Nr. 264 Sonntag, den 16. November 1612 26. Jahrgang ana n na Sitrnntiuortfidjer iliebntteur «rnft «öpke in ^ninbiir«. ö! edall i oil: Fkhlandftrat« 11. 1. Stört. Slnzeiaen di« siebengespalteiie Petilzcilc oder deren Raum 43 Ardeitsmarit, St.rmietunqc nu? oniniiienntneiflcn 20Ä. 2lii;eigen Annahme ^ehlaudstr. 11, Erdneschosi (bis 5 Uhr nndiuuttnflCi. in den Filialen, sowie in allen Ainwncen-Bureaus. Platz und Talenvorschriften ohne -Uervindlichkcil, Reklamen im redaftionellen Teil werden weder gratis noch gegen «ntgelt ausgenommen. Buchhandlung und Buchdrurtcre'-Kontor: Feblandür. 11, Erdgeschoß. & , .... Orpcöitton: jpnniblirfl Ob ^khiandstraße 11 Erdgeschoß. Das „Hamburger (5-cho" erscheint täglich, außer Monlags. rlbvnnemkutc-preiö rtnfl. „Tie Acne aVrlt" und „Tie arbeitende Jugend«) durch die Post bezogen ohne Bringegeld monatlich 1,20, vierteljährlich x 8,80; durch die Kolporteure wöchentlich 30 4 frei ins Haus. Eniz. Nr. 5 4. Sonntags-Nummer mit illustr. Beilage „Tie Neue todt* 10 4. Ureuzbandkendungen monatlich x 2,70, für das Ausland monatlich -t. 4,—. Wcki: St. Pauli, ohne Amandllslraße, bei Franz Würzberger, Annenstr. 17. Nimsbüttel, VangcitfdSe bei Earl Dreyer, Fruchtallee 42. Hoheluft, hehpeuvors, btroii-Porftel und Wiuterhuve bei Ernst Großkopf, Meldorferstr. 8. Parmbcct, Uhlenhorst bei Theodor Petereit, Heinrich Heichstr. 145. Hohenfelde, Borgfelde, Hamm, Horn, Schisfbeit und Pillwärder bei Gart Ortel, Baunr. 26. Hammerbrook bis Ausschläger Billdeich bei Rud. Fuhrmann, Süderkaistr. 18. '.llotcuburgsort und Veddel bei Th. Reimer, Lindleyftr.85. Wilhelmsburg bei H. Möller, Schulstr. 13. Gilbest, Wandobrck, Hinscheufelde und £jt : Barmbeck bei Franz Sauger, Sturze Reihe 34. Altona bei Friedr. Ludwig, Bürgerstr. 22. Ottensen, Bahreuseld bei Fol, Heine, Bahrcuselderslr. 120. Hierzu vier Beilagen und das Illustrierte Uuter- haltuugsblatt „Die Nene Welt". Bethmannsche „Sozialpolitik". Jedermann weitz, welch schwierige Sache es ist, der preußischen Regierung zeitgemäße Reformen abzutrotzen. Solche mögen noch so dringend sein — wenn irgendeine Gruppe der besitzeuden Waffen, und sei sie noch so klein, behauptet, daß sie benach - teiligt werde, und wenn sic Einspruch erhebt, so kann man von vornherein sicher sein, daß dieser Einspruch weit mehr berücksichtigt wird als die Forderungen, hinter denen Hunderttausende und '-Millionen aus-dem Volke stehen. Die größte Hartnäckigkeit aber wird von der preußischen Regierung jenen Forderungen entgegengesetzt, die sich auf die Besserstellung der arbeitenden Klassen beziehen. Zwar hören wir seit den Zeiten des Sozialistengesetzes diese Regierung unablässig fielen rn, die Besserstellung der Arbeiter fei eine ihrer ersten „Sorgen". Vielleicht trifft das insofern zu, als sich die preußische Regierung Sorgen darüber macht, es könnte sich einmal eine Volksvertretung finden, die mit Forderungen in bezug auf die Besserstellung der Arbeiter unbequem werden würde. Seit langer Zeit wird, nm nur ein Beispiel anzuführen, von der Sozialdemokratie mit allem Nachdruck die Auf - hebung der veralteten Gesindeordnungen verlangt, die in Deutschland noch für Dienstboten und ländliche Arbeiter bestehen. Ein Teil des Liu! Liberalismus hat sich dieser Forderung insofern angeschlossen, als er wenigstens eine Reform der Gesinde- ordnungen verlangt. Verteidigen lassen sich diese Gesetze, die dem Arbeitgeber wahrhaft mittelalterliche Vorrechte und Befugnisse verleihen, mit auch nur einigermaßen plausibeln Gründen nicht. Sie können nur durch die Machtmsttel des Klassenstaates noch aufrechterhalten werden. Aus den zahlreichen Prozessen, zu toelcheu namentlich die harte Behandlung so vieler Dienstboten auf dem Lande führt, kann man ersehen, was sich die „Herr- f Aasten" auf Grund der Gesindeordmingen alles