Nr. 167. Freitag, den ZO.Jnli 1S17. 31. Jahrgang. L •■VM ■ 's -4 • v Da« »Hamburger Echo" -rjcheinl täglich, außer Monlagr. »e,»a»vret«r durch die Post ohne Bringegeld monatlich * 1,50, vierteljährlich x 4.50, durch dl, «udlräger wSchentlich 35 4 sret in» Saus. Einzelnummer in der Erpeditian und den Malen 6 *. bei den Straßenhändlern 10 4, SonntagSnummer mit „Neue Welt" 10 4. Kreuzbandjendungen monatlich K 2,70, für das Ausland monatlich x 4,—. Redaktion: Anrnfinro Expedition: Fehlandstraß« 1L L Stock. -y onlvur S "v. 11. Erdgeschoß. Verantwortlicher Redakteur: I. Reib« tu Hamburg. Anzeigen die achtgespaltme PetitzeUe oder deren Raum 45 4. Arbeitsmarkt, »ermietungs. und Familienan^eigen 25 4 zuzüglich 10 pZt. Teuerungszuschlag. Anzeigen-Annabme Fehlandstr. 11, Erdgeschoß (bis 4 Uhr nachm.), kn den Malen (dir 3 Uhr), sowie in allen Slnnoncen-BureauS. Platz- u. Daten • Vorschriften ohne Verbindlichkeit. 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Wmio iinö Eeiteto fft üm HHmMi Deutsther Reichstag. (Telephonischer Bericht.) 116. Sitzung. Berlin, 19. Juli, 3 Uhr nachmittag!. HauS und Tribünen sind überfüllt. Am Bundesratstisch: Der neue Reichskanzler, Dr. Helfferich, r. Capelle, Zimmermann, v. Loebell, Befeler, Breitenbach, Graf Roedern u. a. Präsident Dr. kkaempf feiert die Verdienste deS Herrn b. Beth - mann Hollweg. Er erkennt dankend an, datz Herr b. Bethmann Hollweg den Bedürfnissen eines bertrauensbollen Zusammen - wirkens zwischen Reichsleitung und Reichstag bolles Verständnis cntgegengebracht hat. (Lebhafte Zustimmung links und in der Mitte. Schweigen rechts.) Der Präsident begrüßt dann den neuen Reichskanzler Dr. Michaelis im Namen des Reichstags. Wir bertraucn, datz es seiner Einsicht und Tat - kraft gelingen wird, in dem Streit der Meinungen und in dem Ringen der Völker den Weg zu finden, der unser Vaterland einer glücklichen, gesicherten Zukunft entgegenführt. Der Präsident nimmt dann ein Schreiben der schweizerischen Vereinigung der Griechen in Genf an ihn als den Präsidenten des Reichstages zum Anlaß, um der notleidenden Nation und ihrem aufrechten König die wärmste Sympathie des Reichstags auszusprechen. Auf der Tagesordnung stehen die Kriegskredite. Reichskanzler Dr. Michaelis: In ernstester Zeit ist die zentnerschwere Last meines Amtes aus meine Schultern gelegt. Im Aufblick zu Gott unV int Vertrauen auf die deutsche Kraft habe ich es gewagt, und werde nur der Sache dienen bis zur letzten Hingabe. Von Ihnen erbitte ich bertrauensbolle Mitarbeit in dem Geiste, der sich in diesem dreijährigen Kriege so herrlich bewährt hat und im Äedeuken au den hochverdienten Mann, der an diesem Posten borher acht Jahre gestanden hat. An seiner Tätigkeit ist herbe Kritik geübt worden, eine Kritik, die bielfach mit Feindschaft und Haß durchsetzt war. Ich habe die Empfin - dung, es wäre würdiger gewesen, Feindschaft und Hatz hätten Halt gemacht bot der verschlossenen Tür. Erft wenn das Buch dieses Krieges geöffnet vor uns liegen wird, werden wir voll würdigen können, was Bethmanns Kanzlerschaft für Deutschland bedeutet hat. Ich hätte meine Aufgabe nicht übernommen, hätte ich nicht fest den Glauben an die Gerechtigkeit unserer Sache. Täglich müssen wir unS die Ereignisse von vor drei Jahren bot Augen halten, die