solche Vergewaltigung des KoalitionsrechteS. Redner der sozialdemokratischen Fraktionen haben im Reichstage wer weiß wie oft Sicherung der Arbeiter gegen derartige Rechtsbeugung verlangt. Bei der Zuchthattsgesetzvorlage und bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches Hal diese Frage eine erhebliche Rolle gespielt, ohne daß es den sozialdemokratischen Vertretern gelang, sie ihrer Eittscheiduitg näher zu bringen, lind nun er - fährt man, daß die preußische Regierung zu ihr immer noch keine «tellung genommen hat! Aber wie erklärt es sich denn, daß die Begrüttditng des jetzt zur Verabschiedung stehenden Ent - wurfs, an dessen AttSarbeititng vornehmlich die preußische Regierung beteiligt gewesen ist, ausdrücklich aus die Kämpfe u in Lohn- und Arbeitsbedingungen B e z u g n ' m m t und die unerhörte Erwägung vertritt, daß Lohnerhöhungen, die durch Drohung mit Arbeitseinstellung er - langt find, unter dem ^Gesichtspunkt der Erpressung strafbar sind, wenn der so vereinbarte Lohn im Mißverhältnis ,.u dem wahren Werte der Arbeit steht"? Die preußische Regierung ist an dieser Bezugnahme und Erwchmng gewiß nicht unschuldig; ja, wir haben guten Grund ,ju der Annahme, daß i d r die Ehre der der Urheberschaft gebührt! Damit aber stimmt die Versicherung ihres Vertreters, sie bade zu ihr „noch nickt Sicklung genommen", ganz und gar nickt überein. Unsere Vermutung, daß audi die zweite Lesung zur Av- lehnung aller VeroeberungSanträge und zur Annahme 0 e s Regierungsvorfchlages in unveränderter Fassung führen werde, bat leibti ihre Bestätigung gefund.it. Die Annahme erfolgte diesmal 9 ; .en sechs Stimmen, ein Resultat, das mit einiger Sicherheit auf die An nannte auch im Vlenum schließen läßt. Wir verkcitiien gar nicht. daß die neue ,'anuag de« § 253 eine Verbelle r unn gegenüber dem t etteiicnben Zustande bedeuten würde, wenn nickt die erwähnte fatale und monströse Begründung dabei wäre, auf welche die Recht - sprechung sich berufen kann, was natürlich d c Gefahr der aller- bedenklichsren Aonseauenzeit gegen die berechtigten Interessen der Arbeiter mit sich bringt. Für die Entscheidung im Plenum kommt nun alls darauf an, daß wenig Eens durch bündige und klare Erklärungen beider gesetzgebenden Faktoren, der Regierung und des Reichstages, das loalittonsrecktliche Gebiet vor strafrecht - lichen Eingriffen der in Betracht lammenden riet geschützt wird. E t.f r « lt l i ch e r ist, was über das Resultat bet zw len Bera - tung der Vorschläge zur ,.V e r h ä r t u n g des S ai u - c a her Ehre" durch Einschränkung des WahrheitsrerveiseS und durch Erhöhung der avgedrohten Geldstrafen und Vußen zu melden ist. Die Aomnstssion hatte, wie wir unfern Leiern in N. 12 unseres Blattes mitgetcilf haben, von den Vorschlägen des En: Wurfs nur den .riten allgemeinen Teil angenommen, den wet - ten Absatz aber, der den Wahrheitsbeweis über Verbal i n i ’ f c des Privatlebens ausschließt bezw. die Beweisaufnahme von der Z u st i m m uns d e s Beleidigte n abhängig macht, durch einen neuen § 1S6 p. ersetzt, der eine Verschlechtern n g der Regierungsvorlage ist, indem er ein neues D list, den „ti c b c t m n i 5 b r 11 di“, konstruiert und D-c Beweis - aufnahme überhaupt f ü r unzulässig erklärt, auch gegen den W'l.'en und das Interesse des Beleidigten. Die sozialdemotratisckeii Vertreter Stadthagen und Frohme bekämpften ncan.ials energisch den :tegiei:iugsvor- schlag und zugleich die Beschlüne der zweiten Lesung. 