* Nr. 7. Donnerstag, den ». Januar 1913. 27. Jahrgang. HamburgerEcho. Das ^Hamburger 'n>. c“. schiedenen Kampf „ohne Handschuhe" bedeute! Unb wirklich, als biete Resolution einen Monat später auf dem Sdesf'clder Trabe Union Congreß als Antrag bes Parlamentarischen Komitees zur Erörterung gelangte, rief sie eine große Be- geifterung hervor unb mürbe mit 1 717 000 gegen 13 000 Stimmen angenommen. Dabei führten die Delegierten eine ganz ungewöhnliche Sprache. Herr Brace und Herr Walsh, bekannte Bergarbeiterführer, erklärten, sie unb ihre Gewerk schäften würben sich bem RechlSspruch nicht fügen; sie würden eher ins Gefängnis ziehen als die politische Tätigkeit ihrer Organisation einstellen. Die andern stimmten ihnen begeistert zu und forderten die Labour Party auf, gegen bie Regierung bei allen Gelegenheiten zu stimmen, bis sie burch Gesetzgebung ben berüchtigten Rechtsspruch beseitige. Nur die Herren Shackleton und Henderson rieten, nicht io hitzig zu sprechen und zu hnndeln, wofür sie von den übrigen scharf an - gegriffen wurden. Zur selben Zeit sprach auch Keir Hardie auf einer internationalen Versammlung in Frankfurt über den Gegenstand und versicherte seine Hörer unter donnerndem Beifall, die englischen Arbeitermassen wür ben den rechtlosen Zustand nicht lange dulden unb würden, noch ehe zwölf Monate ins Land gegangen wären, für die Es kämpfung ihrer Rechte eine Barrikadenrevolution machen. Mch Hause zurückgekehrt, sprach Keir Hardie in einer großen öffentlichen Versammlung seine „autoritative" Ueberzeugung aus. Saß der Osbanie-RechtSspruch unbedingt um - geworfen werden wurde; sollten, wie zu erwartet! wäre, im Januar bie allgemeinen Wahlen stattfinden, so müßten bie Arbeiter schon jetzt ihre Rechte bekommen — sonst wehe ber Partei, die sie ihnen verweigere! Das war der Empfang, den ber Spruch des Obergerichts - hofes bei ben Führern ber Labour Party gefunden hat. Aber bie Wahlen fanden statt, zwar nicht im Januar 1911, aber doch im Dezember 1910, unb zwölf Monate gingen ins Lanb, und nicht nur kam es zukeinen Barrikaden unb keiner Re - volution, nicht nur zog kein einziger Führer ins Gefängnis, sondern selbst bei ben Wah en machte bie Arbeiterpartei nicht dc Osbörne-Rechtsspruch, sondern die Parlamentsbill der Regierung, gleich ben Liberalen, zur Hauptfrage! Roch mehr, da die Verwendung der Gelder für politische Zwecke und besonders für Zahlung ber Diäten den parlamentarischen Vertretern von ben edlen Richtern it. a. auch für „ver - fassungswidrig" erkannt wurde, da dadurch die „Frei - heit" der Deputierten beschränkt werde, so beeilte sich die Labour Party, jenen Satz in ihren Statuten zu beseitigen, wonach jeder neue Arbeiterdeputierte sich verpflichten mußte, im Ein - vernehmen mit seinen Kollegen zu handeln! Aber noch immer, als ber Inhalt Der Regierungsvorlage bekannt würbe, erklärten die Arbeiterführer, sie müßten eine vollständige Beseitigung des Osborne-RechtSipruchS haben, und brachten eine eigene Vor - lage ein. Selbst.als sie bereits ihre eigene Vorlage fallen tiftteu und für die zweite Lesung der Regierungsvorlage stimmten, behielten sie sich das Recht vor, bei ber dritten Lesung gegen die Vorlage zu stimmen. Das enbgultioe Er - gebnis aller dieser Deklarationen und Deklamationen liegt jetzt vor: die Labour Party nimmt die Regierungsvorlage an' Kommentar ist überflüssig — wer Augen hat, der ficht ihn! Dir Dalit «infrage. Toa Stocken der FriedeuSvcrhandlmigen. Wolffs Bureau meldet heute: den diplomatischen Kreisen Londons herrsatt trritcrhin eine hervorragend friedliche Stimmung; da die CSi-oßma»chliger aglivorischer Absicht Aottzen «ngrblzchc Unjituimiafftzer zwischen den brauchten (an- eieren will, so hat doch jeder ? essiert, denn es