geschichtlich feststehen, und die beweisen, datz wir in den Krieg gezwungen worden sind. Un» blieb keine andere Wahl, und waS bom Kriege selbst gilt, gilt auch von unseren Waffen, insbesondere bon der U-Bootwaffe. Wir weisen den Vorwurf zurück, datz der U-Bootkrieg völkerrechts - widrig fei, daß er gegen die Menschenrechte verstoße. England hat uns diese Waffe in die Hand gedrückt durch seine völkerrechtswidrige Seesperre und den A uShungerungSkrieg. Unsere schwachen Hoffnungen, datz Amerika an der Spitze der Neutralen der englischen Rechts - widrigkeit Einhalt gebieten würde, waren eitel, und der letzte Versuch, den Deutschland gemacht hat, durch ein ehrlich gemeintes Friedensangebot das Aeußerste zu vermeiden, ist fehlgeschlagen. Da durfte und mußte Deutschland dieses letzte Mittel wählen als eine von der Notwehr gebotene G egenmaß re gel und auch als ein Mittel zur Abkürzung des Krieges selbst. Der U-Bootkrieg leistet daS und er leistet noch mehr als das, was man von ihm erhofft hat. Falsche Nachrichten, die aus geheimen Ausschußsitzungen in die Oeffentlichkeit gedrungen sind (Sehr richtig! rechts; Widerspruch gegen daS „Sehr richtig" auf der linken Seite), haben eine zeitlang ein gewisses Ge - fühl der Enttäuschung hervorgerufen. Das hängt wohl damit zusammen, datz voreilige Propheten die Erwartung aus- gesprochen hatten, infolge deS U-Bootkrieges werde der Krieg zu einer bestimmten Zeit beendet sein. (Zuruf: Dr. Helffe - rich!) Ich stelle fest, datz der U-Bootkrieg in der Vernichtung feindlichen Frachtraumes leistetete, waS er leisten sollte. Er schadet Englands Wirtschaft und Kriegführung von Monat zu Mqnat wachsend, so daß dem Frieüensbedürfnis nicht mehr länger entgegengcwirkt werden könne. Den Arbeiten unserer wackeren U-Boot-Leute sehen wir weiter mit vollem Vertrauen entgegen, und so grüße ich unsere Truppen an allen Fronten, zu Lande und zu Wasser, in der Luft und unter See von der Hei- mat! WaS unsere Heere unter der Leitung ihrer großen Führer bisher geleistet haben, ist in bet Weltgeschichte unerhört und unser Dank ist un« auSlSschlich. Wir gedenken auch dankbar unserer braven und treuen Bundesgenossen, die Waffenbrüderschaft in heißen Kämpfen geschlossen. Die Berichte über die allge - meine Lage sind sehr gut. Im Westen sind die Offen« siven der Engländer und Franzosen gescheitert. Die Gegen - angriffe unserer Heere beweisen ihre ungebrochene Kraft und ihr bestes Können. Im Osten ist infolge der inneren Wirren der Angriff der Millionenheere nicht zur Ausführung gekommen. ES trat dort zunächst verhältnismäßige Ruhe ein. Erst nachdem falsche Nachrichten die russischen Soldaten von neuern aufgestachelt hatten, kam es zu der jetzigen Offensive. Ihr Ziel war Lemberg und die Oelquellen von Drohobycz, auch eine Folge des U-Boot- krieges. Brussilow hat mit rücksichtslosen Opfern nur geringe Vorteile erzielt. Vor einer halben Stunde habe ich folgender Telegramm des FcldmarschallS Hindenburg et« halten: „Durch die russische Offensive in Galizien heranSgefordett, hat heute ein durch starken Regen bisher hinausgeschobener deutscher Angriff östlich von Zloezow eingesetzt. Unter persönlicher Leitung deS Feldmarschalls Leopold von Bayern haben deutsch« Divisionen, unterstützt durch österreich- ungarische