Nr. 38. Dienstag, den 14. Aebrnar 1911. 25. Jahrgang. Hamburger Echo. Da? »Hamburger <'» Fehlandskafi- tl. Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Köpke in Hamburg. Anzeigen die sechSgespaltene Petitzeile oder deren Raum 35 4. ArbritSmarkt. BermietungS- und Jami.ienanzeigen 20 4. Anzeigen Annabme stehlandstr. 11. Erdgeschoß (bis 5 llhr nachmittag»», in den Filialen, sowie in allen Annoncen-BureauS. Platze imb Datenvorschrislen ohne Berbindlichkeii Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. Buchhandlung und Buchdruckerei-Kontor: ffehlandfir. tl, Erdgeschoß. Filialen: St. Pauli, ohne Amandastraße, bei Heinr. Koenen, Annenstr. 17. YImSbüttel, Langenfelde bei Carl Dreyer, Fruchtallee 42. Hoheluft, Eppendorf, bjroj, Borstcl und Wiuterhude bei Ernst Großkopf, Meldorferstr. 8. Barmbeck, Uhlenhorst bei Theodor Petereit, Bachstr. 12. Hohenfelde, Vorgfelde, Hamm, Horn, Schisfbeck und Billwärder bei Carl Ortel, Baustr. 26. Hammerbrook bis Ausschläger Billdeich bei Rud. Fuhrmann, Süderkaistr. 18. RotenburgSort und PrdSel bei Th. Reimer, Lindlenstr. 85. Wilhelmsburg bei Carl C. Diehl, Meyerstr. 12, 1. Et. Vilbeck, WandSbeck, Hinfchenfeldc und Oft-Barmbeck bei Fran, Krüger, Kurze Reche 34. Altona bei Friedr. Ludwig, Bürgersir. 118. Ottensen, Babrrnseld bei Joh. Heine, Bahrenfrlderskr. 129. Hierzu zwei Beilagen. „Unannehmbar". Die Vertreter der verbündeten Regierungen sino in letzter Zeit wieder, wie früher schon so oft, in Kommissionen und im Plenum des Reichstages bei der Beratung von Gesetzentwürfen oppositionellen Beschlüssen bezw. Forderungen mit einem „U n- annehmbar" gcgenübergetreten. So bei Beratung der Novelle zum Gerichtsvcrfasiungsgesetz in der wichtigen Frage, mit wie viel Schöffen neben den Berufsrichtern die Straf - kammern zu besetzen sind. Sie haben erklärt, daß die ver - bündeten Regierungen entschlossen sind, im Falle der definitiven Annahme der betreffenden Verbesscrungsvorschläge auf das Zustandekommen des Gesetzes zu verzichten. Im weiteren Verlaufe der Beratung der Justizgesetze wird man ihr „Un - annehmbar" noch öfter hören. Das formelle Recht der verbündeten Regierungen zur Ausübung einer solchen Praxis gründet sich auf den Artikel 5, erster Absatz, der Reichsverfassung, der das sogenannte „kon - stitutionelle Prinzip" proklamiert, das heißt die Teilung der Gesetzgebungsgewalt in der Ausübung zwischen Regierungen und Parla - ment. Da heißt es: „Die Reichsgcsetzgebung wird ausgcübt durch den Bundesrat und den Reichstag. Die U e b e r e i n - stimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetz erforderlich und ausreichend." Es gibt jedoch drei Punkte, in welchen zur Verhinderung von Gesetzen ein Mehrheitsbeschluß im Bundesrat nicht erforderlich ist. Der zweite Absatz des Artikels 5 gibt dem Bundespräsidium, also Preußen, bezw. dem Könige von Preußen in seiner Eigenschaft als deutscher Kaiser, ein wichtiges Vetorecht: bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegsmarine, das gesamte Zollwesen, sowie die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins, Bieres und Zuckers gibt, wenn im Bundesrat eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der be st ehenden Ein - richtungen ausspricht. Sonach kann der Bundesrat ohne die Zustimmung Preußens durch einen Mehrheits - beschluß nichts ändern am Militär- und Marinewesen und