Nr. 78. Sonnabend, den 1. A-rrl 1916. 30. Jahrgang. Ta» .Hamburger (»Ao* erlAetnt täglich, ougtr Monlag«. »lbonnementspreis durch ote Po,l bezogrn ohn« Bring«g«Id monatlich a Lüg. viertkllLhrllch * 8,60; durch die Stolporteure wöchentlich 80 A frei tn5 Hau». Einzelnummer in der @$pebttion und Den Filialen 6 *, bei den SlrotzenhSndlern 10 4, Sonntagsnummer mit »Neue Wrlt^ 10*. Streuzbandlendungen monatlich A 2,70, für das Ausland monatlich *- 4,—. »■ ui ui ■im» । ■■■m Redaktion: finmbursl 36 ©jpebition: Fehlandstraße 11, L Eiock. «yuHivMiij uv. Fehlandstraße 11, Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: Karl Petersson in Hamburg. Slnzelaen die achlgespaltene Petttzeile ober deren Raum 46 4, ArbeitSmarlt, Bermiet'inaS. und Fami.tennnzelgeu 26*. Nuzelgen-Annahme Fehlandstr. 11, Erdgeschoß (bis ."» Illit nachmittagSi, in dm Filialen (bis 4 Uhr), sowie in allen Annoncen-Burcaus. 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Cttcnicn, Baürenleld bei Fran; Rose, Friedensallee 46. Die Stellung bet Weit iioö bet ülinbetbeit w Mitose. II. toT V^ cnn man b: ‘ c i e ^9 e Haltung der Minderheit richtig beurteilen will, so muß man sich immer gegen- C_V wärtig halten, daß bei KriegSbcginn die Fraktion f a st einhellig ihre Stellung zum Kriege festgelegt hat und imr eine kleine Gruppe (14 Mitglieder) sich dazu in Gegensatz setzte, aber auch nur in den Fraktionsberatungen. Im Plenum stimmte die Fraktion geschloffen für die ersten Kriegskredite. Wenn nach und nach eine größere Zahl der Fraktionsmitglieder ihre Auffassung geändert hat und die Gegensätze sich so ver - schärft haben, daß die Extremen es jetzt bis zur S p r e n g u n g der Fraktion getrieben haben, so ist es notwendig, den Motiven nachzugehen, die zu dieser veränderten Stellung - nahme geführt haben. Festgestellt muß dabei zunächst werden, daß es — abgesehen von den 14 Dissentierenden vom August 1914 — die Minderheit ist, die ihre Meinung ge - wechselt hat. Wer aber nacheinander zwei verschiedene Äuffaffungen vertreten hat, der muh sich wenigstens einmal geirrt haben; er kann nicht darauf pochen, daß seine jüngste Meinung die richtige sei, und darf nicht Vorwürfe gegen diejenigen erheben, deren Auffassung er erst geteilt hat. Nun kann freilich ein Anffassimgswechsel, zumal in Fragen taktischen Vorgehens, an sich sehr wohl berechtigt sein, wenn die Situation sich derart verändert hat, daß sich auch eine Aenderung des Vorgehens als notwendig erweist. Hier würde es sich um eine Aenderung des Tatsachenbestandes handeln und wer seinen Meinungswechsel darauf stützen will, hat zu be - weisen, daß in dem vorliegenden Tatsachenkomplex eine ent - scheidende Aenderung eingetreten ist. Ein Versuch solchen Beweises ist auch von Vertretern der ?-.inderhdit mehrfach gemacht worden, jedoch ohne daß er ge - lungen wäre oder hätte gelingen können, weil dem die im ersten a..4'el geschilderte Sachlage und deren Entwicklung während b. 5 Krieges unbedingt entgegenstehen. Wenigstens für jeden, ..