Nr.  41 
.  Tonntag,  Sen  IS.  Februar  1012.  Ltz.  Jahrgang 
Hamburger  Echo. 
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^ierju  vier  Beilagen  unb  das  Illustrierte  Unter -
haltungsblatt  „Die  Nene  ühk'ft". 
Wedel  leakliM  M  tßöitfll? 
Der  Herr  Reichskanzler  v.  Betlsmanil-Holliveg  hat  am 
Freitag  in  der  Etatsdebatte  des  Reichstags  nicht  nur  im 
eigenen  9tamen,  sondern  —  wie  er  eingangs  seiner  Rede  be -
merkte  —  auch  gleich  im  Ramen  der  verbiindeten  Re -
gierungen  Stellung  zn  den  Wahlen  genonnnen. 
Diese  Stellungnahme  zu  den  Wahlen  war  selbverstandlich 
eine  solche  gegen  die  Sozialdemokratie.  Die  I  I0  sozial -
demokratischen  Biitglieder  des  Reichstages  und  der  sozial -
demokratische  Vizepräsident  sind  für  den  Herrn  tli'eichs- 
kanzler  ein  ebenso  peinvolleö  Ergebnis  der  Wahlen  wie 
für  die  geschlagenen  Parteien  des  schwarz-blauen  Blockes. 
Vielleicht  wäre  es  Herrn  v.  Bethmann-Hollweg,  der  sich 
in  den  Banden  der  konservativ-ulrramontanen  Allianz 
durchaus  nicht  immer  wohl  fühlt,  garnicht  so  unangenehm 
gewesen,  dah  die  Wahlen  deni  Ueberinnt  der  Schwarz-Blauen 
einen  kräftigen  Dämpfer  aufgesetzt  haben,  wenn  die  Libe -
ralen,  besonders  die  Nationalliberalen,  als  die  t^eträftigten 
aus  dem  Wahlkampf  hervorgegangen  wären.  Aber  datz  die 
Sozialdemokratie  die  Siegerin  war  und  einen  so  glänzen -
den  Sieg  erfocht,  das  ist  dem  Herrn  Reichskanzler  arg  an 
die  Nieren  gegangen  und  hat  ihn  ans  seiner  „philosophischen" 
Ruhe  hochgescheucht. 
Und  so  zog  er  aus  zum  Kampf  gegen  den  Drachen. 
Ein  Erfolg  war  ihm  jedoch  nicht  beichieden.  Er  ist  ein  end- 
thusiailischer  Verehrer  der  „Sammelpolitik".  Sammelt  Euch 
gegen  die  bösen  Roten!  Das  war  sein  immer  wiederholter 
Angstruf,  mit  dem  er  die  bürgerlichen  Parteien  von  Hepde- 
brand  bis  Paper  fiir  eine  reaktionäre  Politik  znsammen- 
kuppelu  wollte.  Weder  rechts  nock>  links  hat  man  darauf 
gehört.  Aber  Herr  v.  Bethmann-Hollweg  hat  daraus  nichts 
gelernt.  Er  trat  anch  am  Freitag  wieder  als  Verfechter  der 
Sammelpolitik  in  die  Schranken,  aber  mit  dem  gleichen 
Ungeschick,  das  er  schon  früher  bewiesen  hat. 
Der  Reichskanzler  fühlt  sich  mir  als  Diener  seines  Herrn, 
des  Kaisers,  durch  dessen  „Knabe"  er  auf  den  Reichskanzler- 
posten  berufen  worden  ist,  und  der  ihn,  sobald  es  ihm  gelallt, 
wteoer  peimschicken  taun.  Darum  glanor  Herr  v.  Bethmann- 
Hollweg  in  seiner  naiven  staatsmännischen  Auffassung,  nicht 
nur  über  den  Parteien  zu  stehen,  sondern  auch  das  Recht 
zu  haben,  die  Parteien  zn  schulmeistern,  ihnen  Vor -
schriften  machen  zn  können,  wie  sie  sich  zu  verhalten  haben 
und  ihnen  durchaus  unerbetene  Rat'chläge  erteilen  zn 
dürfen.  Da  er  selbst  niemals  Parteimann  war,  da  er  von 
«üter  eigenen  inneren  politischen  Ueberzeugung,  von  Grund -
sätzen  der  Parteien  nichts  weiß,  so  geht  ihm  offenbar  alle 
Empfindung  dafür  ab,  wie  verletzend  solche  schnlmeister- 
lichen  Versuche  aus  alle  Parteien  wirken  müssen.  Die 
Parteiführer  wie  die  sonstigen  Abgeordneten  sind  doch  keine 
Kinder,  denen  man  sagt:  Hört  mal,  Ihr  dürst  Euch  nicht 
schlagen;  Ihr  müßt  Euch  vertragen. 
Der  Versuch,  so  von  oben  herab  sich  als  Meisterer  der 
politischen  Gegensätze  anszuspielen,  hat  die  ganz  natürliche 
Folge,  daß  er  alle  Parteien  vor  den  Kopf  stößt,  eöjiüt 
allen,  die  er  für  seine  Zwecke  einen  wollte,  verdirbt.  Soll 
es  so  aussehen,  als  ob  er  über  den  Parteien  stehe,  so  durfte 
Herr  von  Bethmann-Hollweg  natürlich  nicht  den  Kon -
servativen  nur  Liebenswürdigkeiten,  den  Liberalen 
nur  Grobheiten  sagen.  Den  Sozialdemokraten  konnte 
er  schon  eher  allein  mit  Schroffheiten  begegnen,  denn  sie 
will  er  ja  nicht  mit  samnieln,  vielmehr  sollen  ja  die  andern 
gegen  die  Sozialdemokratie  gesammelt  werden.  Die  Sozial -
demokraten  selbst  werden  sich  freilich  durch  die  reichskanzle- 
rischeu  Angriffe  am  wenigsten  rühren  lassen;  sie  werden  sich 
dadurch  um  keine  Linie  von  dem  als  richtig  erkannteil  Wege 
abdrängen  lasten. 