erlauben. Junker nud Pfaffen finden natürlich die Gesindeordnnngen sehr geeignet, um „Zucht und fromme Sitte" aufrechtzuerhalten; auch der 6 onbauer auf dem Lande und der Spießbürger in der Stadt finden Gesetze unentbehrlich, die es ihm ermöglichen, Arbeiter und Dienstboten, Knechte und Mägde „unter der Fuchtel" zu halte», und der liberale Bourgeois macht ein verlegenes Gesicht, wenn man ihm sagt, daß die Gesindeordnungen doch ullumilich eiu Stück älüudauet seien, das in die RmuM«unner Da begreift man schon, daß die preußische Regierung gegen - über allen Anforderungen, die ländlichen Arbeiter und die Dienst - boten von diesem unerträglichen Druck zu befreien, unempfindlich bleibt. Daß unter der Gesindeordnung stehenden Arbeitern und Arbeiterinnen das Koalitionsrecht fehlt, wenigstens auf dem Lande, weiß man in der preußischen Regierung wohl. Aber wozu soll man diesen Arbeitern das Koalitionsrecht garantieren? Sie werden es doch nur benutzen, um sich gegen die Herrschaften „aufzulehnen"! So denken die leüenben Staatsmänner und darum bleibt alles beim alten. ‘ Sehr schnell ist aber die preußische Regierung bei der Hand, wenn es gilt, den arbeitenden Klassen die Bewegungs - freiheit zu beschränken, sie mit Polizeiplackereien heim - zusuchen und ihnen sonst das Leben sauer zu machen. Das sehen wir jetzt wieder an der beim Bundesrat von der preußischen Regierung angefünbigten Gewerbeorbuungsnovelle, betreffenb ben Betrieb von Schankwirtschaften mit weiblicher Bebienung. r In anbern Ländern wird man sich erstaunt fragen, ob es eben in dieser Zeit der heftigsten politischen und wirtschaftlichen Kämpfe für die preußische Regierung wirklich feinen reform - bedürftigeren Gegenstand gibt, als die weibliche Bedienung in den Schankwirtschaften. Seil Jahren wird von einigen Bourgeoisftauen eine lebhafte Agitation für die Abschaffung der weiblichen Bedienung in Gast- Piddl Hundertmark. [io] Geschichte einer Kindheit von Wilhelm Scharrelmann. . einet iinbert. au Äcnv-'l nicber Erst stand „Du lieber, heil'ger. frommer Christ, Weil heute bein Geburtstag ist — So ist auf Erden weit und breit Bei allen Kindern frohe Zeit! Pause. .... s. ' „Ich kann seins!" stieß er da heran . „Er kann seins!" wiederholten die beiden Amber „Sag' Du Deins noch einmal auf. wandte r.ch r< «n ihr Töchterchen. , .. , HclI klang die Kinderstimme durch die Stube: Plötzlich stand der Baum still, und die Musik schwieg, weil das Uhrwerk aogelaufen war. Nur ein paar Glaskugeln klapperten noch leise aneinander. Tann wurde es ganz still ii.- Zimmer. Scheu und verwundert sahen die beiden Kinder, die mit ihrem Spielzeug gespielt hatten und nun durch Piddls Er - scheinen gestört worden waren, auf ihn, der verlegen und scheu in der Stube stand. „Wer ist das?" fragte ein Mädchen von neun Jahren. „Das ist Frau Hundertmark ihr Sohn, weißt Du, die Frau, die bei uns rein macht!" Piddl war glühend rot geworden. Eigentlich sollte er ja fröhliche Weihnachten wünschen! Die Mutter hatte es ihm dog so eingepredigl. Aber er stand wie angewurzelt und sonnte fiel nicht von der Stelle bewogen. Kommftnal!" sagte da eine Stimme. Das mußte wohl Herr- Mentzel fein. Herr Mentzel saß in einem Lehnstuhl und rauch' seine Morgenzigarrc. „Also Piddl heißt Du? fragte er. Piddl nickte. „Ja," sagte er dann leise. „Eigentlich bist Tu etwas zu |pnt gekommen. DaS Christa Und hat für Dich —" Hall!" sagte Frau Mentzel, „so schnell gehts nichtI muß'er doch fein Gebet aufsagen." «Her Augen richteten sich wieder auf ihn. Aber er und würgte und brachte keine Silbe hervor .. . Was kannst Tu denn?" fragte Frau Mentzel nach O ja. Frohe Zeit. Besonder? für ihn, für Piddl Hundert- mark. Er stand und zog bie Stirne Uau3 und A ftnstcr vor sich Herr Mentzel macht, der Szene ein enbe. . wenn er doch keim kann!" sagte er entschuldigend