Nr. 169 Dienstag, den 22. Juli 1918 Jahrgang Hamburger Echo Beraniwonlicher Redakteur: Karl Petersson in f>nniburfl. Ta* ,Hnmburfter en Charafter der vollen Unparteilich - keit und Zuverlässigkeit geben. Die Regierungen sollten Den Bemühungen auf Herbeiführung internationaler Verständi - gungen Impuls und Richtung geben. Dieses Programm fand die Zustimmung von 47 Staaten durch die Ratifizierung der Konvention. Das Institut wurde im Jahre 1908 perfekt. Dem Permanenten Komitee, in welchem jeder Staat durch einen ständigen Delegierten vertreten ist, ist die Exekutive übertragen. Unter feiner Aufsicht und direkten Lei - tung, aber nach den Weisungen der Generalversammlung wird die materielle Arbeit geleistet. Die Unterhaltung des Instituts geschieht durch Beiträge der beigetretenen Staaten. Es sind fünf Gruppen gebildet. Jeder Staat wählt selbst die Gruppe, der er beitreten will; nach dieser richtet sich sowohl sein Stimmverhältnis im Institut wie seine Beitragspflicht, wobei jedoch die Beitrags - pflicht in einem stärkeren Verhältnis steigt als die Stimmen - zahl. Ueber die Entwicklung und Tätigkeit des Instituts hat man bis jetzt in Deutschland nicht viel erfahren. Diesem Mangel hilft ein von dem deutschen Delegierten beim Institut Geheimen Oberregierungsrat Dr. M u c 11 e r in Rom erstatteter und dem Reichstage unterbreiteter Bericht ab. Es ist daraus zu ersehen, daß das Institut seine Organi - sation wesentlich ausgestaltet hat und daß feine wichtigste Ar - beit bisher auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Produktions st atistik geleistet wurde und weiter geleistet werden soll. Das Ziel ist: die Schaffung einer einheit - lichen Weltproduktions st atistik. Der Bericht be - merkt dazu: „ES bestehen eine große Zahl regelmäßiger Veröftentlichungen, welche sich mit Schätzungen der künftigen Ernten beschäftigen; sie spitzen sich zum Teil auf amtliche und halbamtliche Taten, sie schöpfen aber vorwiegend aus privaten und nicht kontrollierbaren Quellen. Diese Nachrichten sind unvoll - kommen, nicht selten tendenziös und bergen die Gefahr in sich, S o n d e r i n t e r e f s e n zu dienen, welche dem Gesamt - interesse der Landwirtschaft zuwiderlaufen." Der Herr Berichterstatter hätte nur gleich ganz offen und direkt schreiben sollen, daß es hauptsächlich bie Agrarier und ihre Soldschreiber sind, welche Die Statistik fälschen, um die Behauptungen von der „Berechtigung" ihrer wirtschafts - politischen Bestrebungen zu stützen. Eine weitere wichtige Arbeit zur Ergänzung der vor - genannten war die Aufstellung einer Art von Inventar der ErgebnissederAgrar-,Handels-undKonsums- st a t i st i k für alle Länder. Dieses sollte sich erstrecken : 1. auf die Zusammenstellung einer vergleichenden Statistik der Anbauflächen, der Ernteergebnisse und der Tierproduktion; 2. auf die Ausarbeitung einer vergleichenden Statistik über die Einfuhr und Ausfuhr und den internationalen Verkehr mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen; 8. auf die Feststellung der Vorräte «Stocks:, des Verbrauchs und der Verwertung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. In Angriff genommen ist die h a nd e l s st a t i st i s ch e In - formationsdienst (Verhältnis Des HanDels, die Verfolgung her Ein- unD Ausfuhr, die Feststellung der Vorräte, Der „fchwim- meitDen Ware" unD der Preise). Das Ziel ist auch hier die internationale Vereinheitlichung Der Statistik. Hinzu kommt Der agrarwissenschaftliche und technische sowie der agrarökonomische Informations - dienst. Letzterer umfaßt: l.Arbeitslöhneundagrar- sozialeundagrarökonomischeOrganisationen. Es ist zu bedauern, daß das ftänDige Komitee der Anregung einer Gruppe von Delegierten nicht gefolgt ist, Daß das In - stitut sich nicht nur mit der einfachen Wiedergabe der Lohn- statistik aus den verschiedenen Ländern zu begnügen habe, sondern auch alle mit den sonstigen ökonomischen und sozialen Verhältnissen Der SanDarbeiter zusammenhängeuDen Fragen, als Naturalbezüge, Familienverhältnisse, Lebenshaltung, Ein- und Auswanderung usw. behandeln und Darüber periodische Mitteilungen veröffentlichen solle. Der deutsche Delegierte bezeichnet Das Institut als „eine der größten internationalen Vereinigungen, eine gemeinsame Unternehmung, an der jetzt schon über 50 3taaien — man kaun jagen Die gejamte ümtunueU — be - teiligt ist, ein Institut ganz neuen und eigenartigen Charakters, in dem sich diplomatische, wissenschaftliche, wirtschaftliche und technische Funktionen vereinigt haben zur Förderung gemein - samer Interessen der Welt-LanDwirtschaft". Er meint, „daß es doch internationale staatliche Aktionen bisher allein gewesen waren, welche wissenschaftlicher oder praktischer Initiative auf wichtigen Gebieten zum Leben verhalfen hatten". Diese Auffassung beoarf einer Berichtigung. So weit von einer internationalen staatlichen Aktion auf den für sie in Betracht kommenden Gebieten bis jetzt die Rede sein kann, ist sie immer erst dann erfolgt, nachdem die frei tätigen Kräfte auf sie hingewirkt hatten. Es hat z. B. erst des jahr - zehntelangen Ringens der durch Interesse und Anschauung international verbundenen Arbeiterschaft — Der von reaktionären Staatsgewalten und den herrschenden Klassen und Parteien so bitter gehaßten und rücksichtslos ver - unglimpften und verfolgten roten Internationale — bedurft, um europäische Staaten dahin zu bringen, daß sie Die ersten schwachen Anfänge zu einer von der Arbeiterklasse aller Länder geforderten internationalen Arbeiterschutz- gefetzgebung machten. Die freie Initiative hat sowohl auf wissenschaftlichem und technischem, wie auf wirt- fchaftspolitischem und sozialpolitischem Gebiete dem Gedanken der internationalen Solidarität unD des internationalen prak - tischen Wirkens zum Leben verhalfen, Dem Der Staat auf die Dauer sich nicht entziehen kann. Von besonderem Interesse ist noch, daß der Berichterstatter konstatiert, der leitende Gedanke im Programm des Königs von Italien sei gewesen: „Zusammenfassung Der j c r - splitterten Kräfteder ländlichen Bevölkerung der gesamten 2ßelt zur Verteidigung ihrer Interessen auf dem internationalen Markt behufs Erlangung einer gerechten Preisbil - dung Der landwirtschaftlichen Produkte." Dr. Mueller spricht auch von dem Optimismus, der sich, offenbar im Zusammenhänge mit diesem Gedanken, oci SrüuDung des Instituts hinDgab: „Ter Optimismus begründete sich auf die Idee, in dem In - stitut eine Art WeltsyndikatderLandwirte zur gemein samcn Verteidigung und Förderung ihrer Interessen zu schaffen, eine Idee, die, selbst wenn man ihre Verwirklichung für möglich hätte halten wollen, von dem Augenblick an fallen muhte, als fest- stand, daß das Institut ein solches der Staaten und Negie - rungen fein sollte. Vielleicht wird der Zusammen- schlnß der Landwirte der Welt oder doch der Landwiiw eines großen Teiles der Welt, in welchem eine gewisse Gleichartig - keit der Interessen gegeben ist, eines Tages sich doch noch verwirklichen. Zur Zeit der Begründung des Instituts war die Idee verftüht und unvorbereitet." Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Agrarier aller Länder dieses Zusammenschluß ersehnen und erstreben. Der Deutsche Delegierte läßt ihnen die Hoffnung darauf, daß das internationale LanDwirtschaftsinstitut in Rom die Grundlage abgibt für ein Weltsyndikat der Landwirte. Im agrarischen Sinne würde das ein Syndikat sein zur gleich- mäßigen Auswucherungder Völker durch Das '?rca;c Grundherrentum. Der nenr tiallmnluirg. Friedenoaussichten. Tie Antwort Griechenlands, Serbiens und Montenegros auf den russischen Vorschlag, die Feindselig leiten einzustellen, enthält die Annahme des Vorschlags, in direkte Verhandlungen zum Abschlusse des Friedens einzutrcken. Bul - garien möge seine Delegierten entsenden. In demselben Augen - blick, in dem der Präliminarfriede unterzeichnet wird, werde der Waffenstillstand abgeschlossen. Die verbündeten Negierungen könnten jedoch keinen Waffen st i I l st and schließen, bevor Bulgarien die Bedingungen des Präliminar - friedens angenommen habe. Am Sonntag abend sind die bulgarischen Friedensdelegicricn, die (Gene - rale Paprikow und Jwantschiew, in Nisch eingclroffen, um mit den Delegierten sämtlicher Verbündeten unverzüglich in direkte Friedensverbandlungcn cinzutrcten. Am Sonntag abend sandte die bulgarische Regie - rung ein direktes Telegramm an den rumänischen Ministerpräsidenten Majorcsen, in dem der Hin - zuziehung eines rumänischen Delegierten zu den FriedenSver- handlungen zugestimmt wird. Ta somit alle rumänischen Forde - rungen erfüllt erscheinen, erwartet man die sofortige Einstellung des Vorrückens der Rumänen. Der Vertreter des Wiener K. K. Tetegr.-Korr. -Bureaus er - fährt, daß die bulgarische Regierung durch Vermittlung des ita - lienischen Gesandten der rumänischen Regierung mitgeteilt habe, Bulgarien sei bereit, das Gebiet bis Turtukhai- Dobritsch-Baltschik abzutreten, wenn Rumänien fein Heer zurückziehe. Die rumänische Regierung habe geantwortet, daß sie auf Einzelabmachungen nicht eingehe, und daß der Feie- densschluß mit allen Kriegführenden zusammen erfolgen müsse. Tas rumänische Kriegsministerium veröffentlicht mit Rück - sicht auf die Blättermeldungen über die Besetzung von Rustschuk, Widdin, Varna ein Communiquö, in dem erklärt wird, es sei mög lieh, daß im Interesse der Durchführung der Mission der rumä - nischen Armee die Truppen Rekognoszierungen nach den ver - schiedenen Richtungen unternommen haben. Indeß bedeute das nicht -eine Besetzung der genannten Oertlichkeiten. Der Vormarsch der Türken. Die türkische Regierung hat der Armee befohlen, Thra - zien und Adrianopel zu besetzen. Zwei Divisionen türkischer Kavallerie und eine Division türkischer Infanterie sind in Kulelü Burgas angekommen. General Velcheff, der Kom - mandant der bulgarischen Streitkräfte in Adrianopel, rüstet sich zur Verteidigung Adrianopels. Die „Times" melden aus Sofia untet dem 20. Juli: Tic Türken sind nach kurzem Kampfe gegen eine kleine bulgarische Verteidigungsabteilung in A d r i a n o p e l c i_n g c r ü rf t. Ir - reguläre Truppen brennen uni) plündern die Stadt und begehen allerhand Grausamkeiten. Andere türkische Truppen rücken in östlicher Richtung votwärts. Die Pforte hat an ihre Botschafter folgende Zirkularnote gc richtet: Trotz des von Bulgarien an den Tag gelegten Eisers, den Präliminarfrieden zu unterzeichnen, weigerte sich Bulgarien, die Gebiete zu räumen, die an die Türkei zurückgelangen muffen. »Schwammerl." Ein Schnbert-Roman von Rud. HanS Bartsch. [8] Wie nun die Schwestern, der Vater und der Bräutigam mit dabei, um den Musiker saßen, der ihnen am Klavier