2: legten dar. daß man es hier mit einer neuen uns höchst gefälligen Konzession an den G e i st der K l a i ’ c n j u ’t i 3 und au die reaktionären preßfeindlichen T e n d e n ; c n tu tun habe. Frobme vediente sich u. a. der Akten des P r 0 zesses Karsten Brandt gegen unfern Genossen r. R 0 s- bitzli und das _£■> a m bürge; E ck 0". um fesnu'telleu. daß der böse Geist, der die Regierun svorfckläge und die gommisssons- bcschlüsse .erster Lesung charakterinert, längst Eingang in die Rechtsprechung ge'unden bat. Er kritisierte audi die Oberfläch - lichkeit, mit der die Regierungsvertreter sich im Verlaufe der Beratung über die wuchtige Opposition der a n ft ä n bigen Presse gegen die vorgescklagene „Verstärkung des SckuseS der Eare' hinweggefevt haben, während sie anderseits kein Verständniß dafür lekundet haben, daß das. was sie ver - treten, der vornehme Beruf der anständigen 1?teile,, öffent - liche M i ß ftände ans 5 u d e .. e n und das öffentliche Sehen sauber z 11 halten, schwer gefährdet. Die sozial - demokratischen Vertreter wiederholten ihre in der ersten vefung gemachten Vorschläge tut Aenderung der Knebelung der Presse, lleberdem lagen Abänderungsanträge von konservativer und Zcnirumsseite ooe. Sa-? Resultat der heutigen Abstimmung war nun: flblch n u n g sämtlicher A n t r ä g e, l'l b 1 e I) n u n g d e r B e - schlösse erster Lesung und schließlich mit großer Majori - tät Ablehnung der R e g : e r u n g sv 0 r sckl ä g e. Es bleibt demnach beim geltenden Reck:. Denn wir glauben als sicker entnehmen zu dürfen, daß die Mehrheit des Ple n u ms der Ablehnung des schlimmen EHrsckutz-Spieles beitreten wird. Die Herren Regierungsvertrcter und ihre konservativen Freunde machten zu dem Resultat recht verdutzte Gefickter, sie barten auf Aufrechterhaltung der Beschlüsse erster Lesung ge - hofft. Es ist hocherfreulich, daß diese Hoffnung zu schänden ge - worden ist. Die flöerm-Hetwthie MM in Eng«. y. Lindo n , 1. März. Wer die politischen Ereignisse Dag für Tag mit erlebt, tcnintt leickt dazu, bao Tempo der politischen Entwicklung für langsamer ;u halten, als eS tatsächlich ist. weil sein Blick immer nur auf die Gegenwart gerichtet ist und er vor lauter Bäumen den Wald nicht ficht. Benn man jedoch een Geiamtverlauf der politischen Ge- fchehnisie innerhalb einer Zeitspanne von einigen Jahren über - blickt. io erkennt man vielfach, daß ungeheure politische Umwäl - zungen vor sich gegangen find, deren volle Tragweite nur dorn künftigen Gesckickisschreiber um Bewußtsein kommen tarnt. Ein Derartiger vergleichender Rückblick in die Pergaugenhoit ist bei der gegenwärtigen Situation in der englischen Volitik überaus inter - essant Wer in England noch vor ein paai Jahren auch nur von der Möglichkeit geredet hätte, daß lick in diesem klassischen Lande der liberalen Demokratie in absehbarer Zeit 10 etwas wie eine liberal-konservative Paarung nadi deutschem Muster würde voll- üeiicit können, der wäre von jedem bürgerlichen Politiker für verrätst gehalten worden, lind nun! Sun ist die liberal-konser - vative Paarung Wirklichkeit geworden. Freilich nicht ganz in Der Form, wie in Deutschland. Zwischen Liberalen und Monfcratiben ist in England noch fein offenes Bündnis vollzogen worden; aber es ist zum mindesten ein Waffenstillstand und ein Aiompromir, eingetreten. Es ist audi seht unwahrscheinlich, daß diese politische Konstellation sehr lange Zeit bestehen Reibt; aber die Tatsache, baß die liberale Regierung nur noch, dank der Unterstützung der Konservativen, am Ruder ist und vorderhand nichts unternehmen will und