Für  die  Zwecke  der  Zukunftssammlung  bemühte  sich  also 
Herr  v.  Bethmann-Hollmeg,  Licht  und  Schatten  nach  seiner 
Aufsastung  unter  den  bürgerlichen  Parteien  gleichmäßig  zn 
verteilen.  Solcher  Versuch  hätte  allenfalls  noch  Sinn  haben 
können,  wenn  der  Herr  Reichskanzler  nicht  nur  Da  del, 
sondern  auch  Lob  anszuteilen  gehabt  hätte.  Damit  wäre 
an  sich  seine  Rolle  als  Zensor  der  Parteien  noch  um  keinen 
Deut  berechtigter  erschienen,  aber  allen  nur  llnaugenehmes 
sagen,  ist  nicht  nur  eine  unangenehme,  sondern  auch  eine 
ihren  Zweck  verfehlende  Aufgabe. 
Mit  der  Abwehr  der  konservativ  -  agrarischen  Angriffe 
wegen  von  der  Regierung  nicht'genügend  gegebener  „Aus- 
klarung"  über  die  Finanzreform  hat  Herr  v.  Bethmann 
Hollweg  die  Konservativen  wiederum  bös  getroffen. 
Besonders  die  Kritik  über  ihr  Verhalten  zur  Erbansall -
steuer,  die  an  die  scharfe  Ablehnung  des  Zentrums 
abgeordneten  Speck  vom  rage  vorher  ankuüpste, 
wird  ihm  auf  der  Rechten  nicht  so  leicht  vergessen  werden. 
„Dort  aus  der  Linken  sitzen  die  lachenden  Erben!" 
rief  er  den  Herren  von  der  Rechten  und  vom  Zentrum  zu. 
Und  in  der  Dat,  sie  lachten  und  lachten  mit  Recht;  denn 
mit  dem  Worte  hak  der  Reichskanzler  anerkannt,  daß  die 
Volksempörung  über  die  Finanzreform  mit  ihrem 
DruM  und  Dran  berechtigt  ist. 
Die  Vorhaltungen,  die  Herr  v.  Bethmann  Kwlliveg  dann 
den  Liberalen  machte,  waren  noch  weniger.  geeignet,  bei 
Heiterkeit 
diesen  freundschaftliche  Gefülile  für  die  Sammclpoliiik  des 
Reichskanzlers  zu  wecken.  Er  mußte  ja  hilflos  eingestehen, 
daß  er  bisher  mit  der  Sammelparole  Erfolg  nicht  ge -
habt  habe,  welches  lüeständnis  von 
demokraten  mit  stürmifchei 
Aber  er  hofft  noch,  daß  der  Smnmelruf  in  Zukunft  ans 
Er  will  die  Scheidelinien 
den  Sozial 
quittiert  wurde. 
dem  Volke  ertönen  werde. 
'wifchen  den  bürgerlichen  Parteien  und  der  c-ozialdemokratie 
nicht  bis  ins  Nebelhafte  verwischen  lagen.  Aber  die  Art, 
wie  er  dann  die  L  iberal  e  n  abtanzelte  wegen  ihres  zeu- 
weiligen  Zusammengehens  mit  der  ^oualdemokratie,  wird 
ton  »4«  MU,  di. 
...  -iehett  wenn  das  notig  wäre.  >-te  b  c  )t  i  h  t  ia  Hop 
des'  taktischen  Zusammenwirkens  nach  wie  vor  nnd  wird 
bestehen  bleiben  auf  Grund  der  innerhalb  der  avitaliNUckien 
Gesellschaft  unausrottbaren  K  l  a  s  1  e  n  g  e  g  c  i  l - 
Ter  Vergleich  der  Taktik  der  Liberalen  bei  den  Bülow 
block-Wahlen  von  1907  und  der  gegen  den  schwarz-blanen 
Block  gerichteten  Taktik  von  1912  hatte  für  die  Liberalen 
ja  etwas  Peinliches.  Wenn  aber  Herr  v.  Bethmann. 
Hollweg  baß  erstaunt  war  über  diese  Schwenkung  und  die 
Frage  stellte:  „Was  hat  sich  denn  in  der  Zwischen 
zeit  geändert?"  so  verrät  das  doch  eine  politische 
Naivität,  die  für  einen  Staatsmann  unentschuldbar 
ist.  Er  richtet  seinen  Blick  nur  aus  die  Par -
teien,  nicht  auf  die  Verhältnisse,  durch  die  ihr  Ver -
halten  beeinflußt  wird.  Und  bei  Betrachtung  der  Parteien 
hak  Herr  v.  Bethmann  in  einem  Recht:  Die  Sozial -
demokratie  hat  sich  nicht  geändert.  Das 
Bild  der  Sozialdemokratie,  das  sich  in  seinem  Kopse 
wiederspiegelt,  ist  ja  eine  Karnkatur;  so  ivie  er 
die  Sozialdemokratie  sieht,  so  sieht  sie  weder  jetzt 
aus,  noch  hat  sie  vor  fünf  Jahren  oder  früher  so  aus 
gesehen.  Dem  Reichskanzler  macht  ja  vor  allem  die  K  rast 
entfaItung  der  Sozialdemokratie  bei  den  letzten 
Wahlen  Pein,  die  ihr  HO  Mandate  in  den  Schoß  warf. 
