Nr. 157. Dienstag, den 8. Juli 1913. 27. Jahrgang. KanwurgerEcho. Tak »Hamburger Echo' erschetnl lLglich. außer MonlagL SlbonnementsprctS (intl. »Tie Neue Welt' und »Die arbeitend« Jugend') Burcg t>te Post bezogen ohne Bringegeld monatlich x. 1,20, vierteljährlich x 8,60; durch die Kolporteure wöchentlich 30 A frei ins HauZ. Einz. Nr. 5 A. Sonntag?.Nummer mit illustr. Beilage »Die Neue Welt' 10 4. Kreuzbandsendungen monatlich * 2,70. für das Aukland monatlich x 4,—. Redaktion: Qß Expedition: Fehlandstraße 11, 1. StoL .y (IUI v Ul g o<) Fehlandstraße 11. Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: Richard Perner in Hamburg. Anzeigen die siebengespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 A. Arbeitdmarlt, Pcrmietungs- und Fsamilrenanzeigen 20 4. Anzcigen-Annahme Fehlandstr. 11, Erdgeschoß (bis 5 Uhr nachmittags», in den Filialen, sowie in allen Annonren-Bureaus. Platz- und Tatenvorschrislen ohne Verbindlichkeit, Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. Buchhandlung und Buchdruikerei-Kontor: Fehlandstr. 11, Erdgeschoß. (Xi ’ || St. Pauli, ohne Amandastraße, bei Franz Würzberger, Annenstr. 17. Eimsbüttel, Langenfeld« bei Carl Dreyer, Fruchtallee 42. Hoheluft, Eppendorf, wroü-Borstel und Winterhude bei Ernst Großkopf, Meldorferstr. 8. Parinbeck, Uhlenhorst bei Theodor lilll 011 * Petereit, Heinrich Hertzstr. 145. Hohenfelde, Borgselde, Hamm, Horn, Schisfbeck und Billtvärderbei CarlOrtel, Baustr. 26. Hammerbrook bis Ausschläger Billdeich bei Rud. Fuhrmann, Süderkaistr.18. NotcuburgSort und Veddel bei Fr. Hübener, Billh.Röhren- f * 11UWUU dämm 213 n.Hchpt. Wilhelmsburg bei Adolf Bendt, Schulstr. 22a. Eilbeck, Wandsbeik, Hiuschcnselde undLst-Barmbeck bei Franz Krüger, Kurze Reihe 34. Altona bei Friedr. Ludwig, Bürgerstr. 22. Lttensen, Vaürenfeld bei Franz Rose, Hohenesch 3, Part. Hierzu zwei Beilagen. Die UMWM-MWlA. Unermüdlich sind die Scharfmacher am Werke, auf die Re - gierung und die bürgerlichen Parteien einzuwirken zugunsten des Erlasses neuer Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie und die freien gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen. Zu Beginn des jetzt beendeten Sessionsabschnittes des Reichstages hatten die Konservativen einen scharfen Vorstoß in dieser Richtung geplant, der nur deshalb nicht zur Ausführung gelangte, weil das Interesse des Parlaments und aller Volkskreise durchaus auf die Wchr- und Deckungsvorlagen sich richtete und alle andern Fragen daher in den Hintergrund traten. Aber die „Triarier Seiner Majestät" haben auch in dieser Zeit wenigstens nicht unterlassen, in ihrer Presse und in ihren Versammlungen so gewissenlos und frivol wie nur möglich die Forderung nach neuer ausnahmerecht - licher Vergewaltigung der Arbeiterklasse zu erheben. Die „Kreuz - zeitung", die „Deutsche Tageszeitung" und andere konservative Organe haben des öftere ausgeführt, daß es geradezu im „natio - nalen Interesse" geboten sei, einen gesetzlichen „Schutz gegen den sozialdemokratischen Terrorismus", vor allem einen „Schutz der Arbeitswilligen" zu schaffen, und zwar so bald als möglich. Daß es der R e g i e r u n g nicht am guten Willen fehlt, dem Scharfmachertum entgegenzukommen, steht fest. Und auch in den Kreisen des Zentrums und der Nationalliberalen gibt cs ganz ohne Zweifel eine Richtung, die geneigt ist, der Hetze der Ordnungspolitiker Konzessionen zu machen. Im März vorigen Jahres hat zwar die Reichsregierung eine ablehnende Haltung eingenommen. Doch spendete damals der preußische Mini st er des Innern, v. Dallwitz, gelegentlich der Besprechung der Ruhrstreikinterpellationen im preußischen Abgeordnetenhause den Trost: es sei „eine der vor - nehmsten Pflichten des Staates, jede redliche Arbeit zu schützen, jedem