mutz nicht nur am meisten di I-chöden nc§ Kriegszustandes in seiner Nachbarschaft fühlen, t'ielinebr werden nach dem Friedensschluß jene Verhandlungen ausgenommen werden, wodurch die wichtigen Fragen aelöi werden sollen, die sur !7esterreich-tlngarn sich aus der Aeugeitaltung icr Verhält - niße auf dem Balkan ergeben werden. Die ...Kölnische Zeitung" bringt, am Di"ns:ag abend folgendes offiziöse Telegramm aus Berlin: Man war auf den Abbruch der Berdandlungen gefaßt gewesen. Der Balkanbund bat es aber für angemessen gehalten, einen so schroffen -rtfritt nicht zu unternehmen, sondern die Verhandlungen der Konferenz lediglich zu suspendieren. Damit ist der Fortgang des Handel» bis auf weiteres hinter die .Kulissen verlegt. Nunmehr ist die Reibe an den Großmächten, mit nachdrücklichen Bemühungen einziiareifen. Das Vorgehen der Großmächte soll sich gleichzeitig in S ernst an= tinopel und in London abspielen, ^n Koustantinopel iverben die Botschafter auf die Pforte cintoirtcn, in London die Botschafter- Versammlung auf die Delegierten der Türkei. Der weck der äinnridüng ist, zu verhindern, daß in irgendeiner Weiie die Feindseligkeiten wieder eröffnet werden. Die Nachricht ane- äofia, daß Tebükri Pascha, der Vertetdtger von üdrianopel, der Zusam - mentritt einer türkisch-bulgarischen Kommission angeregt habe, wäre von großer Bedeutung, wenn sie als Vorbote von Kapitula - tionsverhandlungen zu erklären wäre. Bisher bat -ccbiifri Pascha daran sesigehalten, daß er Adrianopel nur ainwiefern könne auf Grund eines ibn dazu ermächtigenden ausdrücklichen Befehls des Sultan». Ein solcher Befehl ist nicht erteilt worden und wird vom Sultan nicht erteilt werden, da der Sultan sei aller sonstiger politischer Zurückhaltung, die er zu üoen pflegt, gerade in der Frage des Besitzes von Adrianopel mehrfach mit Erklärungen herborgetreten ist, daß Adrianopel türkisch bleiben muffe. Aut jeden Fall kann man sagen, wenn die o 'n erwähnte Nachricht sich bestätigt, daß das Verlangen Schükri Paschas auf Kommissionsverhandlungen daraus schließen läßt, daß Adrianopel am Ende seiner Widerstandskraft angelangt tst oder in kurzer Zeit angelangt sein wird. Tas Reuterschc Bureau erfährt am Dienstag in thätet Abendstunde durch Dr. D a u e ro, daß seit der Suspension der Konferenz die Lage keinen Schritt vorwärts gekommen sei. Wir erhielten, sagte Danew, von den Türken keine Mitteilung, und die Verbündeten haben ihnen feine Mitteilung zu machen. ?.di bin vollständig ruhig und voller Zuversicht, daß unsere Forde - rungen angenommen werden und der Frieden erhalten bleibt. Tanew erklärte weiter, daß er über dic Meldungen von Kon - ferenzen, die wegen ?tdrianopelS angeblich zwischen türkischen und bulgarischen Kommissionären stattsänden. ohne amtliche Nach- richt lei v r habe soeben deswegen nach Sofia depeschiert. Rach der -Begeisterung die Abkühlung. Die Besteuerung der neuen Landesteile scheint den serbischen Negier nngskreisen ziemliches Kopf - zerbrechen zu bereiten. Anfänglich hieß es, bar, Aeuserbien während der ersten Fahre überhaupt von Steuern befreit bleiben solle, denn dk die Abgaben in Serbien notorisch ungeheuer hoch und die neugewonnenen Mitbürger blutarm sind so fürchtete mau mit Neckt, durch Einführung des serbischen Steuersystems einen abschreckenden Eindruck bei ihnen bervorzurufeii. Aach längerer [Überlegung erließ endlich der Minijterrat eine Bi stimmung. wonach es mit den Steuern io wie bisher unter der türkischen Verwaltung gehalten werden solle, und vom serbischen Finanzministerium wurde ein Fachmann nach Neuserbien gc schickt, um dort die -Steuerämter und alle? sonst zur Steuer - erhebung Nötige zu organisieren. Dieser Fachmann gelangte aber bei allseitiger Prüfung der