Er  sucht  sie  zu  verkleinern,  indem  er  die  4 1  ,  Millionen 
Stimmen  im  wesentlichen  auf  Mitläufer  zurückznfiihren  sucht 
und  verächtlich  von  dem  „großen  Stimmzeltelhaufen"  spricht, 
den  doch  alle  anderen  Parteien  gar  zu  gern 
gehabt  hätten  und  den  der  Reichskanzler  bei  diesen 
wohl  auch  ebenso  respektiert  haben  würde  wie  Bülow  im 
Jahre  1907. 
„Was  sich  gewandelt  hat,  ist  der  Liberalismus!"  Er 
sei  weiter  links  gegangen,  behauptet  der  Herr  Reichskanzler. 
Das  ist  an  sich  ebenso  richtig  wie  erfreulich.  Aber  an  der 
Erkenntnis  dieses  äußerlichen  Wandels  durfte  ein  wirk 
licher  Staatsmann  sich  nicht  genügen  lassen.  Er  mußte  den 
Ursachen  dieses  äußerlichen  Wandels  nachgehen.  Das 
lag  für  ihn  umso  näher,  als  er  wenigstens  die  Nationalliberalen 
soweit  kennen  sollte,  daß  sie  nickt  srivol  sich  in  oppositionelle 
Abenteuer  einlassen  und  daß  deshalb  ein  ti  e  f  er  l  i  ege  n  d  e  r 
G  r  u  n  d  für  die  Schwenkung  ihrer  taktischen  Stellung 
vorliegen  muß.  Hätte  Herr  v.  Betlnnann  Hollweg  dem 
weiter  nachgeforscht,  so  würde  am  Ende  auch  g  ick- 
deckt  haben,  daß  die  Ueberspannung  der  reaktionären 
Politik  im  Reiche  wie  in  Preußen  und  die  Ver -
nachlässigung  und  Verletzung  der  Lebensinterepen  anch  I 
des  Bürgertums  dessen  wahrlich  langen  Geduldsfaden 
endlich  hat  reißen  lauen,  ohne  eckick  öte.  ne... 
Energie  allgemein  ausznlöten,  die  erforderlich  war,  das 
alte  reaktionäre  System  gründlich  anfs  Haupt  zu 
schlagen.  Herr  v.  Bethmann-Hollweg  gilt  ja  für  einen 
Philosophen.  Da  wird  er  auch  schon  einmal  etwas  vom  Um 
schlag  der  Quantität  in  die  Qualität  gehört  haben.  Solck 
eine  Wirkung  liegt  in  der  Verschiebung  der  Parteiengrup -
pierung  im  Reich  vor.  Die  Reaktion  int  Reich  und  in 
Preußen,  die  Bedrückung  des  Volkes  mit  unerträglichen 
Lasten  ist  so  groß  geworden,  daß  die  allgemeine  Empörung 
sich  dagegen  endlich  Luft  machen  mußte.  Das  quantitative 
Anschwellen  der  Volksbedrückung  hat  eine  Qualitätsänderung 
bei  den  liberalen  Wählern  wenigstens  zum  Teil  hervorgebrackt. 
Aber  das  bleibt  dem  Philofophenauge  des  Herrn  v.  Beth- 
mann-Hollweg  verborgen.  Er  sieht  ja  überhaupt  keine 
Reaktion  und  meint,  das  Deutsche  Reich  könne 
weder  reaktionär  noch  radikal 
regiert  werden.  Er  ist  der  Mann  der  „goldenen  Mutelstraße" 
und  hätte  deshalb  eigentlich  bei  den  Nationalliberalen  landen 
sollen,  die  ja  auch  die  Partei  der  „richtigen  Mitte"  sein 
wollen,  dabei  aber  in  entscheidender  Stunde  meist  aus  die 
rechte  Seite  fallen,  was  ja  Herrn  v.  Bethmann  Hollweg  sehr 
sympathisch  sein  müßte.  Aber  i  h  in  erscheinen  selbst  die 
Nationalliberalen  schon  „radikal",  weil  sie  zum  Teil  den 
Mut  hatten,  sozialdemokratischen  Kandidaten  zum  Siege 
zu  verhelfen  und  für  einen  sozialdemokratischen  Vizc 
Präsidenten  zu  stimmen,  mehr  noch  aber,  weil  auch  sie 
die  Rechte  des  Parlaments  erweitern  ttiio  die  verfaffnngs 
mäßige  Verantwortlichkeit  t>es  Reichstanzlers  endlich  gezetzlick 
festgelegt  wissen  wollen.  Das  erscheint  dem  Herrn  Reichs 
kanzler  schon  als  der  reine  Umsturz  und  er  erklärt 
kategorisch: 
„Zu  einer  weiteren  Demokratisierung  unseres  Wahl -
rechts  uiiD  ;u  einem  Angriff  auf  die  Grundlagen  der 
Reichsverfaffuug  werde  ich  die  Hand  nicht  bieten.“ 
Was  er  noch  darum  hernmredetc  von  der  „Ueber 
t  r  e  i  b  ii  ii  4  des  nackten  Z  ahl  e  n  p  r  i  n  z  i  p  s"  und  von 
der  „Etappe  auf  oe  in  W  c  ge  z  u  r  P  a  rlaui  ents 
Ijcrr  fchaft",  von  der  Notwendigkeit  eines  „Gegen 
gcwichts  gegen  das  freieste  aller  Wahlrechtes, 
welches  Gegengewicht  der  nur  vom  Kaiser  abhängige  ffieicks 
kanzler  sein  soll,  das  alles  bekräftigt  nur  die  Datfacke,  datz 
der  Kanzler  des  Deutschen  Reickes 
den  politischen  Stillstand  ;um  System  erheben  will. 
