Nr. 154. Freitag, den 4. Jnli 1913. 27. Jahrgang. Hamburger Echo. Das ,Hambur«er Echo" erschein! rLqlich. außer Montags. Sit-onnementSpretS (inkl. »Tic Neue Welt- und »Dir arbeitende Jugend«) dura, die Poft bezogen ohne Bringegeld monatlich x 1,20, vierteljährlich a 8,60; durch die Kolporteure wöchentlich SO 4 frei ins Haus. Einz. Sir. 6 4 Sonntags-Nummer mit (dufte. Beilage „Tie Neue Welt« 10 4 Kreuzbandsendungen monatlich * 2,70, für dar Ausland monatlich a 1,—. Redaktion: ft Qß Expedition: Fehlandstraße 11, L Stock. PNlNvurg '>'• Fehlandstraße 1L Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: Karl Petersson in Hamburg. Anzeigen die siebengespaltene Pelitzeile oder deren Raum 40 4, Arbeitsmarkt, Bcrmietungs- und Jamitienanzeigen 20 4. Anzeigen-Annahme Fehlandstr. 11, Erdgeschoß «bis 5 Uhr nachmittags), in den Filialen, sowie in allen Annonoen-BureauS. Plaß- und Talenvorschristen ohne Verbindlichkeit, Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. 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Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat sich bei den entscheidenden Abstimmungen über die Deckungsvorlage am 28. und 30. Juni konsequent leiten lassen von den grundsätz - lichen und sachlichen Erwägungen, die für sie von vornherein sowohl im Plenum wie in der Budgetkommission maßgebend waren. Nicht um Haaresbreite ist sie davon abgewichen. Sie hat gestimmt für die Gesetze, betreffend den einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag und die Besitz- st e u e r n, die zwar mancherlei Mängel steuertechnischer Art aufweisen, deren Beseitigung der Fraktion nicht möglich war, die aber doch den Anfang bilden für die von der Partei seit dem Jahre 1871 geforderte Reichseinkommen-, Reichsvermögens- und Erbschaftssteuer. Noch bei der letzten Reichsfinanzreform im Jahre 1909 war nach der Haltung der Regierung und der. Mehrheitsparteien nicht zu hoffen, daß dieser Fortschritt so bald gemacht werden würde. Man übersehe nicht, in welch hohem, ja geradezu entscheiden - dem Maße die Sozialdemokratie für ihn gewirkt hat. Er be - deutet die Durchbrechung eines Reichsfinanzsystems, das vier Jahrzehnte hindurch sich als ein höchst ungerechtes und unheil - volles erwiesen hat. Durch dieses System mit seinen Zöllen und Verbrauchsabgaben wurden die Massen des arbeitenden Volkes, die Lohnarbeiter, die kleinen und mittleren Gewerbe - treibenden, Beamten usw. in stetig wachsendem Maße geradezu frivol überlastet, in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage, in ihrer Lebenshaltung geschädigt zugunsten der Reichen und Wohlhabenden. Diese Tatsachen müssen stets fest im Auge behalten werden bei Beurteilung der Haltung, welche die sozialdemokratische Neichstagsfraktion hierzu eingenommen hat. Die Fraktion hat gestimmt g e g e n das Gesetz über Aende - rungen im F i n a n z w e s e n. In der am Montag vom Ge - nossen Abgeordneten Haase abgegebenen fraktionellen Er - klärung ist kurz darauf hingewiesen, daß die Ablehnung dieses Gesetzes von unserm grundsätzlichen Standpunkt aus sich recht - fertigt aus der Tatsache, daß das wiederholt von der Regierung gegebene Versprechen einer Ermäßigung der Zucker- steuer nicht erfüllt worden ist, und daß die neuen Mittel mit dazu dienen sollen, den Kriegsschatz zu erhöhen, ^fetzt