Nr. 162. Donnerstag, den 14. Juli 1916. 24. Jahrgang Hamburger Echo. Da« »Hambiiraer Vcho" erscheint tOgltch, ausser Montag». AbonnenientSprets (infl. „Die Neue Welt" und „Tie arbeitende Engend") durch die Poft te-ogen ohne Bringegeld monatlich A 1,20, vierleljShrlich x 8,60; durch di« Noiporleure wöchentlich SO * srei in» Hau». Tinz. Nr. 6 4. Sonntayi-Nummer mit llluftr. Beilage »Tic Neue Welt« >0 4. Kreuzbandsendungen monatlich x 8,70. für dar Aurland monatlich x a.50. Verantwortlicher Nedakteuri (Hustad Waberskft In Hamburg. Redaktion: Expedition: Fehlandstrabe 11. 1. Stock. VLNIVIllg OO F,hiandstraße 1L Erdgeschoß. «»»eigen die s-chrgespaltene Pellt,eile oder deren Raum 85 4. «rbeitsmarkt, «ermietniigS. und Fainllieuautrige» 20 4. Sliizeigen Anuahuie Fehlandftr. ll. Erdgeschoß bis 5 Uhr nachmittags:, in den Filialen (bis 4 Uhr nachui.), sowie in allen Annoncen-Burrauk. Platz- u. Talenvorschrnlen ohn/ Verbindlichkeit. 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Der Kapitalismus hat sich seit seinen Anfängen, und ge - raume Zeit durch keine Gesetzgebung gehindert, in stetig steigen - dem Maße versündigt an den seiner Herrschaft unterworfenen lohnarbeitenden Massen und damit gegen wahre Humanität und Kultur. Rücksichtslos hat er die Wohlfahrt und das Lebensglück, die Gesundheit und das Leben unzähliger Millio - nen seinem Interesse zum Opfer gebracht. Er hat geradezu die Volkskraft v e r w ü st e t, zu einem beispiellosen Degenera - tionsprozeß geführt, von dem vornehmlich auch die proleta - rische Frau betroffen worden ist. Das kapitalistische Aus - beutungssystem bemächtigte sich auch der Arbeitskraft der Frau, wie der des Kindes; es machte nicht halt vor den Unter - schieden des Geschlechtes und des Alters, nicht halt vor den Geboten der Menschlichkeit; es schonte nicht das Kind im Mutterleibe. Unter der Botmäßigkeit des Kapitals geriet die arbeitende Frau in den denkbar naturwidrigsten und menschen - unwürdigsten Zustand. Um ihrer und ihrer Familie Existenz willen war sie gezwungen, auf die Erfüllung der höchsten natür - lichen Mutterpflichten zu verzichten. Sie konnte sich selbst während der Zeit der Schwangerschaft, nicht einmal im letzten Stadium derselben, Schonung auferlcgen. Und war ihr Kind zur Welt gekommen, so konnte sie ihm nicht die nötige Er - nährung und Pflege angedeihen lassen. Daher die furcht - bare Kinder st erblichkeit im Proletariat, wie das u. a. auch Lassalle so drastisch festgestellt hat in seinem „Arbeiter-Lesebuch". Wie sehr aber auch die klassenstaatlichen öffentlichen Ge - walten von Anfang an dem kapitalistischen System huldigten und dienten, konnten sie doch auf die Dauer sich nicht der Not - wendigkeit widersetzen, der Verwüstung der Volkskraft durch dieses System wenigstens einige Grenzen zu ziehen, den Ar - beitern etwas gesetzlichen Schutz zu gewähren gegen die äußersten Konsequenzen der kapitalistischen Aus - beutung, zumal die Arbeiter s e l b st energisch und un - ermüdlich kämpften um solchen Schutz. Doch erst die So- zialdemokratie gab diesem Kampfe die nötige Einheit - lichkeit und Entschiedenheit und lenkte ihn auf feste, klare und richtige Ziele. Das läßt sich besonders von der deut sch e n Sozialdemokratie sagen. Sie richtete schon im ersten Stadium iyrer Entwicklung ihr Bestreben mit auf den gesetzlichen ?l r b e i t c r s ch u tz, den die Regierungen und die bürgerlichen Parteien geraume Zeit entschieden ablehnten. Dabei kam vor - nehmlich zunächst der Arbeiterinnenschutz in Betracht und im Rahmen desselben der besondere Wöchne - rinnenschutz. Schon in dem 1867 von dem sozialdemo - kratischen Abgeordneten Dr. v. Schweitzer ausgearbeiteten, in der ersten Session des Norddeutschen Reichstages vor - gelegten Gesetz zum Schutze der Arbeit gegen das Kapital war auf diesen Sonderschutz Rücksicht genommen. Ebenso in den 1869 bei Beratung der Gewerbeordnung von den Sozialdemo - kraten eingebrachten Anträgen. In dem Fritzsche schen Entwurf von 1877 war sodann gefordert: Schonzeit für Schwangere (drei Wochen) und Wöchnerinnen (sechs Wochen). In die Gewerbeordnung wurde dann 1878 die Be - stimmung ausgenommen, daß Wöchnerinnen während dreiWochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden dürfen. Als 1890 die kaiserlichen Erlasse zur „Ver - besserung der Lage der deutschen Arbeiter" erschienen waren, legte die sozialdemokratische Fraktion dem Reichs - tage abermals einen vollständigen Entwurf eines Arbeiter - schutzgesetzes vor, in dem u. a. gefordert wurde: Wöchne - rinnen dürfen vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen während a ch t W o ch e n nicht beschäftigt werden und darf eine Kündigung oder Entlassung derselben während dieser Zeit nicht stattfindcn." Ein Jahr später wurde in die Gewerbeordnung außer andern neuen Schutzbestimmungen für Arbeiterinnen auch die ausgenommen, daß Wöchnerinnen während vier Wochen nach ihrer Entbindung nicht, und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden dürfen, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies für zulässig er - klärt. Unermüdlich war die Sozialdemokratie für das Zustande - kommen eines weitergehenden Wöchnerinncnschutzes tätig. In ihrer Presse, in Versammlungen, auf ihren Parteitagen wurde die wichtige Frage eingehend erörtert und die sozialdemokrati - sche Fraktion brachte sie bei jeder sich darbietcnden Gelegenheit im Reichstage zur Sprache. In der Session 1898 beantragte sic die Vorlage eines Gesetzentwurfes mit folgender Be - stimmung: „Arbeiterinnen dürfen nicht beschäftigt werden wahrend der ersten sechs Wochen nach einer Niederkunft oder einer Fehlgeburt und, wenn das Kind lebt, während der ersten acht Wochen nach der Niederkunft. Wenn der Arzt durch ein schriftliches Gutachten eine längere Zeit der Enthaltung von der Erwerbsarbeit für notwendig erklärt, so darf die Arbeiterin vor Ablauf dieser Zeit nicht zur Arbeit heran- gezogen werden. Schwangere Arbeiterinnen können die Arbeit ohne Einhaltung der Kündigungsfrist einstellen vier Wochen vor ihrer Niederkunft und, wenn cS der Arzt für not - wendig erklärt, auch früher. Für die ganze Zeit der nach diesen Vorschriften zulässigen oder notwendigen Enthaltung von der Erwerbsarbeit erhalten die Arbeiterinnen von einer Krankenkasse, der sie zu diesem Zwecke augehören inüsseu, eine Unterstützung im Mindestbetragc des ortsüblichen Lage lohne«." Die Gcwerbeordnungsnovelle vom 28. Dezember 1908 brachte im § 137 Abs. 3 eine neue Vorschrift: „Arbeite rinnen dürfen vor und nach ihrer Niederkunft, nn ganzen während acht Wochen, nicht beschäftigt werden. Ihr Wieder eintritt ist an den Nachweis geknüpft, daß seit ihrer Nieder - kunft wenigstens sechs Wochen verfiossen sind." Diese Vor schrift bezieht sich jedoch mir auf Arbeiterinnen in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten und ans Arbeiterinnen in solchen Betrieben, die denen mit mehr als zehn Beschäftigten nach § 154 Ms, Z b Cr Gewerbeordnung ausdrücklich gleich - gestellt sind. , Die Sozialdemokratie hat stets den Standpunkt vertreten, daß es nicht genügt, die Schwangere und die Wöchnerin gegen Gefährdung durch Arbeirolcistung zu schützen, daß vielmehr hinzukommen muß die materielle Unterstützung während einer bestimmten