Er  weist  jede  Neuorientierung  seiner  Politik 
auf  Grund  des  Resultats  der  letzten  Wahlen  zurück  und  er 
klärt,  aus  den  gegenwärtigen  Zuständen  nur  die  KonsegtuRz 
ziehen  zu  könne»,  daß  die  Regierung  auf  ihren  eigenen  Füßen 
stehen  muß.  Das  heißt  :  Es  soll  alles  beim  Alten  bleiben,  es 
soll  in  den  alten  reaktionären  Geleisen  weitergewurstelt  werden. 
Aber  Stillstand  ist  Rückickriii.  Die  Regierung,  die  sich  gründ 
sätzlich  jedem  gesunden  Fortschritt  versagt,  arbeitet  quantitativ 
und  qualitativ  für  den  Rückschritt. 
Das  nennt  Herr  v.  Bethmann  Hollweg  „weder  reaktiv 
nä  r  no  ch  r  ab  i  f  a  1".  Er  merkt  gar  nicht,  daß  sein  grundsäv 
licher  Widerspruch  gegen  die  Fortentwicklung  der  Parlaments 
rechte  und  der  Bolkürechte  sowohl  reaktionär  wie 
radikal  ist.  Er  ist  radi  kal  nach  der  reaftionä  reu 
Seite.  Er  hat  sich  in  seiner  Rede  auch  gegen  die  Ultras 
gewendet,  was  ein  von  den  Konservativen  sehr  bitter  empfände 
ner  Hieb  gegen  die  H  e  i)  d  e  b  r  a  n  d  und  G  e  n  o  s  f  e  u  war. 
Was  aber  Herr  v.  Bethmann  Hollweg  als  sein  e  Politik 
empfahl,  ist  nichts  anderes  als  die  unnachgiebige 
Politik  her  k  o  ti  s  e  rvaIiv  e  n  Ult  r  a  <  ,  hie  da  glauben, 
den  Fortschritt  der  Menschheit,  vor  allem  den  politischen,  auf 
halten  zn  können. 
Das  deutsche  Volk  bat  bei  den  Wahlen  seinen  Willen 
dahin  kuithgegeben,  daß  ek>  eine  D  e  in  o  k  r  a  i  is  i  e  r  u  ug  der 
Politik  und  her  Reichs  und  Staatsinstitutioneii  will.  Herr 
v.  Bethmann  Hollweg  proklamiert  dagegen,  die  großen  Aus 
gaben  im  Staatsleben  lägen  nicht  in  her  Richtung  einer  weite 
rett  Demokratisierung,  trotzdem  er  auffordert,  die  Blicke  wieder 
vorwärts  zu  richten.  Hinter  ihm  liegt  freilich  soviel  Un- 
angenehmcs,  daß  man  den  Wunsch  verstehen  taun.  Aber  mit 
dem  Abwenden  her  Blicke  vom  Vergangenen  ist  es  nicht  getan. 
Das  nützt  auch  nichts,  wenn  die  alte  verderbliche  Politik  auch 
n  der  Zukunft  weiter  verfolgt  werden  soll.  Wenn  es  anders, 
oenn  es  besser  werden  soll,  in  u  ß  es  zu  dein  großen  Ent- 
:  chluß  kommen,  die  Demokratisierung  der  Politik 
ernstlich  in  Angriff  zu  nehmen. 
Herr  v.  Bethmann-Hollweg  l)ält  sich,  getragen  vom  Ver -
trauen  des  Kaisers,  für  den  Mann,  der  die  demokratische  Flut 
zu  bannen  imstande  wäre.  Er  setzt  feinen  Willen  gegen  den 
Willen  der  Volksmassen.  Als  Philosoph  wirb  er  aber  doch 
vielleicht  daran  deuten,  daß  er  nur  ein  armseliger  ein -
zelner  ist,  daß  aber  das  Volk  unsterblich  ist,  daß  auf 
dessen  Kraft  alle  Riacht  beruht  und  daß  gegen  dessen  ent -
schiedenen  Wille  u  auf  die  Dauer  kein  Wille  eines  ein -
zelnen,  und  sei  er  noch  so  mächtig,  aufkommen  wird. 
Sozialdemokratische  Anträge 
int  Neichstagc. 
Teilt  Reichstage  ging  wlgcudc  weitere  Serie  iozial- 
beinotratndjer  Initiativanträge  zu:  M 
1.  Ter  Reichstag  wolle  vetchließen: 
z.t  i  tz  r  ü  f  ti  n  g  seiner  (>>  eschättsordnung  eine  besondere 
Nomnitiswn  etnznietzen  mit  dein  Auftrage,  dem  Haute  geeignete 
.ivänderungrvorschläge  z«  wachen. 
