Nr. 21« Sonnabend, den 8. September 1917 31. Jahrgang Hamburger Echo Anzeigen die achtgesv-ltene Petitzeile oder deren Raum 45 4, Arbeitsmarkt, Bermietnngö- und Kamilienanzeigen 25 4 zuzüßlich 10 pZt. Teuerungszuschlag. Anzeigen Aunalimc ^ehlandstr. 11, Erdgeschoß (bis L Uhr nach«.), m den Filialen (dir 3 Uhr), sowie in allen Annoncen-Bureaus, Platz, u Daten. Vorschriften ohne Berbindlichkeit. Reklamen im redaktionellen Teil werden weder gratis noch gegen Entgelt ausgenommen. — Buchhandlung: Erdgeschoß. Buchdruckerei-Kontor: l. Stock. Fehlandstr.il. Das »Hamburger Echo" erscheint täglich, außer Montags. Bezugspreis r durch die Post ohne Bringegeld monatlich * l,5o, vierteljährlich * 4,50, durch di, Austräger wächentlich »5 4 frei in» Hau». Einzelnummer In der Expedition und den Filialen ö 4. bei den Straßenhändlern 10 4. SonntagSnummer mit »Neue Welt" 10 4. Kreuzbandsendungen monatlich x 2,70, für da» Ausland monatlich * 4,—. Redaktion: ^ambura 36 Expedition: Fehlandstratze 1L L 6toi *V ltutv a Fehlandstraße 1L Erdgeschoß. Derantw örtlicher Redakteur: Karl Petersson in Hamburg. ,Zunächst deshalb, weil sie ein Ruhmesblatt für die , lich zu machen, das hier in der Tat allerwichtigste Gegenwarts Mil UH SrWWWH : . . i. Bon Konrad Haenisch. ausgeblieben. Dies alles braucht man nur anzudeuten, um jedem begreife Wir sind auf die Vorgänge von damals heute aus verschie - denen Gründen so verhältnismäßig ausführlich eingegangen. Vor mir liegt eine kleine, heute so gut wie verschollene Schrift August Bebels. Sie umfaßt nur 32 Seiten und trägt den Titel: „Das Reichsgesundheitsamt und sein Programm vom sozialistischen Stand - punkt aus beleuchtet." Die Broschüre ist der Wieder - abdruck zweier Artikel, die im Jahre 1878 zuerst in der von Karl Höchberg hesausgegebenen Zeitschrift „Die Zukunft" er - schienen. Bebel schrieb diese Artikel in den ersten Monaten des Jahres 1878 im Leipziger Gefängnis, in dem er — wieder einmal — sechs Monate wegen angeblicher Bismarckbeleidi - gung zu verbüßen hatte. Den Anlaß zu der Arbeit hatte eine der Reichstagsdruck- sachen gegeben, die dem jungen Sozialistenführer in seine ein - same Gefängniszelle nachgesandt worden war. Diese Vorlage enthielt die Forderung der Regierung auf Bewilligung der Summe von ganzen M 44 500, mit deren Hilfe sie das bis dahin erst embryonal vorhandene Reichsgesundheitsamt ein wenig ausbauen wollte. Der Vorlage war eine Denkschrift beigegeben, in der die Regierung diese Forderung ausführlich begründete. Es ist wahrscheinlich das erstemal gewesen, daß August Bebel, der gemeinsam mit Wilhelm Liebknecht damals seit reichlich zehn Jahren schon im schärfsten Kampfe gegen das Bismarcksche Regime stand, eine Vorlage der Regierung dieses Gehaßten sympathisch begrüßte. Und er tat nicht nur das. Er sah in der Vorlage geradezu einen hochbedeutsamen Schritt auf dem Wege zum Sozialismus und trat deshalb mit dem ganzen Feuer feines jugendlichen Enthusiasmus für die Forde - rung der Regierung in die Schranken. In großen Linien ent - wirft Bebel auf den knappen 36 Seiten seines Schriftchcns ein Programm für die Arbeit des neuen Amtes, das auch heute noch ernster Beachtung wert ist. Je freundlicher der überall als Reichsfeind verschriene sozialdemokratische Drechslermeister die Vorlage begrüßte, um so feindlicher stellten sich ihr gewisse Vertreter der bürgerlichen Parteien gegenüber. Lieft man heute die stenographischen Reichstagsberichte aus jenem Winter von 1878 durch, so fällt man von einem Erstaunen