be - läuft sich dieser völlig tote Schatz, wohlverwahrt im Turm der Zitadelle in^Sp-andau,^ag und Nacht mit ängstlicher Sorgfalt bewacht von Militärpostcn, auf 120 Millionen Mark Gold. Nunmehr ist er auf 240 Millionen Mark Gold gesteigert worden. Seine Zweckbestimmung ist, „im Falle eines Krieges über die ersten geldlichen Schwierigkeiten hinwegzuhelfen". Tatsächlich kann er sowohl unter politischen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur als eine höchst bedenk - liche Maßnahme erachtet werden. Wenn 240 Millionen in Gold, aus welchem Metall unser ganzes Währungssystem beruht, dem wirtschaftlichen Leben entzogen werden, so be - deutet das nicht nur eine Schädigung dieses Lebens, son - dern auch eine Erschütterung oder doch mindestens eine starke Beeinträchtigung des Währungs - systems, um deffen Beseitigung die Bimetallisten sich die Jahrzehnte hindurch so sehr bemüht haben. Für die neuen 120 Millionen Gold, die dem Kriegsschatz zugefügt werden, wird cs zum „Ausgleich" Papiergeld geben. Die Summe der vom Reiche ausgegebcncn Kassenscheine — ein schlimmes Ueberbleibsel aus der Papiergeldära der deutschen Vielstaaterei — wird um 120 Millionen Mark erhöht, also verdoppelt werden. Dieses Papiergeld soll den gleichen Betrag in GoldausdemUmlauf ziehen. Das ist allerdings ein höchst einfaches, aber auch ein recht böses Ex - periment, das auf eine V e r s ch l e ch t e r u n g der dem Verkehr zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel hinausläuft: an die Stelle vollwertiger Goldmünzen tritt Papiergeld. Ueberdem sollen 120 Millionen Mark Silber- geld neu geprägt und z u r ü ck g e st e l l t werden, um im Falle eines Krieges in den Verkehr einzudringen resp, die Basis der Notenemission der Reichsbank zu erleichtern. Die sozialdemokratische Fraktion hat weiter gestimmt gegen die Aenderung des Reichsstcmpel- g e s e tz e s, weil sie sowohl weite Kreise der Arbeiterklasse wie des Mittelstandes, Genossenschaftler usw., einer neuen un - gerechten Belastung unterwirft. Wir haben uns über die Gründe der zustimmenden wie der ablehnenden Haltung der sozialvemokratischcn Fraktion im Verlaufe der parlamentarischen Beratung der Vorlagen in einer Reihe von Artikeln erschöpfend ausgesprochen. Jetzt wollen wir nach der amtlichen Zusammenstellung der Beschlüsse des Reichstages in dritter Lesung die wichtigsten beziehungs - weise die allgemein interessierenden Bestimmungen der neuen Steuergesetze mittcilen. I. Der einmalige Wehrbeitrag. Zur Deckung der einmaligen und eines Teiles der in den ersten Jahren entstehenden dauernden Lasten oes Hcercsvermehrungsgesetzes wird ein einmaliger außeroroent- licher Beitrag vom Vermögen und vom Einkom - men erhoben. Als Vermögen im Sinne des Gesetzes gilt das geiamtc bewegliche und unbewegliche Vermögen (GrunO- vermögen. Barvermögen, Kapitalvermögen) nach Abzug eer Schulden. Als Vermögen gelten nicht Möbel, Hausrat unv gewisse andere bewegliche Gegenstände. Dem gesetzlichen be - griff des steuerpflichtigen Vermögens unterfallen nicht: ~ a) Ansprüche an Witwen-, Waisen- und PensionSkagen, b) Ansprüche aus einer Kranken- oder Unfallvcrsichet.iug oder aus der Reichsversichcrung; c) Renten und ähnliche Bezüge, die mit Rücksicht aus cm früheres ArbcitS- oder Dienstverhältnis gewährt werden. Die Abgabe vom Vermögen beginnt bei einem ^cr- mögen von .