an dem wesentlichsten Teile der finanziellen Grundlagen, an den Zolleinnahmen und den Einnahmen aus den wichtigsten indirekten Steuern, auf denen die kriegerische Macht des Reiches beruht. Preußen kann durch Ausübung des präsidia - len Vetorechts im Bundesrat jede Verminderung der Militär- und der Zoll- und Steuerlasten verhindern, selbst gegenüber der Forderung aller andern Bundesstaaten. In diesem Veto - recht hat Preußm das stärkste verfassungsrechtliche Mittel, über Deutschland zu herrschen. Dem Reichstage gegenüber ist der Bundesrat als GcsetzgebungSfaktor eine Art Oberhaus und zugleich Regierungsfaktor. Er hat die im Ramen des Kaisers an den Reichstag zu bringenden Gesetzentwürfe zuvor zu be - schließen. Er kann auch die Entwürfe der Ressorts, gesetz - geberische Änträge der einzelnen Bundesglieder abweiscn. Er' nimmt selbst teil an den Beratungen des Reichstages, und zwar nach einem Worte Bismarcks als der die Souveränität der Einzelstaaten gegenüber dem Reichstag znm Ausdruck brin - gende Regierungsfaktor. Wie innerhalb des Bundesrates jedes Bundesglied, so kann im Reichstage jeder Abgeordnete Gesetzesvorschläge machen. Der Reichstag kann jede an ihn gelangende Vor - lage verwerfen oder „begraben"; nimmt er sie unver - ändert an, so ist damit ohne weiteres seine Uebereinstimmung mit dem Bundesrat gegeben; amendiert, verändert er sie, so kann der Bundesrat ihr seine Zustimmung versagen, ebenso wie jedem Jnitiativbegehren des Reichstages. Der Reichstag hat das Recht, an ihn gerichtete Petitionen [13] (Nachdruck verbalen.» Wandersmann. Von Wilhelm Krag. Mirren in den grauen Morgcnl Es wehte und regnete; die ganze Welt war grau, alle Menzchen verdrossen; — er aber fang, dass cS licht wurde um uns herum. ES war ein französisches Lied; ein Chanson, wie es die Studenten in ihren kleinen Kabaretts auf dem 53oul’ Mich, zu singen^ p^i!gen^ , Wieviel Kummer hast du mir gemacht, und wie^ost bist du mir nicht treulos gewesen. Aber ich habe dir immer vergeben, immer vergessen, immer gelächelt, wenn du zurückkehrtest. qg ic toc [j das tatl Und wie viele bittere Tränen habe ich nicht um dich gemeint! Aber mein Kummer rührte dein Herz nicht; darum verbarg ich meine Tränen vor dir; denn immer; wenn du mich weinen iahst, da lacküest du, ja, da lachtest du nur laut und höhnisch. * \ vc,ter m,t ferner schonen, klaren, ein weni^ schmachtende^G^l/eksteI Heute verläßt dich die Welt! Heute ssbt du einsam und verlassen. - O komm zurück, Geliebte. Kehr heim in dein altes Nest! - und ich w'll dir eins versprechen und immer halten: Nie wirst du Horen, da« ich dich auslackje, wenn ick dich je weinen sehen solltel — . Wie weit" ES war der Kapitan — er ,tand vor nnr, die (Mhtntoc um'den Leib und ein rotes Billettbuch in der Hand. — wie weit --? Bis ans Ende, antwortete ich, obwohl ich nicht ^H^eTsänqcr 0 " saß in seiner Höhle und llimperte auf der _ ab und zu sang er ein paar Strophen mit lauter S imme — Wer ist das —? fragte ich den Kapitan. , 1 dauerte eine Weile, ehe die Antwort kam. Er jchrreb das Billett und läckjclte leise. Tann steckte er den Blei- ben Mund, faltete das Billett zusammen, gab es mir, nahm 1'1, «(leiftift wieder aus dem Munde und antwortete endlich: 1 D-r ' - Das ist ja der Dichter. Und dabei lächelte er wieder ,, n wenig; es war unmöglich, zu entscheiden, ob dieses Lächeln w (»Mb