und iirstt nach einer siasperlfranl.. die mii rotgetupsien S'.rfeii, truvim. .m . langer Zipfelmütze wie ein Clown aus,ab. . , Hetzt hatte er sich betankn müßen, aber er tat e« Nicht. Cr wirtschaften überhaupt betrieben. Am meisten Lärm hat eine Professorsgattin Jellinek gemacht, die auf verschiedenen Kon - gressen bemüht gewesen ist, ihre „Sache" zu fördern. Sie hat im ganzen wenig Zustimmung gefunden, denn man konnte leicht sehen, daß diese Dame und ihre Gefolgschaft von der Sache nichts verstanden und daß es sich nur um Wichtigtuern und um einen „Sittlichkeits"sport handelte. Aber was von der über - wältigenden Rkehrheit des Volkes abgelehnt wurde, sand eine um so wärmere Aufnahme bei dem philosophischen Staatsmann Bethmann-Hollweg. Schon vor seiner Reichskanzlerschaft hat er als preußischer Minister erklärt, er habe sich mit den Bundesregierungen ins Benehmen gesetzt, um „die Frage zu regeln". Nun hat er die Sache in Fluß gebracht, was lange Zeft erfordert hat, denn die Bundesregierungen haben teilweise offenbar eine andere Auffassung von diesen Dingen als die Autorität des Reichskanzlers, die Professorcngattin Jellinek. Wenn es sich hier nur um einen Feldzug gegen die so - genannten Animierkneipen handeln würde, so wäre das eine andere Sache. Allein die Jellinek und Genossen haben den Kellnerinnenfieruf überhaupt ganz falsch aufgefaßt. Woher haben denn diese Damen überhaupt ihre Kenntnisse vom süddeutschen Kellnermnenwesen, das sie mit dem Personal der Animierkneipen in einen Topf werfen? Auch die Kellnerinnen der Animierkneipen sind unglückliche und bedauernswerte Opfer der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Aber man muß hier einen Unterschied machen. In Norddeutschland haben die Gastwirffchaften durch - weg männliche Bedienung, da die weibliche vor einigen Jahrzehnten überhaupt abgeschafft worden ist; in Süddeutschland, in Hessen, Württemberg, Bayern, Baden und Elsaß-Lothringen ist von alters her auch in den anständigsten Wirtschaften vielfach weib - liche Bedienung. Diese Mädchen, die in kleineren Wirtschaften oft die Töchter des Hauses find, gehören einem in Süddeutsch, land durchaus als ehrenwert geltenden Beruf an, der ein sehr schwerer und leider einer übermäßigen kapitalistischen Ausbeutung ausgesetzt ist. Die sittsamen Bourgeoisweifier, welche auch hier die Gefahren der Animierkneipen wittern, haben einfach keine Ahnung von den wirklichen Zuständen. Wenn fie aber vorgeben, sie wollten das weibliche Geschlecht vor einer mit diesem Berufe notwendig verbundenen „sittlichen Gefahr" schützen und darum das Verbot weiblicher Bedienung fordern, so müßten fie daraus die nötigen Konsequenzen ziehen. Denn viel größere Gefahr ist für das weibliche Geschlecht in den Häusern jener Familftn vorhanden, wo der Herr des Hauses oder dessen hoffnungsvolle Söhne den Dienstmädchen nachstellen. Dann müßte doch auch für die bürgerlichen Häuser die weibliche Be- bienung verboten werden. 3hm sollen ja in der Gewerbeordnungsnovelle die einzelnen Bundesregierungen ermächtigt werden, besondere Bedienungs - vorschriften zu erlassen. Damit wird der Verschiedenheit des Kellnerinnenwesens im Norden und Süden Rechnung getragen und wir hoffen, daß die süddeuffchen Regierungen es nicht ver - antworten wollen, Tausende und Abertausende von fleißigen Mädchen einfach auf die Straße zu treiben und sie dadurch einer Menge von Gefahren auszufetzen, vor denen sie in ihrem Berufe geschützt find. Aber es wird doch auch nicht an neuen Polizeichikanen fehlen, die das Gesetz nach sich ziehen wird, statt daß man diesen Arbeiterinnen verstärkten Schutz gegen die manch - mal unmenschliche Ausbeutung durch die Wirte schafft. Ach, diese „Sozialpolitik" der preußischen Regierung, ge- stützt auf die Weisheit der Frau Jellinek! Der DaUmnkrirg. Vom