\'r sich bemüht, ein unbefangenes Urteil über die Er- eianiffe zu gewinnen. Daran hat es aber bei der Minderheit fast vollständig gefehlt. Ihre aktivsten Elemente waren von vorn- l:rein in der Opposition, und zwar aus sogenannten grund - sätzlichen Erwägungen. Die prinzipiell kriegsgegnerische Stellung der Sozialdemokratie sollte für diese die Pflicht be- ccitien, auch währenddes Krieges den Krieg als solchen zu bekämpfen und darum auch die Bewilligung der Kriegskredite zu verweigern. Das stimmt, wie wir schon sagten, absolut nicht zusammen mit der Anerkennung der Pflicht der Vaterlandsverteidigung, und man ist genötigt, anzunchmen, daß jene sich zwar scheuten, für Sozialdemokraten diese Pflicht zu verneinen, daß sie aber die Konsequenz von deren Anerkennung nicht ziehen wollten. Daß sie sich der Nnlogik solchen Verhaltens nicht bewußt ge - wesen seien, kann nur annehmen, wer sie für denkunfähig hält. Somit kann es der Minderheit auch nicht entgangen fein, daß das von ihr geforderte Verhalten der Fraktion fürdenVer- lanf des Krieges von den verhängnisvollsten Folgen hätte sein können. Wer nicht aus sich selbst dieses Bewußtsein schöpfen konnte, der hätte es sich ans den langen Auseinandersetzungen in der Fraktion aneignen können. Der Weltkrieg hatte einen Notstand geschaffen, eine Gefahr von nie dagewesener Größe. Alle aus dieser Situation geborenen Handlungen waren Notstands - handlungen, bei denen nur der unmittelbare Zweck und die unmittelbare Wirkung entscheidend sein können. Läßt sich die Welt schon in normalen Zeiten nicht allein mit schönen Grundsätzen und Resolutionen regieren, so noch weniger in der - art katastrophalen Epochen, wie sie der Weltkrieg hervor- -gerufen hat. Nach der Behauptung der Minderheit soll im Verhalten der Mehrheit eine Verletzung der Partei- grundsätze liegen. Wäre dem so, so würde die unerhört gefahrvolle Situation auch das rechtfertigen, denn die Grund - bedingung für alle weitere Entwicklung, im besonderen für den Aufstieg der Arbeiterklasse, ist die Erhaltung der Unabhängig - keit und Selbständigkeit des eigenen Landes und die Sicherung feiner Kulturentwicklung. Das ist auch die Voraussetzung dafür, daß überhaupt einntal die Grundsätze der Sozialdemo - kratie zur Geltung kommen können. Diese Grundsätze sind aber tatsächlich durch die Politik der Mehrheit durchaus nicht verletzt. Die Schöpfer dieser Grundsätze und die bewährtesten Führer der Partei haben, trotz ihrer grundsätzlichen Gegnerschaft gegen jeden Krieg, stets mit der Mt»Uchkeit eines Krieges gerechnet und anerkannt, daß in solchew Falle die Arbeiter für die Existenz ihrer Ration als die Grundlage ihrer eigenen Klassenentwicklung zu kämpfen haben. Auch das sozialdemokratische Partei - programm rechnet mit der Möglichkeit des Krieges und will in solchem das eigene Volk nicht wehrlos machen, sondern die Wehrhaftigkeit für den Ernstfall bis zur höchsten Leistungs - fähigkeit entwickeln. Der Kampf gegen den Militarismus, den die deutsche Sozialdemokratie mit so großer Entschiedenheit ge - führt hat, hatte nichts weniger im Auge als die WehrloSmachung des eigenen Volkes; er richtete sichnurgegendasSystem, wollte aber die Wehrhaftigkeit noch auf eine höhere Stufe heben. Warum? Well sich auch die Sozialdemokratie dessen bewußt war, daß die Menschheit — auch nicht einmal die europäische — noch nicht vor dem ewigen Frieden stehe und, die europäische Kultur sich noch kämpfend gegen ihre Bedränger werde behaupten müssen. Die Bereitschaft zur Verteidigung des eigenen Landes und der mit ihm verbundenen Interessen der Arbeiterklasse ist also keineVerletzungderPartei- grundsätze. Die solchen Vorwurf gegen die Mehrheit er - heben, beweisen damit nur, daß sie ihre eigene Zeit und deren unabweisbaren Bedürfnisse nicht ver - standen haben ober aber nicht verstehen wollen, um Inter- cffen zu dienen, die in Zeiten äußerster