oder Wohlwollen bedeuten lallte, oder vielleicht beides. Mehr erfuhr ick auch nickt; er wandte sich jetzt dem Mann mit ? ' Cm wdne Neugier wurde 3U groß; ich mußte hin und den Dichter trnrüfem. Ich kroch zu ihm in die enge Kajüte Hinern, wo er lstickw dem Tisch fast »nd gerade feine Pfeife anzundUc. D>e Gitarre batte er neben sich an die Wand gelehnt Ah, eher et illustre collegue! rief er ans, als ich mich ihm dem Bundesrat resp, dem Reichskanzler zu überweisen. Die - ses UeberweisungSrecht ist ziemlich belanglos, denn der Bundes - rat hat auch über den Beschluß des Reichstages, eine Petition dem Reichskanzler zu überweisen, zunächst zu beschließen. Der Bundesrat braucht dem Reichstagsbeschluß nicht zu ent - sprechen; er kann die Ueberweisung ablehnen. Da alle einen gesetzgeberischen Akt darstellenden Beschlüsse des Reichstages erst dann Gesetz werden, wenn sie Die Zustimmung des Bundes - rats erhalten, so hat diese „Volksvertretung" eigentlich nur beratende Stimme. Streitig ist die Frage: wie lange Reichstags- beschlüsse, über die der Bundesrat noch nicht entschieden, resp, die er nicht sanktioniert hat, wirksam bleiben, ob von Session zu Session, oder bis zur nächsten Reichstagswahlperiode. Der Reichstag ist also in den parlamentarischen Grund- kompetenzen dem Bundesrate gegenüber so erheblich beschränkt, diesem gegenüber so sehr benachteiligt, daß von einer ihm bei - wohnenden Selbständigkeit, Gesetze mit Rechtskraft zu be - schließen, seine Beschlüsse zur Geltung zu bringen, nicht die Rede sein kann. Seine Gesetzgebungs gemalt beschränkt sich darauf, Gesetzentwürfe der verbündeten Regierungen a b - zulehnsn und abzuändern. Das ist sein „M i t - bestimmungsrecht", dem gegenüber das weit stärkere und praktisch viel bedeutsamere Recht des Bundesrats steht, Gesetzentwürfe, die der Reichstag abgeändert Hai, zurück - zuziehen, die Beschlüsse des Reichstages als „unannehm- bar" zu bezeichnen, ihnen die Zustimmung zu ver - weigern, woraus unter Umständen die „Konsequenz" einer Auflösung des Reichstages sich ergibt. In diesem auf Sas Uebergewicht der Macht der Regicrungs- faktoren berechneten Rechtsverhältnis haben wir die Grund - ursachen ver Misere unseres Parlamentarismus. Ein Parla - ment, dessen Beschlüssen die Regierung jeden Augenblick mit ihrem „Unannehmbar" gegenübertreten kann, dessen Jnitiativbegehren sie in jedem Falle ignorieren oder zurück - weisen kann — ein solches Parlament hat keine Möglichkeit, seine Aufgabe als Volksvertretung im wahren Sinne des Wortes zu erfüllen. Welch eine ungcheure Summe von Mühe und Arbeit, wie - viel kostbare Zeit hat der Reichstag feit seinem Bestehen auf die Beratung von Initiativanträgen, die alle Gebiete der Gesetzgebung betrafen, aus die Herbeiführung von an die ver - bündeten Regierungen gerichteten Beschlüssen verwandt. So zum Beispiel auf den Gebieten der Sozialpolitik, >et Arbeiterversicherung, des Vereins- und Ler - sammlungswesens, des VerfassungswesenS, der Gewerbeordnung, des Arbeiterrechts, der Rechtsordnung im allgemeinen, der Straf rechts - pflege. Von alle dem, was im Reichstage Jahrzehnte hin - durch an Reformforderungen erhoben und beraten worden ist, hat bis jetzt nur ein sehr geringer Teil seine stückweise resp, teilweise Erfüllung gesunden. Allen auf große, wirklich gründ - liche und umfassende Reformen gerichteten