♦( 10 000. Eine durchaus gerechtfertigte rung dieser Bestimmung liegt darin, daß, wenn vaö Ein k o m m c it des Besitzers weniger als JI 400 0 betragt, sich die steuerfreie Vermögcnvgrenze auf J< 30 000 ergo ). Bei einem Einkommen unter 3000 beginnt Oie Stcucrpslicht erst für Vermögen von J(^ 50 000. ?slbi't ttt jcvoch folgende Bestimmung zu beachten: Für die Veranlagung des Wehrbeitragev wirv Vas Vermögen o e r E y c g a 11 > •* zusammengerechnet, sofern sie nicht dauernd von - einander getrennt leben. Die Ehegatten sind, falls ihr Ver- ulögen zusammenzurechnen ist, der Staatskasse als Gesamt - schuldner der Abgabe verpflichtet. Die Abgabe vom Vermögen beträgt: dm höheren Beträgen von Ver- Bei einem Vermögen bis zu 50000 Mark und bei mögen von den ersten von den nächsten angefangenen oder vollen 50 000 Marl k 0,15 b. H, 50 000 0,35 100 000 0,5 M 300 000 0,7 M 500 000 0,85 ff 1000 000 1,1 ff 3 000 000 1,3 H 5 000 000 ft ri,4 tf Hierbei ist zu beachten, daß bei größeren Vermögen die er - höhten Sätze nicht für den Gesamtbetrag des Vermögens, son - dern nur für die letzte Staffel gelten. Die Steuer vom Einkommen ist summarisch in der Weise geregelt, daß 5 pZt. des versteuerten Vermögens als Vermögensertrag gelten; was dann vom Einkommen noch übrig bleibt, wird als Arbeitseinkommen behan - delt. Die steuerfreie Untergrenze ist für Personen, die neben ihrem Einkommen kein steuerpflichtiges Vermögen besitzen, auf Jt 5 00 0 festgesetzt; versteuert der einzelne Ver - mögen, so werden die durch die Subtraktion gewonnenen Ar - beitseinkommen herangezogen, soweitsie Jt 1000 über - st e i g e n. Also bis zu Jt 1000 Arbeitseinkommen bleiben auch in diesem Falle frei. Der Steuersatz beträgt bei einem Einkommen bis zu 10 000 Mark 1 v. H. des Einkommens, von mehr als 10 000 Mark bis zu 15 ooo Mark 1,2 v. H. des Einkomm u8, . . „ 15 000 Mark bis zu 20 000 Mor 1,4 v. H. des Einkomn „ „ „ 20 000 Mark bis zu 25 000 Marl J ,6 v. H. des Einkommens, „ „ „ 25 000 Mark bis zu 30 000 Mark 1,8 v. H. des Einkommens, „ „ „ 30 000 Mark bis zu 35 000 Mark 2 v. H. des Einkommens, „ „ . 35 000 Mark bis zu 40 000 Mark 2,5 v. H. des Einkommens, „ „ „ 40 000 Mark bis zu 50 000 Mark 3 v. H. des Einkommens, „ „ „ 50 000 Mark bis zu 60000 Mark 3,5 v. H. des Einkommens, „ „ „ 60 000 Mark bis zu 70 000 Mark 4 v. H. des Einkommens, „ „ „ 70000 Mark bis zu 80 000 Mark 4,5 ti. H. deS Einkommens, . „ , 80000 Mark bis zu 100 000 Mark 5 u JQ. deS Einkommens, „ „ , 100 000 Mark bis zu 200 000 Mark 6 v. H. des Einkommens, „ „ „ 200 000 Mark bis zu 500 000 Mark 7 v. H. des Einkommens, „ „ „ 500 000 Mark 8 v. H. des Einkommens. Das Gesetz sieht besondere Ermäßigungen vor: Gewährt der Beitragspflichtige, dessen Vermögen den Be - trag von Jt 100 000 oder dessen Einkommen den Betrag von Jt 10 000 nicht übersteigt, Kl ndern auf Grund gesetzlicher Verpflichtung (§§ 1601 bis 1615 Bürgerliches Gesetzbuch) Unterhalt, so ermäßigt sich der Beitrag für das dritte und jedes folgende minderjährige Kind um 5 vom Hundert feines Betrages. Hat der Beitragspflichtige ein Vermögen von nicht mehr als Jt 200 000 oder ein Einkommen von nicht mehr als Jt 20 000, so ermäßigt sich der Wchrbeitrag für den dritten und jeden weiteren Sohn, welcher feine gesetzliche