Staatsbürger, dem Arbeitnchmer wie dem Arbeit - geber, die Möglichkeit zu geben, ungefährdet und ungestört seinem Berufe und seiner Ausgabe nachzugehen". Diese Erklärung haben die Scharfmacher, gewiß nicht unzu- 'treffend, dahin ausgelcgt, daß die preußische Regierung durchaus auf ihrem Standpunkt steht und bereit ist, diesen int Bundesrate zu vertreten. Ihre Organe erinnern an die Worte des preußischen Polizeiministers und fordern kategorisch ihre Er - füllung. Die preußische Regierung soll im Bundesrat sich ein-- setzen oajür, oaß oer reichsgesetzliche „Arbetls- willigenschutz" kommt. Neue Nahrung hat diese bösartige Propaganda seit etwa einem Jahre dadurch bekommen, daß nicht nur der deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag und eine große Anzahl von I n n u n g e n, sondern auch viele Handels - kammern, in erster Linie. die des rheinisch-westfälischen Jndustriebezirks unter der Einwirkung des großindustriellen Unternchmertums, sich für einen „besseren Arbeitswilligenschutz" ausgesprochen und ihre Wünsche in Eingaben an den Reichstag unv den Bundesrat kundgegeben haben. Daß diese Propaganda nicht ohne Wirkung im Sinne des berufsmäßigen Scharfmachertums auf das Zentrum, die Nationalliberalen und auf einen Teil der Fortschrittler bleiben kann, ist ohne weiteres klar. Mit dieser Tatsache ist für die nächste Zukunft zu rechnen. Es ist nicht zu unterschätzen, was kürzlich in einem Artikel der „Kreuzzeitung" der Syndikus der Barmer Handelskammer, Dr. Hans Coelsch, verkündet hat: „Der Reichstagundder Bundesrat muß undwird folgen!" Die Frage ist nur die, wie diese beiden Faktoren folgen werden. Wir glauben nicht, daß int Reichstag aus den Fraktionen der liberalen Parteien und des Zentrums sich mit den Konser - vativen eine Mehrheit für ein direktes Ausnahmegesetz gegen das Streikpostenstehen usw. zum „Schutz der Arbeitswilligen" bilden wird. Das verbietet den angeblich „antireaktionären" bürgerlichen Parteien die spekulative Rücksichtnahme auf die katholischen und die „national gesinnten" Arbeiter, die ja auch gleich den sozialdemokratischen sehr wohl wissen, daß es sich im Kern der Sache nicht um die „Sicherung der Freiheit der Arbeit", sondern um die Vernichtung des Äoali- tionsrechts der Arbeiter und der Arbeiter - organisationen handelt. Das wird man indirekt, nicht unter Erlaß eines Sondergesetzes, eines Ausnahme - gesetzes nach dem Muster des Sozialistengesetzes, der Umsturz- und Zuchthausgesetz-Vorlagen, sondern auf der Basis und int Rahmen des sogenannten „gemeinen Rechts" zu erreichen versuchen. Die „Reform des Strafrecht s", mit der sich die Regierung und eine von ihr berufene Juristenkommission nun schon einige Jahre beschäftigen, ist dazu ausersehen, Die Ten - denzen und die Wünsche der Scharfmacher und der ihnen ver - bündeten Reaktionsgewalten zu praktischer Gestaltung zu bringen. In das sogenannte „gemeine Recht", das ja, diktiert und be - herrscht von den Interessen und Anschauungen der herrschenoen Stände und Klassen, alles in allem ein Ausnahmerecht gegendieArbeiterklasseist, sollen neueausnahme- rechtliche Bestimmungen gegen die Arbeiterbewegung eingefügt werven. Solch eine „gemeinrechtlich" bewirkte Konstituierung ausnahmegesetzlicher Bestimmungen ist viel schlimmer als ein auf Entrechtung gerichtetes Sondergesetz, das das Stigma der. Tendenz ausnahmerechtlicher Vergewaltigung ganz unverkennbar trägt. Viel schlimmer einmal deshalb, weil sie einer rcch^sschänderischen Heuchelei dient, welche bezweckt, über die Tendenz hinwegzutäuschen, und sodann — und hauptsächlich — weil seiner Beseitigung weit größere Schwie - rigkeiten entgegenstehen, als der eines direkten Ausnahme - gesetzes. Ein solches hat viel mehr Festigkeit «md Wider - standsfähigkeit gegenüber dem ihm opponierenden öffentlichen Rechtsbewußtsein, als die in das ganze System des gemeinen Rechts eingefügte ausnahmerechtliche Tendenz. Die Erfahrung lehrt, daß Sondergesetze gegen Bestrebungen, die den herr - schenden Interessen mißfallen, immer nur eine beschränkte Dauer haben können, und insbesondere dann, wenn sie darauf berechnet sind, den berechtigten und notwendigen Bestrebungen der Arbeiter - klasse entgegenzuwirken. Das lehrt in geradezu drastischer Weise die Geschichte des Sozialistengesetzes. Gründet sich aber die ausnahmerechtliche Mißhandlung der Arbeiterklasse und der Arbeiterpartei auf eine Fälschung des Begriffes „gemeines Recht", so trifft darauf das Wort Goethes zu: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fort". Ewig zwar nicht im Sinne einer unbedingt unbeschränkten Dauer, aber doch in dem Sinne, daß das „gemeine Recht" mit seinen Ungerechtig - keiten ein sehr zähes Leben hat, weil in ihm die politische Un- wahrhaftigkeit und Gewissenlosigkeit der berrschendcn Gewalten, Klassen uno Parteien unter heuchlerischer Berufung auf „Gleich - heit im Recht" Verstecken spielen kann. Daß es der diese Gleichheit verneinende, die Arbeiter als gehorsamspflichtige Heloten behandelnde Geist des Arbeits - herrentums ist, in welchem die Propaganoa für den „Schutz der Arbeitswilligen" sich vollzieht, daß sie alles in allem den Zweck hat, die freie und selbständige Betätigung derArbeiterklassefür ihre berechtigten Interessen zu ver - hindern— diese Tatsache war schon immer eine ganz offentunDige. Aber wie kommt der Konservatismus und Agraris- mus, wie kommt die Junkerpartei dazu, diese Propaganda zu unterstützen? Es gab eine Zeit, wo Wortführer und Organe dieser Partei das Recht der Arbeiter anerkannten, im Kampfe gegen das industrielle Unternehmertum solidarisch ihre Interessen zu wahren und zu fördere. In den sechziger und auch noch in den siebziger Jahren hat die „Kreuzzeitung" z. B. öfter diesen Stand - punkt gegenüber dem „destruktiven Liberalismus" vertreten. Der Konservatismus hat stets als geschworener Feind des industriellen Kapitalismus sich bekannt und betätigt. Er hat alles getan, was in seinen Kräften stand, um die Entwicklung dieser wirtschaftlichen und politischen Macht zu verhindern oder zu erschweren. Als Partei feudalistischer Anschauungen und Tendenzen, als Partei desagrarischenGroßbetriebes haben die Konservativen gar keine Interessen mit dem Großindustrialismus gemein. Wir haben früher manche konservative Stimmen vernommen, die verkündeten, die Arbeiterbewegung sei die notwendige Re - aktion auf den Kapitalismus, die durchaus gebotene Verteidigung der Arbeiter gegen das kapita - listische System (Rodbertus, Huber, Wagener, Rudolf Meyer u. a.). Unter diesem Gesichtspunkt haben die Konser - vativen im Jahre 1869 im Norddeutschen Reichstag auch der gesetzlichen Anerkennung des Koalitionsrechts der Arbeiter zuge- stimmt. Sie erhofften von der Ausübung dieses Rechts eine Schwächung des Deutschland als Agrarstaat überwindenden Großindustrialismus. Und deshalb haben sie d a m a l s auch die Streiks sehr viel ruhiger und objektiver beurteilt als die Liberalen. Das ist lange her. Längst wetteifern die Junker, die Agrarier, die Männer des „konservativen Prinzips" mit dem Schlotjunkertum im Kampfe gegen das Koalitionsrecht der Ar - beiter und die Arbeiterorganisationen. Weshalb? Sie selbst sind ja immer noch ausreichend geschützt gegen die An - wendung dieses Rechts, gegen Streiks und Streiflwstenstehen, gegen Streikterrorismus. Wohl hat im Anfänge seiner Re - gierung der Mann, als dessen „Triarier" sie sich rühmen, Wil - helm II., in einem Erlaß (4. Februar 1890) erklärt, es sei Aufgabe der Staatsgewalt, daß der Anspruch