Nr. 34* Ticnstaa. den 10. Februar 1014. 28. Äakraana. $-a3 ,HnnibiirA«r (tdio* erschein! täglid). auSei 'JJtontagfc. «bonnementsprets (Inti. „Tie Neue toelt* und .Tie arbeitende Jugend») durch die Poft bezogen ohne Bringegeld monollich m, 1,20, vierteljährlich x 3.60; durch die Rnlporteure wöchentlich SO 4 Kei in» Hau». Ein,. Nr. 6 4 Sonnlag«-Nummer mit illuftr. Beilage .Tie Neue Welt» 10 4. Rreuzbandlendungen monatlich * 2.70 für da« Ausland monatlich < 4,—. Redaktion: *lft Expedition: Kehlandstrai« ll. t. Stock. jpamVurfl oo Fehlandstraße 11 Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: I. Reitze in Hamburg. ttnzeiaen 6ie stedengeipattene PeluzeUe oder oeren Raum 4o *, -Jltbeitemont, tieruueiu«ga- und Famt.tenanzeigen 20 4. Anzeigeu-Annahme Fehlandftr. 11. Erdgescho» (bis 5 Uhr nachmittag»), m den Filialen, sowie in allen Annoncen-Bureaus. Platz, und Tatenvorlchnsten ohne Verbindlichkeit, Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. Buchhandlung: Erdgeschoß, Buchdruckerei-Konwr: L Stock. Fehlandftr. 11. 0^! < ’ | m Iahte 1906 bie ersten Fahrten mit seinem Luitichiff starren Systems aus ührte. Diesen ersten praktischm Er - gebnissen folgten alSbalb bie Versuche mit den Flugzeugen. Seitdem ist die Entwicklung, allerdings unter schweren Opfern an materiellen Werten unb Menschenleben, überraschend schnell vorwärtS- gegangen. Ans ber Werft des Grafen v. Zeppeliii am Bodensee sino 21, aus ben Werkstätten ber Parsevalgesellichatt, um nur diese beiden größten Unternehmungen zu nennen. 18 Luftschiffe hervor - gegangen. Die Zahl bet Flugzeuge verschiedenster Systeme beläuft sich auf mehrere Hunderte. Zur Etmöglicvuug weiter Fahrten über Land, die bekanntlich unter arberm ichon vom Bobeniee bis nach Hamburg geführt haben, sinb Ausstieg- unb LanbungSpläye mit Hallen für Luftschiffe unb Schuppen für Flugzeuge errichtet worden unb zahlreiche neue berartige Einrichtungen sind geplant. Auch hat man, um Versuche unb Uebungen zu ermöglichen unb zu förbern, Flugplätze angelegt. Ter Entwicklung eimS r e g e I r e ch i e n Luftverkehrs nach Art bei Eisenbahn- und WafferverkehrS sieben allerbingS noch mancherlei technische, wirtschaftliche und in bet Natur liegende Schwierigkeiten entgegen, bereu ll-berwindung jeboch gelingen sann und gelingen wirb. Schon j tzt trägt zur Sicherung der Luftfahrt gegen elementare Ge - fährdung die wissenschaftliche Erfor chmig der Wmd- unb Wetter - verhältnisse durch Lust- unb Wetterwarten bei. Aber freilid) entfianb schon im ersten Stadium der Entwicklung bei Luftverkehrs bie Frage nach beffen gesetzlicher Regelung. Und ganz ohne Zweifel ist diese Regelung zu einem bringenden Bedürfnis geworden. Ter Umstand, baß ber Luftverkehr sich in allen Kulturländern schnell entwickelt hat, macht eS erklärlich, daß schon vor einigen Jahren ber Wunsch rege wurde, ihn, der ja an keine Landesgrenzen gebunden ist, international zu regeln. ES bildete sich eine dieieS Ziel anfirebenbe internationale Bereinigung, die „Federation Aeronantique International“. Sie erreichte, daß im Jahre 1910 Vertreter fast sämtlicher europäischer Staaten in Paris zur Herbei - führung einer internationalen Regelung zusammentraten. Die Ver - handlungen führten jedoch zu keinem abschließenden Ergebnis, wobei ganz ohne Zweifel Gründe militärischer Jnteressenrtvalität mit im Spiele waren. Toch gelang eS, im Jahre 1913 ein Abkommen über den Luftverkehr zwischim Deutschland und Frankreich zustande zu bringen. Nach der bem Entwurf beigegebenen Begründung ist bereits in sämtlichen fiulturitaaien eine nationale Regelung der Liiftiahrt zum Teil schon durchgeführt worden. So Hai England am 2. Juni 