östlichen Kriegsschauplatz. Ein bulgarischer Bericht über bie Schlacht b e i Lüle- Burgas unb Bunar Hissar vom 29. Oktober bi? 2. No - vember liegt jetzt vor, berichtigt aber wenig an ben bekannten Zeitungsmcldungen. Auch ber bulgarische Bericht gibt zu, baß bie türkische Armee, bie cr auf 120 000 Mann schätzt, ben linken bub garischen Flügel bei Bunar Hissar zeitweilig hart bedrängte unb baß große Kräfte nach links vorgeschoben werben mußten, um ihm wieder Luft zu machen. Die Entscheidung habe nach diesem Berichi das bulgarische Zentrum gebracht, das die türkische Front einfach, nachdem sie durch überlegenes Artillerie- und Infanterie- feuer erschüttert worden war, durch einen wuchtigen Anprall und, wie es heißt, durch Bajonettangriffe über den Haufen warf. Tie bulgarischen Bajonettangriffe werden wohl auch nichts anderes gewesen sein, als symbolische Schlußakte eines Kampfes, der bereits vorher durch überlegenes Feuer entschieden war. Ncberdies steht es so ziemlich feit, daß sich die Bulgaren, denen man ja eine ganz außerordentliche Opferfrcudigkcit unb kriege - rische Exaltation nicht absprechcn kann, in dieser Schlacht gegen einen Feind schlugen, der nicht nur an Zahl unterlegen war, bertx auch in Bezug auf Taktik und Technik keine modernen Be- ,'influngen herzustellen wußte. Tie Türken waren in ihrer schier fabelhaften Desorganisation eben nicht imstande, einen modernen rchlachtengegncr barzustellcn und die abstoßende Kraft ihrer Feuerwaffen taktisch auszunutzen. Nur in wilder Traufgängerci vermochten sie noch ihren alten Ruf zu bewäbren, während sie gerade in der Tevensive, die doch so viele taktische Vorteile bietet, den Bulgaren keine ebenbürtige Kraft entgegcnstellen konnten. Diese Tatsache drückt sich am besten in den Verlusten der Bul - garen aus, die ja, wenn man es mit menschlichen Augen betrach - tet. entsetzlich, mit den Maßen der Kriegsfurie gemessen, aber nicht sonderlich bedeutend sind. Wenn eine .'Irmec von 160 000 Mann in fünftägiger Schlacht starke feindliche Tefensivstellungen bestürmt und dabei nicht ein Viertel ihres Bestandes, sondern „bloß" 15 000. Mann verliert, so hat sie es mit einem so un - zulänglichen Gegner zu tun gehabt, daß es schließlich kein Wunder wäre, wenn cs wirklich bis ans Bajonett gekommen ist. Ter bulgari'chc Bericht spricht von einer vernichtenden Niederlage der Türken, die 40 000 Mann an Toten unb Ver - wundeten verloren hätten, und vergleicht ben Lieg der Bul - garen mit dem japanischen Siege bei Mukden. Wenn das wahr wäre, daß die türkische Armee bei Ltlle-Burgas nicht bloß besiegt, sondern geradezu zerstampft worden ist, bann müßte die geringe Zahl von Gefangenen, die der bulgarische Bericht aufweist, im höchsten Grade auffallen. Im Verhältnis zu einem Siege von derartigem Kaliber wären 2800 Gefangene nach allen Erfahrungen, die man hat, viel zu wenig. Soll man da aus dieser Ziffer schließen, daß es den Türken doch gelungen ist, ibre Armee in einigermaßen geordnetem Rückzüge aus dem Bereich der Verfolger zu bringen, ober soll man annehmcn. daß bie Bulgaren in der Entfesselung aller wilden M ö r d e r i n st i n k 1 e so weit gegangen sind, daß sie schließlich in der Ekstase des Blutrausches keinen Pardon mehr gaben? Wäre dies der Fall, bann wäre es schwer, an heroische Begeisterung zu glauben, wo man Akte bestialischer Mordlust wahrnimmt. Ter Kriegsberichterstatter ber „Reichspost" bei ber bul - garischen Hauptarmee meldet aus bem großen Haupt - quartier unter bem 8. November: Tie Bulgaren führen, gestützt auf die bereits gewonnene Position, ben Angriff gegen bie übrigen Tschatalbschastellungen mit Ausbietung aller Kräfte durch. Tie dritte Armee ist bereits weit in das Wald- terrain südlich des DerkeSsees vorgedrungen, während bie erste Armee im Kampfe um die türkische