ins andere über die vollendete Verständnislosigkeit, mit der anerkannte Wortführer des deutschen Bürgertums der von der Regierung geplanten neuen Einrichtung gegenüberstanden. Und nicht nur dieser neuen Einrichtung selbst, sondern allen Fragen des öffentlichen Gesundheitswesens überhaupt. Da gab es zum Beispiel am 16. Februar 1878 im Reichs - tage eine Jnterpellationsdebatte über die von der Regierung augekündigte Einbringung eines Viehseuchengesetzes uns einer Leichenschauvorlage. Der bekannte Zentrumsführer Dr. August Reichensperger konnte sich es nicht versagen, gerade aus diesem Anlaß die lebhaftesten Klagen zu erheben über die unge - heuren Lasten, die durch solche Ausgaben dem Volke auferlegt würden. Wörtlich erklärte er: „Es ist gewiß eine schöne Sache um die Bildung, um die wissenschastliche, um die allgemeine Bildung eines Volkes . . . ., aber schließlich unterliegen die Gemeinden unter solchen Abgaben." In das gleiche Horn blies der konservative Führer v. Helldorf, dessen Partei niemals daran gedacht hatte, auch der umfassendsten Militärvorlage etwa gleichfalls aus Sparsamkeitsgründen irgendwelche Schwie - rigkeiten zu machen. Solche Gesetze, meinte er, stifteten „weniger Ordnung als Verwirrung", und die sittliche Auf - fassung der Bevölkerung werde sich nur schwer mit der Leichen - schau befreunden können. . . . Das gleiche Bild bot sich, als am 2. März dann jene vor - hin erwähnte Forderung von sage und schreibe 44 500 für das Reichsgesundheitsamt int Plenum des Reichstags zur De - batte stand. Wieder war es vornehmlich August Reichen - sperger vom Zentrum, der sich mit der Vorlage vor allem aus finanziellen Gründen nicht befreunden konnte und demgemäß um ihre Ablehnung ersuchte. Die Bagatellsumme, die die Re - gierung forderte, flößte ihm solch Entsetzen ein, daß er das ge - plante Amt „eine förmliche finanzielle Aufsaugungsmaschine" nannte. Und dabei, so prophezeite er düster, werde cs nicht ein - mal stehen bleiben. Er habe gelesen, daß man bereits mit dem Plane umgehe, an allen deutschen Universitäten besondere Lehrstühle für das öffentliche Gesundheitswesen einzurichten! Ja — habe man denn an den schon vorhandenen Professoren noch nicht genug? Außerdem denke man schon daran, sogar P o l i z e i b e a m t e mit Vorkenntnissen im Gesundheitswesen anzustellen. Das gehe doch entschieden zu weit. Ebenso wenig wollte Herr Reichensperger von der geplanten staatlichen Ueber: wachung der Lebensmittelverfälschung etwas wissen. Es ge - nüge völlig, wenn sich private Vereine dieser Sache annähmen und "moralisch" auf die Verfälscher von Lebensrnitteln einzu - wirken suchten. In ähnlichem Sinne sprach sich der damals sehr bekannte freikonservative Führer Dr. Lucius aus: Das Reichsgesund - heitsamt habe sich mit der Aufdeckung von Schwindeleien in keiner Weise zu beschäftigen. Wollten die Menschen sich durch - aus betrügen lassen, so möchten sie es ruhig tun. Das Reich aber habe damit genau so wenig zu schaffen, wie es etwa dazu berufen sei, zu verhindern, daß das Publikum sein Geld in Schwindelpapieren anlege. Das Tollste war, daß s o g a r e i n A r z t, der Abgeordnete Dr. Mendel, im Ramen der Fortschrittspartei, an Beschränkt - heit der Auffassung hinter den beiden genannten Rednern keines - wegs zurückstand. Mit wissenschaftlichen Aufgaben, so meinte dieser Herr, habe sich das Reichsgesundheitsamt überhaupt nicht zu besassen, das sei ausschließlich Sache der Universitäten. Der Kreis der Tätigkeit des Reichsgesundheitsamts