ein neues Lied mit seiner sanften und leisen Baritonstimme anbeutete, da schellte es und zwei Frauen kamen auf Besuch, zwei Basen, beide reich, frohmütig und lebensfrisch und beides Witwen. Da das Lied von unglücklicher Liebe gehandelt hatte, fingen sie gleich gutgelaunt von Liebe, Liebessachen, Glück in der Liebe und Liebesweh zu schwatzen an, beneideten auch sehr den armen Schubert, der doch fortwährend von den schönsten Mädchen und Frauen umgeben und dabei frei, talentvoll, frohmütig und lebenslustig fei. Die eine, Frau Baumeister Reinagl, sagte: „Kurz, also bet Berti ist ber glücklichste Mensch, ben ich je gesehen habe." „Ist ja alles nicht wahr," wibersprach Schubert. „Von allem, was Sie mir Gutes gönnen, hab' ich noch nicht das geringste erlebt." „Oho, fangen wir an," sagte Frau Reinagl, „die Frauen ver - ehren eüe." . „Bloß die schiechen," erklärte Schubert wehmütig. Es ging ein kleiner Tumult los. „Hören S' doch zu," fuhr ber kleine Musiker fort. „Es ist wirklich so. Je sauberer, jüngerer und glücklicher an äußeren Gaben die Mäderln und Frauen sind, desto weniger kapieren'S meine Sachen." Wieder knatterte „grafe Gegnerschaft empor. „Halten's unS denn alle für schiech?" rief Frau Reinagl lachend. „Abgesehen davon," wehrte sich Schubert, „daß das hier das einzige Häuserl in ganz Wien ist, wo man mich sein läßt, wie ich bin — traurig genug, daß es nur eins gibt —, so versteht sich von selbst, baß ich ben Anwesenben nur Angenehmes zu sagen habe. Aber wenn ich Ihnen, wie Sie ba sitzen, meine tiefsinnigeren Sachen verspielen wollt — — — „Spielen's, spielen s, riefen alle. Schubert begann ein schwertrauriges Mollihema. Nach zehn Minuten tupfte ihn bie jüngere bet Witwen, Frau Oberleutnant Ruzki, leise auf die Schulter. „Wissen Sie benn gar nix Lustigeres, .Herr Schubert, für uns halt bloß? Schubert ließ sein Thema lachenb frei, variierte in Dur hin- Über, ging in Walzertakt, unb wahrend alle die bildhübschen Puppengesichtlein um ihn ftdh aufhellten, sagte er, ms Spielen hinein mit dem Kopf nickend: „sehen Die, sehen Sie! Je sauberer, desto weiter von dem weg, was mein bestes We,m ist. Und so gekst's mir alleweil. Nach allen Seiten greifen die schonen Frauen und fDläberln auseinander, alle noch andern Leuten, unb ich steh' allein in bet Mitten unb soll dazu noch Tanzmusik machen. Ja, ja." „Gehn's, kommt benn beim LebenSglück gar so viel auf uns an?" fragte bie eine bet Frauen. Hja. Leiber." „Geh', reb’ nicht so," mischte sich Herr Tfchöll ein. „Du bist in Deinem ganzen Gemüt licht unb voll Vergnügtheit. Du kannst Dich übet alles freuen wie ein junges Hunbetl, alles schmeckt Tir, frei bist Du wie ber Vogel, Deine Freunbe haben Dich gern, lachen tust mehr als alle übrigen zusammen unb über all bas hatt Tu Deine glückliche, mühelose, schwalbenleichte, wunderbare Kunst!" „Ja, meine Kunst," sagte Schubert voll innigem Getröstetfein. „Nun also — bist Du glücklich oder nicht?" „Mein Gott, ich bin jung. Ja, wann ich so alt wär' wie ber Papageno und bann noch so glücklich " „Wer ist ber Papageno ?" „Also ber. ja! Der ist ber einzige ganz unb gar glückliche Mensch, ben ich in meinem Leben gesehen habe. Vogl unb Doktor Schellmann sagen's auch." lind er begann ber fröhlich angeregten Gesellschaft vom alten Abamheinrich Gupf, toeilanb hochfürst - bischöflichem Vogelfänger, zu erzählen. „Den müssen wir sehen," tiefen bie Damen. Da in bent dreißigjährigen Turnus unb Wellengang bet Kunstmeinungen, die noch von jeher jeden Künstler halb ganz zu tiefst verbannten unb dann ganz hoch