sann, womit nicht audi die Konservativen türlieb nehmen, ist an sich doch schon bedeutend genug, um die Behauptung zu redä« fertigen, daß die englische Politik in ein ganz neues Stadium ge - treten ist, wobei daS Zweiparteiensystem mit dem ewigen liberal konservativen Lehankelspiel in die Brüche gebt und einer neuen Parteigruppierung auf der Grundlage •tät tsa-afNicker und sozialer Jiitcresteiigemefnnüafleu immer mehr Ploo macht Denn dac lit 'te Bedeutung .er Reden und der Abstimmung in der Parlamentssitzung vom iifoutag, in welcver die Debatte über die Thronrede und die allgemeine Politik der Regierung mit der einstimmige 11 Jiniialime einer Vertrauensresolution für das Ministerium 1 a u i t b abgeschlossen wurde. Dieser Ver - lauf der Dinge bat vollauf bestätigt, was wir in innerem vorigen Artikel von der Auflehnnngsversuchen der Linksliveralen, der irifd-en Rationalisten und der .’lrbeiterparteiler gegen die jammer» ,-i.rpituIation:rolitit des Premierministers Asquith Bor- ai.viagten, 'aß ic aas nichts Materielles hinauslaufen würden. Mc.uv dieser drei Fraktionen bat es verstanden, ihre Unter Übung der Regierung von Oer Verwirklichung der Ver- sprecken abhängig z: machen, die von den Ministern vor den .'1 gemacht wurden. Tie Fwrckt vor Neuwahlen, die dem Volke Gelegenheil geben würden, eine schreckliche Rache an der wortorüwigen Regierung und ihren Helfershelfern zu nehmen, lastete wie ein Alp auf ihnen. Aber auch das Bewußtsein de. Smicriieü, daß die konservativen auch bann — ja, dann erst reckt! für die liberal Regierung gimmen würden, wenn sie von den Äübualen, den Jim oder den rirbeiterpartcilern tut Stiche ge - lassen mrfr'i sollte Unk- so kapitulierten diese drei ,-vrcttiomui vor ftiiiuiih, wie dieser selber vor Den konservativen iamt'.i» liert halte — tun den Preis einiger durch einen mühseligen und langwierigen -inhl.tndel erlangten Scl'iintonjcinoncn. Tas Bud et so. nick»! mit ;.:ersr vorgesehen, als erster Punkt der Tages, orbnung au die Reibe tüinmen, luobl aver sollen vis zu Ostern alle finanziellen Angelegenheiten erledigt iverden, deren Aufschub die Finänzen des Reicks in Unordnung bringen könnte, womit die Tatfane bestehen bleut, daß die Regierung auf ihre wirksamste Waffe gegen das L Verhaus, die Ftnanzpanik, verzichtet hat. Nick: ui.tt reffet die soziale Interessengemeinschaft der beiden großen bürgerlichen Parteien, al- das; sie — trotz der politischen Wegen- fäne. die sie trennen - in ihrer Eigenschaft als Vertreterinnen L.r herrschenden Mio nett in allererster Linie darauf behackt fine, fu Interessen der Inhaber von Ltaatsrentenvapiereii nickt zu verletzen. Liberale und Konsewative jammern in gleich her - erl reckender Weise über das fortgesetzte Fallen der englische.: Renk' auf dem internationalen Wertpapiermarkt, das auf eine Erschütterung des Kredit der englischen Regierung infolge de. Vcrfassttimek.ise Hinweise. Der liberale Bourgeois ist in diesem Punkte nämlich im Geldbeutel — ebenso empfindlich wie dc e konservative: der ganze Budget- und Vetosckuvindel soll ihm lieber l'nnder: Nal zum Teufel geben, als haß die englische StaatSrentc vnt ein halbes Prozent an Wert verlieren sollte! Die ziveite Scheinkonzession der Regierung ist, daß nicht, we man zuerst aus der Thronrede schließen zu müssen glaubte, t-e Vorlaar zur Beschränkung des Vetorechts des Lberbauses zügle-p ( mc Reform dieser Institution bezwecken wird, sondern daß zu. nächst die Abschaffung des Vetorechtes zur Diskussion gelangen soll, während die Reform des