müsse so eng wie möglich gezogen werden, über den Rahmen einer „Vermittlungsbehörde" zwischen der Wissenschaft und der Ge - setzgebung dürfe es unter keinen Umständen heraustreten. Nur nicht die Befugnisse der Polizei auf gesundheitlichem Gebiete er - weitern! Besonders hatte es dem Herrn Doktor der Plan des Neichsgesundheitsamt angetan , auch die Chemie als Hilfs - wissenschaft der öffentlichen Gesundheitspflege dienstbar zu machen. Die Chemie sei überhaupt vorläufig noch keine ernst zu nehmende Wissenschaft, da sie auf viele Fragen die Antwort schuldig bliebe. Und was dergleichen geistvolle Bemerkungen mehr waren! schließlich konnte die Regierung noch hcilssroh fein, daß ihr trotz aller dieser tiefgründigen Bedenken die geforderten M 44 500 für das Reichsgesundheitsamt überhaupt noch mit Ach und Krach bewilligt wurden. Fragen und unserem ganzen politischen Leben, ist geradezu er - schreckend groß. So sand es denn auch fast ausschließlich in "her medizi n i s ch ’e'n F ach p r e sse und in einigen populär- medizinischen Zeitschriften ein Echo, als — im Sinne des vor - liegenden Artikels — der Schreiber dieser Zeilen im Februar dieses Jahres bei der Beratung des Medizinaletats im preu - ßischen Abgeordnetenhause auch für Preußen die Umwandlung der Medizinalabteilung, die früher ein Ressort des preußischen Kultusministeriums bildete und seit einer Reihe von Jahren dem Ministerium des Innern unterstellt ist, in ein selb - ständiges Ministerium verlangte. Die politische Tagespresse ging an der Erörterung im Abgeordnetenhause fast durchweg ganz gleichgültig vorüber. Und doch gibt es kaum einen Komplex von Fragen, der für die ganze Zukunft unseres Volkes bedeutungsvoller wäre als jener, von dem wir hier sprechen. Um nur einiges Wenige vom Allerwichtigsten herauszugreifen, so denke man an das in feiner Bedeutung gar nicht zu überschätzende Problem der Be- völkeruugspolitik in dem politische, soziale, volkswirtschaftliche, ethische Fragen und Fragen des Gesundheitswesens im engeren Sinne eine unlösbare Einheit bilöcn. Atan denke an den von der Regierung gerade jetzt vorbereiteten und dem Reichstage schon angekündigten Entwurf über das gesetzliche Verbot des Vertriebes empfängnisverhütender Miltel, man denke an den Schutz der Schwangeren und der Wöchnerinnen sowie der Säuglinge, an den Zusammenhang der Säuglings - sterblichkeit mit der sozialen Lage der Eltern im allgemeinen, mit den Fragen der Milchbeschaffung und des Wohnungswesens im besonderen. Man denke an die engen Zusammenhänge zwischen Ernährungsfragen, Wohnungsfragen und Seuchen- festigkeit, man denke an den Alkoholismus als soziales Problem, an die Beziehungen zwischen Wohnungswesen, Beschäftigungs - art, Arbeitszeit, Ernährungsweise und Tuberkulose. Gerade die Schwindsuchtsgefahr, die im letzten Jahrzehnt vor dem Kriege unter dem Einfluß umfassender sozialhygienischer Maßnahmen ein klein wenig von ihrer furchtbaren Bedrohlich - keit eingebüßt hatte, hat im Verlaufe des Krieges wieder ein ganz außerordentlich ernstes Gesicht erhalten. Auch an die Zusammenhänge zwischen den Darmkrankbeiten und der Er - nährungsweise möge man sich erinnern, ebenso an die engen Beziehungen zwischen der Art der Ernährung und der Ent - wicklung der Krebskrankheiten zu Volksseuchen gefährlicher Art. Und sollen wir erst an die gleichfalls durch den Krieg zu so bedrohlicher „Aktualität" emporgewachsenen Frage der venerischen Krankheiten erinnern, um zu zeigen, daß wir es hier in der Tat mit sozialen