Frage an Ort und Stelle zu dem Ergebnis, daß die Regiekosten größer sein würden als das ganze Steuererträgnis, denn dac- türkische Steuersystem ist primitiv und rorbert wegen seiner Schwerfälligkeit einen unverhältnis - mäßig großen Beamtenapparat, so ist man denn wieder zu der urwrünglichen Fdec zurückgekommen, vorläufig gar keine Steuern ; u erheben bis auf den Zehnten und auch diesen nur von den verpachteten Grundstücken. „6 hrifttidje“ Schandtaten. Der Molit. Ztg." wird au» Saloniki geschrieben: Schon seit einiger Zeit hat man von den Untaten gehört in der Gegend von Doi ran ldieser Ortsbezirk hat eine mobamme- dann'cke 'ttiolfcrung non ungefähr 20 000 Seelen 1. Die bulgarischen oder serbischen Behörden haben sich wohlweislich gehütet, darüber amtliche Angaben zu machen, und so Tam ei, daß man ' längere Zeit im unklaren gewesen ist, ivae- sick dort eigentlich crcmnct bat, zumal ja der Reisendenverkehr auf der Bahnsirecke Salonik Dedeagc ich erst feit einigen Tagen aufge» munnn n worden ist. Ein sehr achtbarer türkischer Kaufmann, der hier eingctrorfen ist, bat nun an ständiger Stelle einen ziemlich umfassenden Bericht hinterlegt , dem folgendes zu enl nehmen ist. Doiran wurde von "200 serbischen Reitern und ü£to Jnianteristcn, sonne von zahlreichen d u l g a - r । ■ ' r n 5 a a.h e it ui i l g 11 c b c t n besetzt. Ran bemächtigte i'.i fjtLtf hei tot lerntet, dann begannen eine Rollie tut Erpresstnnen. ' ne. bie nickt- geben wollten ooer .‘onntcii, wurden mit dem Dodo tbroht, rocht» brach man in die Ögufer ein, wooei man mit Vor. ebe die Häuser der türkischen Offiziere wählte, wo die Frauen vergewaltigt wurden. 61 Personen, welch sich ohne jede Bewaffirung nach Salonik auf den. 28eg gemacht hatten, wurde i bet Madenjert nieder gemaejt. Tie hervorragendsten Mohammedaner, 59 an der Zahl, wurden nach grausamen Foltern getötet. Alle Häuser der Mohammedaner wurden geplündert, dasselbe Schicksal mirherfuhr den Häusern der Türken in der Umgebung. Die £ rbschaften Nrgandschilar, Popowa, Taldschali, Bniuklii. Tsckillü. ('-ensetschetii, Surloroa wurden niebergebrannt. btc mohammedanische Bevölkerung abgeschIack t c t. Die Mohammedaner^ der Dörfer Kirdatsch^ Bala und Kirbatsch Sir, ferner von Sineniktscheb und Palmesck, die man ebenfalls mit bem Do de bebrrvt hatte, sind zum Ehristen - t u in ibergetreten, ills bie gricckiscken Tmt'hcn dorthin kamen, hörten hie feraufamleifen gegen die Bevölkerung auf. thut ber Straße zwischen Doiran und Gewegelü wurden sechzehn Mohammedaner durch Oleschützfeuer getötet. Aus Urgandschilar wirb berichtet, daß dort 90 Mo - hammedaner mit Stricken von Halt i Hals aneinander gefesselt und dann mit dem Bajonett niederge stochen wurden. Alle früher zum Islam übergetretenen christlichen Frauen sind wieder getauft unb ihre Männer vor ihren Augen nmgebracht worden. Zahlreiche Personen sind Hungert gestorben, da ihnen alle Lebensmittel und daS gesamte Getreide h'cggcnommen wurde. Der Kaufmann, dessen Name hier wohl bekannt ist, behauptet, sich keiner Uebertreibung schuldig gemacht zu haben; überdies werden jDi c trau - rigen Vorgänge auch von anderer e i t e an breiige Konsulate gemeldet. Fm Sandschak Serre? sollen von einer mohammedanischen Bevölkerung von ungefähr Gertraud Sonnweber. Roman von Rudolf Greinz. (Nachdruck verboten.) Die Sonnweberin war aus der Kirche in ihrer Verzweiflung zum Vorsteher gelaufen und hatte ihn um Hilfe angcfleht. Der schickte einen seiner Buben zum nächsten Gendarmerieposten im Zal. Denn schließlich war er ja verantwortlich für die Ruhe tm Dorf. Nun patrouillierten zwei Gendarmen mit aurgepslanzten Bajonetten um das Anwesen der Sonnweberi>chen. Es tnar die Gefahr nicht ausgeschlosseit, daß die wüwnden Bauern