Hauptvosition ö'ilich von Tfrhatalbfcfia steht Der beabsichtigte Turchbruo' ber türkischen > «c cll"ng, die aus mehreren hintcrcinanbcr befindliche'.' Linien f>e. , '-st pöch nicht erfolgt. Doch ist das Niederriiigcn ber Ver - teidigung nur noch eine Frage der kürzesten Zeit. Tie türkischen Truppen kämpfen sehr ungleich. Einzelne Abteilungen, die offenbar noch nickt im Kampfe waren, leisten hartnäckigen Wider - stand. Der Rest der Armee Nazim Paschas zeigt nur noch die fjerabgeminberte Widerstandskraft geschlagener Truopcn. Bei ber Einnahme von Strandza und fei dem mißglückten Vorstoß tür - kischer Truppen von Kavakli Bunar nach Nordosten spielten sich furchtbare Szenen ab. Sic wurden von drei weiten von der llebermacht angegriffen und die Türken stürzten in wilder Flucht auf Kapakli Bunar zurück. Nock cbc sie dieses erreichten, wurden sie durch das Artillerie- und Jniantcriefeuer ber Bul - garen dezimiert. Die Bulgaren, obwohl selbst von den Kämpfen und Gewaltmärschen erschöpft, zersprengten durck rücksichtslose Verfolgung alle Verbände der Armee Nazim Paschas. Adrianopel stebt unmittelbar vor der Kapi - tulation. Die eingeleiteten V-rbovd.ungen führten zwar nock zu keinem endgültig.'n Ergebnis, aber seitdem die Bulgaren iircfi siegreicher Zurückweisung des letzten großen A'.tsfalls bie do ini - tiierende Stellung auf der Nordwcsisront Adrianopels in Besitz genommen hatten, ist jede weitere Verteidigung aussichtslos. Tic „Köln. Ztg." mclbct aus Sofia: Zwei wichtige Stellungen von Adrianopel nach Kartal-Tcpch und Papas- T e p e h sind von den Bulgaren nach erbittertem Kampfe genom - men worden. Tas Konstantinopeler Blatt „Alemdar" meldet blutige Kämpfe bei Drama. Lbwohl die bulgarischen Streitkräfte in ber llebermacht sind, glaubt man doch, daß Drama noch längere Zeit Widerstand leisten werde. Das bulgarische Hauptquartier verließ Store 3 a g c r a. Es wird gemeldet, daß Bauden von B a s ck i b o z u k s in einigen Ortschaften der P r o v i n z A b r i a n o p e l aufgetaudjt sind. Tie bulgarischen Behörden haben die notwendigen Sichcr- heitsmaßvegeln getroffen. Konstantinopel vor der Katastrophe. Der Konstantinopeler Berichterstatter des „Matin" meldet, K i a m i l Pascha habe den Bo:schaftern der Großmächte erhärt, daß er sowohl die Crbnung in Konstantinopel wie auch in Klein asten tierteibigen werde. Wenn ihm aber durch den E i n m a r s cli des Feindes in Konstantinopel unmöglich gemacht würde, die Crbnung aufrechtzuerhalten und Wenn ni a it bie unglückliche Bevölkerung durch die Greuel des Krieges zur Verztveiflung bringen würde, würde er für bie hieraus etwa erwachsenden Folgen das Gewissen Europas verantwortlich mache n. „Rechnen Sic nicht damit," tilgte Kiamil Pascha hinzu, „daß ich jemals Konstantinopel int Sticke lassen werde, ober daß der Sultan es verlassen wird. Eher müßte man meinen Souverain in seinem Palast und mich in meinem Amtszimmer töten." Unter ben aus SiliBri eingetroffenen Flüchtlingen find drei Cholerafällc senge ft eilt worben. Andauernd kommen muselmanische Familien aus den Dörfern diesseits der Tschataldscha-Linie nach Konstantinopel. Tie Avenue vor der Hohen Pforte hat das Aussehen eines Lagers. M c h r e r e P e t Ionen, bie aniteaenber Krankheit berbäefitig sinb, sind isoliert worden. Zum Krieg die Seuche — das wäre der Lohn für das herrliche Werk europäischer Staatskunst, die „orientalische Frage"! Ter Scheik llcl Islam veröffentlicht einen Aufruf au bie UIema8, in dem es heißt, während alle religiösen Over- Häupter unserer Feinde mit dem Kreuz in der Hand baran ar - beiten, bie Truppen zu ermutigen, ist cs völlig unzulässig, daß unsere Klemas diese Pflicht noch nicht erfüllen. Tie Klemas müssen deshalb gleichfalls den Religions - krieg verkünden und dadurch die Moral unserer Truppen stärken. Scheik Kel Islam fordert die Klemas auf, bie den Glauben und die Fähigkeiten für die heilige Aufgabe besitzen, sich zu melden. Tic französische Regierung hat einen Tampstr requiriert, der nach K o n st a n t i n o p c l gehen wird, um int Falle von Unruhen die französische Kolonie an Bord zu nehmen. Saloniki hat kapitnlliert. Tic Kapitulation von Saloniki sowie ber Forts von itarabunar wurde Freitag abend unterzeichnet. 