bet Arbeiter auf gesetzliche Gleichberechtigung ge - achtet und gesichert werde, — aber bis heute gibt es für die Ar - beiterderLandwirtschaftkeinKoalitionsrecht, lein Streikrecht. Was geht die Interessen der agrarischen Grohkapitalisten dieses Recht, der „Schutz Der Arbeitswilligen", das Streikpostenstehen usw. an? Solidaritätsgefühl, gemein - sames Interesse ist es wirklich nicht, was sie in Bekämpfung des Koalitionsrechts der Arbeiter zu Bundesgenossen des industriellen Unternehmertums gemacht hat. O nein, die Junker und Junker- trabanten verfolgen dabei ganz andere Zwecke als letzteres, das lediglich sein ArbeitsherrentumSrechl, seine wirtschaftliche Autori - tät geltend macht. Der Konservatismus will auch nur ganz nebenbei dem kleingewerblichen, dem zünftlerischen Unternehmer - tum Rechnung tragen aus rein parteipolitischen Gründen. Was er treffen will, das ist nicht das Streikrechl, nicht das Streik- posteiistehen, nicht der „sozialdemokratische Terrorismus". DaS alles ist ihm nur V o r w a n d, hinter welchem die Tendenz steht, jedeAusgestaltungdergesetzlichenGleichberech- ligungaufpolitischemundwirtschaftlichem Ge - biete zu verhindern, bezw. diese Ausgestaltung rückgängig zu machen, soweit sie besteht, das ganze Staats - und Wirtschaftsleben rückwärts zu „reformiere n". Die Junkerpartei fürchtet die Sozial - demokratie und die freie selbständige Arbeiterbewegung als die Macht, Die Dieser TenDenz erfolgreich zu begegnen vermag. Und Deshalb bekennt sie sich zu jedem Mittel, Das „geeignet er« scheint", diese Macht zu unterdrücken. Sie weiß, daß im Zuge oer ^ciheitlichcn Entwicklung im großen Emanzipationskampf Der Arbeiter Gewicht sich an Gewicht hängen muß, uno deshalb sollen die Arbeiter kein Gewicht, D. h. keine Rechte haben! Das ist Die Quintessenz Der Erwägungen, welckc Die Konser - vativen in ihren Bestrebungen nach neuen Ausnahmegesetzen leiten. Und es ist wirklich ein Treppenwitz der Weltgeschichte, daß sie da „ein Herz und eine Seele" sind mit dem anliagrarischen Großkapitalismus! Der neue Kalkankrieg. Was ist Wahrheit? Zwei Depeschen aus Berlin, 6. Juli, kennzeichnen am besten die »Zuverlässigkeit' der Balkan-Bcrichtersialtuug. Sie lauten: Ter KöniglichSerbischen Gesandtschaft isi folgende amtliche Miüeilung zugegangen: Tie über große bulgarische Erfolge verbreiteten Gerüchte sind falsch. Es ist nicht richtig, daß die bulgarischen Truppen Fortschritte machen. Sie sind vielmehr über den Fluß Bregaluitza zurückgedrängt. Jsiip war von Anfang an in bulgarischen Händen und besindet sich jenseits der beiderseitigen Temarkationslinie. Ten Crt_ ©jetogeii hatten die Bulgaren durch lleberrumpelung genommen, sind jedoch bereits daraus Bcitricbqi worden. Tie Timok-Tivisiou zweiten Aufgebots befindet sich aut der linke» Seile des Wardar und der Bregaluitza. Bei Egri Palanka haben lediglich größere Vorpostengefechte stattgesunden. Die hiesige Königlich Bulgarische Gesandtschaft teilt mit: TaS bulgarische Hauptquartier dementiert die serbische Meldung über den angeblichen serbischen Sieg bei Kotschani über die siebte bulgarische Tivision. Die Serben haben gestern unweit Kotschani die mazedonische Freiwilligenlegion heftig angegriffen, ivelchc diesen Angriff energisch abgeschlagen hat. Zu derselben Zeit hat die siebte bulgarische Division die Serben von der Front an - gegriffen und gezwungen, sich zurückzuziehen. Tie verspätete Kriegserklärung. Ter serbische Geschäftsträger in Sofia verständigte die bulgarische Negierung mittels einer Note davon, daß infolge des tückischen Uebcrfalls der bulgarischen Armee vom 30. Juni und weiterer Uebersälle es vollkommen erwiesen ericheint, daß die bulgarische Regierung, von unbegreiflichem Hasse und Feindseligkeit geleitet, den Krieg