Artillerie in altbewährtem Schneid und fester Zuver- f:du, die russisch«,, Stellungen durchstoßen. (Zu« ruf bei den II. S.k Stimmungsmache! — Pfuirufe.) Die letzten Vorteile von Brussilow sind demnach wieder ausge - glichen." Ter Reichskanzler bespricht dann kurz die Lage in Griechen« lanb. Italien, im Kaukasus und in Palästina. Die Hoffnungen der Entente auf Ömer i la beunruhigen uns nicht. Wir wissen, wieviel Frachtraum nötig ist, um ein Heer von SlMexijka nach Europa zu bringen und wieviel Tonnage dazu gchöff. upt da! H^r zu ernähren und zu versorgen. England und Frgnft/ich ktmnen ihre Heere kaum selber versorgen. U n f # j x, u n e feie Marine dürsten auch dieser neuen Gefahr Herr werden. So können wir dem Kommenden mit ruhiger Sicherheit entgegensehen. Und trotzdem ist in allen Herzen die brennende Frage: Wie lange noch? Ich komme damit zum Kernpunkt der heutigen Verhandlungen. Deutschland hat den Krieg nicht gewollt. Deutschland hat ihn nicht gewollt, um Eroberungen zu machen, und datum wird Deutschland auch nicht einen Tag langer Krieg führen, wenn es einen ehrenvollen Frieden bekommt, nur um gewalt - same Eroberungen zu machen. WaS wir wollm, ist in erster Linie, datz Wit den Frieden als solche machen, die sich erfolgreich durchgesetzt haben. In diesem Geiste wollen wir in die Verhandlungen eintreten, wenn eS Zeit ist. Wir können den Frieden nicht noch einmal anbieten. Die Hand, die einmal ehrlich ausgestreckt war, hat inS Leere gegriffen. Wenn wir Frie - den machen, dann müssen wir in erster Linie er - reichen, daß die Grenzen des Deutschen Reiches für alle Zeiten sichergestellt sind. Wir müssen im Wege der Verständigung (Bravo! links und in bet Mitte) und des Ausgleichs die LebenSbedingttn« gen deS Deutschen Reiches auf dem Koniinenk und über See garantieren. Der Friede mutz die Grundlage für eine dauernde Versöhnung bet Völker geben. ErmuhderweiterenVetfeiudung der Völker durch wirtschaftliche Absperrung Vorbeugen. Er muß nnS davor sichern, datz sich bet Waffenbund unserer Gegner zu einem Wirt« schaftlichen Trutzbund gegen unS auswächst, Diese Ziele lassen sich im Rahmen Ihrer (der Mehrheit) Reso - lution, wie ich sie auffasse, erreichen. Wenn die Feinde ihre EroberungSgelüste, ihre NiederwetfungS« gelüste aufgegeben haben und eine Verhandlung wünsche«, dann ist das gesamte deutsche Volk und die deutsche Armee mit ihren Führern, die mit diesen Erklärungen einverstanden sind (leb - hafter Beifall links und in der Mitte), darin einig, § atz mir den Gegner, der die Fühler aus st reckt, fra - gen, wak et zu sagen Hai, und dann wollen Wit ehrlich und f r.i e4> e n 5 b e r e i t in d i e Verhau slun« gen cintreten. Bis dahin müssen wir ruhig, geduldig und mutig ausharren. Der Kanzler wendet sich nun den ErnShruugSfrageu zu. Der Monat Juni war bet schlimmste. Aber ich kann bie frohe Zuversicht auSsprechn, batz in kurzer Zeit eine Erleichterung eintreten wird. Unsere Ernte ist besser, al» wir be - fürchteten. Bei straffer Erfassung und voller Rae tionietung reichen die Vorräte. Schmerzlich war die Er - fahrung, daß sich das Verhalten der Bevölkerung in Stadt und Land infolge der KriegSwirffchaft getrübt hat. Fm neuen Wirt - schaftsplan dürfen die Rationen für die Landwirtschaft und für daS Vieh und die