Forderungen haben die verbündeten Regierungen stets ihr kategorisches „Rein" entgegengestellt, um Dann gelegentlich sich, ohne ihrem reaktio - nären Charakter etwas zu vergeben, einige im allgemeinen geringfügige „Konzessionen" an Reformbestrebungen zu machen, die sie aber immer sehr wohl zum Vorteil des Re - aktionssystems zu „kompensieren" verstanden. Nur den die Entrechtung und Knebelung der Arbeiter - klasse bezweckenden Forderungen der Scharfmacher hat man an maßgebender Stelle stets wohlwollende Berücksichtigung angedeihen lassen. Die Unterordnung des Reichstages unter ben Willen der Regierung findet ihre Stütze nicht nur in dem geschilderten verfassungsrechllichen Zustande, sondern mehr noch in dem Charakter der herrschenden Parteien. Die Re - gierung bedarf zur Durchführung ihres Systems der Unter - stützung, der Mithilfe dieser Parteien. Zwischen ihr einer - seits und Den Die Mehrheit des Parlaments bildenden reaktio - nären Elementen anderseits besteht eine Jnteressen- folibarität. Diese Solidarität findet einen prägnanten Ausdruck in Der „Verständigungspolitik" beider Teile. Das Resultat dieser Politik ist in Der Regel, Daß Die in gewissen Fragen Der Regierung opponicrrnDcn reaktionären Elemente vor Dem „Unannehmbar" Der Regierung zurück - weichen, Daß sie „ums allen" und sich wenigstens in Den Hauptpunkten Der Regierung fügen. Diese „Verständigung" nimmt nicht selten Den Charakter einer Schacherpolitik an, inDem ein Ausgleich zwischen Den Forderungen Der Negie - rung und den parteipolitischen Interessen Der „st a a ts e r halten Den" Gesetzgeber erstrebt unD herbeigeführt roirD. Dann sind Die Gesetze faktisch Das Er - gebnis eines SpieleshinterDenKulissen;Das Recht Des Gesamtparlamentarismus, Stellung zu ben Gesetz - entwürfen zu nehmen unb Darüber zu beschließen, roirD prak - tisch beDeutungSloS, Denn eine Mehrheit hat ja bereits außer - halb Des Rahmens Der orDentlichen parlamentarischen Ver- hanDlung die EntscheiDung nach Maßgabe Der mit Den Re - gierungen getroffenen Abmachungen gesichert. Aus Diese Weise erfährt natürlich Die politische Charakterlosigkeit unD Korruption Der als „Stützen Der Regierung unD Der OrDnung" gegen ehrliche unD entschieDeue Opposition, Der es um Die Wahrung Der Inter - essen Des Volkes zu tun ist, sich betätigenDen Parteien Die denkbar kräftigste Förderung, unb zwar nicht nur im Rahmen des Parlamentarismus, sondern auch außerhalb desselben. Tie Politik der Hinterlist, der Lüge, der Heuchelei, des Verrates am Volke greift Platz unD gibt im Parlament Die EntscheiDung — eine Politik, beten schlimme Kon - sequenzen gerabezu unabsehbare sinb. Aber Das ist Der Zustanb, wie ihn Die Reaktionsgewalien wollen unb bei bem Die ihnen ocrbünDeten oDer auf ihre Gunst fpefulierenben Parteien unter gröblichster Versündi - gung an Den Volksinteressen ihre Rechnung finden. W i e lange noch? Run, unbedingt solange, als diese Parteien im Reichstage eine Mehrheit haben. Die große Wendung zum Bessern kann nur eintreten, wenn Die 58o l s massen von ihrem Wahlrecht Den richtigen Gebrauch machen, wenn sie bei Den Wahlen eine andere Mehr - heit in das Parlament schicken — eine Mehrheit unter allen Umständen und unbedingt aufrechter Männer, Die der sittlichen Kraft und des Mutes nicht entbehren, den ent - scheidenden Kampf mit Der Regierung aiifzunehmcii, die un - beugsam