Dienstpflicht beim Heer oder der Flotte abgeleistet hat, um je 10 vom Hundert seines Betrages. Es ist also ein besonderes Kinderprivileg in das Wehrbeitragsgesctz ausgenommen. II. Die Vermögenszuwachssteuer. Steuerpflichtig ist hier der Vermögenszuwachs, wie er sich aus der Vergleichung des Vermögensstandes eines Steuerpflichtigen in Veranlagungszeitrüumen von je drei Jahren ergibt. Auch hier gilt als Vermögen das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen nach Abzug der Schul - den. Steuerfrei bleiben die Vermögensmassen bis zu Jt 20 000 sowie die Zuwüchse bis zu Jt 10 000. Die Steuer st asfel berücksichtigt die Höhe des Ver - mögens und die Größe des Zuwachses, so daß also eine doppelte Progression eintritt. Die Steuer beträgt für den ganzen Erhcbungszeitraum von drei Jahren bei einem Vermögenszuwachs von: 10— 50 000 Mark 0,75 pZt. 50— 100 000 0,90 „ 100— 300 000 1,05 „ 300— 500 000 „ 1,20 „ 500—1000 000 „ 1,35 „ über 1000 000 1,50 „ Tie Staffelung geht dann weiter dahin, daß der Steuersatz sich erhöht bei Vermögen von: 100— 200 000 Mark um 0,1 PZt. deS Zuwachses 200— 300 000 0,2 300— 400 000 X tf 0,3 ff 400— 500 000 ft 0,4 500— 750 000 M tf 0,5 ff 750— 1 000 000 ff .. 0,6 - ff 1— 2 000 000 0,7 ff ff 2— 5000 000 0,8 5—10 000 000 0,9 über 10 000 000 ff 1,0 u tf ff Auch bei dieser Steuer sind Ermäßigungen für kinderreiche Familien vorgesehen. Bei Vermögen von weniger als JI 100 000 soll sich die Steuer für das dritte undjedes weitere Kind um je 5 pZt. ermäßigen. Als Zuwachs wird auch das durch Erbschaft erworbene Vermögen mit Einschluß des Kindcrcrbes behandelt. Nur das Erbe des überlebenden Gatten bleibt frei. III. Gesellschaft-- und Versicherungs st empel. Die erhöhte Stempelbelastung der Gcscllschaftsvcrträge ist im wesentlichen nach den Vorschlägen des Entwurfs aitgenom- nien worden. Es beträgt künftig der Beurkundungsstempel für Einrichtung oder Kapitalserhöhungen 'von Aktiengesellschaften 4% pZt., von Gesellschaften mit beschränkter Haftung 3 pZt., bei Grundstücksgescllschasten 5 pZt. Die Stempelbelastung der Versicherungen ist mehr - fach reduziert worden, was natürlich ihrer Ungerechtigkeit an sich keinen Eintrag tut So soll jetzt der Stempel auf Feuer - versicherungen bei beweglichen Gegenständen 15 (statt 25 j.) pro Jt 1000 der Versicherungssumme jährlich betragen, bei unbeweglichen Gegenständen (wofür der Reichstag in dritter Lesung die ursprünglich gestrichene Regierungsvorlage wieder herstellte) 5 pro Jt 1000 ; bei der Lebensversicherung beträgt Cer Stempel y 2 pZt. (statt 1 pZt.) der gezahlten Prämie, bei Einbruchsdiebstahl und Glasversicherung 10 für jede Mark der gezahlten Pränlie; Versicherungen unter Jt 3000 werden srcigelassen, desgleichen unter andern auch Unfall- und Haft - pflichtversicherungen. IV. .Die übrigen Steuern. Die Zucker st euer bleibt, wie schon erwähnt, in ihrer gegenwärtigen Höhe bestehen. Der Scheck st empel wird ausgehoben. Die Wertzuwachs st euer von Grundstücken fällt, soweit sie dem Reich zugeflossen ist, weg; der Anteil für die Gemeinden wird nach besonderen Vorschriften weiter er - hoben. Die bestehende Erbschaftssteuer hat die Erhöhung einiger Sätze für Verwandte erfahren. Es steigt der Normal- satz für Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern von 4 auf 5 pZt., für Abkömmlinge