1911 ein Notgesetz und ferner am 14. Februar 1913 ein Zuiatzgeietz erlassen, von denen die deutsche ReichSregi rung be - hauptet, daß sie beide allerdings im wesentlichen nur eine Abwehr ber ausländischen Luftfahrzeuge bezwecken. In einem Bundesstaate ber Vereinigten Staaten von Amerika sind Luftsabrtgeietze ergangen, die neben VerkehrSanordmmgen auch eine Regelung ber Hafipsticht enthalten Frankreich hat in einem Dekret vom 21. November 1911 Anordnungen *ür den Lerkehr mit Luftfahrzeugen gerTofiren. Oesterreich tat durch Mmisterialoerordnuugen aus den Jahren 1912 und 1913 Maßnahmen gegen bie G.fährdung ber staat - lich.» unb persönlichen Sicherheit durch Lnftsahr; iige getrogen und bie gewerbsmäßige Ausübung ber Luftfchiffabrt an eine Genehmigung gebunden. In den Niederlanden liegt zurzeit ein Gesetzentwurf über die Regelung deS LuftvertehrS ben Genrralstaaren zur Beschluß - fassung vor. Frankreich beabsichtigt neuerbingS in ein m ben Kammern zur Beratung Porgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Luftfahrt eine einheitliche rechtliche Regelung. TaS deutsche geltende Recht hat zwar mit diesem neu- und eigen - artigen Verkehr nicht rechnen sönnen. Immerhin aber nnden auch einige seiner Bestimmungen auf ihn Anwendung, so zunächst mehrere Paragraphen deS Bürgerlichen Gesetzbuchs. Nach § 905 unterliegt eS keinem Zweifel, baß der Eigentümer eine Einwirkung aur den Lustraum über seinem Grundstück dulden muß, die in solcher Höhe oorqenommen wird, daß er an bet Ausschließung fein Interesse hat. Nach § 904 hat ber Luftfadrer ein Recht ber Notlandung auf fremben Grnnbstücken: er ist jedoch in solchem Falle verpflichtet, ben dem Eigentümer durch die Landung entstehenden Set oben in voller Höhe zu ersetzen. UedrigenS ist na.D §§ 823 unb 831 bet Halter eine« LuttfadrzeugrS erfaevflirtig, mei n ihm persönlich ober ber von ihm zum Betrieb de» Fahrzeuge» bestellten Person ein Verschulden zur Last fällt. Neben der zivilrechtlichen Haftung kommen für den straf - rechtlichen Schutz nach geltendem Recht im besonderen die Vor - schriften deS SitafgesetzduchcS qegen_SbiDurt, Sachbeschädigung, fahr - lässige Körperverletzung und 'ahrlässige Tötung in Betracht. Auch die Interessen der Landesverteidigung' spielen stark in die Frage der jetzt in Angriff genommenen teichsgejetz- lichen Regelung hinein. Nach Ansicht der R gierung werden sie durch da» ReicvSgesetz übet den Betrag militärischer Gcheiuiiiiffe und die ein chlägtgen Bestimmungen beS stta-gesetzbucheS zwar geschützt, aber „nicht hinreichend. Sofern mit Luftfahrzeugen gewerbsmäßige Schau - stellungen oorgenommen werden, treten bie Bestimmungen ber Gewerbeordnung (§§ 33 b unb 55 Nr. 4) in Geltung. Die allgemeine polizeiliche Regelung ber Luftfahrt obliegt zurzeit den einzelnen Bundesstaaten; der Aufsicht und Gesetzgebung deS Reiches unterliegen nur die grwetbepolizeilichen Vorschriften. Von bem Landespolizeirecht ist bisher fein umfassender Gebrauch gemacht worden. Von keiner Seite wird bestritten, daß bie Ausdehnung bet RcichS- gesetzgebung aut bie Regelung bcs Luftverkehrs grunbsätzlich butchauS zu billigen, im Interesse bet durch bie Luftfahrt mit ihren neuartigen unb unter Umftänben sehr schweren Gefahren bebrohlen Allgemeinheit eine unabweisbare Notwendigkeit ist. Zur Verhütung von Schädigungen bedarf e» ber Schaffung von VerkehrSvorschristen unb von Strafvorschristen für bereit Uebert. etung. Unb mit bieten Vorschriften stehen bie Hastpslichtbestimmungen in einem inneren Wechselverhältnis. Was bet Entwurf an derartigen Vorschritteit und Bestimmungen bietet, läßt sich nicht ohne weiteres kritisch ersassen. Dazu sind bie Urteile