Oberhauses erst in der folgenden -esiwn des Unterhauses zur Sprache kommen wird. Da ja unter den vorliegenden Umständen weder die Veto, noch die Reformvorlage Gesetz .»erden sann, ohne die Zustimmung des Oberhauses selber bekommen zu haben, ist diese Aenderung des Regterungs. Programms in der Pratis bockst gleichgültig. Aber das Feit- ba ten des Ministeriums an einer Reform des Oberhaut es ist nichtsdestoweniger sehr ckxrrakteristisch. Jii dock diese Reform, von d-r noch bis vor einer Woche kein Liberaler etwas hören wollte, nickts anderes, als eine Forderung der Konservativen und des Overhauses selber. Das mag dem Leser in Deutsckland, al>o in einem Lande, wo die berr|‘chcnbcn Klassen vor jedem bißchen einer demokratischen Reform wie vor dem Anfang der sozialen Revolution zittern und heben, merkwürdig erscheinen; in England aber ist gerade die „Reform" der Köder, womit die nock sehr sckwack foz-.aldemokratisck geschulte Arbeifersckaft für eine 3 wanzpolitik im Gefolge der bürgerlichen Parteien eingefangen .herben soll. Die englischen Konservativen wissen ebensogut wie dt. Liberalen, daß eine demokratische Reform des Oberhauses — also etwa in dem Sinne, daß eine gewählte Aristokratie an die Stelle der erblicken Aristokratie tritt — das Prestige dieser vor- olteten Institution — die in letzter Linie, wie überall die Herren, häufet und Senate, als eine Bremse für die Sozialpolitik und ein Damm gegen die fortschreitende Arbeiterbewegung gedockt 11t - nur erhöben und dadurch seine Macht vermehren kann. Hal sich dock gleich nach der Parlamentserößinung die konservative Mehrheit >es Oberhauses selber zu einer derartigen Reform ■ reit erzeigt. Der konservative Führet Balfour war al 0 -. tu:- tut Reckte, als er der liberalen Regierung Jnkoufcauenz vornan, indem sie Durch die Petovorlage Las Oberhaus schwachen und es dann durch eine innere Reform wieder kräftigen will. Aber es ist eben eine durch internationale Erfahrungen belegte Tatsache, daß die Konsequenz nickn die yauDtcigcmdv.it de« Liberalismus ist. Ebensowenig übrigens, wie die Worttreue und die Willenskraftl Auch was diese Eigensckast betrifft, gelang e9 Der liberalen Regierung nickst, den erbärmlichen Eindruck tu her- mischen, den ihr Riickzngsmanäher bei der Thronrede gemacht hatte. Kein Minister war int staube, flipp und klar zu sagen, wa« die Regierung tun werde, falls das Oberhaus die x et0001 loge abiebnen sollte. Die verlegenen .Srllarungen des c-.-atz. v.-Uctv Lloyd George, die Regierung werde „gegebenen, falls" die fierbinettfrage stellen, sie wolle „diesmal ganz1 gewiß Ernst macken" und „alle ihr geeignet eridtcincnben Sattel an- menben-, lösten nur den ironnckten Bennll der Koniewatwen au#, die fein'üiberaler, Ire oder i'lrbeiicrpatteilet durch .gcn.tmon- ftrationen störte. Die Konservativen find denn auck in der Tat die Herren der Situation. Die liberale Regierung von der Konservativen Gnade wird gerade so lange formntrneln dürfen, bis btc Herren die Staffen ihrer politischen Organisationen genug gefüllt haben roerben um einen neuen Wahlkampf draus ivagen zu können. Bis dahin wird lidi die liberale Regierung sicherlich so griiiidlich kompromittiert und diskreditiert haben, daß der Pa: .kain.ss für sie der Todeskampf wird. Auk einem rein menschlich ,n bss uhle des Mitleids heran-? möchte man ihr fast einen Tod wünscheir. auch nur etwa glorreicher nxue. als nach diesem per. gvecselten Festhalten an dem schein, einer . ck ' 1 der tiUrklickkeit schon in den Händen der Konservatnen liegt oder