zweiten Grades von Geschwistern von 6 auf 8 pZt., für die entfernten Ver - wandten, die bisher 10 pZt. zahlten, auf 12 pZt. Der Anteil der B u n d e s st a a t e n ermäßigt sich von 25 auf 20 pZt. Die Kritik wird sich wohl noch lange mit diesen neuen Steuern beschäftigen. Den herrschenden Klassen ge - fällt natürlich keine einzige dieser neuen Steuern. Aber die Arbeiterklasse hat objektiv abzuwägcn, inwieweit sie dabei gegenüber den Reichen und Wohlhabenden keine neue Benachteiligung erfahren hat. politische Uebersicht. Tic Abwälzung beginnt! Die ..Rheinisch-Westfälische Zeitung" veröffenilichi in ihrer Mittwoch-Miktagsausgabe eine Zuschrift aus Zechenkreisen, in der mit kategorischer Betonung Gegenleistung für den Wehrbeitrag von der preußischen Regierung geforderr wird, und zwar dadurch, daß sic ihre bisberige ablehnende Haliung gegenüber der Erneuerung des Äohlensyndikats aufgibt. „Aus jeden Fall", so heißt es zum Schluß, .müsse der Regierung das eine klar sein: Tollte das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndiiat rstcht erneuert werden, so wird cs nicht nur den im hiesigen ■> mstptebcjllk ansässigen Gesellschafter und Personen, sondern auch weiten Kreisen des Deutschen Reichs unmöglich sein, die letzte Rate deS Wehrbcitrags zu zahlen. Wird dem starken wirt - schaftlichen Leben des Jndustriebezirks diese Grundlage entzogen, so wird eine Erschülicrung Eintreten, eine allgemeine Entwertung des Immobil- und Wcripapierbesitzes. der gegenüber die jetzige rückläufige Wertbemcffung auf dem Grundstücks- und Börscn- markte ein Kinderspiel ist." Wir Balten es von Anfang an allen „staatsmännischen Er - wägungen" zum Trotz gesagt, daß letzten Endes die Kosten der Heeresvermehrung doch vom arbeitenden Volk getragen werden müßten. Und so wird es auch konnnen. Ten Anfang sehen wir schon: Tas Grubenkapital will seinen Anteil aui^ Wehrbeitrag auf die Kohlenverbraucher abwälzcu, indem das Syndikat Hobe Monopolpreise diktiert. Tie zunächst betroffene Industrie wird ihrerseits die höheren Produttionskosten auf den Warenpreis schlagen oder die Arbeitslöhne drücken; in beiden Fällen wird also "die große Masse getroffen werden. Und wie es die Berg- Herren jetzt versuchen, so werden es di« Grohkapitaliiien auf den andern Gebieten machen. Mehr oder minder verhüllt wird der Wehrbeitrag der Vermögenden von den Nichtbesitzcnden zu tragen sein. Wchrvorlagc und Diäten. In einer Besprechung der Reichstagsverhandlungen und - beschlüsse über die Wehrvorlage sagt die Chemnitzer „^rlksstimme" unter anbertn : Nachdem die Tinge einmal soweit gediehen wäret!, kann an der raschen Verabschiedung der Wehrgesepc begründete Kriffk wohl nicht mehr geübt werden. Es wäre keine sinnvolle Taktik gewesen, hätte unsere Fraktion die dritte Lesung noch um ein oder zwei Tage mehr aufzubaltcn gesucht. _ Immerhin bleibt es ein beschämendes Schauspiel, daß bet den bürger - lichen Parteien des deutschen Reichstages nach dem 1. Mai, wenn die Auszahlung der letzten Diätenratc dringend verlangt zu werden beginnt, die F e r i e n s e h u s u ch t und der Drang, «ebkuß zu machen, alle Bedenken und Einsprüche zu Boden schlägt. Irgendwelche Vernunft steckt in dieser Gesetzesmacherei, die um jeden Preis fertig werden will, dann nicht mehr. Man fragt überhaupt nicht mehr, was man