gegen Serbien ohne Kriegserklärung eröffnet und hiermit den Bund und das FreundschastsbündttiS zerrissen hat. Von beute an betrachtet daher die serbische Regierung alle Beziehungen mit Bul - garien als abgebrochen und tust ihren Gesandten ab. — Davon wurde' auch der bulgarische Gesandte Toschew verständigt. Tie bulgarischen Gesandten in Belgrad und C c i t i n j e find abberufen worden. Der Schutz der bulgarischen Untertanen und die bulgarischen Interessen in Serbien und Montenegro sind Rußland anverlraul worden. Die Sobrattje ist sür morgen ein« berufen. Bulgarische Meldungen. Auf dem T i m o k p l a t c a u besiegten bulgarische Truppen beim Vorrücken am Sounabeud die zweite serbische Kolonne, die von Kniazewatz auf Belogradschik marschierte, vollständig. Fünf Kanonen, zwei Mitrailleusen, 100 Traitsportwagen und eine Menge Munition wurden von de» Bulgare» erbeutet. Am Sonnabend unternahmen aus dem mazedonischen Kriegsschauplatz Cie Serben mit beträchtliche» Streitkräften zwei Angriffe in der Richtung südöstlich von I st i v. Tie bulgarischen Truppen haben einen Gegenangriff unternommen tinb die Serben mit empfindlichen Verlusten zuruckgeschlageu. 22 kleinere serbische Abteilungen stiegen am Sonnabend vom Berge Golemorh in das Tori Gorno Tlamino im Bezirk Boßlegrad hinab, plünderten dieses und führten zahlreiche Mädchen und Frauen ins Gebirge fort. Tie zwischen Egri Palanca, Krotowo und Kumanowo operierende serbische V! o r a w o d i v i s i o n findet' sich durch einen Angriff des Generals Toschew umgangen und hat schwere Verluste erlitten. Wie die Wiener »Militärische Nitnoschau" meldet, soll eS der 14000 Mann starken, vermutlich von Egripolanka vorgeschickle» bul - garisches. Kolonne gelungen sein, bis Wronja vorzudringen, sie soll jetzt die serbische Rllckzugslinie bedrohen. Ter Spezialkorrespondent der „ReichSpost" in Sofia meldet: In der Schlacht an der Bregolnitza wurde» bei dem siegreichen Gegenangriff der bulgarischen Artnee südlich von DeSlinivi das dritte, das vierte und das elfte serbische Regiment vollständig aufgerieben Von den 15 OoO Man» der Timokdivisio», die den westlichen Flügel der Serben bildete und durch Einklammerung vollständig zerdrückt wurde, blieben nur 4000 Mann am Leben. Aoi» Westen und Osten durch Umgehung bedroht, trat die serbische Armee de» Rückzug an. Tie serbische Armee ist in Gefahr, im unteren Morawotal abgc= schnitten zu werden. Tic serbische Tarstclluug. Tie bulgarischen Versuche, die Grenze bei Pirot zu Überschreiten, sind mißglückt. Am Sonntag haben Bulgaren versucht, bei Obre- n o v a t s ch die Grenze zu überschreiten, sie wurden jedoch zurück- geschlagen. Nach ofsizüllen Meldungen ist fflrib o las von d en Serben zurückcrobert worden. Tas serbische Preßl'ureau berichtet ferner unterm 7. Juli: Unsere Trupp,» besetzten die Stadt K o t j ch a u a und das ganze Gebiet dis zum Bregalnitzaflusse, wo sie einen Kamps z» bestehen hatten mit den Resten des rechten bulgarischen Flügels, der auf den stark befestigte» Stellungen vor der Stadt den Rückzug der vorher geschlagene» siebten (Rilo) und vierten (Preslawl Division deckte. Unter Zurücklassung von Gewehre» imd Mnnilio» wurde der Feind nach erbittertem Kample ge - schlagen: er ging, von unseren Truppen verfolgt, in der Richtung Zarewo- Sclo zurück. Alle bulgarischen Melditiigeu über angebliche Grenzverletzungen unserer Truppen werden in der augenscheinlichen Absicht in die Welt gesandt, ihre Angriffe auf unser Gebiet zu verschleiern. Tie Bulgaren haben unsere Grenze an zwei Punkten angegriffen, bet St. Nicolas mit drei Regimentern Artillerie itiid bei Kadi BogaS mit zwei Regi - mentern und sechs Batterien. Beide Angriffe wurden von uns zurück- geidjlagen. Tie Behauptung, unsere