gewissenhafter Famleute unentbehrlich, und die werden ja wohl alSbalb kommen. Jedenfalls muß bei ber gesetzlichen Regelung schärfsten) im Auge behalten werben, daß ber Schutz bet Allgemeinheit gegen Gefahren bet Hauptzweck deS Gesetzes lein muß. Ter Entwurf soll biete Geiahten auf ein „möglichst geringer Maß' zutücksühten. Er verweist u. a. auch bie Erprobung neuer Konstruktionen unb daS Erlernen bet Führung von Luftfahrzeugen, sofern nicht auS- gebtlbete Führet an Bord sind grundsätzlich aui Flugplätze. Wer aber zum Verkehr außerhalb der Flugplätze zugelassen werden will, soll sich unb sein Fahrzeug strenger Prüfung unterwerfen. Dabei wird von den Luftsahrzeiigeii gemäß deut jeweiligen Staube bet Technik eine größt - mögliche Verkehrssicherheit verlangt, wähtenb an bie moralische, köiper- lidje und technische Geeignetheit des Führer» weitgedmde Anforderungen gestellt werden. Jnsbejoiidere werden bei dieser Regelung deS Luftverkehrs bann erhöhte Aiuprüche erhoben werben können, wenn bie Luftfahrt ge - werblich betrieben aber auSgenützt wirb. Die Entwutfsbegrünbnng aber legt auch einen starken Nachdruck daran', daß tür die Regelung weziell der H a f t p f 1 i ch i eine Form gewählt wird, die der weiteten im Interesse ber Allgemeinheit unb bet Wehrhastmachung Deutschlands liegenoen Entwicklung der Luftfahrt nicht hiiidetltch sind. Insbesondere dieser Punkt bedarf gründlicher kritischer Untersuchung, vor allem, soweit die militärischen Interessen in Betracht kommen. Um dieser Jntereffen willen den Schutz der Allgemeinheit nicht so weit wie möglich zu führen, wurde ein schwerer Fehlet sein. Wit meinen, die dutmauS unzulängliche, weil hinter den berech - tigten Interessen ber Allgemeinheit zurückgebliebene reiebsgesetzltche Regelung des A u t o m o b 11 v e r k e h t s, die we,entlich unter dem Einfluß deS Sportbebürfiissjes ber „besseren unb denen Geiellschaft" zustande gesäumten ist, sollte eine erste Mahnung an den ReiWStag tein, nickt in ähnliche Fehler bet der ihm mmmehr zugewiesenen Rege - lung des LuftvertehrS zu verfallen. Unermartele Wirlrnngen. Seit Jahren wird da? schwedische Volk von gewisienlascn, nur ihrer, eigenen Zwecken dienenden Rüstungsfanatikern be - arbeitet, um es einer bedeutenden Erweiterung des schwedischen Militarrsrnus zu Wasser und zu Land geneigt zu machen, rille Mittel, unb waren sie noch so biereujidtng, wurden angeroenbet, um die Stimmung für weitere militarftchc Rüstungen zu er - wecken, und nachdem dies auch zum Teil gelungen ist, sollte eine große Bauerndemonstration in Stockholm den „Elou' dieser tiandesverhetzung bilden. Aus allen Gegenden des Landos wur - den gegen freie Reise und freie Verpstegung etwa 30 000 Bauern nach der Hauptstadt gelockt, um in geschlagenem Zuge vor dem König vorbeizuzicher.^iind den Willen für wettere militaristische Rüstungen zu bekunden. Wie einst Potemkin der russischen Zarin Katharina Häuser aus Theatcrkulisien vorsühric, um ihr damit zu beweisen, wie gut die russischen Bauern wohnten, so führten hier die schwedischen Rüstungsfanatrker dem König eine ansehn- liehe Schar Bauern vor — .Theaterbauern" nennt sie unser Stock - holmer Parteiorgan —, die angeblich mit Leiv und Seele für mehr Soldaten und mehr Panzerschiffe einzuireten sich ver - pflichtet hatten. Vor etwas mehr als zwei Jahren st i m in t e n dieselben Bauern für weniger Soldaten und weniger Panzerschiffe, weil sie schweren Lasten überdrüssig waren, und damit stürzten sie das konservative Regierungssystem. Und nun haben sie ihre damalige Ueberzeugung für eine freie Reise nach ber Hauptstadt verkauft. Allein man braucht diese Bauerndemonstrationen nicht iragisch