Pferde nicht zu gering sein. Die städtische Be - völkerung muß die großen Schwierigkeiten der Landwirtschaft würdigen, aber auch die Landwirtschaft mutz volles Verständnis dafür haben, wie groß die Not in der Industrie und in den Großstädten ist. Denn das geschieht, wird die Annäherung erfolgen. Ueber die schwebenden Fragen der innere« Polittk kann ich nur folgendes sagen! Nach Erlaß bet allerhöchsten Doi- schäft vom 11. Juli über daS Wahlrecht in Preußen stelle ich mich selbstverständlich auf beten Stand - punkt. Ich halte es für nützlich und notwendig, daß zwischen den großen Parteien und der Regierung eine engere Fühlung herbeigeführt wird und bin bereit, soweit dies möglich fft, ohne den bundesstaatlichen Charakter und die konstitutionellen Grundlagen deS Reiches zu schädigen, alles zu tun, was diese? Zusammenarbeiten lebens- und wirkungsvoller machen kann. Ich halte es auch für wünschenswert, daß daS BertrauenSverhältnir zwischen Parlament und Regierung dadurch enget wird, daß Männer in leitende Stellungen berufen werden, di« neben ihrer persönlichen Eignung auch da» volle Vertrauen bet großen Parteien nnb bet Volksvertretung ge - nießen. Selbstverstänblich ist aller daS nur unter bet Voraussetzung möglich, batz bon der anderen Seite anerkannt wird, datz da» ver - fassungsmäßige Recht der Reichsleitung zur Führung der Politik nicht geschmälert werden darf. Ich bin nicht willen», mir die Führung au» der Hand nehmen zu lassen. Wir fahren in wildbewegtet See, aber das Ziel steht unS leuchtend vor Augen. Da», wa» wir ersehnen, ist ein neue», herrliches Deutschland, nicht ein Deutschland, bä» mit seiner Waffengewalt bie Welt terrorisieren will, wie unsere Feinde glauben; nein, ein sittlich geläuterte», ein gottesfürchtiges, ein freies, ftiebliches, macht - volles Deutschlanb, das wir alle lieben. Für diese» Deutschland wollen wir kämpfen und leiben. Diese? Deutschland wollen wir un» erkämpfen allen Feinden zum Trotz. (Lang- anhaltender Beifall.) Fehrenbach^ (Z.i verliest im Auftrage der Fraktionen de» Zentrum», bet Sozialdemokraten und der Forffchrittlichen VolkS- partei die folgende FtiedenStesolution.: „Wie am 4. August 1914 gilt für daS deutsche Dost auch au der Schwelle deS vierten KriegSjahreS daS Wort der Thronrede „UnS treibt nicht Eroberungs - sucht". Zur Verteidigung seiner Freiheit und Selbständig - keit, für die Unversehrtheit seines territorialen BesiystaudeS hat Deutschland die Waffen ergriffen. Der Reichstag erstrebt einen Frieden der Ver - ständigung und der dauernden VersShnnug der Völker. Mit einem solchen Frieden find erzwungene EebictSerwerbunge» und politische, wirtschaftliche oder finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar. Der Reichstag weist auch alle Pläne ab, die auf eine wirtschaftliche Absperrung und Verfeindung dpx Völker nach dem Kriege auSgehen. Tie Freiheit der Meere mutz sichergestellt werden. Nur der WirtschaftS- friede wird einem freuudfchaftlicheu Zusaunneuleben der Bölktr den Boden bereiten. Der Reichstag wird die Schaffung inter - nationaler NechtSorganisaiiouen tatkräftig fördern. Solange jedoch die feindlichen Regierungen auf einen solchen Frieden nicht eiugeheu, solange sie Deuffchlaud und feine Verbündeten mit Eroberung und Vergewaltigung be - drohen, wird das deuffche Volk wie ein Manu zusammen» stehe», unerschütterlich auSharren nnb kämpfen, bis fein und feiner Verbündeten Recht ans Leben und Entwicklung ge - sichert ist. In feiner Einigkeit ist das deuffche Volk unüber - windlich. Der Reichstag weitz sich in dieser Bekundung eins mit den Männern, die in heldenhaftem Kampfe bad Vaterland schützen. Der unvergängliche Dank des ganzen Volkes ist ihnen sicher.