Truppen hätten bei Egri Palanca bulgarisches Gebiet überschritten, ist unbegriinbet. Unsere Truppen sind an dieser Stelle von den Bulgaren angegriffen worden, warfen sie aber zurück. Griechische Worte und Taten. Tas g r i e ch i s ch e tt r i e g s m i n i st e r i u »i teilt mit: Während eines Treffens in der Nähe von Sarighiol mußte eine griechische Compagnie sich von einem Sturmangriff auf bulgarische Verschanzungen zurückziehen und einen Uitterleiitnant und einige Soldaten verwundet zurücklassen. Als bei einem ziveite» Angriff die Verschanzungen gc- nomriten wurden, sahen die Griechen mit Schrecken, daß der Seutriant erschlagen und die Soldaten erwürgt und ihnen die Augen ausgestochen worden wareti. Tie griechischen Truppen haben am Sonnabend abend Toirane besetzt. 150 bulgarische Soldaten sind in deut bulgarischen RthoSkloster Zographos iiiigeschloffen und gefangen genommen worden. Die griechische Regierung hat die Blockade üb_cr bie hrazische Küste zwischen Enos und der Strhmon iStruma)- Mündnng, diese einbegriffen, (vom 26. Grad 5' bis 23. Grad 53' öst - licher Länge Greenwich) auf fünf Meilen seeeinwärls angeordnet. Neutralen Schiffen, die sich in blockierten Häsen befinden, ist freie Ab - fahrt innerhalb 2i Stiinden bewilligt. Ferner hat die griechische Re - gierung den Kriegszustand erklärt Neutrale Schiffe, die nach den bulgarischen Häsen im Schwarzen Meere bestimmt sind, werden der Turchsuchung wegen Kriegskontrebande unterworfen. Gerechtigkeit. Eine weltliche Legende. Von Ernst Heilborn. (Fortsetzung.) Diesem Geständnis des Täters war die Bemerkung angefügt, daß dem allem wohl nur bedingt Glauben öeizumessen sei. Es sei unwahrscheinlich, daß der überaus schwächliche, lungen- kranke junge Mann allein und ohne Mordweriszeug imstande ge - wesen sei, drei Menschen vom Leben zum Tode zu bringen; allem Anschein nach habe er Komplicen gehabt. Es sei auffällig, daß man auf der doch immerhin belebten Straße von den Vorgängen im Lädeninnerii nichts vernommen habe; nicht unmöglich, daß sich der ganze Vorgang zu späterer Stunde zugetragen habe. Auch lege die Polizei Gewicht darauf, daß sich das Werkzeug, dessen sich der Täter bedient und das er auf dem Arbeitstisch des Juweliers eufgegriffen haben wollte, weder an der Mordstätte noch anderswo gefunden habe. Ter alte Krölke hatte den Bericht mehrmals gelesen, nun lag das Zeitungsblatt sorgfältig geglättet auf dem Tisch, er selbst saß da und rieb sich die spitzen Knie mit den Händen. Er war mit dem Fortgang, den die Sache nahm, soweit nicht unzufrieden, nur der Zusatz, den die Zeitung dem Geständnis an - gefügt hatte, verdroß ihn. Wozu der Zweifel? Er konnte sich den Vorgang so, wie ihn der Junge geschildert batte, sehr gut vor- stellen. Entweder beruhte das Geständnis auf Wahrheit, und dann war nicht in Abrede zu stellen, daß sich der Bleichsratz forsch genug benommen hatte. Weiß Gott, er hätte ihm das nicht zugetraut. Oder aber, der Junge hatte die Geschichte erfunden, und bann war es klug gitredugclegt., Bon Mord konnte danach nicht die Rede sein. Auf diese Weise wanderte er höchstens einige Jahre ins Zuchthaus, da weder Absicht noch Ucbcrlcgung nachzuweisen waren. Und wahrhaftig, ein paar Jahre auf hölzerner Pritsche gönnte er ihm. Er mochte die Sache drehen und wenden, wie er wollte, zum ersten Mal in seinem Leben imponierte ber Bankert ihm. Dabei setzte er seine verschmitzteste ^Miene ans. Soviel stanb fest: Ein - nahmen, wie in den letzten Tagen hatte seine Kantine noch nie - mals anfzuwetsen gehabt. Natürlich wollten alle hören, was er, der Vater, dazu sagte. Nicht der geringste Verdacht tvar aus ihn selbst gefallen. Was er sich auch schön hätte verbitten wollen. Er nahm das Geständnis wieder vor und lac- es