Zeit. Die arme Arbeiterin, die während ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Schonzeit nichts verdienen kann, muß wenigstens vor der äußersten Not und Entbehrung geschützt sein. Das jetzige Kranken - versicherungsgesetz trägt dieser Notwendigkeit insofern Rechnung, als es die Gewährung eines Wochengeldes für sechs Wochen vorschreibt. Der in Rücksicht auf die Reichs - versicherungsordnung bis jetzt unerledigt gebliebene Entwurf eines Gesetzes über die Hilfs lassen von 1907, der diese Kassen in „Versicherungsvereine" umwandeln will, sieht vor, daß diese Kassen außer ihren sonstigen Leistungen gewähren dürfen: freie ärztliche Behandlung in Schwangerschaftsbeschwerden; Unter st ützung wegen einer durch Schwangerschaft ver - ursachten Erwerbsunfähigkeit; die erforderlichen Hebammendienste und eine Wöchnerinnenunter - stützung, und zwar alles das auch für Ehefrauen der Mit - glieder, die nicht selbst Mitglieder oder versicherungspflichtig sind. Tie jetzt der Kommissionsberatung unterliegende Reichs - versicherungsordnung führt im Rahmen der die Krankenversicherung neu regelnden Bestimmungen eine „W o ch e n h i l f e" ein. Mit diesem Ausdruck umfaßt der Entwurf alle Unterstützungen, welche die Kranken - kassen ihren weiblichen Mitgliedern vor und nach der Niederkunft gewähren. Die bare Unterstützung an Wöchne - rinnen, die als „Wochengeld" bezeichnet wird, soll nun - mehr zu den Regelleistungen der Krankenversicherung gehören, während das Krankenversicherungsgesetz sie bekanntlich bei der Gemeindekrankenversicherung nicht mit umfaßte. Tie Zeit - dauer, während welcher das Wochengeld zu gewähren ist (acht Wochen, von denen mindestens sechs auf die Zeit nach der Niederkunft fallen müssen), entspricht der oben erwähnten neuen Vorschrift der Gewerbeordnungsnovelle von 1908. Nicht „das Krankengeld", sondern ein ihm gleicher Betrag soll als Wochengeld gezahlt werden. Es handelt sich mithin, wie schon nach dem Krankenversicherungsgesetz, um eine rechtlich selb - ständige Leistung. Der Anspruch soll der Wöchnerin zustchen, wenn sie mindestens 6 Monate hindurch auf Grund der Reichsversicherungsordnung gegen Krankheit versichert ge - wesen ist. Weiter schlägt der Entwurf vor, daß die Kranken - kasse Schwangeren, die ihr mindestens sechs Monate angehörcn und infolge der Schwangerschaft arbeitsunfähig werden, ein Schwangerengeld in der Höhe des Krankengeloes bis zur Gesamtdauer von sechs Wochen und ferner, daß sie die erforderlichen Hebammendienste und ärztliche Behandlung der Schwangerschaftsbeschwerden zubilligen und Wöchnerinnen, so lange sie ihre Neugeborenen stillen, ein Stillgeld in Höhe des halben Krankengeldes bis zum Ab - lauf der zwölften Woche nach der Niederkunft gewähren kann. Diese Vorschläge bleiben erheblich hinter dem zurück, was gefordert werden muß und was die sozialdemokratische Frak - tion im Reichstage energisch anstreben wird. Das ist die allgemeine Mutterschaftsversicherung, der alle die erwähnten Leistungen, die Schwangeren- und Wöchne - rinnenunterstützung, die freie Gewährung der Hebammendienste und der ärztlichen Hilfe, sowie das Stillgcld, als obligato - rische zu überweisen sind. Der Entwurf einer Reichsver - sicherungsordnung umfaßt bei weitem nicht alle weiblichen Personen, die dieser Unterstützung und Hilfe bedürfen; große Gruppen von Arbeiterinnen sollen auch jetzt noch unversichert bleiben gegen Krankheit; nur die versicherten weiblichen Personen sollen „Wochenhilfe" erhalten; alle andern, mögen sie noch so hilfsbedürftig sein, fallen aus, abgesehen davon, daß die Satzung der Krankenkasse Wochenhilfe an nicht