2.  Ter  Aeichstag  wolle  beschließen: 
die  verbündeten  Negierungen  zn  ersuchen,  dem  Reichstage  einen 
■  '. ieveutiuurf  vor.zulegen,  durch  welchen  int  NeichSveretns- 
g  e  s  e  tz  vorn  W.  ','lpril  1W3 
i  öic  Anmeldepflicht  für  politische  Versammlungen  6> 
aufgefioben  wird: 
2.  öffentliche  Versainutltingen  unter  freiem  Stimmel  von  der 
öknehmiflung  der  Polizeibehörde  unabhängig  gemacht 
werden  S  Ti; 
">.  dii  Vorschrift  über  den  Gebrauch  der  deutschen  Sprache  in 
öffentlichen  Versammlungen  iS  12 1  wird  beseitigt; 
4.  da-  Recht  der  Polizeibehörde,  Beauftragte  in  Versamm -
lungen  zu  entsenden  >  I  N  aufgehoben  wird: 
5.  die  Beschränkung  des  Pereinö  und  Periammlungsrechts  der 
jugendlichen  Personen  beseitigt  wird  'S  17); 
G.  die  Ausübung  des  Persainnrlungsrechts  über  die  Polizei -
stunde  hinaus  sschergeitellt  wird: 
7.  unter  ilufneltiinfl  des  ts  24  Ziffer  3  die  Einschränkungen  des 
1  iBi  ’;  :n.?=  und  Periainiultinftsrechts  bei  ländlichen  Arbeiter 
v  hii  Dienstboten  durch  Landesrecht  beseitigt  werden. 
~ XL  iiuioj».  ji  i.iu  .'jdiiitlieiwtcf«.  - 
ende  r  u  n  g  des  D  t  r  a  f  g  e  f  k  tz  0  n  ch  e  s  seine  ztistiininuiig 
geben  'folgt  ein  (Gesetzentwurf,  der  eine  Reform  der  Bestimmungen 
über  Hausfriedensbruch,  Über  Beamtennotigting,  Pfandentziehung, 
oueiheitsdcrandunft,  Tenchenfoerren.  über  Iügeudtfckutz,  Mund -
raub,  Betrug,  Be.:e  Sicherung  des  Tepeicheudienites  und  über 
Anfertigung  von  Aachfchln'seln  anftrebt'; 
4.  Ter  Reichstag  wolle  beschließen: 
die  verbündeten  tliegierungen  zu  ersuchen,  dem  Reichstage  einen 
bleieccnttuuxf  vorzulegen.  durch  welchen  die  zum  Schutze  der 
Arbeiter  und  Angestellten  und  zur  Regelunft  des  Arbeilsvertrages 
beitelicnben  Gesetze  und  Verordnungen  zu  einem  einheitlichen 
Arbeiterrecht  vereinigt  und  ausgebaut  werden; 
7i.  Ter  Reichstag  wolle  beschließen: 
die  verbündeten  Regierungen  zu  ersuchen,  dem  Reichstag  einen 
Gesetzentwurf  vorzulegen,  wonach  für  alle  gegen  Lobn  oder  toebah 
lcschäftigten  Personen,  soweit  sie  nicht  dem  (bewerbe-  oder  Raus 
mannsgericht  unterstelien,  bei  Streitigkeiten  aus  d  e  in 
Arbeit-vertrag  ein  Arbeitsgericht  zuständig  in.  das 
im  organisatorischen  Aufbau  den  iKewerbegerichte»  entivricht  und 
je  „ach  Bedarf  besondere  Kammern  und  Abteilungen  für  größere 
Berufsgruppen  enthält; 
6.  Ter  Reichstag  wolle  beschließen: 
die  verbündeten  Regierungen  zu  ersuchen,  einen  Gesetzentwurf  vor 
Wiegen,  der  die  Arbeitslosenversicherung  durch  An 
schlisse  ans  öffentlichen  Mitteln  an  die  Arbeitslosenkassen  der  (tie= 
werkschasten  regelt: 
7.  Ter  Reichstag  wolle  beschließen: 
die  verbündeten  Regierungen  zu  ersuchen,  dem  Reichstage  iooald  als 
möglich  einen  Gesetzentwurf  vorzulegen,  durch  welchen  der 
-  n  it  a  ch  w  eis  s  bleiche  einheitlich  geregelt  wird. 
Tee  Gesetzentwurf  muß  enthalten: 
1.  daß  für  alle  Bezirke  des  Reichs  ArbeiiSnachweisstellen  er« 
ridnet  werden: 
2.  daß  tu  größeren  L  rfcti  der  ArbeusnachweiS  nach  szndnsirie- 
nnd  Erwerbsgruppen  gegliedert  wird; 
?>.  >>ß  die  Arbeitsnachweisitelien  unter  Leitung  eines  Por- 
sia.tdes  neben,  dessen  Mitglieder  in  gleicher  Anzahl  von 
Arbeitern  und  Unternehmern  auf  Grund  des  allgemeinen, 
gleichen  und  direkten  Wahlrechts  mit  gebe  enter  Abstimmung 
gewählt  iverden: 
I.  da'l  der  Arbeitsnachweis  uneiilgeltlich  ist: 
5.  2:rafbestiinmnngcn  gegen  Einrichtungen  von  llntcrucbnieiii. 
die  zin  Maßregelung  von  Arbeitern  unb  Angestellten 
dienen; 
s.  Ter  Reichstag  wolle  beschließe.  1: 
Jeu  Herrn  Reichskanzlei'  zu  ersuchen,  dem  Reichstage  tuuitriju  bind 
den  L  ii  :  w  n  1  ;  ei  n  c  s  '))  e  i  ch  S  v  e  r  g  g  e  i  e  tz  e  S  vorzulegen,  tu 
welchem  it.  a.  auch  die  Arbeiterichubbestimmungen  und  das  Knapp, 
schufiskassenwesen  einliritlich  geregelt  werden. 