25 000 Mann haben sich ergeben. Ter griechische König erhielt eine Benach richngung vom Thronfolger, wonach der Kommandant von Saloniki sich am Tonncrstag abend zum Thronfolger begeben unb btc Kebergabc angeboren habe: Ter Kronprinz verlangte darauf, daß die Armee, die sich vor den Toren von calontfi befand, die Waffen strecke und sich zugleich mit dem Fort Karaburnu ergebe. Es wurde eine Frist gestellt, die gestern abiief, worauf, wenn die Bedingungen nickt angenommen würden, das Feuer eröffnet würde. Es scheint, daß die Türken diese Be - dingungen annahmen. Die Sorben unb Montenegriner. Heute (Sonnabend) wurden aus Keslueb Einzelheiten über die Kämpfe der lebten 14 Tage gerne [bet. Danach hatten im Kampfe um Nooivazar die Serben 500 Tote und Verwundete und bie Türken 30v Tote und <00 Vcr mundete. Tie Serben erbeuteten 57 Geschähe und zahlreiches Kriegsmaterial. Die Kämpfe bei Krujchcvo und Prilep verliefen äußerst blutig, ba die serbische Infanterie ohne Kniee ftü«ung der Artillerie Bajonettangriffe unternebnien mußte. Schließlich gelang es den serbischen Truppen, die Türken gegen Sionaitir und Tibra zu verdrängen. Die Einnahme von M o it a st i r steht bevor Tic Albanesenfithrer Sa-brija, Jdrts, Leier und Kasumo ergaben sich ben Serien. Tic serbischen Verluste bei Prilep betragen 2500 Tote unb Verwundete, die der Türken 6000 Tote. Die Einnahme von Djakowitza am 5. November er folgte ohne besonderen Widerstand der Türken. Bei der Be - setzung wirkte serbische Artillerie mit, die aus Prizren zu Hilfe gekommen war. Tie Montenegriner hatten nur geringe Per hiitc. Auf feiten ber Türken unb Albaner find die Verluste großer. Zahlreiche Albaner haben sich bei den Montenegrinern als Kriegsfreiwillige gemeldet. Sie sind zum Bojanafluffe ge - schickt worben. Die „Mächte" wiffen immer noch nickt, wack fie wollMil und sollen. Wieder, wie jeden liegt ein Hausen von Zeitungs artikcln vor, deren jeder „aus bester Quelle" ober „von woh! informierter Seite" über bie „Stellung dieser ober jener Re gicrung berichtet, natürlich immer unter „gewissen Vorbehalten". Es märe verlorene Mühe, all dem diplomatischen Gesabbel folgen zu wollen. Sicher ist nur das eine, daß man allerseits bestrebt ist, möglichst den Boden für eine neue Balkaitfrage vorzuberci tut, von der dann, wenn es glückt, die Diplomatie weitere bunter. Fakire zehren kann. Ter Kern der augenblicklichen Erörterungen ist, das D e st e r r e i ch (unterstützt von Deutschland und Italien) es nicht gestatten will, daß Serbien sich durch kannte es einfach nicht. Er stand steif wie ein Pfahl und rührte ,as Geschenk nicht an. „Du mußt es schon schonen," horte er Frau Mentzel sagen, „unsere Kinder haben es im vorigen Jahre zu Weihnachten be - kommen und nicht zerbrochen. Und hier ist eine neue Mütze für Dich," setzte sie hinzu, nahm ihm die seine ab unb probierte sie ihm auf. Sie war Piddl etwas zu groß. Aber dafür konnte tau Hundertmark hinter den Leberrand Papier einlegen. Tas sollte schon helfen. „Und hier ist ein Paket für Deine Mutter. Sag' ihr, daß das Ehristkind e? für sic gebracht hat, hörst Du?" Piddl war wie blind und taub. „Wenn ich vorher gewußt hätte, wie trotzig er ist, hätte ick nur auch einen andern ausgesucht!" erklärte Frau Mentzel leise ihrem Manne. In.Piddls Wangen schoß es glühend heiß auf. Es flimmerte ihm ordentlich vor den Augen. „Da muß man doch