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men  werben  auch  gegen  Itnt* 
gHi  nid»  airlgenommen. 
|lr.  139. 
Dienstag,  den  25.  März  1919.  -  Morgen  Ausgabe. 
33.  Jahrgang. 
MM  Muslim  ülilltflrlsmus. 
Das  kürzlich  von  der  deutschen  Nationalversammlung  ver -
abschiedete  NeichSmehrgesetz  war  ein  Provisorium.  Weil  eS 
ols  solches  gedacht  war,  beschränkte  man  sich  auf  eine  Frei- 
willigcntruppe.  Seitdem  ist  die  Werbearbeit  im  ganzen  ziem -
lich  erfolgreich  gewesen,  und  c5  entstehen  leidlich  intakte  Trup- 
penformationen.  Der  Hinweis  auf  d;n  provisorischen 
Charakter  der  jetzigen  Reichswehr  bedarf  aber  im  Hinblick  auf 
den  bevorstehenden  Friedensschluß  einer  ernsthaften  kritischen 
Betrachtung.  Watz  wir  jetzt  als  provisorisch  aufstellcn,  ist 
aller  Voraussicht  nach  gar  kein  Provisorium,  sondern  Arbeit 
für  den  Militarismus,  der  Deutschland  in  Zukunft  von  der 
Entente  zugcdacht  ist.  Zu  den  Meldungen,  die  aus  dem  Wust 
der  Nachrichten  über  die  Friedensbedingungen  von  besonderer 
Bedeutung  sind,  gehören  vor  allem  die  über  die  spätere 
Gestaltung  des  deutschen  Heeres.  Die  uns  ge -
stattete  Ziffer  spielt  dabei  nicht  einmal  die  Hauptrolle.  Ob  es 
250  000  oder  150  000  Mann  sein  werden,  ist  nicht  so  wichtig 
wie  der  andere  Umstand,  daß  dieses  „Heer"  einSöldner  Heer 
sein  muß.  Die  Mannschaften  müssen,  genau  wie  zu  den  Zeiten 
der  Despoten  des  18.  Jahrhunderts,  mehr  denn  ein  Jahrzehnt 
bei  den  Fahnen  bleiben,  werden  also  in  aller  Form  Berufs -
soldaten.  Auch  England  hatte  vor  dem  Kriege  ein  solches 
Söldnerheer,  und  man  scheint  gerade  mit  dem  Hinweis  auf 
Britannien  unserem  Volke  diesen  deutschen  Zukunftsmilitaris -
mus  schmackhafter  machen  zn  wollen.  Aber  demgegenüber  muß 
gleich  von  vornherein  betont  werden,  daß  ein  solcher  Vergleich 
absolut  deplaciert  ist.  Tas  Söldnerheer  des  neuen  Deutsch -
lands  und  das  Englands  von  vor  dem  Kriege  wuchsen  und  wur -
zelten  in  grundverschiedenen  staatsbürgerlichen  Verhältnissen  und 
hatten  grundverschiedene  Ausgaben.  Englands  Söldnerheer 
war  eine  Truppe,  die,  mit  den  wenigen  Ausnahmen  in  Irland, 
fast  ausschließlich  berufen  war,  das  britische  Kolonialreich  zu- 
sammenzuhalten.  Als  Macht-  und  Ordnungsinstrument  im 
Innern  wurde  es  kaum  betrachtet,  denn  der  englische  Staat 
war  schon  sehr  lange  kein  Obrigkeitsstaat  im  preußisch-deutschen 
Sinne  mehr,  sondern  hatte  das  Prinzip  der  bürgerlichen 
Selbstverwaltung  so  sicher  in  allen  seinen  Schichten  kultiviert, 
daß  sich  dadurch,  und  nicht  durch  die  Söldner, 
die  Staatsrnaschine  schützte. 