9.  Ter  Reichstag  ivolle  beschließen: 
dir  verbündeten  Regierungen  zu  ersuchen,  dem  Reichstage  baldigit 
den  Entwurf  eines  (Gesetzes  vorzulegen,  durch  welche»  unter  A  11  r 
beb  11  na  der  laudesgefetzlichen  «  e  f  i  n  d  e  0  r  d  n  11  n  g  e  n  das 
Pertragsberbältnis  nvifchen  den  in  I  a  n  d  iv  t  r  t  s  ch  0  111  :  ch  en 
oder  f  0  r  st  w  i  r  i  schaftlichen  Betrieben  beschaf. 
t  :  g  t  e  n  A  r  reit  e  r  .1  und  ihren  Arbeitgebern,  sowie  das  Bec 
trogSverbältniS  des  lKesindes  und  deren  Arbeitgeber  durch  re  i  *  0  - 
g  c  1  f  f.:  i  ch  c  B  0  rschrirten  geregelt  wird,  tvelche  insbesondere 
1.  alle  landesgesetzlichen  Vorschriften,  welche  Straibeniin 
mnngen  gegen  iäübliche  Arbeiter  oder  gegen  das  (tzesiäde 
wegen  Aichtaniriti  odei  wegen  Verlassens  des  Arbeits 
verdrltnifses  oder  wegen  Vertragsberleynngen,  ttngelioi 
sams  oder  Widerspenstigkeit,  wegen  Berabredung  und  Bet 
eiiiigniig  zum  Behuf  der  Erlangung  günstiger  Lobn  unb 
Arbeitsbedingungen,  insbesondere  mittelst  (fiwitcUuug  der 
Arbeit  ober  wegen  Aufforderung  zn  solchen  Perabredungtn. 
cntbaltni,  auf  beben; 
2.  beji  iv  land-  und  forstwirtschaftlichen  Betrieben  beschäftigten 
Arbeitern  und  dem  (tzeiinde  daS  Recht  gewährleisten,  zur 
Wahrung  und  st-örbernng  von  Berufs  und  Dtandes 
interessen,  nameutlidh  znr  Erlangung  günstigerer  Lohn  und 
Arbeitsbedinftnitgen,  insbesondere  mittels  Einstellung  der 
Arbeit.  Vereinigungen  zu  bilden  und  Perabrednngeii  zu 
treffen; 
3.  die  ,'seit.  die  Tauer  und  die  Art  der  Arbeit  so  segeln,  wie  es 
die  Erhaltung  der  ctzeinndheit,  die  Gebote  der  Sittlichkeit,  die 
wirtschaftlichen  Bedürfnisse  der  Arbeiter  und  ihr  Anspruch 
auf  gesetzliche  Gieichverechliftung  fordern; 
4.  die  Ltrenigkeiten  aus  dein  'Arbeitsverhältnis  zwischen  land 
chen  Arbeitern  und  bereu  Arbeitgebern  sowie  aus  dem  <tze 
iiubeoerbältnie  Gerichten  üverweisen,  die  nach  Art  und  in 
Antehnung  an  die  (.»kroerbe  und  Kanfmannsgerichte  zu  er -
richten  siird; 
die  Anrechnung  der  für  Pocht  oder  Teputatlaiid  ausftewen- 
oeten  Arbeit  und  des  Nutzwertes  des  Ertrages  bei  der 
Lö'nna  des  Arbeilsvertrages  durch  eine  Entschädigung  in 
Geldwert  sicherstollen. 
10.  Ter  Reichstag  wolle  veschiicßen: 
die  verbündeten  Regierungen  zu  ersuchen,  baldigjst  eine  Rovelle  zrim 
Ha  n  s  a  r  b  e  i  1  S  g  e  s  e  tz  vorzulegen,  wonach  die  Einführung  von 
Loh  nk  0  m  m  i  ss  i  0  n  e  n  gerege.t  wird.  lEs  sollen  (^cweibe- 
gcrichte  oder  KomMissionen  zuständig  sein,  die  Lohnsätze  für  eine 
bestimmte  Tauer  seitzitsetzen,  und  zwaz  dürfen  diese  nicht  niedriger 
festgesetzt  werben,  als  die  in  Fabriken  und  Werkitätien  iüi  en. 
sprechende  Arbeit  gezahlten  Löhne,  sie  sind  von  den  Einigungs 
änttern  beziehungsweise  den  »ommiUionen  zu  veröffentlichen  und 
sind  nach  ihrer  Peröffentlichung  für  (Seieerbetreibeiibc  und  Eans 
arbeitet"  der  betreffenden  Branche  während  der  Tauer,  für  welche 
sie  festgesetzt  sind,  rechtsverbindlich,. 
11.  Ter  Reichstag  wolle  beschließen: 
die  verbündeten  Regierungen  zu  ersuchen,  dem  Reichstage  baldigii 
einen  Oiesetzentwurf  vorzulegen,  wonach  die  für  die  Sicherheit 
ber  Ba  11  ausfüh  r  un g e  n  und  zupi  Schutze  bet  Arbeiter  not 
wendigen  Borschristen  durch  ein  .lletchsgesetz  einheitlich  geregelt 
werden. 
Politische  Uebersicht. 
filns  dem  Reichstag. 
Berlin,  16.  Februar. 