-^ Namens beS Zentrums fügt der Rebner hinzu: Seit Besteben bei Reiche» ha: der Reichstag sich große Reserve in bezug auf bie auswärtigen Angelegenheiten auferlegt. Wenn er jetzt aus ihr herausrritt und bie Bereitschaft zu einem für alle Beteiligten ^ehrenvollen Frieben hmbgibt, so mischt er sich nicht in MiS, waS Sache bet Regierung ist; er macht kein Frie - densangebot, sonbern stellt bie Bereitschaft des eigenen Volkes zum Frieben fest unb fordert bie feind licken Paula, mente in feierlicher Weise auf, sich vom gleichen Friedenswillen beseelen zu lassen. Schließlich wird, wenn auch vielleicht erst in Monaten, bie ruhige lleberlegung zu ihrem Reckte kommen, welche sagt: DaS beutsche Volk ist ein starkes unb tapferes Volk, aber mehr noch als in der Kumt des Krieges hat es sich i.n den Werken beS Friedens auSgezeichnet. Man hat vor einer solchen Kundgebung als Zeichen der Schwäche gewarnt. Wir werden dagegen täglich den Beweis erbringen, daß wir zum Scklagen bereit und zum Siegen befähigt sind. Auch bei unseren Feinden wird sich die Erkenntnis burchringen, daß nicht die Not, sondern die Sehnsucht nach Frieden uns bestimmt, _b ie Hand zur Verständigung zu reichen. An der Schwelle des vierten Kriegsjahres erhebt sich bie fürchterliche GewiffenSfrage bei allen Völkern gleichermaßen: Soll dieses Wüten auch noch ein vierte? Jabr dauern? Keine Eroberung und keine wirtschaft - liche Vergewaltigung würde die Summe von Elend aus gleichen. Unsere wirtschaftliche Situation schließt jede Mißdeutung au5. Wird die von der deuffchen VolkS- \>cr* utttng jetzt zum ersten Male bargebotene Hand zurück- gewiesen, so wird da» ganze Doll aufflammen in gerechtem Zorn. In der inneren Politik fft auf bie Lsterboffchaft die Ankündigung deS gleichen Wahlrechts gefolgt, nicht so frühzeitig, wie es gewünscht worden wäre. Meine Partei hät jede Ein- Mischung de» Reiches in die preußischen Angelegenheiten abge- lehnt. Aber bei der Bedeutung, die die poliffsche Haltung deS führenden Bundesstaates für bas ganze Reich bat, halten wir un? für berechtigt, auszusvrechen, daß das Wahlrecht, da» bie meisten Bundesstaaten den Wählern gewähren, auch in Preußen gewährt werden muß, ganz besonders nach diesem Kriege. Wir hoffen, daß die Kundgebung des Kaisers und Königs von Preußen ohne innere Kämpfe möglichst bald und vollkommen zur Durchführung kommt. Auch in der Frage der P ar lame nt a risierun g wtll meine Fraktion den bu ndesstaatlicheck Charakter deS ReickcS ge - wahrt wissen. Sie denkt nicht daran, alle obersten Reickssteven mit Parlamentariern besetzt zu sehen. (Zuruf recht»: Alle?) Nun, für so unfähig werden Sie doch die Parlamentarier nicht halten, daß nicht etliche bas eine ober das andere Amt ausfüllen könnten. Die geringe Fühlung zwischen Regierung und Parlament haben wir bedauert, und glauben, baß diesem Uebelstande durch Berufung von