Ganz  anders  aber  wird  die  Position  des  deutschen 
Söldnerheeres  der  Zukunft  sein.  Es  wird  geschaffen  nach  dem 
Diktat  der  siegreichen  Feinde  und  wird  in  dem  ersten  Lande 
der  allgemeinen  Wehrpflicht  sofort  als  Fremdkörper  ge -
schaffen.  Das  bedeutet  gerade  im  gegenwärtigen  flüssigen  und 
garenden  Zustand  unserer  Staatswerdung  eine  doppelte  und 
dreifache  Gefahr.  Tas  Heer  der  allgemeinen  Volksbewaffnung, 
die  Bolksiniliz,  wird  der  jetzt  die  politische  Macht  in  Händen 
ballenden  Sozialdemokratie  direkt  verboten.  Mag  die 
herrschende  Sozialdemokratie  sich  bis  zum  Friedensschluß  recht 
uiK  schlecht  mit  den  Freiwilligen  behelfen,  nach  dem  Friedens -
schluß  ist  das  ganz  undenkbar.  Die  freiwilligen  Truppen- 
törnmtwnen  von  heute  sind  zwar  zur  Sicherung  des  soziali- 
fiisch-oemottmnfchen  Regimes  verpflichten  Daß  dies«  Forma -
tionen  aber  in  ihrer  inneren  geistigen  Verfassung  durchweg  als 
sozialistische  Truppen  anzusprechen  sind,  muß  in  aller  Ruhe 
1  ezweifelr  werden.  Und  für  ihre  sozialistische  Durchdringung, 
ihre  republikanisch-demokratische  Festigung  kann  in  der  gegen- 
r  irtigen  Situation  leider  auch  sehr  wenig  getan  werden.  Diese 
Erziehungsarbeit  wird  sogar  direkt  verhindert  durch  den 
Vnuderkampf  der  Sozialisten.  Die  indifferenten  Bestände 
dieser  Truppe  werden  durch  die  Häßlichkeit  und  Verworrenheit 
dieses  Bruderkampfes  direkt  und  indirekt  geradezu  behindert, 
sich  sozialistisch  zn  orientieren. 
Dies  und  der  Zwang  der  Enteiste  macht  ein  solches  Söld -
nerheer  zu  einer  Gefahr  für  unsere  innere  Entwicklung.  Wie 
liegen  denn  die  Dinge  bei  uns?  Die  politische  Macht,  die  die 
Sozialdemokratie  jetzt  in  Händen  hält,  liegt  noch  keineswegs 
rövig  fest  darin.  Wir  wissen,  wieviel  Versuche  täglich  gemacht 
werden,  sie  uns  aus  den  Händen  zu  schlagen.  Damit  wird 
ober  gleichzeitig  auch  der  Versuch  gemacht,  der  Sozialdemo -
kratie  das  militärische  Instrument  aus  der  Hand  zu  schlagen. 
Spartakus  itnb  die  geistesverwandten  11.  S.  P.-Leute  schlagen 
von  links  und  die  mehr  im  stillen  arbeitenden  Extremen  des 
alten  Systems  zerren  von  rechts  daran.  Die  Berliner  Blut -
woche  hat  bewiesen,  wie  leicht  manche  Formationen  zu  Spar -
takus  hlnübergcrissen  werden  können.  Aber  es  tauchen  auch 
dafür  täglich  neue  Beweise  auf,  daß  auch  das  alte  aktive 
Ofsizierkorps  an  der  sozialistischen  und  republikanischen  Ent -
wertung  dieses  Instruments  arbeitet.  Der  viel  kritisierte 
Kommandocrlatz  gibt  zwar  den  Soldatenräten  nicht  die  Kom -
mandogewalt  und  leider  auch  nicht  die  Wählbarkeit  der  Füh -
rer,  wie  es  das  Ideal  des  Milizheeres  nach  unseren  Begriffen 
wünscht,  aber  er  gibt  den  Soldaten  doch  das  gewichtige  Recht, 
die  Negierung  aufzufordern,  politisch  der  Reaktion  dienende 
Führer  abzusetzen.  Ein  solches  Recht  hat  natürlich  nur  Wert, 
wenn  es  von  Soldaten  gehandhabt  wird,  die  selbst  über  poli -
tische  Reifegrade  verfügen.  Ist  das  nicht  der  Fall,  wird  es 