versicherte bezw. versicherungsfreie Ehefrauen der Versicherten gewähren kann. Dabei darf eü nicht bleiben; vom gesetzlichen Mutterschutz, ohne den es keinen wirksamen Säuglings - schutz geben kann, soll keine weibliche Person ausgeschlossen sein, die ihrer wirtschaftlichen Lage und sozialen Stellung nach dieses Schutzes bedarf. Neben den obligatorischen Leistungen kann man den Krankenkassen noch eine Reihe fakultativer zuweisen: die Verleihung oder Aufwendung zur Gründung, Betreibung oder Unterstützung von Schwangeren-, Wöchnerinnen-, Mütter- und Säuglingsheimen — Einrichtungen, die unseres Erachtens allerdings das öffentliche Wesen zu treffen hätte. Weiter: Gewährung von Hauspflege für Wöchnerinnen, die in vielen Fällen durchaus geboten ist; die Abgabe von Säuglingsmilch auf ärztliche Ver - ordnung; pflegerische Uebcrwachung dcö Säug - lings usw. Die Krankenkassen selbst fordern eine wirk - same Ausgestaltung der Niuttcrschaftsver- sicbernng. So sagt der vom fünften allgemeinen Kongreß der Krankenkassen Deutschlands 1909 zwecks Vertretung feiner Wünsche zur ReichSversicherungSordnung eingesetzte Ausschuß in einer an den Reichstag gerichteten Petition: „Vornehmlich vermissen wir eine wirksame Ausgestaltung der Mntter- schaftsversicherung. Die nach der Gcwerbczählung von 1907 8 Millionen im Hauptberuf erwerb-tätigen Frauen und die ständige Steigerung des Verhältnisses der kranken- vcrsichcrten Frauen gegenüber dem der krankenversicherten Männer, der Zusammenhang zwischen der Stillfähigkeit der Mütter und der Kindersterblichkeit reden eine so deutliche Sprache für einen größeren Mutter und Säuglmgsschutz, daß ohne ihn die ganze Reformarbeit ein Stückwerk bleibt." Für die Frau als Mutter kann wahrlich nicht genug ge schehen. Der Mutter und Säuglingsschntz findet eine seiner wichtigsten und sichersten Grundlagen in der Beschrän - kung der A r b e i t s z e i t, im Verbot der B e s ch ä f t i gung von Arbeiterinnen in solchen, Betrieben, die b e- sonders d e m weiblichen Organ i's m u s schädlich sind, sowie in der gesetzlich festgelcgien Schonzeit für er werbstätige Schwangere und Wöchnerinnen. Die M n t t e r s ch a f t Sv e r s i ch c r n n g bildet das nächst wichtige Glied in der Kette der Notwendigkeiten, denen genügt werden muß, wenn der Verwüstung der Volkskrafi durch das kapitalistische Wirtschaftssystem erfolgreich entgegcngcwirkt werden soll. Dazu muß die stetige Hebung der Ge - sa m t l a g e der arbeitenden Klassen, die Ver - besserung ihrer Lebenshaltung, die lieber^ Windung von Not und Elend kommen. Jeder Fort. schritt in dieser Richtung bedeutet erhöhten Mutter- und Säuglingsschutz. Man übersehe nie, daß die Not - wendigkeit, solchen Schutz gesetzlich zu gewähren, begründet ist in der Not, im Elend der proletarischen Massen. Politische^lebersicht. Tie „gefinnungStüchtige" Opposition. Tie konservativen dürren „ihrem" Könige opponieren, die andern nicht. Tas ist die Ouintefienz einer Betrachtung der „konservativen Korrespondenz" über das Thema, ob das für die Wahlrechtsvorlage eingesetzte Königswort eingelöst sei und ob noch weiteres zur Einlösung getan werden müsse. In dieser Be- trachrung findet sich folgende hübsche Stelle: „Ein anderes ist's, ob der königliche Wille im Rahmen des Rechts eine Grenze findet an der Ueber - zeugung königstreuer Männer — ein anderes, ob dem König die Absichten derer widerstreben, deren steter Wunsch es ist, ihre eigenen Rechte auf Kosten der königlichen zu erweitern, die an die Stelle der königlichen eine parlamentarische Regierung zu setzen bereit sind." Also: Wenn die andern, die ihre eigenen Rechte