entschlossen sinD, gestützt auf bas Vertrauen und Die tatkräftige Hilfe des Volkes, Dem destehenDen Zustande ein JTCjiöe zu machen, Die keimn; „Unanuehulliar", keiner Drohung der Herren vom Regiment sich fügen und vor Den Konsequenzen ihrer Haltung nicht zurückschrccken. Mögen Die nächsten Reichstagswahlen solch eine Mehrheit brin - gen! Daß sie im wesentlichen eine sozialdemo - kratische fein muß, brauchen wir nicht erst eingehend dar- zulegen. Die Sozialdemokratie allein bietet die sichere Gewähr dafür, daß ein wirkliches Volksparlament, aus- geftattet mit dem ihm gebührenden Rechten und Machtbefug - nissen, an die Stelle eines Reichstages tritt, über den der Bundesrat und in Diesem wieder Die preußische Regierung ziemlich unumschränkt gebietet mit Hilfe Der „staatserhalten- Den" Parteien. Kommen m u ß Der große EntscheiDungS- kampf um Das parlamentarische System und gegen Die Re - aktionsgewalten einmal — je früher, Desto besser! Politische Uebersicht. AuS dem Reichstag. Berlin, 11. Februar. Welche Maßregeln gedenkt die Regierung zu ergreifen, um einer Ueberschwemmung des deutschen Geldmarktes mit frcnden Wertpapieren und einem übermäßigen Abfluß deutschen Kapitals nach dem Auslande vorzubeugen? Das war die Frage, die Graf Kanitz an die Regierung richtete und in einer zweistündigen Rede ausführlich begründete. Diese Rede sowie die Antwort des Staatssekretärs Dr. Delbrück und die sämtlichen nackfolgendcn Reden ergaben als Resultat: die Unmöglichkeit, der im Wesen der borstellte. Wollen Sie mit der Gesellschaft eines alten Sängers vorlieb nehmen? Nehmen Sie Platz im Boudoir; — gleich wird Kamilla mit dem Kaffee kommen. Es lag eine festliche Grandezza in der Handbewegung, mit der er mich zum Sitzen einlud. ES war in seinem Wesen eine so absolute Ueberlegcnheit, eine so natürliche Herablassung, daß ich ganz verlegen wurde, -ch mußte bekennen, daß der Kapitän mir nicht einmal seinen Namen gesagt, sondern ihn nur den Dichter genannt hatte. Nein, Sie kennen Gunnufsen nicht, sagte er und strich sich durchs Haar, Gunnufsen ist groß! Gunnufsen ist der vollendetste Grobian, den Sie treffen können. - Gunnufsen ist ein Griesgram und ein Murrkopf. — Verstehen Sie die Tiefe dieser Glossen? — Das ist Gunnufsen; — ich bin nur der verstorbene Tom Theiste, zu dienen! Er verbeugte sich weit über den Tisch. Tom Theiste? — Eine schwache Erinnerung dämmerte bei diesem Namen vor mir auf; — hatte er nicht vor undenklichen Zeiten ein Bändchen Gedichte geschrieben? O, mon tresor! lachte er, geben Sie sich keine Muhe. Zch verlange durchaus nicht, daß feie meine gesammelten Wecke kennen. Wie vorhin bemerkt, bin ich längst gestorben. — Ich ge - höre zu den unberübmten Klassikern; — mein Name ist auf ewig aus der Literaturgeschichte ausgelösckt. — Aber ich bin als Frank Gerson im illustrierten Familienblatt wieder auferstanden, und da haben Meine Werke mehr Leser, als Sie in Ihrem ganzen Leben bekommen werden. Doch dessen weitläufige Produktion ist Ihnen vielleicht auch entgangen? Da bebaute ich Sie, junger Mann, aber da haben wir Kamilla mit dem Kaffee. Er griff in die Saiten, und während er dem dicken, mürrischen und verschlafenen Mädchen schmachtende Blicke zuwarf, stimmte er ein lustiges Liebeslied an. Mit einer verächtlichen Grimasse wandte Kamilla sich ab und schlürfte auf ihren schlappenden Pantoffeln