Gefahr nicht diejenigen der Arbeiterklasse sein können. Höchster Grundsatz der Sozialdemokratie ist die Wahrung und Förderung der Interessen der Arbeiterklasse, die Sicherung ihrer Existenz und der Möglichkeit ihrer weiteren Aufwärtsentwick - lung. Vor dieser Notwendigkeit hat in der Zeit schwerster Gefährdung dieser Interessen alles andere zu schweigen. Von dieser Erkenntnis hat die Mehrheit ihr Handeln bestimmen lassen. Wie also durch das Verhalten der Mehrheit Parteigrund - sätze nicht verletzt worden sind, so auch nicht Parteitags - beschlüsse. Der Vorwurf, daß letzteres geschehen sei, beruft sich besonders auf die Parteitagsbeschlüsse gegen die Budget- bewilligung. Daß diese Beschlüsse nicht für die ganz dem Normalen entrückten ZeitendesKriegeS gefaßt fein können, liegt für jeden Verständigen auf der Hand. Man braucht sich nur zu erinnern, daß diese Beschlüsse schon für FricdenSzeiten Ausnahmen zulassen mußten, weil man sich nicht verhehlen konnte, daß Verhältnisse eintreten könnten, unter denen die Zlblehnung des Budgets Schädigungen der Ar - beiterklasse im Gefolge haben würde. Die Zustimmung ist z u g e l a s s e n für den Fall, daß sonst ein für die Arbeiter - klasse ungünstigeres Budget zur Annahmo kommen werde. Das heißt: Um die Arbeiter davor zu bewahren, einige Groschen mehr an Steuern bezahlen zu müssen, ist die Budgetbewilligung erlaubt; aber jetzt, wo dieganzeExistenzderArbeiterfchaft und noch viel mehr auf dem Spiel steht, soll die Bewilligung nicht ge - stattet sein! Welch eine Verkennung des ungeheuren Ernstes unserer Zcitl Aber auch das können sich diejenigen Mitglieder der Minderheit mit einem Schein von „Konsequenz" leisten, die von vornherein in der Opposition waren. Wie steht es jedoch mit denen, die nach dem 4. August umgelernt haben? Wenn die Bewilligung der Kredite gegen Parteitagsbeschlüsse ver - stoßen würde, bann am 4. August 1914 genau so wie jetzt. Dann haben sich die Mitglieber der Minderheit ebenso des Ver - stoßes dagegen schuldig gemacht, wie die der Mehrheit, denn auch jene haben dafür gestimmt. Und was soll man zu denen sagen, die im vorigen Jahre zwar nicht das Ganze, wohl aber die Hälfte der neuen Kreditforderungen von zehn Milliar - den bewilligen wollten? Wo bleibt da der Grundsatz? Wird er gerettet, wenn man nur in kleineren Proportionen sündigt? Und soll man eine Forderung, deren Notwendigkeit man anerkennt, deshalb nicht bewilligen, weil sie in das Bud - get eingestellt ist? Das kann nur verlangen, wer sich eine für ganz andere Verhältnisse bestimmte Resolution als Brett vor den Kopf bindet, um die Dinge nicht zu scheu, wie sie sind. Das zeigt aber auch die ganze Unhaltbarkcit der Auffassung, die die Budgetablehnung zum Prinzip stempelt und sich damit selbst Fesseln anlcgt, die in Zeiten der Not doch zer - rissen werden müssen. Daraus ergibt sich aber weiter, daß die Auffassung der Budgetbewilligung als eines Vertrauens - votums für die Regierung eine nicht mehr haltbare ist. Die Mehrheit der Fraktion hat bei mehrfacher Gelegen - heit sich ausdrücklich dahin ausgesprochen, daß weder die Be - willigung der Kriegskredite noch des Budgets ein Vertrauens - votum für die Negierung fein solle oder fein könne. Die Be - willigung erfolgte lediglich, um im Kriege die Volksinter- essen zu wahren, die eine entschiedene Abwehr der Feinde er - heischen. ■ Bleiben noch die „tatsächlichen" Gründe für das Abschwcn- ken eines Teiles der Minderheit