wieder. Bei der Schilderung des Würgekampses mit der Tochter zuckte er dies - mal zusammen. Als griffe etwas nach feiner eigenen Kehle Als wäre er, des Zusammenlebens mit diesem Auswurf überhoben, einer bösen Gefahr entronnen .... Noch manchen Abend faß der Alte bei seiner Zeitung, nach Nachrichten ausspähend, wie der Geier nach Beute. Er fand nur wenig. Was war heutzutage imstande, die allgemeine Aufmerk - samkeit dauernd zu fesseln? Es war ein Jammer. Auch in der Kantine wurde ihm das Bier längst wieder schal. Eines Abends aber — es war darüber Herbst geworden und der Wind pfiff über die toten Rübenfelder — wurde ihm doch eine Genugtuung zu teil. Es stand da groß und deutlich in seinem Blatte zu lesen, daß es den aufopfernden Bemühungen der Aerzte gelungen fei, den Mörder des Juweliers Hase soweit herzustellen, daß er den Geschworenen vorgeführt werden könne. Schließlich war das die Hauptsache und das, worauf cs ankam. Zur Schwurgerichtssitzung war der alte Krölke als Zeuge ge - laden worden. Aufgerufen, trat er mit gutem Anstand vor. „Sie sind ber Vater des Angeklagten?" fragte der Präsident. „Der werd ich wohl nicht sein." „Was wollen Sie damit sagen?" „Daß feine Mutter so eine war." „Was für eine?" „Die's mit den Männern hat." Es war, als folget auf diese brutalen Worte eine Stille. Und durch die Still: röchelte es, kaum hörbar, doch durchdringend —: „Mutter!" Einen Augenblick war der Angeklagte mit vorgestrecklen Armen aufgeschnellt, um ebenso rasch auf die Brüstung der geschlossenen Bank wieder zurückzufallen. Ter Präsident verbat sich derartige Zwischenrufe des Ange - klagten, als der Würde des Gerichtshofes zutvider, und wandte fick von neuem an den Zeugen. „Versteh' icki Sic recht, so bezichtigen Sie Ihre verstorbene Frau hier öffentlich des Ehebruchs. Haven Sie Beweise dafür?" „Da brauchte man nur aus dem Hause heraus und sehen, wie sie den Mäiinern Äugen machte." „Das ist an sich noch kein Beweis für Untreue." „An Leuten, die sie gegen mich in Schuh nahmen, fehlte es der nie. Man weiß ja warum." Der Präsident zuckte die Achseln. Und zum Angeklagten: „Haben Sie etwas dazu zu bemerken?" „Mutter — Mutter mar immer gut. Und geschlagen hat er sie uiib mißhandelt, und ich Hab s mit ansehen müssen.' Und als käme diese arme gebrochene Stimme aus iveiter Ferne: „War Mutter am Leben geblieben —" „Was wäre bann gewesen?" fragte bet Prcisibent. Aber ber Angeklagte war wieder ganz in iiai jutammen gesunken, vielleicht hörte er überhaupt nicht mehr, was gesagt wurde. Sta.t seiner antwortete der Verteidiger: „Der Angeklagte will wohl sagen, daß es mit ihm nicht so weit gekommen wäre, wenn feine Mutter noch lebte. Icki selbst möchte dem hinzu^ügen, daß ich Nachforschungen angestellt habe und mir von allen Seiten bestätigt wurde: Schuld an dem zerrütteten Familienleben habe die Frau sicherlich nicht getragen. Sic sei gut und brav gewesen, von ihrem Mann aber dauernd verdächtigt, aufs schwerste miß - handelt und um ihr bißchen Gesundheit gebracht worden." „Nun, im Grunde geht das uns hier wenig an," sagte der Präsident. Und wieder zum Zeugen: „Erzählen Sie uns einmal au8 der Kindheit des Angeklagten." Der alte Krölke kratzte sich in den wenigen grauen Haaren, die seinen blanken Schädel umkränzten: „Ter war immer, wie er sv ist- Ter stahl schon als Bengel das Brot aus dem Schranke. Und da war kein wahres Wort aus ihm herauszubringen. Lernen möcht er nie was. Ich hab ihn trotzdem aufs Technikum geschickt. Meint', es könnt doch twch was aus ihm werden. Ja, fang du den Fuchs am Schwänze! Hinter den Mädchen war er her, lind da war ihm keine zu schlecht, und die sauer zufammengebrachten Groschen hat er vertrödelt.", „Das war, als Ihre Frau noch lebte?" „War damals schon tot.' „Und nun