beschließt, sondern w i e man am ra s ch e st e n fertig wird. .Frankfurter Zeitung" und „Zittauer Morgenzeitung" haben in den letzten Tagen t e- zeichnende Schilderungen von der Wut entworfen, die im Reichs - tage jeder Redner geweckt bat, der länger als fünf Minuten zu sprechen wagte. Selbst der Präsident machte sich zum Vollstrecker der Ferienwünsche der bürgerlichen Mehrheit. Bei der Ver - anlagung der landwirtschaftlichen Grundüncke zur Wehrabgabc sprachen einige hessische Redner über die Schädigung der hessischen Kleinbauern durch den gewählten Steuermodus, der den Groß - grundbesitz bevorzugt. Flugs iiingclte der Vizepräsident Tove und bedeutete unter begeisterter Zustimmung der bürget. ichen Parteien dem Genossen Ulrich, daß man doch jetzt für solche Geschichten keine Zeit mehr habe. Nein, die bürgerliche.« Parteien haben gar keine Zeit mehr: cs bandelt sich ja n u r um 2000 Millionen Geld und 136 000 Menschen. Sic haben keine Zeit mehr. D i e l e tz t e D i ä t e n r a t e i st s ch o n feit dem i. Mai fällig. Wozu noch unnütz aus eigene .(tosten in Berlin sitzen und in der Gefahr schweben, für jeden Tag des Fehlens JI 20 z u verlieren? Außerdem fangen vielfach in Preußen am nächsten Freitag die Schulferien an. Man will noch rasch einmal zu Hause und im Geschäft nach dem rechten sehen und bann mit Frau und Kindern in? seebad oder ins Gebirge reisen. In einem alten Studentenlied wird aufgezählt, welche Verpflichtung ein richtiger Student an Frühschoppen, Fechtboden, Mittagskneipe, Tämmerschoppen, Kommers, Erkneipe usw. bat und daran regel- mäßig die empörte Frage geknüpft: „Wo bleibt da Zeit zum Studium?" Ter Bonner Korpsstudent kann aus Mangel an Zeit nicht studieren, und die bürgerlichen Reichstagsabgeordneten können aus Mangel an Zeit keine anständigen Gesetze machen. Wahr- scheinlich bilden sie sich ein. daß die Wähler sie nicht dazu nach Berlin aefchickt haben. Ihre F e r i e n s e h n s u ch t und ihr Tiätenkummer ist ihnen wichtiger al« ihr heiligster Partei- grundsatz, ihr feierlichstes Wahlgclöbnis und alle Proteste der durch ihre verbrecherische Pfuscherei gefährdeten Interessenten - kreise." In der Tat kifft unser Bruderblatt hier eine wunde Stelle unseres Parlaknentarismus. Mit der T i ä t c n p a n s ch a l e bat Bülow dem Reichstag den schlimmsten Streich gespielt, der ibn treffen konnte. In ganz raffinierter Weise wurde die gesetz - gebende Körperschaft auf Akkordarbeit gefetzt, auf Aktors arbeit eigener Art. 3000 für den Mann wurden ausgesetzt, gleichviel ob das Ärbeitsauantum deS Jahres größer oder geringer ist, ob schwierige und wichtige Materien zu behandeln sind oder ob nur Routinesachen vorliegen. Je länger die Sitzung wer ... n dauern, desto kleiner wird der Ueverschuß, der von der Pauschale dem einzelnen bleibt. So entsteht bei manchen unbewußt, bei andern aber bewußt das Streben, das Pensum, groß oder klein, wichtig oder unwichtig, in möglichst kurzer Zeit aufzuarbeiten. Und an £ b ft r u 11 i o n, die letzte, aber schärfste Waffe einer Oppositionspartei, ist unter dem Pauschalshstem gar nicht zu denken. Ter Reichstag wäre es, nachdem die Erfahrungen NUN vorliegen. seiner eigenen Würde und seinem Ansehen schuldig, die üble Bülowsche Erbschaft zu beseitigen. Diäten — ja! Aber in einer Höhe, daß sie dcm