Kräften aus dem Parlament abgeholfen werden soll. Da» Amt deS Kanzlers hat den Inhaber gewechselt. E» hat etwas Tragische», datz der Mann, der mit allen Mitteln den Frieden zu erhalten suchte, rallen mutzte, al» der Reichstag sich zur Friedenskundgebung ent,chlotz, und daß die Volksvertretung ihn in dem Moment scheiden ltch, als er e» unternahm, ihre Reckte zu vermehren. Was Herr v. Bethmann während seiner achtjährigen Täffgkeft und nament - lich während des Krieges im Zusammenhalten de» Volke» geleistet hat, soll nicht vergessen werden. Dem neuen Reichskanzler kommen wir mit dem Vertrauen entgegen, dessen er zur Leitung der Staatsaesckäfte in so ernster Zeit bedarf. Wrr hoffen, daß er mit den gesellschaftlichen Vorurteilen brechen wird, die eine bolle AuönutznnH aller öol!»* fräste so oft verhinderte., und baß eS rhm gelingen wird, nach glücklicher baldiger Beendigung de? Kriege? einen Frieden herbeizusiibren, der die freie wirtschaftliche und politische Entwicklung des deutschen Volle» sichert, in seinen Grundlagen aber auch die Aussöhnung der Voller erhoffen läßt. Scketbemauu (SD.) : 2Bir waren politische Gegner bei zurück- getretenen Reichskanzlers unb haben feine Amtsführung oft auf da, schärfste kritisiert. Unsere Gegnersckaft und Kriffk unter- scheidet sich aber von einer anderen Art, die Personen angreift unb verleumdet. So weit haben wir eS unter dem Dttrgftieden gebracht, datz man al» Gegner nicht ernst genommen wird, wenn man mit anständigen Waffen kämpft. Ekelhaft und widrig war die Art, wie Herr v. Bethmann Hollweg von einer Seite be» kämpft worden ist WaS ist dem Reichskanzler nickt alle» nach- gerufen und nackgespieen worden! Pfui Teufel! Wäre er schon mit den Ueberzeugungen in sein Amt eingetreten, mit denen er es verlassen hat, wer weitz, ob nicht manche» besser gewesen wäre. Freilich war ein Reichskanzler mit solchen Ueberzeugungen vor dem Kriege nicht möglich. Die reaktionäre Wirtschaft vor dem Kriege ist unsere tragische Schuld. Al» Bethmann Hollweg und anderen ernsten Männern die Augen darüber aufgingen, war e» leider zu spät Da» versprechen des gleicken Wahlrechts hat er unS noch gebracht. Gegen bie Parlamcntarisierung, die Unter allen Umständen kommt, hatte er Bedenken, jene entsetzlichen Be - denken, die man immer zu spät aufgibt Er war im Grunde ge - nommen einsichtig, ohne starken Willen, und da» war zu wenig. Aber der Himmel behüte un» vor einem starken Willen ohne Ein - sicht; daS könnte unser Land nicht ertragen. Dieselbe Presse, die den Reichskanzler angriff, hat auch den Deutschen Reichstag angegriffen unb behauptet, die Nerven der Abgeordneten im Reichstag seien zerrissen und dergleichen. Ich stelle fest, datz da» alles Lüge ist Nicht» wesentlicher ist im HauShaltSauSschutz vor - getragen worden, wa» nicht auch hier schon von unseren Freunden oft gesagt worden ist Die Sensation war, daß wir nicht mehr allein standen. Wir Sozialdemokraten haben den U-Bootkrieg bekämpft. Eine wüste Hetze wurde gegen un» ent - fesselt. Nie hat ein Blatt seine Leser frivoler getäuscht al» die „Deuffche Tageszeitung". Sein Mitarbeiter, Graf Revent« l o w, gehört zu den Anstiftern de» Kriege» mit Amerika unb viel, leickt zu diesem nicht allein. In wenig Monaten, so hieß es, würde e» gelingen, England