Tie  heutige  erste  Rede  zum  if  t  a  t,  die  bet  Fortschrittler 
v.  Paper  hielt,  setzte  ein  mit  einer  .tirint  der  !bronrede,  die 
Patzer  im  allgemeinen  für  recht  bedeutungslos  hielt.  Am  oe- 
deulunftsloseiten  erscheint  ihm  bet  Passus,  bet  von  der  ..(4e 
inndunft  der  Finanzen'  handelt.  Tavon  könne,  nach  der  vor 
gestrigen  Cinteituiigsredc  des  2chntzselretärs  zu  urteilen,  gar 
feine  Rede  sein.  Bon  enter  wirklichen  ttzeinndiing  könne  doch 
nur  bann  gesprochen  werden,  wenn  der  l'üuubiau  konsequent 
durchgefuhrt  würbe  ..Meine  Anspave  ohne  Deckung  ,  was  aber 
auch  bei  dem  schatzzekretär  vorlätifig  noch  ein  irotnmer  Äninsch 
zu  fein  scheine.  Energisch  verteidigte  er  die  von  speck  und  dem 
Grafen  Westarp  angegriffene  Wajilparole  der  .  Forlschriitspartei, 
iiadnucifcnb.  daß  die  Parteien  neidet  Redner  sich  bei  den  ver 
schiedensten  (Belegen  heilen  um  'Stahl  hi  Ise  an  die  «ozialdemofratie 
gewandt  haben  und  ihre  leyige  Aufeinbttng  ber  Liberalen  nur 
dem  Aerger  rntspruiigen  sei,  ii bet  die  ihnen  diesmal  verweigerte 
■öilfc.  Ter  Redner  trat  ein  für  eine  Reiieiiiteitiing  her  Wahl 
freite,  Sicherung  des  Wallgelwimnijses  und  Giiiführuufl  des 
Perbäitniswahlsyjiems,  und  erklärte,  daß  die  Liberalen  nicht 
wieder  für  indirekte  Stenern  zu  haben  fein  würden,  wonach  sicki 
die  Regierung  zu  richten  habe 
Ueber  die  nun  folgende  'hebe  bes  Reictrsfanzler»  finden  die 
Leier  bas  Rötige  im  Leitartikel. 
'.nachdem  bann  ber  Pole  Fürit  Radzi  will  und  der  Re  ichs- 
parteiler  Tr.  A  r  e  11  b  t  auch  etwas  gesagt,  der  Rachsolgei  2loder*. 
Lizentiat  M  11111  m  ,  mit  wenig  'beschick  seinen  Porvorgäiiger  zu 
mimen  versucht  unb  der  Welfe  Freiherr  v.  Sch  e  le  für  die 
Wiederhernelluiig  des  Königreichs  Hannover  plädiert  halte,  er 
vielt  der  Vertreter  fiir  Bielefeld,  ttzraz  v.  Posadowsktz,  da? 
tirwri.  5.,'.  gauze  hie»  bipje*  Aberra  war  eine  Häufung  von 
Widersprüchen  unb  ßarabcrcit.  aber  fein  einheitliches  Osattze* 
Ste  luadite  vielmehr  bett  läinbrud.  als  ob  der  Redner  alle  mög 
lidieti  0>eda nllen  über  die  uciidtiebrniieii  (.tzegeifftiurde,  die  er 
gelegentlich  seinem  Taschenbuch  emperli  iut  haut,  nun  mehr 
herausgenouinten  itud  üe  zu  seiner  ersten  Rede  als  Abgeordneter 
zusanimengesteUt  habe.  Anders  wate  es  nicht  gut  möglich,  daß 
derselbe  Mann,  ber  wahrend  des  Wahlfampf.es  jeder  Tisknfnon 
mit  Lvzialdemofrateii  sorgfältig  ans  dem  Wege,  gegaiigeii  iit  da 
durch,  dich  er  ihnen  bett  Zutritt  zu  seinen  Persammlungcti  ver -
bieten  ließ,  sich  nun  hu  Reichstage  hinheUi  unb  tmabhaiigige 
Männer  auffordert,  den  Mut  zu  haben,  bet  Menge  die  Wahrheit 
zu  sagen"  Cbcr  wenn  der  Herr,  der  als  Staatssekretär  de» 
Wucherzolltarif  mitgeschasfen  hat,  |d.  ber  etfrtpjie  Mitarbeiter 
daran  war,  nun  als  Abgeordneter  sich  über  die  hohen  indirekten 
Steuern,  namentlich  auf  Rnhrungsinittel,  bellagt.  Ta  ber  Rediier 
nach  deut  llioekheschen  Rezept  oerfuhr:  „Wer  vieles  btüifli,  roirb 
jebeiii  etwas  bringen",  konnte  es  nicht  fehlen,  daß  einige  feiner 
i’iebaiifciifplitter  auch  von  der  Linien  beifällig  ausgenommen 
wurden,  wie  zu  tu  Beispiel  der,  da  die  Militärvorlage  dem  Volke 
immer  als  eine  An  Versicherung  angepriesen  wirb,  eS  nicht  niehr 
wie  recht  und  billig  sei,  daß  diejenigen,  die  am  meiiteu  versichert 
sind,  auch  die  höchsten  Präinien  bezahlen  wußten.  Äroße  Heiler, 
feit  löste  der  gräfliche  Redner  mit  der  Wiedergabe  ber  Worte 
des  englischen  lUliniitcro  (SburdiiU  über  die  für  die  Landes 
ber  teidigiing  aufzäbringenden  Koiteii  aus  „Wenn  es  sich  um  dir 
Landesverteidigung  handelt,  werden  alle  Klassen  ber  englischen 
(Gesellschaft  bereit  fein,  die  Mittel  aniznbriitgen  s  e  I  b  si  die 
reichsten!  Ter  Redner  war  aber  die  allgeiiieine  .Heiterkeit 
auf  der  Linken  ziemlich  Bcrbliifft  und  brauchte  erst  einige 
5cfiinben,  um  die  Rutzanwenditiift  für  die  denlscheii  Verhältnisse 
;u  finden.  Was  er  über  die  Belampning  der  Lbzioldeino!ratie 
sagte,  waren  meist  Plattheiten,  nicht  ein  großer  Webaiife.  Aas 
soll  ein  Sozialdemokrat  dazu  lagen,  wenn  der  Herr  Ärai  die 
Weisbeil  zum  besten  gibt,  die  «oziattzemokratie  müsse  durch  den 
Revisionismus  hindurch,  um  wieder  zur  bürgerlichen  Gesellschaft 
zn  gelangen.  Von  welchem  (nenchtswinkel  aus  man  auch  die 
Posabowstpsche,Rede  betrachte,1  map,  mau  wird  immer  zu  dem 
Tätlich  gelangen:  Eine  (4ianjfeniung  war  sie  nicht. 
