Nr. 24. Sonnabend, den 28. Januar 1911. 25. Jahrganq. Hamburger Echo. Das -Hamburger cheu .Frage" zu belchäftigcN, b. h. mit der Frage übng noch der Staatsanwalt durch die Haupt - tür weg. Ter Angeklagte batte sich erschöpft auf seinen Platz geletzt. Halb im Traume hörte er Petersens Feder ohne Aufhören über das Papier kratzen: eS galt, die Protokolle der Sitzung soweit wie möglich fertigzustellen. . Willroth und Hahnken rißen die Fenster des Saales auf; per Nordwestwind fuhr herein und Wingersen um seine beißen Schläfen. Tem war es in seinem Dämmern manchmal, als fühle er die Hand feiner Mutter. Das Richterkollegium war durch den kleinen Raum zwischen Sitzungssaal und BeratungSzimmer hindurch in dieses hinüber geschritten. Einen Blick hatte Helmut durch das Fenster deS Zwischenraumes auf die im Dunkeln nur bald erkennbaren Baumgruppen der Stadtgrabenanlagen werfen können, dann hatte sich die Tür deS Beratungszimmers hinter ihm und feinen Kollegen geschlossen. Drinnen setzten sich alle fünf in bie prächtigen bequemen Ledersessel um den langen grünen BerakungStisch. Oben, an der Spitze, mit dem Rücken gegen den Sitzungssaal, saß Sydow. Rechts von ihm, an der Längsseite des Tisches, Eckmann und von bet Decken, ihnen gegenüber Pilling und Harringa. Sydow'hatte sich erleichtert auf seinen Sitz geworfen: „Nun, meine Herren," sagte er schnell, „eS ist ja schon sechs Uhr. Also bitte, Herr Kollege Pilling." Pillings, des Berichterstatter», kluges und nüchternes Gesicht mit dem dünnen, strohfarbenen Haar und den wafserblauen Augen wurde noch schärfer als gewöhnlich. Wer ihn jetzt ansah, begriff, warum dieser Mann einen so glänzenden Ruf als Zivil- jurist batte. Er sagte nicht viel: „Meine Herren," begann er, „meine? Erachten? besteht nicht der geringste Zweifel daran, daß der Angeklagte antragsgemäß verurteilt werden muß. Kretzschmar hat unS in völlig einwand- freier Weife unter Eid geschildert, wie er den Hundertmarkschein am Abend in die Kaffe gelegt und wie er ihn am Morgen nicht wieder vorgefunden bat. Darauf, daß der Angeklagte behauptet, Kretzschmar sei am Abend so aufgeregt gewesen, darauf lege ich nicht den geringsten Wert. Erstens glaube ich dem Angeklagten das einfach nicht, solche Leute wollen ja erfahrungsgemäß die Belastungszeugen immer schlecht machen. Zweitens aber würde ja auch keine Aufgeregtheit genügen, um zu erklären, wie Kretzsch. mar dazu kommen sollte, zu beschwören, er habe den Hundert - markschein in bie Schublade gelegt, wenn er es tatsächlich nicht getan hat. Also eS kann überhaupt nur der Angeklagte für da? Verschwinden des Scheine? verantwortlich gemacht werden. Ich glaube, wir werden darüber alle einig sein, und darum kann ich wohl gleich auf da? Strafmaß kommen. Ich finde, daß der An - trag des Staatsanwalt? aus den Gründen, die et angeführt hat, durchaus zutreffend ist, und stimme daher meinerseits für die vom Staatsanwalt beantragte Strafe." „Bitte, Herr Kollege Harringa," sagte Sydow. Tenn nach dem Berichterstatter kamen die andern Richter zum Wort, der jüngste zuerst, der Vorsitzende zuletzt. „Meine Herren," sprach Harringa, „es ist schon spät, und wenn es nicht nötig ist, will ich Sie nicht lange aufhalten. Ich will darum zunächst nur ganz kurz erklären: Ebenso entschieden, wie