niederzuwerfen. Eine Gegenwir- lung gegen diese Hetze durch bie Presse war nicht möglich, weil die Zensur sie verbot. Ebenso wurden die Versammlungen ver - boten. Noch jetzt darf Herr Mertin in Schlesien gegen den Ver- ftänbigungSfrieben reden, unsere Leute dagegen nicht für einen Verständigung?frieden. Herr v. Heydebrand hat erst kürzlich aus - geführt, binnen zwei Monaten würde der Krieg durch die U-Boote gewonnen sein, Herr v. Heydebrand, Ihre U-Boot-Uhr ist abgelaufen! (Heiterkeit.) DaS waren die Dinge, die Herr Erz - berger im Hauptausschuß vorbrachte. Da» sickerte auch in die Oeffentlichkeit, unb da brach die Stimmungsmache zu - sammen. Datz die U-Boote England großen SchÄen zufügen, ist unbestreitbar, aber man hat sie als Mittel bezeichnet, den Krieg in diesem Sommer zu beenden. Und diese Illusion ist zu- sammenaebrochen, weil sie zusammenbrechen mutzte. (Zuruf rechrs: Wer bat da? gesagt?) Stellen Sie sich doch nicht unwissen - der, als Sie in Wirklichkeit sind. Diejenigen, die diese Illusionen erweckten und am liebsten noch für einige Monate prolongieren wollen, haben dem deutschen Volke einen schlechten Dienst ge - leistet. Nichts al» die Wahrheit kann uns nützen, und Wahr - heit ist, daß wir diesen Krieg mit militärischen Mitteln ebenso wenig zu Ende bringen können, wie unsere Gegner. Wir führen drei Jahre Krieg gegen einen Feind, dessen gewaltige Uebermacht sich dank einer geradezu unbegreiflichen Politik im Laufe des Krieges noch vermehrt hat. Noch immer stehen wir ungebrochen da. Wir sind noch immer Herr im eigenen Lande und stehen mit unseren Fronten weit in den feffidkichen Ländern. Ist daS rffcht eine ungeheure Leistung? I n der Verteidigung sind wir unüberwindlich. Hätten gewisse Leute nicht so getan, al? ob wir bie ganze Welt verschlingen könnten und wollten, so hätten wir heute weniger Feinde und vielleickt schon Frieden. WaS bie Regierung sagt, ist schon lange da» geistige Gemeingut des ganzen deuffchen Volkes. Mögen die anderen Völker diese Stimme hören, mögen sie wissen, daß wir keine Welterobe- rungSpläne hegen, daß wir keine Vergewalti - gung beabsichtigen, datz wir bereit sind, einen Frieden z u schliehen mit internationalen Rechtsgarantien. Wollen die anderen Völker da» auck, so kann der Krieg morgen zu Ende sein; wollen sie da» nicht, so werden wir weiter sümpfen, aber nicht reit werden bann die Schuld tragen, wenn die Welt zur Wüste wird. Es kann feinen Reichskanzler geben, der nickt im Sinne unserer Ent- schltehung bandeln müßte. ES ist zu Ende mit aller Zweideutig - keit. Der wildeste Annexionist als Reichskanzler, der auf einer Friedenskonferenz bie alldeutschen AnnexionSpläne vertreten würbe, würde dort anSgelacht. Man würde ihm sagen, fein eigene? Volk wolle von alledem nichts wissen, deine eigene Politik steht gegen dich. Mit der Annahme dieser Enffchlietzung wird eine Tatsache geschaffen, die durch nicht» mehr aus der Welt zu schaffen ist. Eine Regierung, die ihr entgegen handelte, sonnte das Reich nur zu einem Chao? führen. Nützliches leisten kann eine Regierung, die sich dieser Resolution aus Ueberzeugung an - schließt. Ist diese Regierung, die durch Herrn Dr. Michaelis repräsentiert wffd, eine solche Regierung? Wir haben seine Er - klärung gehört unb werden unser Urteil