auf Kosten der königlichen erweitern wollen, nicht so wollen, wie der König will, dann mutz des letzteren Wille maßgebend bleiben. Wenn aber die .königstreuen" Konservativen anderer Me-nung find als der König, dann soll diese Meinung für den königlichen Willen die „Grenze" bilden. T-s ist in der Tat nur eine Umschreibung des bekannten Tbamissoschen Dortes: Und der König absolut, wenn er unsern Willen tut. Pom parla - mentarischen Regiment wollen die Konservativen nichts wissen, wenn der König nach dem Willen der Mehrheitspartcien regieren müßte, das ist schrecklich, wenn andere Parteien die Mehrbeit haben. Die Konservativen aber beanspruchen, ebne Mebrheitspartei zu sein, daß der König nach ihrem Willen regiere. Sie halten das für selbstverständlich; denn sie sind ..königstreue" Männer, freilich immer jtur so lange, wie der Monarch ihrem Willen folgt. Die Auslassung gibt einen hübschen Ei»blick in die .Grundsätze", nach denen bei uns regiert wird. Mandatspolitik soll für den Erbprinzen z u Hobenlohe das Motiv für die Nitzderlegung seines imtes als Pizepräsident des Reichstages ge - wesen sein. So wird wenigstens in der Kreuzzeitung" behauptet. Aus persönlichen Gründen habe sich der Erborinz schon lange mit dem Gedank-n getragen, die lästige Pizcpräsident- schait los zu werden; er habe nur auf eine passende Gelegenheit gewartet, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen. .Als eine solche erschien ihm insbesondere die Veröffentlichung der Borromäus-Enzyklika, obwobl diese Angelegenheit den Reichstag in keiner Weise berührte. Wenn Prinz Hohenlobe nun tro« '.>m die Enzvklika und die immer tiefer gebende Spaltung ' *T Ar .Vtll >' 2 l»t kwV. üiw JFX4UI* h'ilU» JI» .2 .*'.**. st jo 4»en hierfür vor allem die Verhältnisse in seinem Wahlkreise ausschlaggebend gewesen sein. Für jeden Kenner des Reichstagswahlkreises Gotba konnte es nämlich bisher keinem Zweifel unterliegen, daß für die nächsten Wahlen eine Kandidatur Hohenlohe von vornherein als aussichtslos gelten mußte, da die dortigen Linksliberalen gerade wegen des Eintritts des Prinzen in das Reichstagspräsidium ungehalten waren und eine noch - malige Unterstützung seiner Kandidatur entschieden abgelehnt batten. Lfsenbar sagte sich nun Prinz Hohenlohe, daß sein Ausscheiden aus dem Präsidium, und zwar gerade mit der angegebenen Begründung, auf den liberalen Teil seiner Wähler günstig einwirken und ibm deren Sym - pathien wieder verschaffen würde. Lb diese Be - rechnung sich als richtig erweisen wird, ist freilich eine andere Frage. Tenn die Gegensätze zwischen den bürgerlichen Parteien im Wahlkreise Gotba haben sich hauptsächlich infolge der Hetze freisinniger Blätter schon viel zu sehr verschärft, als daß ein Zu - sammengehen der rechtsstehenden und linksstehenden Wähler dort noch möglich wäre." Hostentlich haben die liberalen Wähler in Gotha politischen Geschmack genug, sich den ehemciigen Landesregenten und als Kolonialsekretär, wie als Vizepräsident des Reichstages gleich - mäßig verunglückten Erbprinzen nicht nochmals als Kandidaten zu erküren. Viel nützen würde es dem hohen Herrn übrigens kaum; denn es ist stark zu boiien, daß von den 1907 auch in Gotha mobil gemachten „Richtwäblern", die die Sozialdemokratie besiegten, obwobl sie fast 700 ermmen mehr aufbrachte als 190:5, inzwischen ein erheblicher Teil sozialdemokratisch geworden ist oder doch zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß ihre Abstimmung von 1907 eine Ri e s e n d u m m b e i t war. Der Wahlkreis, der schon von 1893 bis 1907 im Besitz der Sozial - demokratie war, wird voraussichtlich ihr auch bei