hinaus. Noch eine Tasse, Kamilla! brüllte er ihr nach. Sie kennen das Lied nicht, mein Herr? Ah — und Sie glauben das Volk zu kennen, wenn Sie die Poesie des Volkes nicht kennen? Diese Nlberquelle, wie es heißt — die sich in der Tiefe des Volkes verbirgt, aber rein und klar zwischen den schwellenden Lippen der Küchenmädchen hervorsprudelt. Aufrichtig gesprochen, ick wußte weder aus noch ein. Ick habe so manches verkannte Genie in meinem Leben kennen ge - lernt, daß ich weiß, wie leicht sie zu verletzen sind. Und um alles in der Welt wollte ich diesen Mann nicht verletzen, falls sich hinter seinem lustigen Wesen ein verbittertes und niedergebeugtes Gemüt verbarg. Was er mit seinen Reden von Frank Gerson meinte, mochte vorläufig dahingestellt bleiben. Ich zog es vor, zu kou- Bersteten; — ob er dauernd hier in dieser Gegend wohnte? — Dauernd —? Ha, bei meiner Seligkeit, wohne ich dauernd hier. Wenn man wie ich dem Ackerbau. Fischfang und Bie^ucht lebt, ist man schon genötigt, dauernd hier zu leben. Nicht daß ich cmdersivo ivohneir möchte. Sie sehen einen zufriedenen und soweit glückliche Menschen vor sich. Ich habe ein hübsches Haus mit Feldern und Wiesen, drei Kühe und ein Pserd von zwanzig Jahren, das Jeremias beißt. Und da sollte ich nickt glücklich sein —! Ja, aber jetzt zu dieser Jahreszeit, wandte ich ein. Der Winter muß doch oft recht lang sein. Der Winter? rief er höhnisch. Begreifen Sie nicht, daß der Spätherbst und der dunkle Winter die prachtvollsten Zeiten im ganzen Jahre sind? lind Sie glauben, Sie hätten die Natur verstanden? Heutzutage kennen ja die Künstler die Natur nicht anders, als mit dem banalen blauen Himmel und der banalen blauen See und der banalen grünen Wiese, wie sie es mit ihren blöden Äugen im Sommer sehen. Denn gerade, wenn die Natur auflebt, im Herbst, da laufen |ie in die Städte. Ta platschen sie durch Sckmutz und Regenwetter und schlagen die Zeit mit Cafebesuch und Klatsch tot und glauben, das sei das Leben. Haba! Ein Wintertag am Meer macht sie schwermütig ober stumpfsinnig. Sie ziehen bie Sonne im i.cai vor — biese entsetzlichen Frühlingstage, bie bas einzige sind, was ich fürchte. Da kann es geschehen, daß ba: Herz fick mit he*er Bitterkeit erfüllt, baß alles das mieber auflebt, was einmal -träum unb Hoffnung war. Nein, io eilt später Novembertag ist wie ein alter Freund Der trübe Himmel, bie trübe Luft^ bei! eine teuflische Heiterkeit kann mich an einem solchen Tage erfassen; ein unendliches Glücksgefubl, baß ick nicht dock bin, wo das Leben blaut unb glitzert, baß ich mir durch das ergrauende Haar »treicheu kann unb mich hoch im Nebel aufrichten unb mit Vater November selber einen großen kühlen Becher auf bie schöne einsame Lmobe leeren kann. , , . . Jetzt kam der Kapitän mit fernem roten Buck unb der um« geschnallten Geldtasche. . Ra was sagt Ihr. Guuuufien. tagte der Dichter, und ,tel wieder in seinen lächerlichen Dialekt. Wann, mein Ihr, ist es besser zu fahren, im Sommer oder un Wmter? Gunnufsen grunzte. Es kommt so ziemlich auf eins heraus, tarn es schließlich langsam. Es ist allezeit ungefähr dieselbe Schinderei. Unb bann bie Gicht, Gunnufsen —! Gunnufsen seufzte. Ja, die (Sicht, ja, sagte er unb stapfte hinaus. . Haben Sie bie Literatur ganz an ben Nagel gebangt? fragte ich, als wir nrieber allein toaren. Weit entfernt. Tie Literatur