von der Mehrheit. Dieser Teil der Minderheit will zuerst für die Kriegskredite gestimmt haben, weil der Krieg ein Verteidigungskrieg war, aber jetzt angeblich zum Eroberungskrieg geworden sei. Man schöpft diese Auffassung aus den Annexionsbestrebungen gewisser bürgerlicher Kreise, auf die wir hier des näheren nicht eingehcn können, weil das auf bas noch verbotene Gebiet der Kriegszielerörterungen führen würbe. Die Minberheit nimmt auch an, daß die Regierung diese weitgehenden Annexions- beftrebungen unterstütze, hat aber bisher nicht den geringsten Beweis dafür erbringen können. Der am Schluß unseres ersten Artikels zitierte Passus der Reichskanzlecrede steht der Annahme ziemlich deutlich entgegen. Näheres läßt sich auch darüber heute nicht sagen. Daß die Friedensbedin - gungen von dem Ausgang des Krieges ober boch vom Staub ber Dinge an dem Zeitpunkt, wo auch den Lenkern der feind - lichen Staaten klar wird, baß es Zeit zum FriebenSfchluß ist, abhängen werben, ist felbstverstäublich. Eine einfache Rückkehr zu ben Zustänben, wie sie vor bent Kriege waren, halten wir dabei für ausgeschlossen. Leider muß immer wieder konstatiert werden, daß der Friede heute noch nicht zu haben ist, weil die Gegner nicht wollen. Die gegenteilige Behauptung der Minderheit entbehrt jeder stichhaltigen Grundlage. Die gegenwärtig vorliegenden Tatsachen rechtfertigen somit auch keineswegs das Ueberlaufcn eines Teiles der Mehrbeit zur Minderheit. Dieser Teil bet Minderheit täuscht sich selbst ober hat sich täuschen lassen von benen, bic von vornherein gegen die Stellung ber Mehrheit waren. Dem eigenen Urteil der Ueberläufer stellt das freilich kein günstiges Zeugnis aus. Auch nicht der Selbständigkeit ihrer eigenen Meinung gegenüber Anfechtungen aus den Reihen ihrer Organisationen. Die letzteren lassen sich ja unschwer er - klären aus ben schwer brüdenben Unbilben bes Krieges be - sonders für die proletarischen Schichten des Volkes. Teuerung und Not machen die Betroffenen mißmutig und unwirsch. Der Mangel an genügend tiefem Einblick in ben Zusammenhang ber Dinge führt bann zu ber Meinung, daß durch möglichst scharfe Opposition eine Besserung herbeigeführt wer - den könne ober baß man wenigstens daburch ber Stimmung in ben Massen Ausbruck geben müsse. Von ber „grunbsätz- lichen" Minberheit ist biese Stimmung auch in ber rücksichts - losesten Weise zur Verhetzung ber Genossen im Lande gegen die Mehrheit ausgenutzt worden, indem man der Mehrheit die M i t s ch u l d. an dem KriegSnotstande beimaß, obwohl man weiß, daß diese alles, was in ihren Kräften stand, getan hat, die Not lindern zu helfen. Sie hat auch mit scharfer Kritik dort eingesetzt, wo Fehler in der Lebensmittelpolitik und auch auf andern Gebieten begangen waren, und hat da - burch manches gebessert. Zur Politik der Abstinenz ober ber absoluten Opposition konnte unb bürste bie Mehrheit nicht übergehen, wollte sie nicht sehenben AugeS bie Verhältnisse noch verschlimmern. Der von ber Mehr - heit zur Minberheit übergegangene Teil ber Fraktion hat sich von der an sich verständlichen Mißstimmung offenbar sehr stark beeinflussen lassen. Der extreme Teil der Fraktionsopposition, der nun ausgeschieben ist, hat jedoch nicht unter dem Einfluß dieser Stimmung gestanden, sondern geholfen, sie hervor - zurufen und zu verschärfen. Je mehr er erkannte, bah trotz ber zahlreichen Ueberläufer bie Mehrheit in ber Fraktion auf ihrem einzig verständigen