Problemen des ernstesten Cha - rakters zu tun haben? Die gleichfalls vom Kriege in den Vor - dergrund geschobenen sozialhygienischen Fragen der Krüppel- fürsorge, der Blindenbeschäftigung, der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit bei Kriegsverletzten brauchen wir wohl nur zu nennen; ebenso die Frage der Rahrungsmittelverfälschungen, die heute in der Tat ebenso wenig mehr eine rein moralische wie eine rein juristische Frage ist, die sich vielmehr gerade in den letzten Jahren auch ihrerseits zu einer sozialhygienischen Frage erster Ordnung ausgewachsen hat. Und schließlich — wir er - innern wirklich nur an da s W i ch t ig st e — vergesse man das Heer der Nervenkrankheiten nicht, die durch den Krieg und seine physischen wie psychischen Folgeerscheinungen eine so unheim - liche Zunahme erfahren haben. Auf der anderen Seite sind gleichfalls in den letzten Jahren die gerade auf dem Gebiete des Medizinalwesens ganz be - sonders bedenklichen großkapitalistischen Einflüsse immer deutlicher zutage getreten. Die Verquickung von Wissenschaft und Geschäft hat gerade hier unheim - liche Fortschritte gemacht. Skandalöse Begleiterscheinungen, wie die systematische Mundtotmachung unbequemer Forscher in angesehenen Organen der medizinischen Fachpresse sind nicht Zwischen Qchrida- und PrcSpa-Tee Gefechte von Streif- abteilungen, östlich deS Vardar lebhafte Fcucrtätigkeit. Der Erste Generalquartiermeistcr. Ludendorff. Ser W M öen Monte San Mtiele. WTB. Wien, 7. September. Amtlich. Feindliche Fliegerangriffe gegen die offene Stadt Triest werden zum täglichen Ereignis. Die Kämpfe auf dem Südteil der Karsthochsläche dauern an. Vergebens müht sich der Feind, uns die in den letzten Tagen errungenen Erfolge streitig zu machen. Seine Angriffe — durch unsere Truppen wiederholt im Gegenstoß gesatzt — scheiterten durchweg unter schweren Verlusten. Außerordentlich heftig wird noch immer um den Monte San Gabriele gerungen. Kein Opfer ist dem Feind zu groß. Zehn Angriffe brachen gestern am Nordhang zusammen. Ein schwerer Ansturm wurde am Westhang abgeschlagen. Seit dem 19. August haben wir am Jsonzo insgesamt 500 italienische Offiziere, 18 000 Mann gefangeugcnommeu. An blutigen Opfern steht für die Italiener die 11. Jsonzo- Schlacht vor den früheren Schlachten in keiner Weise zurück. Ueber die anderen Fronten und Kriegsschauplätze ist nichts von Belang mitzutcilen. Der Chef des Generalstabes. Ereignisse zur See. , Alö Vergeltung für die wiederholten gegen die offene Stadt Triest gerichteten scindlichen Fliegerangriffe belegten unsere Sceflugzengc iu der Nacht vom 0. auf den 7. Sep, tcmbcr das Seearscnal und die militärischen Anlagen der FestungVenedig auSgiebig und mit sehr gutem Erfolge mit Bomben. Es wurden zahlreiche Treffer eiuwandösrei beobachtet. Trotz heftigen Abwehrfeuers sind alle Flugzeuge wohlbehalten zurückgekchrt. Flolienkommando. und Zukunftsinteressen unseres Volkes auf dem Spiele stehen, und daß es mit dem bisherigen Schlendrian, mit der bisherigen Gleichgültigkeit weiter Volkskreise diesen Dingen gegenüber einfach nicht mehr weiter geht. Aber darf denn ein medizinischer Laie dazu über - haupt das Wort nehmen oder ist es nicht vielmehr einfachste Pflicht der Selbstbescheidung, hier ganz und gar den Fach - männern das Feld zu überlassen? Ich denke: nein! Voraus - setzung ist natürlich, daß der Laie, wenn er sich in diesen Din- gen, äußert, sich der Grenzen seines Wissens und seiner Urteils - fähigkeit in jedem Augenblick klar bewußt