emporheben, damals Mozan gerade wieder obenauf war, besprochen, viel betrauert unb aufs höchste betounbert würbe, so gewann ber alte Gupf burch bie ge - sprächige AuSträgerei ber zwei munteren Witwen als Original unb licpapagenc halb bie heitere Aufmerksamkeit vieler Kunst- kennet, bie ein kleines Vergnügen mit ihm gerne nebenher gehen lassen mochten. Herr Tschöll, die beiden Witwen, die Schwestern Fröhlich, die Herren von Spaun, von Schönstein unb viele anberc von viel vermöglicheren Mäzenen leiteten eine lustige Sammlung ein, bie ben Betrag von hunbertunbneunzchn Gulden KonventionS- münze ergab, welche Summe für jene Zeit unb ben alten @upr erschrecklich viel war unb bazu bienen sollte, bie Kosten ber Wiener Reise unb eines kurzen Aufenthaltes beS interessanten Manne? zu bestreiten, ber so viel über den jungen Mozart zu klatschen wußte unb seine alten Tage so vergnügt ertrug. Bis aber bie Geschichte vom alten Gupf sich umhergesprochen hatte, war es Weihnacht, Neujahr unb später geworben; ba ent konnte man den Heiterlebigen Graukopf nach Wien rufen. Er antwortete in einem Brief voll GloriagesüHl unb Jubel, wellte aber erst kommen, wenn bie Donau eisfrei wäre. Das geschah nun erst im März. Inzwischen war aber Fasching eingcfalleii und ber ist in Wien so wichtig, baß babon nichts verschwiegen werden darf. Schubert Hatte nämlich seinen Freund Schober in das Dtei- mäderlhaus gebracht unb bas war von Uebel. Tenn für Schubert war Schober ber ewig heitere, abenteuerliche, taufenbfach hilfs - bereite Freunb unb gute Junge, für bie Tfchöllsleute und ihre Mädchen aber der reiche und hübsche Herr Baron. Schober hatte ein offenes Herz, das feinem Freunde Schubert voll entgegenschlug und von dessen Genius schwärmerisch erfüllt war. Er hielt den armen Musikanten frei, wo immer es nottat, gewährte ihm in seiner eigenen Wohnung in den Zeiten des Mangels Cuartier und teilte ben Bissen vor bem Munbe mit ihm. Alles, alles gönnte ihm Schober, nur bei einem Gut ber Erbe schien er zu glauben, baß Schuberlchen nicht baS minbeste Bedürf - nis danach hatte. Hier nahm er dem Freunde unbekümmert unb freimütig weg, waS nur zu rauben war: Tas waren die hübschen Mäbchen. Schubert hatte ba schon einige kleinere unb sehr leicht zu ber« schmerzenbe Erfahrungen gemacht. Dennoch führte er den Freunb im Hause ein. Er fühlte Heiberls leises Hinbrängen zu ihm unb ihre sanften, schüchternen, warmen Micke, unb wagte, wagte kaum, ein wenig in ber Hoffnung zu atmen, baß er bem lieben reinen Kinbe vom Sanbe ein wenig wert sein könne. Da mußte der hoch - feine Probierstein heran, der hübsche, lustige Baron, bevor er seinem mißtrauischen Junggesellenherzen gestattete, schneller zu pochen. . Schober war ein spiegelblank gebügelter Junge, tote ■samt unb Seide. Unter der tadelfreien Lockenfrisur ein bilbhumches, diskrete? Antlitz mit behutsam süß gespitztem Munde, der vor- sichtig schmunzeln, reizend zu plaudern, interessant zu seufzen und ichmelzend zu fingen wußte. Er trat stets zurückhaltend, ge - dämpft und leise auf, bis er wußte, daß alles auf sein Geheimnis gespannt war. Dann aber ließ er ein Sturm- und Dranggenie los, erzählte von seinen Fahrten als Wanderschauspieler, von Sturm und Entbehrung, faulen Aepfeln, Direktoren, die sich selber ihren Hering brieten, und duftenden, erlauchten Billets doux, von Eifersucht und Kollegenneid, Triumph unb Heimweh, Rastlosigkeit unb Ruhesehnsucht, so baß alles int Banne bet einmal frischen, wilden und bann toieber Selben Stimme war. Der nun kam in« Dreimäderlhaus, stutzte zuerst vor