Standpunkt beharrte, desto giftiger wurden bie Angriffe kn der Fraktion und in den Organisationen. Die Aufsage bes Burgfriebens unb bie Aufnahme bes KlafsenkampfeS in ber schärfsten Form würbe zur Parole gemacht unb, ba sie in der Fraktion keine Mehrheit fand, so mußte'die Fraktion ge - sprengt werden, um ihrer Desperadopolitik Spiel - raum zu verschaffen. Daß damit für bie Arbeiterklasse etwas gewonnen werben könne, kann nur heillose Ver - bi e n b u n g annehmen. Diese Verblenbung wurzelt in noch anderen Erwägungen, die sich aus dem Zusammenbruch ber Internatio - nale ergeben. Dieses verhängnisvolle Ergebnis bes Krieges hat zweifellos alle Sozialbemokraten, die Mehrheit sicher nicht weniger als die Minderheit, tief schmerzlich berührt. Damit sind Hoffnungen zusammengestürzt, an bie unser aller Herz hing, in bereit Erfüllung sich das Sehnen ber Arbeiterklasse nach Freiheit und vollberechtigtem Kultur- anspruch erfüllen sollte. Für diesen Zusammenbruch trägt weder die deutsche Sozialdemokratie noch bie ber anbern Sauber bie Schuld. Die Internationale, die den Krieg nicht ver - hindern konnte, mußte das Opfer dieses Krieges werden. Wir alle haben vor dem Kriege ihre Macht überschätzt. Der internationale Zusammenschluß der Proletarier auf Grund der gleichen sozialistischen Ueberzeugung konnte ihre eigene Kraft unb ihr Kraftgefühl stärken, konnte aber nicht schon ben Machtfaktor schaffen, der stark genug war, der Welt Gesetze vorzuschreiben, solange noch in allen Staaten, auch in denen mit der stärksten Arbeiterbewegung, die sozialistischen Arbeiter nur eine Minderheit waren. Noch in allen Staaten ist die Macht in den Händen ber Besitzenben; sie enischeiben in erster Linie bie Geschicke beS Staates. Diese Tatsache anzuerkennen, wird anscheinend den An - hängern der extremen Minderheit sehr schwer. Die weitere Tatsache, daß in Frankreich unb in England die Arbeiter und auch die Sozialisten sich genau so wie in Deutschland auf bie Seite ihres Laubes gestellt haben, war für manche Genossen eine erschütternbe Ueberraschung. Sie liefert den Beweis, baß jene sich des unlösbaren engen Zusammen - hanges bes Arbeiters mit seiner Nation nicht bewußt gewesen finb, der Tatsache, daß das Schicksal ber Ar - beiterklasse jebeS Laubes unlöslich verknüpft bleibt mit bem Schicksal bes eigenen Landes und Volkes. Den frans zösischeu Sozialisten ist das offenbar noch viel weniger zum Bewußtsein gekommen; sie fühlen sich zwar selbst mit ihrer eigenen Nation aufs engste verbunden, machen cS aber der deutschen Sozialdemokratie zum bittersten Vorwurf, baß sie ebenfalls für bie Unabhängigkeit ihres Laubes mit - kämpft, unb man wagt eS, uns gar dafür strafen zu wollen. Daß die französischen Genossen sich von den Lügenaposteln ihrer eigenen Regierung haben einfangen lassen und wirklich zu glauben scheinen, Deutschland habe den Krieg frivol be - gonnen, um die Hegemonie über ganz Europa zu gewinnen, baS mag ihnen als MilberungSgrund angerechnet werben.