zu nehmen und man darf sie nicht überschätzen. Für die meisten war sie sicher weiter nichts, als eine billige Vergnügungsreise, denn nichts lockt die in fernen Einöden hausenden Bauern mehr, als bie Vergnügungen der Großstadt. Und dafür war natür - lich in ausreichendem Maße gesorgt. Nach dem bekannten alten Volkslied: . Ein jeder Bauernbube hat sein Bauernmadel!" waren die Vertreterinnen der Venus vulgivaga möglichst zahl - reich nach Stockholm geeilt, um der patriotischen Festlichkeit die richtige Weihe zu geben, und so fehlten denn auch schon am ersten Abend über 3000 Bauern in den ihnen offiziell angewiesenen Quartieren. Am Freitag sand die Demonstration der schwedischen Dauern statt. Sie zogen an dem König vorbei, und ihr '.Inführer, ein Großgrundbesitzer, sagte in seiner Ansprache an den König: „W t r 30 000 Bauern bitten um erhöhte MilitärauS- gaben und um höhere Steuern z u diesem |U l* 11**« | " "T ' uchung war, bass in ,x g, n , 1ft «unuft 1792 sand ein Ausstand des Pariser Pöbels . , Entlassung der giroiudistischen Minister statt; am 2 Sevtentber ein Massaker politischer Gefangener; am 81. Mai ?7°3 begänn der St..rz ber Girondisten. Der Uebersetzer. Ich weiß nicht, welches Verbrechens man mich beschuldigt. Aber wie Sie zugeben werden, ist Herr Colin zu bedauern. Sem Geist ist so verwirrt, einem Geistlichen einen Vorwurf daraus zu machen, daß er am 10. August, am 2. September und am 31. Mai seinen Bürgersinn nicht bewiesen hat. Wer eines solchen Gedankens fähig ist, verdient Mitleid." „Auch ich habe keinen Bürgerschein," sagte Brotteaux. „Wir sind beide verdächtig. Aber Sie sind müde. Legen Sie sich zur Ruhe, mein Vater. Morgen werden wir für Ihre Sicherheit sorgen." Er gab seinem Gaste die Matratze und behielt den Strohsack für sich. Doch au8 Demut bat der Mönch sich diesen auS, und zwar so beharrlich, daß Brotteaux zuletzt nachgab; sonst hätte er auf dem Fußboden geschlafen. Nach Beendigung dieser Zurüstungen blieS er da« Licht auS, sowohl auS Sparsamkeit wie auS Vorsicht. „Mein Herr," sagte der Mönch zu ihm, „ich danke Ihnen für daS, was Sie für mich tun. Aber mein Dank hat für Sic leider wenig zu bedeuten. Möchte Gott eS Ihnen vergelten; das wäre für Sie von unendlicher Bedeutung. Allein Gott sieht daS nicht an, was nicht zu feinem Ruhme geschieht und waS nur der Ausdruck einer natürlichen Tugend ist. Darum bitte ich Sie, mein Herr, daS für ihn zu tun, waS Sie für mich tun wollten." „Mein Vater," erwiderte Brotteaux, „machen Sie sich keine Sorge und danken Sie mir nicht. WaS ich jetzt für Sie tue, das übertreiben Sie, und ich tue, es nicht aus Liebe zu Ihnen; denn so liebenswert Sie fein mögen, mein Vater, so kenne ich Sie doch zu wenig, um Sie zu heben. AuS Menschenliebe ge - schieht es ebensowenig, denn ich bin nicht so einfältig wie Don Juan, um zu wähnen, daß die Menschheit Rechte besitzt; ja, dieses Vorurteil betrübt mich bei einem so freien Geiste wie er. Ich tue eS au» jenem Eigennutz, der bie Menschen zu allen Taten des Edelmuts unb der Hingebung treibt, kraft besten sie in allen Unglücklichen ihr Ebenbild sehen, im Elend deS Nächsten ihr eigenes ölend beklagen und sich veranlaßt fühlen, einem Sterb - lichen zu helfen, ben Natur unb Schicksal zu ihresgleichen gemacht haben, so daß sie schließlich sich selbst zu helfen wähnen, indem sie andern beistehen. Ich tue es ferner auS Müßiggang, denn daS Leben ist so stumpfsinnig, daß man sich um jeden Preis zerstreuen muß. Die Wohltätigkeit ist zwar eine ziemlich öde Kurzweil, die man sich an Stelle von andern, besseren gönnt. Ich tue es auS Stolz und um mich Ihnen überlegen zu fühlen; ich tue es schließlich auS Prinzip, um