bleibt. Grober Unfug wäre es und eine lächerliche Anmaßung obendrein, wenn ein Laie sich z. B. ein Urteil erlauben wollte über die zweckmäßige Dosierung irgendeines Medikaments, über die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt in irgend einem bestimmten Krankheitsfälle etwa ein operativer Eingriff geboten ist. Das wäre ebenso albern, als wenn ein Laie etwa über die Technik des Brückenbaues und über die zweckmäßigste Form von Bremsvorrichtungen im Eisenbahnwesen der Oeffentlichkeit feine unmaßgebliche Meinung aufdrängen wollte. Aber von dem allen ist hier nicht die Rede. Was hier zur Debatte steht, ist ja durchaus nicht etwa die Technik des Heil - verfahrens im einzelnen Falle, sondern der große Zu - sammenhang des allgemeinen Gesundheits - wesens mit den wichtigsten Fragen unseres wirtschaftspolitischen Lebens. Und d a mitzureden, hat meiner Meinung nach auch der Politiker nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht. Ganz besonders Der sozialistische Politiker! Wenn sich der im öffentlichen Leben stehende Mann trotz seiner Laienhaftigkeit das Recht nicht nehmen läßt, über volkswirtschaftliche und finanzielle Fragen Les Eisenbahnbetriebes mitzusprechen und mitzuent- scheicen, so darf er sich in dem noch unendlich viel beoeutungs- volleren und umfassenderen Gebiete des Gesundheits - wesens dieses Recht schon gar nicht nehmen lassen. Daß er sich, bevor er öffentlich über diese Dinge redet, nach besten Kräften zu unterrichten suchen muß, ist so selbstverständlich, daß wir es wohl kaum ausdrücklich zu sagen brauchen. deutsche Sozialdemokratie bilden. Deren aus dem Proletariat hervorgegangener Führer erkannte auf einem der wichtigsten Gebiete der Volkswohlfahrt mit scharfem Blick die Notwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft schon zu einem Zeitpunkte, als hochgelahrte politische und wissenschaftliche Ver - treter des Bürgertums noch mit den krähwinkeligsten Bedenken an diesen Notwendigkeiten herumnörgelten. Viel wichtiger je - doch noch als die Betonung dieses berechtigten Stolzes auf die eigene Partei ist für uns die Untersuchung der Frage, wieviel von den hochfliegenden Plänen, mit denen das Reichsgesund - heitsamt damals ins Leben gerufen wurde, heute, nach fast vierzig Jahren, denn nun verwirklicht ist, und wieviel auf der anderen Seite feiner Verwirklichung immer noch harrt. Im Zusammenhänge damit aber muß diese Frage dahin er - weitert werden, ob das damals ins Leben gerufene Reichsgesund - heitsamt in seinen bisherigen Formen und mit seinen bis - herigen Kompetenzen den ins Ungeheure gewachsenen Aufgaben der Gegenwart überhaupt noch zu genügen ver - mag oder ob nicht vielmehr gerade der Krieg uns auch auf dem Gebiete des Gesundheitswesens vor so ungeahnt ge - waltige und vor so unübersehbar große Aufgaben gestellt hat, daß sich eine Reform des Reichsgesundheitsamtes, und zwar eine Reform an Haupt und Gliedern, als unabweisbare Not - wendigkeit daraus ergeben muß. Wir haben ja auf vielen Gebieten der Staatsverwaltung eine ähnliche Entwicklung erlebt. Es sei nur erinnert an das einst so bescheidene, vom Auswärtigen Amt ressortierende Reichskolonialamt, das seit einem Jahrzehnt schon in ein selb - ständiges Reichsamt mit einem Staatssekretär an der Spitze umgeroanbett worden ist. Die Entwicklung des Kolonialwesens hatte eben im Lause der Zeit den alten Verwaltungsrahmen mit Naturnotwendigkeit gesprengt. Und spielt sich nicht ähn - liches gerade heute wieder vor unseren Augen ab? Wir sehen, wie