- Aber es gibt ihnen kein Recht, uns zu beschimpfen, denn bic beutsche Sozialbemokratie kann mit gutem Ge - wissen von sich sagen, mehr als anbere innerhalb ber Internationale ihre volle Schuldigkeit getan zu haben. Um so weniger Ursache haben wir, uns zum Prügel- jungen der Internationale machen zu lassen. In der Minderheit der Fraktion zog man aber aus dieser Situation andere Schlüffe. Einigen ihrer Mitglieder und Freunde ist der Zusammenbruch ber Internationale der Zusammenbruch ihres Lebcnswerkes. Sie finb baburch völlig aus bem seelischen unb politischen Gleichgewicht gebracht wor - ben und ihr einziges Sehnen, ihre einzige Hoffnung ist, die alten Fäden möglichst schnell wieder anzuknüpsen. Wer vor seinem eigenen Gewissen beruhigt sich sagen kann, nichts Un - rechtes getan, sondern gehandelt zu haben, wie die Stunde es gebot, ber kann es auch mit Ruhe ertragen, wenn bic andern ihn schmähen und auch nur ben Versuch ber Verstänbigung verweigern. Er kann es ertragen in ber festen Ueberzeugung, baß bie zukünftige Entwicklung ber Arbeiterklasse in allen kapitalistischen Säubern sie zu gemeinsamer Vertretung ihrer Jntereffen roieber zusammenführen muß. In biescr Sage befinbet sich bie Mehrheit. Die Minderheit aber, bic bas Gebot ber Stunbe falsch aufgefaßt hat, weil sie sich nicht zu ber Notwenbigkeit bekennen wollte, in ber Stunde der höchsten Gefahr entschloffen unb rückhaltslos auf bic Seite bes eigenen Volkes zu treten — biese Minderheit suchte nach einem Mittel, sich in den Augen der ausländischeu Sozialisten zu rehabilitieren, unb glaubte, zu - nächst in der Krcditverweigerung das Mittel gesunden zu haben. Schließlich ging man weiter und opferte die Einheit der deutschen Sozialdemokratie beut Phantom, sich jetzt im Kriege bie Billigung ber auSlänbischen Sozialisten zu erwerben. Tas Echo, baS bie Sprengung-- aktion ber Haase-Gruppe bei ben französischen Sozialisten ge - weckt hat, könnte geeignet fein, ihr die Augen über die ver - derblichen Wirkungen ihres Vorgehens zu öffnen, wenn sie überhaupt noch belehrbar wäre und sich nicht in den Wahn verrannt hätte, der Partei eine neue Kriegstaktik aufzwingen zu müssen, für die sie bie Mehrheit im Snnbe zu gewinnen hofft, inbem sie bie Partei auseinandersprengt. Die Interessen der Arbeiterklasse können da - durch nur in der schwersten Weise gefährdet, aber nicht gefördert werden. Diese Ueberzeugung wird, so hoffen wir, auch bei der großen Masse ber Parteigenoffen vorherrschen und sie wird die Pläne der Parteizerstörer zuschanden machen. Amtlilhe Kmgsbttichte. Bois MfllKOBti M Mle'MMS' onifloea im 5tum genommen. Amtlich. WTB. Großes Hauptquartier, 31. Dtärz 1916. Westlicher Kriegsschauplatz. In vielen Abschnitten der Front lebte die beiderseitige Nrtilterictätigkcil während des klare» Tages merklich ans. Westlich der MaaS wurde das Dors Malancourt und die beiderseits anschließenden sranzöstschcn VcrteidignngS- anlagcn im Sturm genommen; sechs Offiziere und »22 Mann sind unverwundct in unsere Hand gefallen. Auf dem Ostuser ist die Lage unverändert; an den fran- zöfischen Gräben südlich der Feste Tonaumont entspannen sich kurze Nahkämpsc. Die Engländer büßten inLustkSmpfc» i» der Gegend vou Sl r r a s und « a p a u m c drei D o p p c l d c ck e r ein, zwei von ihren Insassen sind tot. Lcntnant Immelman» hat dabei sein dreizehntes feindliches Flugzeug abgrschossen. Oestlicher Kriegsschauplatz. Die Russen beschränkten sich auch gestern auf starke Bc- schictzung nuferer Stellnngc» au den bisher angegrisienrn Fronten. Balkan-KriegSscha ii Platz. Tie Lage ist unverändert. Oberste Heeresleitung. SeileneUW -uugnlWel MW WTB. Wien, tzl. März. Amtlich. Russischer und südöstlicher Kriegsschauplatz« Nichts Neues. Italienischer Kriegsschauplatz. Infolge der ungünstigen Witterung trat eine Kampf - pause ein. Ter Ltellverireler deS ChcfS des GeneralstabcSl v. Höfer, Feldmarfchalleutnant.