Ihnen zu zeigen, westen ein Atheist fähig ist." „Verleumden Sie fich nicht, mein Herr", erwiderte der Pater ßonguemare. „Gott hat mich bisher mehr begnadet als Sie; aber ich bin weniger wert als Sie und besitze weit weniger natür - liche Anlagen. Gestatten wie mit trotzdem, mich eine» Vorteils über Sie zu berühmen. Da Sie mich nicht kennen, so können 1Mj Die Götter dürsten. Roman aus ber französischen Revolution von Knatole France. Kuforiflerfe Verdeutschung von Friedrich V. Oppeln-BronlkowsM. Nachdem bet Pater ßonguemare feinen Hunger gestillt hatte, sagte er: „Ich muß Ihnen mitteilen, welche Umstände zu meiner Jlucht geführt haben, und wie es kam, daß ich halbtot auf bem feine saß, auf dem Sie mich fanden. AIS ich au» meinem ftloiter vertrieben wurde, lebte ich von der kargen Rente, die mir bie Nationalversammlung zahlte. Ich gab Unterricht in Latein und Mathematik und verfaßte Schriften über die Verfolgung der französischen Kirche. Ich schrieb sogar ein größere« Werk, um ben Nachweis zu führen, daß der Eid der Priester auf die Ver - fassung der geistlichen Disziplin widerspricht. Die Fortschritte der Revolution raubten mir alle Schüler, unb meine Pension Würbe mir vorenthalten, ba ich ben gesetzlich vorgeschriebenen Bürgerschein nicht hatte. Um biesen zu bekommen, ging ich in« RathauS, in ber Ueberzeugung, ihn verdient zu haben. Al» Mit- alied eines Ordens, der vom Apostel Paulu« gegründet ist, welcher sich auf fein römische» Bürgerrecht berief, glaubte ich nach feinem Vorbilbe mich al» guter französischer Bürger benommen zu haben ber alle menschlichen Gesetze achtet, solange sie nicht in Widerspruch mit ben göttlichen stehen. Ich ging mit meinem An« lieaen zu Herrn Colin, Schlächtermeister unb Stabtrat, ber bie »hiäfte Hu na dieser Karten unter sich hatte. Er fragte mich nach meinem Stande. Ich 0«l’ an. baß ich Priester sei. Er fragte, ob ich verheiratet wäre, unb al» ich bie» verneinte, sagte er: Um so schlimmer für Sie. Nach mehreren andern Fragen wollte er fdiliefclid) wissen, ob ich meine Gesinnung am 10. August, ” September und 31. Mai bewiesen hätte.*) „Nur bi- können einen Büraerschein erhalten," sagte er, „bie ihre Gesinnung bei biesen brci°?lnläfien bewiesen haben." Ich konnte ihm keine de- friebiaenbe Antwort geben. Trotzbem schrieb er sich meinen tarnen und meine Abreste auf unb versprach meinen Fall prompt untersuchen Er hat Wort aehalten. Die Folge seiner Unter- fudiuna war daß in meiner Abwesenheit zwei Kommissare de» L, i^.^.t-'.ntf.idmfie» von Piepu» mit ber bewaffneten Macht in SS kamen, um mich in» Gefängni« abzuführen. Sie mich nicht lieben. Ich aber, mein Herr, ich liebe Sie, ohne Sie zu kennen, mehr als mich selbst. Tas ist Golles Wille. Nachdem er also gesprochen, kniete er auf dem Steinfußboden nieder und sagte fein Gebet her; bann legte er sich auf den Stroh sack und schlief friedlich ein. Dreizehnte» Kapitel. Evarist Gamelin halte die zweite Sitzung im Revolutions - tribunal. Vor ihrer Eröffnung sprach er mit feinen Mit- gefchworenen über die am Morgen eingelaufenen Nachrichten. Einige waren unsicher oder falsch; wa» jedoch übrig blieb, war furchtbar. Die Heere der Koalition waren im Besitz aller Straßen unb rückten gemeinsam vor; bie Vendee war siegreich, Lvon in Aufruhr, Toulon in ber Hand der'Engländer, die dort 14 000 Mann aurschifften. Diese Ereigniste, bie bie ganze Welt in Spannung hielten, waren für die Beamten gleichsam ihre eigene Angelegenheit. Sie wußten, daß der Untergang des Vaterlandes auch ber ihre war, und so machten sie die Rettung de» Vaterlandes zu ihrer persön - lichen Sache. Da» nationale Interesse, mit dem eigenen ver - schmolzen, diktierte ihre Gefühle, ihre Leidenschaften, ihr ganzes Benehmen. Gamelin empfing auf seiner Bank einen Brief de» Bürgers Trubert, des Sekretärs vom VertetdigungSauSschuß; er enthielt setne Ernennung zum Kommissar für Pulver und Salpeter. „Du wirst alle Keller de» Bezirks auSkratzen lasten, um die nötigen Substanzen zur Herstellung de» Pulvers zu gewinnen. Der Feind steht morgen vielleicht vor Paris. Der Boden des Vaterlandes muß uns den Blitz liefern, den wir feinen Be - drückern entgegenschleudern. Beiliegend sende ich Dir eine In - struktion über die Behandlung bei Salpeters. Gruß unb Brüder - lichkeit." In diesem Moment wurde der Angeklagte vorgeführt. Es war einer der letzten besiegten Generäle, die der Konvent vor Gericht zog, und der unbekannteste von allen. Bei seinem An - blick schaiiderte Gamelin zusammen; er glaubte ben General wiederzusehen, dessen Verurteilung er vor drei Wochen im Zu- schauerraum beigewohnt hatte. ES war derselbe Mann, dickköpfig und dumm; e» war der gleiche Prozeß. Er antwortete brutal und verschlagen und verdarb sich dadurch seine besten Ent - gegnungen. Bei seinen Ausflüchten und Spitzfindigkeiten, bei der Art, wie er alle Schuld auf seine Untergebenen wälzte, vergaß man, daß er die achtbare Aufgabe erfüllte, seine Ehre und sein Leben zu verfechten. In dieser Sache war alles unklar und strittig; bie Stellung unb Stärke der beiden Heere, die Munition, die ersoffenen und empfangenen Befehle, die Truppenbewegungen; nichts war bekannt. Niemand verstand etwas von diesen konsuicn, siiiilloseii und zwecklosen Operationen, die zu einer Niederlage geführt hatten, weder" der Verteidiger, noch der Angeklagte ielbu, weder dar öffentliche Ankläger, noch die Geschworenen und Richter. Und sonderbar: keiner gestand den andern oder sich selbst ein, daß er nichts davon verstand. Die Richter gefielen sich im Ent - werfen von Schlachtplänen, in Diskussionen über Taktik und Strategie; der Angeklagte verriet seine natürliche Anlage für Winkelzüge. Der Streit nahm kein Ende. Derweilen sah Gamelin im Geist auf den rauhen Wegen de? Nordens die Protzkästen im Straftenschtnutz festgesahren, die Kanonen in den Wcgegcleisen umgestürzt; er sah auf allen Straßen die leschlagcnen Kolonnen aufgelöst zurückfluten, während die feindliche Kavallerie überall aus den verlassenen Defileen hervorbrach. Und er hörte aus diesen verratenen Heeresmassen ein ungeheures Geschrei auf - steigen, das den General anklagte. Beim «chluß der Verhandlung war es im Saale dunkel geworden, und Marats Büste schimmerte undeutlich wie ein Gespenst über dem Haupte des Präsidenten. Die Spruche der Geschworenen gingen auseinander. . Mit zu - geschnürter Kehle und dumpfer Stimme, aber in enischlostenem Tone erklärte Gamelin den Angeklagten des Verrats an der Republik für schuldig, und das Beifallsmurmel« der Zuichatier umschmeichelte seine iunge Tugend. Das Urteil wurde bet Kerzen - schein verlesen, der bleich auf den hohlen Schläfen dcö^Angcklagten zitterte, auf denen man Schweißperlen sah. Nach Verlassen dee Saales, auf den Treppenstufen, die mit kokardentragenden Klatich- tretbern besetzt waren, hörte Gamelin feinen Namen ausiprechen, ber den ständigen Besuckwrn der Sitzungen schon geläufig wurde, und ein paar Trtkoteusen drängten sich an ihn heran, erhoben drohend die Fäuste und forderten das Haupt der Lesterreicherin. Am nächsten Tage hatte Gamelin ein armes Weib, bie W'-iwc Mehrion, eine Brotausträgerin, zu richten. Sic zog mir einem kleinen Handwagen durch die Straßen und trug an ihrem Gurte! ein Holzbrettchen, in das sie die Zahl der abs.elieferten V rote einkerbte. Damit verdiente sie sich acht