das Reichsamt des Innern infolge der ungeheuren Ausdehnung seines Aufgabenkreises in zwei Reichsämter zer - legt werden muß. Wir erleben, wie neben dem künftig im wesentlichen auf innerpolitische Fragen im engeren Sinne be - schränkten Neichsamt des Innern ein NeichSwirtschaftsamt und ein Reichsernährungsamt geschaffen wird — zwei Einrich - tungen, an die vor drei Jahren noch kein Mensch dachte. Nun wohl — nicht minder wichtig ist seit langem schon die Aus - gestaltung des bisher wie ein Veilchen im Verborgenen blühen - den Reichs gefundheits amteS zu einem eigenen Reichsamt mit einem Staatssekretär an der Spitze und mit umfassenden Vollmachten. Im Grunde ist es höchst merkwürdig, daß diese Forderung bisher in der Oeffentlichkeit noch gar nicht erhoben worden ist, trotzdem der Krieg tagtäglich das deutsche Volk und seine Be - hörden vor die schwerwiegendsten gesundheitlichen Probleme stellt. Oder vielmehr auch nicht merkwürdig! Denn die Un - kenntnis, die in den weitesten Kreisen des deutschen Volkes über die elementarsten Fragen des Gesundheitswesens besteht, veK-, vor allem über die innigen Zusammenhänge zwischen diesen Deutscher Heeresbericht. Amtlich. WTB. G r o ß c S H a u p t q u a r t i c r, 7. Sepienchcr. Wc ft kicher Kriegsschauplatz, tzetttsgrupxc Lrouprin; Rupprecht. An der flandrischen Front spielten sich zwischen Houttzoulstcr Wald und Sollcbckr wieder heftige Artillerie- kämpfe ab. Morgens und abends griffen die Engländer nach starkem Trommelfeuer «nsere Stellungen nördlich der Bahn RsulerS» Hpern in 4 Kilometer Breite an. Nach kurzem, hartem Kampfe wurde» sie überall zurückgeworsen. Ter Einfatz von drei Dipisionen zu diesen Angriffen, die dem Feind hohe Verluste kosteten, wurde durch Gefangene bestätigt. In den benachbarten Abschnitten drangen nach kräftigen Feuerstößen englische Erkundungsadteilungcn vor; auch sie hatten keine« Erfolg. Bei Lens scheiterten frühmorgens Tcilangriffe des Feindes verlustreich. Herrrsgruppe Hrütldjfr Lronpriin. In mehreren Teilen der Aisne-Front und in der Champagne blieb die Kampftätigkcit tagsüber lebhaft. Vorfcldgefcchte brachten uns Gefangene ein. Tic Artillcrieschiacht anf dem Cstufet der Maas wurde bis in die Nacht hinein mit nur kurzen Unterbrechungen fortgcführt. Unser Vernichtungsfeuer gegen erkannte Bereit - stellungen von Sturmtrupps vcrhindcrrc am Fosses - Walde einen Angriff der Franzosen. Südlich von Beaumont drang ein württembergischcS Regiment in die feindlichen Linien und Vertrieb die Besatzung im Handgranatcnkampf. Badische Stoßtrupps brachen in den Courieres - Wald ein und kehrten mit Gefangenen zurück. 9 feindliche Flugzeuge wurden im Lustkampf, weitere 5 durch Abwehrfeuer zum Absturz gebracht. Oestlicher Kriegsschauplatz. front prim Leopold. Die RiickzugSbcwegungcn der Russen nordöstlich der unteren Tüna dauerten gestern an. Unsere Kavallerie kämpfte erfolgreich mit feindlichen Nachhuten südwestlich von Nitau und bei Neu-51aipcn (70 km östlich von Riga). Zwischen Lobc-Scc und Friedrichstadt hat der weichende Feind die Ortschaften in Brand gesteckt. Die Beute iu Tünamünde beläuft sich außer viel Schicß- bedarf und Kricgsgcrät auf 40 Geschütze, davon haben 22 größere Kaliber alS 12 cm. Bis zum Schwarzen Meere sonst keine größeren Kampf- Handlungen. M a 3 e b o n i f ä) e Front. Sieben Dampfer vernichtet. Amtlich. WTB. Berlin, 7. September. Im Atlantischen Ozean, im Aermclkanal und in der Nordsee vernichteten unsere Unterseeboote wiederum sieben Dampfer mit 19 500 Srutto-Negisser-Tonnen. Darunter die englische U-Bootsfalle »O, 8* (früher eng - lischer Dampfer »Bola"), ein unbekannter Dampfer von etwa 4000 Tonnen, der nach 2lusschen, nach Art der Be - waffnung und Scheinwerfer sowie nach dem gleichmäßigen Anzug der Besatzung als Hilfskreuzer angesprocheu wurde und ein englischer bewaffneter, gesicherter, tief beladener Dampfer. Der Chef des AdmiralstabeS der Marine. 