3m  Zeitiureiifciubeut  des  Reichstages 
würbe  am  Freitag  auch  über  die  Verteilung  ber  einzeI  - 
neu  Fraktionen  im  Seniorenfonveiit,  sowie  iihcr  die  Zu -
teilung  der  Kominissionssitze  an  die  Ir  iftionen  beraten..  Tabei 
kant  man  übereilt,  daß  au  dem  alten  Modus  fei'igchalfen  wirb, 
baß  icbe  Fraktion,  die  in  dein  Senrurenfotivent  vertreten  sein 
will.  15  Mitglieder  zählen  muß;  bezüglich  bei  Verteilung  der 
Komuiimonssitze  wurde  berielbe  Stcmbpunfi  ciiiflenüinmcn,  so 
daß  die  Reichspar  lei.  die  jetzt  nur  13  Mitglieder  zahlt,  nicht 
als  selbständige  Fraktion  angesehen  werden  sann.  Lie  wirb 
demnach  im  «  e  n  i  0  r  e  n  k  0  n  v  e  n  t  n  i  ch  t  v  e  r  t  r  e  t  e  11  sein 
und  muß  zur  Erringung  von  Kolnuiifsionsjitzen  sich  mit  einer 
andern  Fraktion  verbinden.  Tann  kam  man  überein,  daß  sofort 
nach  der  Etatsveratiing  die  A  11  i  r  ä  g  e  auf  Aenderung  bei 
0>  eichä  '  tS  0  rd  n  1111  g  auf  die  Tagesordnung  des  Plenums 
gestellt  werden.  Tabei  sollen  kurze  Erklärungen  abgegeben  wer -
den  unb  die  Angelegenheit  der  auf  2i  Abgeordnete  verstärkten 
Budgetfomnitssion  überwiesen  werben.  Ferner  hielt  man  an  den 
früheren  Abmachungen  seit,  das;  alle  1  I  Tagr  zwei  Tage 
f  r  e  1  g  e  g  e  b  e  n  werden.  Tie  nächste  Pause  wirb  vom  24.  bi« 
2b.  Februar  eintreten.  
Das  Zentrum  gegen  neue  Ltenern. 
Tariiber,  daß  man  nach  dem  großen  Fischzug  aus  uibiicfie 
«teuern  bei  den  Finanzretorinen  von  1906  unb  1U09  nicht  schon 
wieder  setzt  Hunderte  von  Millionen  ans  den  breiten  Massen  des 
Polkes  heransschinden  kann,  besteht  bei  der  Regiernng  wohl  fein 
Fweifel.  Taher  die  Ankündigung,  daß  die  Kosten  fiir  die  neue 
Heeres-  und  Flottenvorlage  durch  B  e  s  i  u  ii  c  u  c  1  n  gedeckt  werden 
fetten.  Tas  iit  aber  die  empfindlichste  Stelle  bei  den  Leuten,  die 
die  jüngste  Finanzreform  qemachi  haben.  Tei  Hiniveis  des  Reich- 
kanzlers  in  seiner  Freitagsrede  darauf,  dar;  auf  die  Erba  mall 
neuer  zurückgegriffeii.  werden  müsse,  veranlaßt  das  Berliner 
Biindlerorgan  schon  zu  ber  (5rkläruiig.  die  .Aiifklärung'  über  du 
Schäden  der  „Waisensieitcr'  miedet  auineluuen  zn  wollen. 
Ta»  Zentruni  fängt  die  Sache  anders  an.  Es  hat,  wie  fein 
erster  EtaiSredner  Speck  barlegte,  plötzlich  entbccft.  baß  man  zur 
Teckuiift  der  Kosten  für  die  Heeres  unb  Floltenverinebrnng  gar 
keine  neuen  Steuern  brauche  mit  die  Mehrkosten  a  u  s 
den  lauf  c  11  den  ti  i  n  11  a  tz  in  e  11  decken  könne  ctzegen  diesen 
Meinnngötiiktschlag  beim  Zentrum  hat  netz  der  Reichsfchatzsefietäi 
Wermuth  sofort  in  ziemlich  icharter  Weite  gewandt,  wobei  er 
das  Zentrui»  daran  erinnerte,  baß  es  früher  gegen  die  vorsichtige 
tiinickiätzuiig  der  (rinnahmen  'nichts  rin  z  u  w  enden  gehabt 
habe.  Trotzdem  nimmt  die  „iNeniiaiiia"  den  von  Abgeordneten 
Sperf  gesponnenen  Faden  wieder  auf  unb  behauptet,  dieser  habe 
überzeugend  tiargetan,  ban  in  den  beiden  letzten  Fahren  »m  011 
tiinnohnieichntznng  viel  zu  iiiebrig  gegriffen  worben  ist.  T>r  Foß. 
dieser  niedrigen  tiinsckiätziinft  der  tininnhmee  feien  g  >  ’  t  e 
Hebers  ch  ü  1  f  e,  dir  für  bas  laufende  Rechiiungssnbr  <111  f  in  1  n  *