ist mir immer ein lieber Zeit- vertreib. Das unb nichts anderes sollte sie für alle Gentlemen fein. Ich bin eigentlich immer Amateur gewesen; — mein Ebr« geiz ist mit bloßem Auge nickt zu sehen gewesen. Vielleicht auch nicht mein Talent. In der verstocktesten Prosapcriobe wat ich Romantiker unb schrieb Verse. Tie Leute meinten, ich sei verrückt. Man bettle, Tramen in Versen in den achtziger Jahren! Si« tönnen sich denken, wie ich abfiel. Da gab ich es auf. Ich schrieb für bie Schieblabe, wenn ich schrieb, unb das tue ich nack ES geschieht nur hier unb da, wenn die Ernte feblschlägt und der Fischfang mißglückt, daß ick mich in Frank Gerion peimanbte und wieder vor das große Publtkitm trete und haufenweise Heber-- setzungeit für die bescheibene Provinzpresse unb köstliche Romane für unbekannte, aber ungeheuer verbreitete illustrierte Blätter liefere. Wenn die Not drängt, liefere ich Gelegenheitögebichte für meine bäuerlichen Nachbarn — Hochzeitslieber unb Begräbnis gebuhte für zwei Kronen das Stück. Aber das ist alles mit einartber Frank Gersons Arbeit Jom Theiste bagegen ist vor nehm. Er schreibt nur für bie Schieblabe unb verachtet bie billigen Lorbeeren. — Er griff nach feiner Gitarre und sang ein lustiges Lieb. Ich hatte ja kein Ziel unb folgte ihm darum gern, als et mich zu sich einlub, damit ich sähe, wie er es hätte. An einem verworrenen Steinhaufen, der eine Landungsbrücke vorstellen sollte, klettecken wir an Land« Ein paar Stiften und Pakete, die der Dichter fckon am Abend vorher an Bord gesandt hatte, imirden an Land geschafft unb mit einem alten Raasegel bebeckt, Tas ist Jeremias' Sacke, sagte er, boch im selben Augenblick hörten wir hinter uns eine ausgelassene Mädchenstimine: Vater! Willkommen zu Hanse! Willkommen zu Hause! Ein schmales grünes Boot mit rotem Segel schoß hinter einei der Klippen in der Nähe hervor und kam in rascher Fahrt auf uns zn. Ein halbwückck^eS Mädchen saß nm Steuer; — jetzt sprang sie stink tote eine Bachstelze über bie Ruberbank, barg das Segel unb’ band eö fest. Dann eins — zwei drei wieder zurück. Das Steuerruder umgelegt, und ba? Boot glitt sackte dickt an ben äußersten Brückensteinen vorbei. Ihr kommt heute früh, sagte sie. Ich tväre beinahe zn spät gekommen, und das ist mir noch nie passiert. Tas ist Gunnusseiis Gicht, feuchte der Dichter, während wir seine Kisten ins Boot schleppten. Na. steht alles gut zu Hanse. Mackanne? Tu hast, wie ich feite, Jeremias geschont unb statt dessen das Boot genommen? Sie schwatzten ohne Rücksicht auf mick bie ganze Zeit zu sarnmen. Es waren tausenb kleine häusliche Angejegcnheiten, — wie viele Eier c5 im Hühnerhaufe gegeben habe und wieviel Liter Milch im Stall. — Dann batte Marianne nngefanacr. Apfelwein zu bereiten, ba? war natürlich ein großes Ereignis, und bann waren zwei La-France-Rosen aufgesprungen, und das war auch rounberbar. - — _. . . Ich faß unb betrachtete das ickmacktige Meine Dmg. vas Bemünfiig mit seinem grauhaarigen Vater fpimh. jore fl Verständigkeit steckte auch ibn an; der Sut ,ass mcki medr sck.et die Gitarre war in Wachstuch gebullt V. mal ein Bauer-mann gemordet. Und an alledem mar Me sieme Marianne schuld' Er hatte he m ‘‘er ücb^t um sie fun-mene ttr ,oursi< rrn^ni ^ithe. Jetzt mehr oon flo ter «rcmbe^i^ * . ®i tD er. WL«' Ä r-fl ' g»N. «H«. Vaters dieser Tockter. 3*n ilmm wat alle»