3n SOoomünöe — im Meile» Ligo. (Telegramm unseres Kriegsberichterstatters Dr. Adolf Koster.) Den 6. September. Der militärisch wichtigste Punkt des Rigaer Meerbusens be - findet sich seit gestern in deutscher Hand. Schon 9 Uhr morgen? wurde die zu beiden Seiten der Dünamündung liegende Festung Dünamünde, aus Fernwerken und vorgeschobenen schweren Küstenbatterien bestehend, durch deutsche Marinetruppen besetzt. Ich komme soeben aus Dünamünde zurück. Ern Teil der Kasernen ist ausgebrannt. Von den Batterien sind mehrere schwere und mittlere bis auf die Verschlüsse erhalten. Unsere Marine arbeitet fieberhaft an der Sicherung der unteren Düna, der Hebung von versenkten Fahrzeugen und dem Wiederaufbau von Brücken. Was an größeren Schiffen auf der Düna schwamm, hat Riga im letzten Augenblick vcrlasien und sich teils nach Pernau, teils nach Reval begeben. Schon am Tage unseres Ueberganges bei Uexküll dampften aus Riga in aller Eile die zwei letzten russischen «treu« zer ab. Nach dem kurzen Interregnum der Plünderung und dem ersten. Freudenrausch der befreiten Deutschen wird das Leben in der Stadt schnell wieder normal. Ueber die Hälfte der 500 000 Einwohner ist geflohen, meist Russen und Letten und daneben auch die verschiedenen russischen Komitees. Der Preis der Lebens - mittel, der Kleider, des Holzes, der fteilich, wie in ganz Rußland, schon im letzten Halbjahr gegenüber den deutschen Verhältnissen eine schwindelhafte Höhe erreicht hat, steigt noch immer an. Zur Regelung der Ernährung dieser größten Industriestadt der Ost - feeprovinz ist der bisherige verdiente deutsche Stadthauptmann von Libau, im Frieden zweiter Beigeordneter von Elberfeld, be - rufen worden. Die deutsche Stadtverwaltung, die bei den eben beendeten städttschen Wahlen von den Letten in die Mino - rität gedrängt wurde, ist heut« vom Oberkommandierenden der siegreichen deutschen Arme« empfangen worden und nimmt ihre Arbeiten wieder auf. Infolge der letzten Plünde - rungen ist die Erregung der Deutschen gegen die Letten sehr groß. Tie lettischen Arbeiter und Soldaten Rigas waren zum größten Teil Maximali'ren, doch gab es wie bei den kurländischen so auch bei den livländischen Letten selbst nach der Revolution ein« starke a n t i r u s s i s ch e Strömung, die für ein fteieS Baltikum mit Anlehnung nach dem Westen plädiert. Tr. Adolf Köster. Der §all Rigas. Nach dem „Nieuwc Rotierdamschen Courant" meldet „Taily News" auS Petersburg vom 4. September: Tie politische Bedeutung des Falles Riga hängt ganz von den Umständen ab, worunter die Stadt gefallen ist. Die rechtsstehenden Parteien versuchten die Ursache ebenso darzustellen, wie bei den Nieder - lagen der Russen im südlichen Abschnttt der Front, um damit eine Waffe gegen die demokratische Organisation zu schmieden. Der Arbeiter- und Soldatenrat in Petersburg erhielt aber zwei ausführliche Berichte, woraus hervorgehe, daß die Armee bet Riga gut gekämpft habe und nur durch die Ueberlegenheit dec tech - nischen Hilfsmittel des FeindeS besiegt wurde. Von einander ab- geschnittene russische Regimenter hatten gekämpft, bis sie