wirklich sagen, solche Leute erziehen ihre Kinder nicht. Nicht einmal ein „danke!" kommt aus ihm heraus." „ _ , „ „Na," entgegnete Herr Mentzel ebenso leise, „schlicßlick v ja einerlei. Christine! Reg' Dich doch nicht auf! Wir haben untere Pflicht getan, und im übrigen kann's uns ja egal fein." „Adjö, Kleiner!" sagte er bann zu Piddl. Ta stand er nun draußen mit seinen Paketen. Er stolperte bie Treppen hinab unb schlug mechanisch den Weg nach Hause ein. Ti' Scham brannte ihm noch auf den Backen. Wie unglücklich ihn daS alles gemacht hatte: das fremde, prächtige Haus unb die fremden Menschen und das mit bem <.'■ vi > j die Avne von Frau Mentzrl unb von Herrn Mentzel, bie wie fiebcitbc Tropfen auf sein Herz gefallen waren, daß es sich noch jetzt kramvf haft darunter zusammen zog. Zu Hause empfing ihn die Mutter voll Neugier und cr< wartungsvm er Fre. de, und während sie baun mit vorsichtigen Fingern bie Verschnürung des Pakets zu lösen versuchte, fielen PiddlS Augen wieder ans das Kasperle, daS ihn mit verkniffenen, boshaften Augen höhnisch anstarrte. „Ob wir beide uns vertragen werben?" schienen die Augen zu fragen, ,,'cb habe bereits ein Fahr mit ordentl-che» Kindern gespielt, unb :> intft. ob wir zusammen passen werden?" Piddl ergriff cS plc: ■ wie ein Krampf. Er nahm die Figur bei ihrem Kleid unb schlug den Mops mit einem einzigen horten Schlage an ber Etsckkantc in Stin!.:, ' ■!• s ie lächeln: e Fratze verzerrt von ber Erbe zu ihm aufiah, und wahre > btc Mutter mit einem. „Junge, was machst Du denn?" dazwischen fuhr, batte er auch bie n. e Müpe schon -Wilcken bie Hände f nommen unb zerrissen, bat- etc ..raue Pappe c. bem aufgeplatzten Rande berauSfab. Hub bann brach er tu . i milde B einen an. . . . bjbbl hatte bisher tuuucr gedacht, beim Met te . Mcyetdi.t am sähntgraben in die Lehre getzjen zu wollen, wenn er einmal bie Schule verlassen haben würde. Es war ja eine großartig? Aussicht, später so viele Mohrenköpfc und Aeftitullen eßen zu können, wie er wollte. — Aber mit der Zeit sah er ein, daß es Dinge aab. s tc i per einen Bäckerladen hinausgingen. Sein Weg führte ihn seit einiger Zeit täglich an einem ber großen Hotei- vorbei, btc tu ber Nähe des Bahnhofs lagen. Das qan-e Kellergeschoß des riesigen, uielfenürigiu Gebäudes nahm bie Küche ein, von deren niedrigen Klappfenstern gelnölmHdj einige offen standen, die dann nur durch ein engmaschiges Draht- gewebe verwahrt waren unb jedem Vorübergehenden einen Ein - blick gestatteten. Piddl konnte täglich einige Minuten lang uir- geftri. tu piesel unterirdische Reich hinunterfebauen, das ihm wie ein Schlaraffenland erschien unb dessen zauberiick lockende Düfte die ganze 2 träfe füllten. So herrlich roch cs nirqcitds, wie hicr. Piddl wußte selbst nicht, wonach cs eigentlich roch — aber daß cS etwas ganz Wunderbare« unb Herrliche- fein mußte, was oa unten in den großen Topfen auf dem Herde brodelte, in Pfannen briet und in -Backoien schmorte, war gewiß. Wie eine Zaubcrwelt voll unerhörter Genüsse wirkten die Gelasse dieses Kellergeschosses auf ibn. Er sah die Koche mit geröteten Gesichtern, tn hlitzwctße Anzüge unb Schürzen gekleidet, hinter den großen Herden stehen und mit ben Löffeln in geheimnisvollen Kochtöpfen rühren. Er sah sie Hasen spicken, Gänse braten, Torten mit Zuckerguß schmücken unb leckere Schüsseln mit grünen Kräutern aufjicrcn. DaS Wasser lief ihm im Munde zusammen, und er verließ seinen Platz nicht eher, als bis einer bet Koche, ärgerlich über den ungebetenen Gaffer, der nickst wankte und wich, ein paar Eier - schalen gegen das Drahtgittcr des Fensters schleuderte ober au? einer Kuchenspritze heimtückisch einen Wasserstrahl auf ihn richtete. Kock werden zu können mußte herrlich sein! Die wunder - barsten Gerichte zubereiten zu können, von deren Geruch allein man