notwendigen Aufwand ent- sprechen, ohne die druckt nach Ucberschüffcn zu wecken, und bann, wie es eigentlich schon im Begriff liegt, in der Form Voit Tage - gelbern, also für die wirkliche Sitzuitgsdauer und für die Anwesenheit! Zwei Reichstagsnachwahlen. Tic Reichstagsnachwahl in Zauch-Bekzig-Luckcn- w a l d e hat uns am Mittwoch einen schönen Erfolg gebracht. Die Wahlbeteiligung mar viel geringer ajs im Januar 1912, was sich daraus erklärt, daß die ländliche Bevölkerung durch Feldarbeiten abgehalten war, zur Wahl zu gehen. Die Sozialdemo - kratie hat trotz des allgemeinen StimmenrückgangS so gut wie nichts verloren; dagegen verzeichnen die Konservativen einen Ver - lust von über 3000 und die Fortschrittler einen solchen von jirta 2000 Stimmen Es erhielten an Stimmen: Ewald (SD.) 12 834 (1912: 13 867), v. Oertzen (RP.) 7123 (110441, Hör- mann (FPp.) 6954 (9226). Es stehen noch die Resultate von einer Anzahl rein ländlicher £rte aus; die dort abgegebenen Stimmen werden das konservative Ergebnis etwas verbessern. Stichwahl zwischen Ewald und v. £ertzen ist aber sicher. Tie ganze Wahlagitation der Fortschrittler war versiändigerwcise darauf eingestellt, den Kreis vor allen Dingen den Konservativen abzunehmen. Hoffentlich hat das für die Stichwahl die Folge, daß diesmal die Fortschrittler den Ausschlag zugunsten der Sozial - demokratie geben, das heißt, daß sie diesmal nicht wie 1912 fast einhellig ihre Stimmen für den Reichsparteiler abgeben. In Salzwebel-Gardelegen, wo ebenfalls am Mitt - woch Nachwahl wegen der Ungültigkeitserklärung des Kröcherschen Mandats stattzufinden hatte, haben die Konservativen ebenfalls nicht unerheblich verloren. Es erhielten Stimmen: Böhm e (liberaler Bauernbund) 10 667 (10 271), Kröcher (K.) 6978 (12 073), Schulz (K.) 4044. Die beiden konservativen Kandidaten bleiben diesmal mit 11000 Stimmen immer noch rund 1000 Stimmen hinter 1912 zurück, obwohl gerade die Ausstellung von zwei konservativen Kandidaten den Zweck verfolgte, den Konfer- oatfben jede nicht ausgesprochen nationalliberale ober sozialbemo- kratische Stimme zuzuführen. In bet Stichwahl entfcheiben die 1918 sozialdemokratischen Stimmen. 1912 erhielt der sozialdemo - kratische Kandidat 2407 Stimmen Aller Wahrscheinlichkeit nach werden also die beiden Kreise den Konservativen abgenommen und die Mehrheit der Linken im Reichstag dadurch um weitere zwei Stimmen verstärkt. Unsere „Staatsmänner« ans dem Rcgierniigüseffel und der Parlamentsbank. Tic „Franffurter Zcstung" verspottet in einem Leitartikel, in welchem sic sich mit dem neuen Balkankrieae befaßt, ihre eigenen Parteifreunde im Deutschen Reich, die eben der HertcS- üorlagc zeigest unrnt haben. Sic schreibt: „An manchen Stellen der Triplc-Enlente scheint man brej^ Zuversicht (die Zuversicht auf bie Einigkeit der Balkanstaateii) ernst genommen zu haben, und besonders in Frankeich machte man sich in dieser Richtung Illusionen auf Gewinnung eines neuen Bundesgenossen gegen Deutschland. TaS Merkwürdigste aber war, daß auch der deutsche Reichskanzler sich solchen Illusionen hingab und bie große Wehrvorlage wesentlich damit begründete, daß durch den Balkankrieg die Machtvcrbältnisse im Südosten stark zu unsern Ungunsten sich verschoben häiten. Leider ist die „Frankfurter Zeitung" in diesem letzten Halbjahr d