sagen Sie uns etwas über die Krankheit des Ange - klagten. Er hat hier angegeben, mehrmals einen Blutsturz gehabt und zwischendurch beständig Blut gehustet zu haben. Verhält sich das so?" „War gleich ein Elend mit dein Wurm, wie's nur zur Welt kam. Wie ich ihn das erstemal sah, sagte ich zu meiner Frau: dem wollen wir nur gleich das Brett über die Wiege nageln." Ter Verteidiger erbat sich das Wort zu einer Frage an den Zeugen. „Hier in meinen Akten steht, daß der Angeklagte zuerst als dreijähriges Kind einen Blutsturz gehabt haben soll, und zwar infolge väterlicher Mißhandlung. Bei einer früheren Vernehmung — der Angeklagte ist ja leider vielfach Borbeiträft soll festgestellt worden sein, Sie hätten das Kind einmal geschlagen und mit Füßen getreten, und gleich danach sei die Krankheit zum Ausbruch gekommen. Wissen Sie sich darauf zu besinnen?" „Weiß ich nicht mehr." »Wie? Sie nahmen das wohl nicht sonderlich schwer?" „Bricht leicht einer Blut. Ich hab meinen Abschied beim Militär auch nehmen müssen, weil ich s mit dem Blut gehabt „Das ist ja interessant zu hören," sagte der Verteidiger. „Trotzdem Sie dasselbe Leiden hatten, das den Angeklagten von Kind auf in seiner normalen Entwicklung gehemmt hat, glaubten Sie doch annehmen- zu dürfen, der Angeklagte sei nicht Ihr Sohn? Meine Herren Geschworenen, ich Bitte Sie, bas zu beachten. Ich werde später in meiner Verteidigung auf diesen Punkt zurückgreifen." Ter Präsident nahm tvieder das Wort: „Der Angeklagte ist mehrmals wegen Diebstahls, einmal wegen Einbruchs vorbestraft. Er behauptet, nahezu alles Geld, das er auf diese Weise an sich brachte, an Sie abgegeben zu haben. Verhält sich das so?" „Wie soll ; c6 das wiffen?" „Sie müssen sich doch bewußt sein, von Zeit zu Zeit Geld von dem Angeklagten erhalten zu haben!" „Er hat wohl manchmal etwas zu seinem Unterhalt beige- tragen." „Sic wußten, daß er nicht arbeitete, nicht arbeiten konnte. Haben Sie sich nie über die Herkunft des Geldes beunruhigt?" „Er sagte, er fände Gelegenheitsarbeit." „Das stimmt mit der Aussage des Angeklagten allerdings überein. Trotzdem, meine ich, hätte es Ihnen auffallen müssen, es hätte nahegelegen, ihn ernstlich zu befragen —" „War ja kein wahres Wort aus ihm herauszubringen." „Sie haben sich also nie gewundert, daß ein offenbar Arbeits - unfähiger imstande war, Geld herbeizuschaffen?" „Gewundert hab' ich mich, daß er mir noch immer auf der Tasche lag." „Gut, ich will auch das einmal gelten lassen. Wie kam es aber, frag’ ich bann, daß Sie für die Unterhaltungskosten des An- geklagten aufkamen, trotzdem Sie doch Ihren eigenen Worten zu - folge der Ueberzeugung lebten, er fei nicht Ihr Sohn? Aus Menschenfreundlichkeit k Tavon haben Sie sonst nicht allzuviel Proben gegeben. Oder lohnte es sich doch etwa — infolge der Gelegenheitsverdienste des Angeklagten?" „Ich ließ es so gehen, wie s ging." Ter Präsident hatte seine Notizen gemacht. „Hat der Herr Slaatsainvalt noch eine Frage an den Zeugen?" Ter Staatsanwalt erhob sich und verneinte. „Nach den Aus - sagen des Angeklagten scheint hier ein Verdacht der Mittäterschatt oder des EinverstäiadnifseS nicht begrünbet zu sein. Ich habt mir aiißerbem über den Zeugen bei der zuständige» Polizeibehörde Auskunft eingeholt, und die ist durchaus znsriedenstellend auS gefallen Tei Zeuge soll sogar mehrfach (Gelegenheit gefunden haben, sein rechtliches Empfinden durch die Tat zu bewe-seu." „Dann ist ber Zeuge entlassen ' Seht erhobenen Haupte-, unb den Schritten trat der alle Krölke tu Blick fiel auf den Angeklagten. ;i"i Mann, der das alles vorattsgesehw hindern aber nicht imstande gciccfci nit feinen behag! irf) jdilcnfern-. it den Schranken znritck. Sein« er zuckte die Achseln, wie cir und voransgeiagt, es zu rei