den nächsten Wiblen wieder zuiallen. Denn der Ervizepräsident also so ge - rechnet hat, wie die .Kreuzzeitung" angibt, so hat er sich sicher verrechnet. Die zwei Seelen der Nationalliberalen kämpfen fortgesetzt miteinander Die eine drängt nach rechts, die andere nach links. Die Führung auf ersterer Seite Haven die Organe der rbeinisä westfälischen Jndustriebarone. die sich zwar noch nationalliberal nennen, aber längst keine Spur von Liberalismus mehr besitzen und völlig konservativ und vor allein arbeiterfeindlich sind. Die letzte Eigenschaft zieht sie naturgemäß zu den Vertretern brutaler Gewaltpolitik bin. Und sucht man das Gros der Partei zu überreden, sich mit möglichster Beschleunigung wieder den Konservativen zuzuwenden, um die alte Kartellherrlichkeit wieder berzustellen. So erklären die .Westfäl. Polit. Nackr.", es sei gewiß „in jedem nationalliberalen Politiker der Helle Zorn aufgeivallt, als die Konservativen den Block im Stich ließen, indem sie den Fürsten Bülow der Rache des Zentrums zum Opfer brachten". Aber der Zorn sei ein schlechter Ratgeber, und richte man das Augenmerk auf die Auf- gaben der Gegenwart, namentlich auf die kommende Reichstags- loabl, so werde .eine Verständigung zwischen den Konservativen und i>tationalliberalen geradezu zur Forderung des Tages". Sehr bedenklich neigt neuerdings auch das offizielle Partei - organ, die „Rationall. M'orrcfp." nach derselben Seite, während die „Köln. Ztg." auf den Lockruf der .Krenzztg.", die National liberalen möchten ihrerseits den freigewordenen Präsidentenstuhl im Reielistag wieder besetzen, wofür als Gegenleistung jedoch Bassermann a u s s ch e i d e n solle, antwortet: Wir meinen. wenn die Wiederannäherung zwischen Konservativen und Ration allibe- ralen, wie sie die „Kreuzzeitung" in ihrem ganzen Artikel zu »ünschen und zu fördern angibt, nur durch Opferung ge - wisser Persönlichkeiten zu erreichen ist, daß e8 dann wohl mehr an der konservativen Partei wäre, diese Crfer zu bringen und Persönlichkeiten aus ihrer P a r t e i aus z u scheiden, die jedenfalls zur Förderung anti - staatlicher und antinwnarchistischer Gesinnung mehr beigetragen haben als andere, die vielleicht einmal einen Sozialdemokraten als das nickst immer größere Uebel im politischen Kampf hin- gestellt haben." _ Schärfere Töne kommen ans dem Süden. Fn Stufig a r. hielt am Sonntag der nationalliberale Professor Kinder mann, i»er wahrst!einiickv Nackssolger Hiebers in der nationat- jbernlen Führerschaft, eine Red, n der er ausfübrte: . r y Natioualliberaliomus hat drei Möglichkeiten: mit .ton strvativen und Zentrum zusammenzugeben, neutral zu bl eiben, Fühlung nach linke- zu suchen. Der Z u f a m ni e ni chl u st mi K o n s er vativen und Zent r u m würde letzt feinen poli - tischen Selbstmord bedeuten. Gewin wirdin viele >>.>! stehende unter den Nationalliveralen schmei stich iie Abkehr ich klagen. Jedes Uevermaß ist aber rett zur Ohnmacht; der Rationalliberalismus wurde in den Fall der konservativen nur verstrickt werden. Wir können aber auch nicht neutral bleiben. Tenn dann wurde der Ausdruck „Drehscheibe" berechtigt fein; Abwägen ist nicht identisch mit Schwanken. Wir können, selbstverständlich unter Wahrung unserer vollen Selbständigkeit, nur Anschluß nach links suchen. Ein starker Zug nach Freiheit geht durch das deutsche Polk; diesen heißt es in die Segel zu nehmen. Die Fortschrittliche Volko- partei ist dann der gegebene Bundesgenosse. Sie bat sich stark organisiert auf Grund eines maßvollen Programms. Führende Männer, wie Payer, zeigen sich geneigt, mit dem Rationallibera - lismus zusammenzuarbeiten. Ein