ihre Drohung zur Wahrheit machten und das Haus und Stadel der Sonnweberischen in Brand stecken würden, ^solchen Anschlägen sollte durch die strenge Bewackung des Anwesens vorgebeugt werden. Es war still geworden um den Besitz der sonnweverilcken herum, still und immer dunkler. Fn der Stalltüre stand der Sonnweber Lois, der das Vieh gefüttert unb getränkt batte. Das hatte er in ber allgemeinen Aufregung nicht vergessen Der Lois machte wieder ein reckt stockdummes Gesicht und schüttelte von Zeit zu Zeit ben Kopf, als ob er etwas gar nicht begreifen könnte. Er konnte es auch wirklich nicht reckt erfassen, warum alles hatte so kommen müssen. Siebzehntes Kapitel. Atemlos ertlonrm Gertraud Sonnweber den steilen Berg« roalb. Fmmer höher stieg sie hinan, gerade nach aufwärts, ohne Weg oder Fußpfad einzuhalleit. lieber struppiges Gebüsch stolperte sie ober fiel über eine ihr quer im Wege liegende Baumwurzel, fiel über kleine, niedere Fichtenbaume unb stürzte in Erbgruben, die iie in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Immer finsterer wurde es im Walb. Schweigenb und düster standen die mächtigen Fichten. Leise bewegten sie sich im Abend- toinb. Die pingern unter thuen schlugen auch wohl mit ihren scharfen Nabelarmen um jinchtenben Mädchen unbarmherzig ins Gefickt. Aber Gertraud »onntoeber achtete nicht darauf, achtete auch nicht der Erschöpfung und der Schmerzen ihres Leibes. Nur vorwärts! Nut auswärts! gort von da unten, von dem wüsten Lärm, von dem tobenden Geschrei, bas ihr noch immer bc« täubenb im Cfjr nachklant. ort ans dieser brüllenden Hölle des'Hasses und der Versvlgungl _ Nur fortl Weit fort, tauren . . . immerzu laufen . . . retten . . - ihr Leben retten und dar t^tee Kindes. Gertraud Sonnweber suhlte baß junge Sehen in ihrem Leib. Fühlte es mit Beben und Angst. Nur fort. Immer weiter hinauf - - ■ zwllos . . planlos! ,'sähet und jäher brach die Nacht herein. ®a n< Dunkel wurde es. Ein tiefer, heiliger Friede ringsum. Ein heilige?-,^feieruches Rauschen in den Wipfeln der Baume. Erhabenes Schweigen, tiefste Ruhe. Plötzlick ein Knistern, ein erregtes Schnauben. Dcr eilige, atemlose Lauf eines Tieres. An-borchend blieb Gertraud Sonnweoer stehen, horchte gespannt ; n die Dunkelheit hinein. Und dann kam es näher und näher. Ein freudiges, unterdrücktes Winseln. Lur, der schwarzzottige Hund sprang an seiner Herrin empor. Immer wieder hüpfte er sie an, so baß sie schier den Halt verlor, sprang und schmeichelte und wedelte und leckte ihre Hände. Gar nickt genug tun konnte er sich in seiner Freude. Er bellte nickt. Ganz still war er, als verstünde er Cv renau. baß er hübsch ruhig sein müsse, um seine Herrin nickt zu verraten. „Luxele! Mei' Luxetel sagte das Mädchen und streichelte immer wieoer das zottige Fell ihres treuen Begleiters. Dann fetzte sie sick nieder. Fetzt fühlte sie erst, wie ihr die Beine lahm wurden vom angestrengten Laufen, und fühlte immer deutlicher und nachhaltiger die Schmerzen ihres Körpers. Dieser und tiefer senkte sich die Nackt herab. Lauter wurde das Rauschen des Waldes. Dunkel war es. Kein Stern am Himmel.zu sehen, schwarze Nacht. „'s kimmt a Wetter!" sagte die Gertraud halblaut vor sich bin und sah sich ängstlich um. Sie konnte aber in der Finsternis fein schützender Dach, keinen bergenden Felsen entdecken. Da rarste sie sich auf. Sie dachte daran, baß sie ja noch einen Freund besaß im Sehen . . einen einzigen treuen Freund außer dem Hund . . . den Seehauser Marti. Zu dem wollte sie gehen, ihn um Obdach bitten und Schutz. Recht weit entfernt konnte ja die Hütte nicht sein, wo die Hol^ knechte hausten. Die Richtung wußte bie Gertraud beiläufig. Wenn sie nur ein Sicht gehabt batte, um besser einen Pfad finden zu können.