Hebbetl, sah ihre klugen, ruhigen Augen, hörte, sie fei Braut, verneigte sich ehrerbietig unb blitzte mit freubigem Erstaunen bie bestürzte Heide an. welche — ohnehin stets im Zustande bescheidener Fassungs - losigkeit, dunkelrot wurde, als man ihr einen Baron vorstellte; ben ersten in ihrem Leben, unb er schaute sie gleich an, wie ben Pfirsich, in ben mau beißen will. Als ber aristokratische Kenner Heide so hinreißend verlegen merkte, kümmerte er sich um bie halbentwickelte Hannerl gar nicht erst, fonbern blieb bei ber Unschuld» vom Sanbe unb war zurück haltend, schüchtern unb naiv wie sie, woraus sie Mut bekam unb enbltch zu schwatzen anfing. Sie hatte von seinen Wanberfahnen gehört und fragte, ob er Krems gesehen habe, das einzige in der Welt, was sie kannte und wovon sie einigermaßen fließend zu sprechen wußte. „Ach ja, das ist die Stadt mit bem Mandl ohne Kopf," sagte er in gleich schüchternem Tone wie sie. „Unb mit bem Schwebenturm," fuhr sie eifriger fort. „Was, bie Schweben waren auch in Krems? fragte er. „Wo wären benn die schrecklichen Menschen nicht hitt- gekommen," schmollte sie. „Freilich; bis ans Dreimäderlhaus," lächelte er langsam. Da fiel ihr ein, daß ja ber interessante Baron Schwebe von Geburt war unb sie wurde wieder rot. „Schreckliche Menschen," sagte et sehr ernst unb betrübt. Da bat ihn Heibe um Verzeihung, wollte ihm bebeuten, baß er gar nicht schrecklich fei unb würbe mitten in ihrem Kompliment abermalen rot, so baß er ihr half unb getröstet unb erleichtert tat, baß er ihr nicht so viel Grauen einjage wie Wrangel unb Torstenson. Worauf ihr ebenfalls ganz leicht zumute warb, selch einen kinblichen Menschen angetroffen zu haben. Einmal zuckte Heibe wohl zusammen, benn sie plaubertc, was sie sonst nie tat, in ber anbädjtigcn Zeit, ba Schubert am Klavier saß. Der aber war so ernst beriunfen unb beichte so offenfunbig gar nicht an Heibe unb nur an seine Musik, bah sie ordentlich ver - letzt war, warum Schubert nicht eifersüchtig wurde. Run plauderte sie erst recht mit Schober, alber ihr kleiner dicker Freund hatte einen heiligen, tiefversunkenen Abend, daß er gar nichts bemerkte. Beim Abendessen saß Schubert neben ihr unb war immer noch in feine liebe Tonwelt verzückt. Da warb nun Heibe wieder bang, er könnte so einsilbig sein, weil er ihre Vertraulichkeit mit Schober notiert habe unb sie bemühte sich erschrocken, bemütig unb liebevoll um ben Verlassenen, in dessen abwesendes Herz ihre cn Uche Milbe mit ber lieblichsten Wärme drang, ihn wieder der Weit zukehrte und froh unb bankbar machte. Es begann benn so ber seltsamste Zustand im Herzen der armen Heibe. Sie glaubte sich heiliglich verpflichtet, bi ■ fühlt Abwehr ber älteren Schwester, bie wegen ber Armut des kleinen Musikers erfolgt war, als ein Unrecht mit ihrer eigenen, fanf.cn Person roieber gutzumachen unb so gut e$ ging zu » 'eit. Schubert aber, ber sich vor ber traulichen Annäherung stets ängst - lich bückte, weil er neue Wunden zu alten Narben fürchtete, schien ihr Mitleid unb ihr schüchternes Werben gar nicht nötig zu dWen. Da sah benn Heibe immer öfter ben Herrn Baron an, de- herzlich ermutigte, mit ihm über alle Kleinigkeiten hrcy s:.ö NähkramlebenS zu reben, wurde au ihm warm unb sah hu ue v wärmer werden, fürchtete sich, fühlte cdiubert traurig berw er - sehen und sich bann gleichsam wund unb roch iv fein Aownbi ' •: verkriechen, bereute sehr unb kam wieder zurück. So war sie mit hrcin schwachen, furchtsam iievevolleck .' ■ selber ein Spie! ihrer Rechtlichkeit und dennoch entstand etwas,