Großliberalismus, in dem beide Untergruppen ihre relative Selbständigkeit erhalten, wird am besten allen Anstürmen Trotz bieten. I n ganz Deutschland sollte bei den nächsten Reichstagswahlen nur ein Liberaler in jedem Wahlkreise aufgestellt wer - den. Wie weit wir „später einmal" nochweiter nach links Füblimg suchen können, entzieht sich heute der Berechnung." Selbstverständlich ist es ausgeschlossen, daß zwisa>.n diesen sich diametral entgegenftehenden Anschauungen in der national- liberalen Partei so bald ein Ausgleich zustande kommen könnte. Bleiben sie zusammen, so dürste die Folge bei den nächsten Reichstaaswahlen ein gegenseitiges Neutralisieren sein, d. h. sie werden ihre Kräfte gegenseitig aufheben. Das Zentrum will nicht mehr beiseite stehen; für seine guten Dienste, die es der Regierung leistet, will c8 auch seinen Lohn in der Form haben, daß es an die-Staats- krippe Herangelaffen wird. Tie als Ableger der „Germania" in Berlin erscheinende „Märkische Volkszeitung", spricht das ganz klar und unverblümt aus. Sie schreibt: „Es ist eine ganz eigenartige Erscheinung im Teutschen Reiche, daß jene Parteien, welche die positive Arbeit leisten, in der Regel am schlechtesten behandelt werden, die Konservativen ausgenommen. Turch Tradition und Familienbeziebungen haben sie einen festen Stamm von Be - amten und Aemtern. Wie aber steht es mit dem Zentrum? Seit dreißig Jahren nimmt man seine Arbeiten an; aber daß man diese Partei nun auch bei der Verteilung der Staatsämter berücksichtigen würde, das kennt man i r Pr.. ßen-Deutschland nicht. So kann und darf es nicht weiter gehen, wenn das Zentrum auf feine Ehre und die Gleichberechtigung mit andern Parteien etwas hält. Diese geflissentliche Zurücksetzung des Zentrums muß ein Ende haben. Man soll dem Pferde, das den fr-fer verdient, das Maul nicht verbinden. Wir müssen mit dem Satze brech :t. daß wir keinen Zentrumsanhänger in der Regierung sehen oollen: Dir müssen mit allem Nachdruck die Forderung aufstellen: die Ministerämter sind auch ZentrumsanHängern zu öffnen. Tas Zentrum kann es auf die Dauer nicht ertragen, daß e s Arbeit leistet und andere den Lohn erhalten, daß es die Blumen erhält, und oppositionelle Parteien die Früchte einstecken dürfen. Wenn die regierenden Kreise nach dem Satze bandeln: „Mein Sohn, de bandle die Liberalen gut, die Katholiken machen keine Revolu - tion!" so ist dies für unsere Ueberzeugung ehrend, aber mir er - tragen eine solche Behandlung nicht mehr. Politik muß mit dem Kopie gemacht werden, nicht mit dem Herren; wer feine rast nicht gebraucht, -ict wird mißviauchi und ausgelach:. 2. . t harten Ellbogen müssen in Der Politik eine größere Rolle spielen als die sanften Glacehandschuhe aus Schafsleder. Tie Zentrums Wähler fordern dies und alle Zenirumsabgeordn t c n, mit denen wir dieser Tage sprachen, sind darüber einig.“ Das Zentrum fängt also an zu rebellieren gegen die alte „preußische Tradition", die sich och auf das Reich übertragen Bat, daß die Regierung konservativ sein muh. Das könnte sie nun zwar auch mit Zentrumsministern sein; denn das Zentrum ist seinem Wesen nach immer konservativ gewesen und seine demokratischen Neigungen, die ihm durch den ^.Kulturkampf" aufgezwungen wurden. Btt es längst vergessen. In einem parlamentarisch regierten Lande wäre es selvstveritänd- lieb, daß die größte Partei im Parlament auch :n der Regierung sitzt. Will das Zentrum seinen Anspruch auf Ministersessel durch - setzen, so muß es dafür sorgen, daß wir in Preußen-Teutschland das parlamentarische Regiment bekommen. Arbeiterkandidaturen zum Tnrchfallen. In den Reihen der