fast voll - ständig vernichtet waren. Die militärischen Folgen des russischen Rück - zuges sind der Pariser Presse zufolge sehr ernst. „ L ' H e u r e " schreibt, man müsse hoffen, daß die russische Re- gierung, ähnlich wie der französische Konvent, durch wenige Hin - richtungen die Ordnung wiederherstelle, sich aller Spione und törichten Arbeiter- und Soldatenräte entledigen könn«. . L' I n - transigeant" schreibt, die deutsclie Unternehmung gegen Riga sei eine geschickte Antwort auf Wilsons Note und zugleich eine Stärkung der Auwrilät des Pangermanismus und der Miltt tärkaste. In dieser Hinsicht sei die russische Niederlage doppelt schmerzlich. Die Lehre aber sei, daß ein Volk, das sich vor dem Feinde inneren Unruhen hingebe, verloren sei. Die deutsche Offensive bei Riga findet in der schwedischen Presse stärkste Beachtung. Heute wird sie wieder von^dem militärischen Mitarbeiter im »SvenSka Dagbladet" be - sprochen, der zunächst feststellt: Der deutsche Vorstoß entwickelte sich zu einer Schnelligkeit, die auch bei den jetzigen Verhältnissen an der Ostfront als geradezu verblüffend angesehen werden müsse. Dann fährt er fort: Die Einnahme Rigas ist natürlich von be - sonders großer Bedeutung, sowohl unter militärischem, wie viel - leicht noch mehr unter dem moralischen Gesichtspunkt, denn sie zeigt klar Deutschlands Fähigkeit, auch unter dem größten Druck auf den übrigen Fronten seine Erfolge im Osten in höchst be- merkenswerter Weise zu steigern. Die allgemeine Lage iit augenblicklich so geartet, daß man immer neue wichtige Nach - richten vom Osten erwartet. Infolgedessen knüpft sich das Haupt - interesse nicht an das, waS schon gewonnen ist, sondern an die Frage, wie weit die Deutschen jetzt im Ernst gegen Rußlands- Herz zum Angriff vorgehen werden. Tie Gelegenhett scheint ja jetzt verlockender als je, da die Offensive der Entente auf der Westfront erloschen ist und zugleich die Verwirrung im russischen Heere ihren Höhepunkt erreicht zu haben scheint. Für die Aus - führung einer ernsten Offensive sprechen natürlich viele Gründe. Di« Hauptsache ist vom deutschen Standpunk aus natürlich, ent - weder mit Rußland Frieden zu bekommen, oder, wenn sieb das als unmöglich zeigt, die militärische Kraft so zu zerschmettern, daß diese für längere Zeit nicht mehr mitgeiecbne: werden braucht. Sodann weist der Verfasser auf die Wirkungen einer solchen Offensive in Finnland und überhaupt in der Ostsee, hin und auf die gefährliche Bedrohung der Verbindung zwischen Rußland und England. Auch andere Bläter behandeln di« gleichen Fragen. Die Zrieöensbewegung. ZranMsche Stimmen zu Wilsons Note. Zur Antwortnote Wilsons auf die FriedenSnoie des Papste» bemerkt die katholische .Croix": Wir haben in diesen beiden Noten zwei sich direkt widersprechende Lettsätze vor Augen, die von den beiden zurzeit mächtigsten Stimmen der Welt auSgehen. Deck Papst mahnt zum Frieden, getteu den Traditionen seines AmteS und dem Geist deS Evangeliums; allein, da er einsieht, daß ein Friede und Waffenstillstand jetzt unmöglich ist, sagt er: Sprecht wenigstens vom Frieden! Da? kann auch bei der Fort - dauer des Kampfes geschehen.^ Wilson sagt: Nein, noch kann man nicht davon sprechen. Erst muß die deutsche Regierung ver - schwinden, dann wollen wir großmütig mit dem deutschen Volk" verhandeln. Zuerst wurde die päpstliche Note fast allgemein ab - gelehnt. Bei reiflicher Ueber kgung aber machte sich eine gegen - teilige Ansicht geltend. Mr meinen, daß die Geschichte dieser letzten