bereits gebildet haben. Der Reichskanzler hat gesagt, nicht um einen Tag dürfe der Krieg weitergeführt werden, um Eroberungen zu machen. Wir wollen einen Frieden, der Verständigung 'und deS Ausgleichs, einen Frieden, der dauernde Versöhnung ermöglicht. Da» find Ziele, die wir durchaus billigen. Stellen Sie sich einmal vor, eine Resolution, wie wir sie beschließen wollen, würde auch im englischen Unterhaus einge - bracht und vom dortigen Kanzler beantwortet, wie sie heute hier beantwortet fft. Morgen könnten die FriedenSverhandlungen be - ginnen. (Lacken rechts.) Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an, wenn ich in einer solchen Situation ein solches Ge» lÄhter Hove. Ich nehme an, daß der Herr Reichskanzler bei näherem Nachdenken zu dem Ergebnis kommen mutz, eine andere, auswärtige Politik, al» die hier vorgezeichnet ist, kann e» nickt mehr geben. Einem Reichskanzler, der sie nicht aus Ueberzeu - gung vertreten könnte, könnte man nur den guten Rat geben, einem anderen Platz zu machen, bet sie aus Ueberzeugung ver - treten kann. Eine kraftvoll« Politik frieb lieben« der Verständigung kann nicht getrieben werden ohn« ein freudige» Bekenntnis zum demokra - tischen Fortschritt. In dieser Beziehung klang manch«» in der Rede de» Reichskanzler» ziemlich verheißungsvoll. B e- friedi gen konnte sie mich nickt. Sollten wir etwa nach einem Reichskanzler, der bie Zeichen der Zeit erkannte und doch nickt nach ihnen zu handeln vermochte, einen anderen bekommen haben, der sie vielleicht nicht vollkommen erkannt hat? Der neue Reichskanzler wird nur Erfolg haben durch die Vollendung dessen, waS sein Vorgänger uns angekündigt hat. Wff brauchen einen Kanzler, der un» hilft, un» von dem Dreikla ssenwahlreckt zu befreien, bet den Weg zu einer neuen Regierungsform auch im Reich eröffnet Schnei l muß geschehen, was notwendig ist DaS deutsche Volk will Taten sehen. Möge der Reichskanzler dafür sorgen, daß nicht etwa die Legislaturperiode dos preußischen Ab - geordnetenhauses verlängert wird, unb daß die Wahlrecktsvor- lag« schon im Herbst den Landtag beschäftigt. Nut auf diesem Wege kann der Friede gesichert und eine bessere Zukunft de» Volke? erreicht Werdern Der demokratische Fortschritt ist nunmehr da» deutsche Volksziel geworden. Wer uns auf diesem Weg« entgcg«n tri 11, den halten wir für einen Schäd li n g an unserem Volke. WaS wir vor allem gebrauchen, ist die Befreiung der Presse von den schmackvollen Fesseln der Zensur. Den Zensurmaßnahmen gegen die „Frankfurter Zeitung" reihte sich würdig da» Verbot der „Zukunft" an. Die Breslauer „Volksmacht" durfte bei dem letzten Verbot ihren Lesern nickt mitteilen, daß sie verboten sei, sondern mutzte sagen, sie bade ihr Erscheinen eingestellt. Da» mußte den Eindruck er- wecken, al? sei da» Blatt geschäftlich zusammengebrvcken. Das ist ein direkt abscheuliches Verfahren. Der Erfolg ist gewesen, datz ihre Auflage von 45 000 auf 50 000 gestiegen ist Das verbot der Verbreitung von zwei Arftkeln in der „Leipziger Volkszeitung", bie sich gegen die sozialdemokratische Fraktion richteten, al» Flug-' blatt, geht ebenso über die Hutschnur, tote da» Verbot der Ver- breftung von Reichstagsreden. Der „vorwärts", der durch sein unerschrockenes Vorgehen der ganzen deutschen Presse mehr Lusr