bürgerlichen Parteien scheint man für die kommenden Reichstagswablcn in vermehrtem Maße Arbeiter als Kandidaten aufstellen zu wollen. Tie National - liberalen gedenken in Duisburg und B o d: u m Arbeiter als Kandidaten zu benennen Tie Hirfch-Dunckerschen Gewerkschaften haben von der Fortschrittlichen Vollspartei verlangt, daß in einigen aussichtsreichen Kreisen Arbeiter als Kandidaten aus - gestellt werden. Auch die Konservativen haben bekanntlich für die bevorstehende Ersatzwahl in Frankfurt a. d. £. einen Arbeiterkandidateu auf den Schild erhoben Bemerkenswert dabei ist aber, daß die bürgerlichen Parteien, mit Ausnahm. des Zen - trums, Arbeiterkandidaten bloß in solchen Kreisen ausstellen, in denen an einem glatten Durchfall nicht gezweifelt werden kann. In sicheren Kreisen fällt es den bürgerlichen Parteien gar nicht ein, den von ihnen geleithammelten Arbeitern irgend eine Konzession zu machen. TuS Verfahren gegen Jugendliche. In der I u st i z ko m m i s s i o n wurde am Dienstag die Beratung beim ersten Abschnitt de» vierten Buches: „Ver - fahren gegen Jugendliche" fortgefe -t. Tic Diskussion und die Beschlußfaftung über den § 361, der das Alter der als Jugendliche anzusihenden Personen auf 18 Jahre festseht, wurden ausgesetzt. — T er § 365 besagt in der Hauptsache, daß die Staatsanwaltschaft gegen Jugendliche feine öffentliche Klage einleiten soll, wenn Erziehungsmaßregeln einer Bestrafung vorzuzieheu sind. In diesem Falle hat dann die Staatsanivaltschaft die Sache der Vormiindsckaftcbehördc zu über - geben. Das gleiche Verfahren greift Platz, wenn die Straftat eine geringfügige ist, aber Erziehung-maßregeln geboten er - scheinen. . Demgegenüber beantragten unsere Genossen, die Entichctduug darüber, ob ein Strafverfahren einzuleiten ist, der t a a : s anwaltschaft zu entziehen und die Befugnis der o r« inundschaftsbehördc zu übertragen. Jieier sozialdeme statische, prinzipiell wichtige Antrag lautete: 364 a. Darüber, 06 gciien einen gen binnen oTrciitlia 4laae zu erheben ist, bat die Pormunbscbafrsbcborde. AU ent« scheiden. Die Vormundschastsbchörüe entichesdet in der ^eieizun^ durch ihren Vorsitzenden und vier Waisenratkmitglt^oe^, u n t e r betten s i ch eine jyrau be sin d c u iol!. Die Vormund schast-behorde hat die Arage, ob öffentlich läge zu cibil cn iü, iu verneinen, wenn die Verfehlung geringfügig ist ober wenn Erziehung-' ober Besserungsm.ssuegeln nach ihrer Ansicht ge eignete- ab< eine Bestrafung sind, oder wenn die sozialen Ver - hältnisse, in denen der Jugendliche lebt, oder andere Gründe die Tai entschuldbar erscheinen lassen qjor der Entscheidung in der srndic ist der Jugendliche vor dem Kollegium zu vernehmen. Hierbei ist ein gesetzlicher Ver - treter zuzuzieden. Handelt es fick um eine Ucbertretiing oder um eine gerin: fiigige Siche, so darf die Frage, ob die Anklage zu erheben :st, nur bejaht werden, wenn von dem Jugendlichen eine ähnliche Handlung in dem der Tat voraufgegangenen Jahre bereits schon einmal begangen ist." Rach einem Zentrumsantrag soll eine öffentliche Klage oder im Privatklageverfahren die Hauptverhandlung dann nickn ein geleitet werden bezw. stattfinden, wenn auf Befragen die Vor mundschaftsbehörde der Ansicht ist, daß Erziehnngö- und Besse rnngsinaßregeln der Bestrafung vorzuzieheu sind und die Aue führung dieser Erzieiningsmaßregeln von der Vormundschaftc behörde übernommen wird. Ter ß 366 enthält die Bestimmungen für die weitere Be Handlung der von der VormundschaftSbehörde für schuldig bc fundenen Jugendlichen. Unter anberm soll der t a a t ■? anwaltschaft das Recht gegeben werden, Rechtsmittel