schon selig wurde, und dabei noch von allen probieren zu dürfen, das war ein ganz herrlicher, ein wunderbarer Beruf. Wie konnte es angeben, daß nicht alle Menschen Köche toerben wollten? Warum war der Anstreicher, der dort feinen Handwagen mit der langen Leiter darauf vor sich herschob, nickt lieber Kock geworden? Wo blieb da der Bäcker Mcverdierks mit feinen iimpcln Broschen unb Zuckerstangcn? Die Backstube mit ihrem Geruw von frischem Brot, Hefe und Kuchentcich vcr'ank doch völlig gegen diese Zauberfüllc von Düften und kostbaren Speisen! Freilich, es dauerte gewiß viele Jahre, bis man aiic-gc. ernt bett ’ ' ?•< um. x gewiß nicht gleich Koch ober Tber.och, wie der Dicke, der ba unten in der tdotettüchc kommandierte und ben -ck.vang! rii wurde man Küchenftinge und mußte Schusseln waschen, H.n .ier rupfen, Hasen abzichen und F> me ■v träten, immerhin, den köstlichen Geruch hatte man gleich vo.n erf .n Jage ar. und -u konnte einem entgehen von oem A . v d<- Herrlichkeiten. Mc > ben s>.bcriren Platten iii di G ucher da oben :.:na:if«drcgea wurden, dke so vornehm. u , . ; .b gc.-cimni.i on hinter tbren zartgeblumken Fenster Vorhängen lagen. „Nee," sagte Fritz Rähnholz, als Pidbl ihn eines Tages vor das Küchenfcnstcr geführt hatte, bamit auch er einen Blick hinab werfe in bicscs unterirdische Zauberreich, „nee, da werd'^ick lieber Kellner! Das ist was! sag' >ck Tir! Da brauchst Tu Dick nickt schmutzig zu machen, kannst alle Tage in Frack unb Lackstiefeln gehen unb bekommst bie schönen Speisen doch zu rk*' , n , wenn Ju sie ’neinträgft in bic Zimmer ba oben, wo bie vornehmen Reifenden essen Knb Trinkgelder kriogste, daß Dir ganz schwindlig wird, sag' ich Dir. Knb wenn nicht gegessen wird, hast Tu rein nichts zu tun . . Aber Piddl ließ sich nicht irre machen. Koch zu sein, war ohne Frage schöner. Der Koch stellte die Speisen doch her und richtete sie an. Der Kellner war ja nur ein armseliger Bedienter, aber der Koch war ein Künstler, einer, ohne den cs nicht ging, ohne ben ba feinste Hotel leer stand, und also bie Seele des ganzen Betriebs. ... . Was bic Speisen wohl kosten mochten, die da unten r l)inorte:i Fritz nannte fabelhafte «summen. Gott, mußten das reiche Leute fein, bie so etwas essen konnten! Pidbl wollte Koch werden, das war gewiß unb sicher. — ttines Abenbs teilte cr Klara seinen Entschluß mit, genannt, was sie sagen würbe. . . , , „Koch willst Du werben?" fragte sie ungläubig unb brach tn ein Gelächter aus. „Warum lachst Tu denn darüber? fragte er verletzt. „Kochen tun doch bic Frauen,' fuhr »lara lad iu tort. „Das ist ja zu komisch. Ww kann cm Juirgc kochen lernen tri?U jjU' doch mal zum Tote! „Stadt London" unb guck durck etns der Küchenfcnstcr in die Küche hinein, ja? fuhr es verletz, au« ihm heraus, „da kannst Du bic Kockc sehen, zehn, zwanzig auf einmal! Unb so einer will tck werben!' Sei bock nickt böse," sagte sie unb her ihm nack. „Du brauchst nicht zu lachen, wenn ich was sage!" murrte er „Du meinst, was Du noch nickt gesehen hast, gibt cs nicht. Aber Frauen kann man in ben feinen Hotelküchcn nicht zum ftodfcn brauchen. Die feinen Speisen, weißt Du, dazu müssen Köche fein." „Nee," entgegnete Klara nun ganz ernsthaft, „weißt Du, tck hätte dockt keine Lust dazu. Wenn ich groß bin, bat mein Vater gesagt, soll ick Putz machen lernen. Fch hab' 'ne leichte .Hand, tagt Vater, und die muß man haben, wenn man die feinen Blumen und Federn auf die Hüte setzt. In ein ganz großes Geschäft komme ich. Da tehn große Kästen mit Straußfedern und künstlichen Blumen. Man kann nur immer aussuchen. Knb dann kommen die seinen Tarnen unb stellen sich vor den Spiegel unb probieren die Hüte auf, einen nach dem andern." „Na ja," sagte Piddl, halb verlohnt, „bas mag ja auch ganz schön sein unb für Dich wohl passen." (Bortfetung folgte