Herr Kollege Pilling für die Verurteilung eintritt, will -ch die Freisprechung." Von der Decken? Gesicht wurde sehr auf. merksam. Um Pilling» Mund lief ein ironischer Zug. Eckmann blickte erstaunt auf, und in Sydow» Augen zeigten sich Spuren einer neu beginnenden Erregung. -Mein Standpunkt," fuhr Harnuga fort, „gründet sich Haupt- sachlich auf meinen Eindruck von der Persönlichkeit des Ange - waren ja vier Stimmen völlig klar erkannt, wie es stand: klagten. Ich hoffe — zumal er ja auch völlig unbescholten ist —, daß sich unter den anderen Herren wenigsten? noch einer findet, der meine Anschauung teilt. Tann können wir Zeit sparen, andernfalls behalte ich mir ausdrücklich vor, vor der endgültigen Abstimmung noch einmal das Wort zu nehmen." „Ja, meine Herren," sagte nun von der Decken, „ich kann nicht leugnen, daß ich außerordentlich gern mit Herrn Kollegen Harringa stimmen würde. Ich habe ein Gefühl, als ob wir mit einer Verurteilung etwas Verkehrtes tun würden. Aber ander - seits spricht alles Verstandsmäßige so sehr gegen den Angeklagten, daß ich mich einstweilen auch zur Verurteilung entschließen muß. Aber ich tue e» sehr ungern." „Das verstehe ich nicht," bemerkte Eckmann, „die sache ist fonnentlar. Nur der Antrag des Staatsanwalts scheint mir bei dem Vertrauensbruch, der vorliegt, lächerlich milde." „Das ist ganz meine Meinung," sagte Sydow. „Ich be - greife nicht, wie bei dieser Sachlage Herr Kollege Harringa zu einer Freisprechung kommen will Und ich kann auch nicht nachfühlen, wie Herr Kollege von der Decken irgend welche Zweifel daran hat, daß wir verurteilen müssen. Jedenfalls stimme ich aber darin mit Herrn von der Decken überein, daß solche dunkeln Gefühle, wie er sie in diesem Falle bat, bei so klarer TcweiS« läge schweigen müssen. Wo kämen wir sonst hin? Also, Herr Kollege Harringa, Sie wiinschten ja noch einmal das Wort. Ober wollen Sie angesichts der übereinstimmenden Meinung des übrigen Kollegiums darauf verzichten?" „Nein, daS kann ich leider nicht," entgegnete Harringa, „so sehr ich auch bebaure, die Herren noch aufhalten zu müssen." Während de? Votierens der andern vier Herren hatte Helmut nötig, um eine Verurteilung herbeizuführen. HarringaS feste Ueberzeugung von der Unschuld deS Angeklagten gelangte also schon bann zum Siege, wenn er nur einen einzigen der vier Herren zu sich herüberzog. Diese Aussicht schien aber günstiger, alS sie war. Denn Harringa wußte genau, daß dieser eine über - haupt nur von der Decke» sein könne: An Sydow, Eckmann um Pilling konnte angesichts der tussage .Kretzschmars der Ge-wnt> gar nicht herankommen, daß der Angeklagte auch nur moguep weise unschuldig fein könne. Dazu war Sydow zu 'rank, ' v " zu sehr auf das gewohnte Amtsgeleise chngefadren u t allzusehr Sklave seines rechnenden Erstände». Nur Decken war allenfalls zu ''berzeugen. ^^mitreben zu laßen, fähig mar, am richtigen Platz I(n p echer -uch noch Er war gesund. Und> er wat■juit« » mn den gi - ftet genug von der Knechtiwatt re ^ CIt frfie n . den ehr furchtbaren Eingrisf in ™ 6 ' können Harringa dachte also Verurteilung bedeutet, suhlen zu tonne nUr er fort „Herr Direktor Sydow mei: . GefübE dürtten für uns gar nickst m.t.prechen. kann das "'^'„Natürlich nsthh" murmelte Pilling in sich hinein.