nur  ein  papierenes  Recht  bleiben  und  weder  den  Soldaten 
noch  der  Regierung  etwas  nützen.  Heute  mehren  sich  in  der 
Tat  die  Zeichen,  daß  das  Element  der  aktiven  Offiziere  — 
nicht  alle  lasten  ihre  Hoffnung  auf  Deutschland  fahren  und 
asten  sich  vom  Ausland  anwerben  —  ganz  planmäßig  ver- 
utch,  das  so  bitter  nötige  Ordnungsinstrument  der  sozialistisch- 
»emokratischen  Regierung  von  der  politischen  Tendenz  eben 
lieser  Regierung  abzutreiben.  •  Nur  ein  Beispiel  aus  der  allcr- 
üngsten  Zeit.  General  von  Boekmann,  Kommandieren- 
)er  im  Gardekorps,  hat  dieser  Tage  vor  dem  Korpssoldatenrat 
eine  Rede  gehalten,  die  von  der  angedeuteten  Planmäßigkeit 
eine  recht  nachdenkliche  Probe  gibt.  Der  General,  der  also 
einer  sozialistisch-demokratischen  Regierung  dient,  maßte  sich 
das  Recht  an,  folgende  antidemokratische  und  antipolitische 
(Rebe  zu  halten: 
„Sie  haben  sich  allen  Anordnungen,  zu  welchem  der 
Chef  des  Stabes  noch  die  nötigen  Anweisungen  geben  wird, 
anzupasten.  Ich  kann  es  nicht  dulden,  daß  von  feiten  des 
Äorpssoldatenrates  bei  den  Truppen  eine  Kontrolle  ous- 
gcübt  wird.  In  den  Kasernen  haben  Sie  nichts 
zu  suchen. 
Die  Politik  wird  ans  dem  Heere  verschwinden, 
daraus  können  Sie  sich  verlassen. 
Wenn  Sie  mit  mir  verkehre»  wollen,  melden  Sie  sich 
beim  Chef  des  Stabes,  und  wenn  ich  es  für  not -
wendig  erachte,  werde  ich  Sie  hören. 
Militärisch  bin  ich  Ihr  Vorgesetzter  und  verlange  von 
Ihnen,  daß  Sie  nur  militärisch  mit  mir  ver -
kehren.  Sollten  einige  unter  Ihnen  sein,  die  dies  auf 
Grund  der  mangelhafte»!  Ausbildung  nicht  können,  so  haben 
sie  sich  dies  recht  bald  anzuetguenD 
Das  sind  Zeichen,  die  wir  unter  keinen  Umständen  leicht 
»ehmcn  dürfen.  Mit  dieser  Entpolitisierung  der  Truppen 
treiben  wir  wieder  dem  Zustand  entgegen,  der  die  Armee  nur 
juut  blind  gehorchenden  Instrument  in  der  Hand  der  Führer 
macht.  Bei  einem  Söldnerheer,  da«  nie  aus  dem  Bolks- 
ganzen  kommt,  an  dem  das  Volk  nie  verpflichtet  ist,  das  des -
halb  auch  nicht  aus  den  politischen  und  sozialen  Gefühlen  des 
Volkes  gespeist  wird,  ist  die  Gefahr  eines  solchen  Mißbrauchs 
noch  unendlich  viel  größer. 
Nur  eine  Volkswehr,  an  der  jeder  Volksgenoste  im  Waffen -
dienst  verpflichtet  ist,  sichert  den  Volksstaat,  den  die  Volks -
mehrheit  will.  Volk,  Staat  und  Wehr  sind  eins  in  ihren 
Zwecken  und  Zielen,  und  eines  ist  nicht  gegen  das  andere  zu 
gebrauchen.  Nur  in  einer  solcher  Heeresorganisation  liegt  der 
einzige  Schutz  gegen  den  Mißbrauch,  den  ehrgeizige  Führer 
wagen  können. 
Nach  dem  Diktat  bet  Entente,  in  Deutschland  die  Wehr -
pflicht  zu  verbieten  unb  ein  Sölbnerheer  aufzustellen,  haben 
wir  diese  Gewähr  nicht  mehr.  Im  Gegenteil:  das  deutsche 
Volk  wird  direkt  in  die  Gefahren  reaktionärer  Gegenexperi -
mente  hineingestohen,  wenn  sein  Heer  kein  Volksheer  mehr 
sein  soll,  wenn  die  Politisierung  ber  Solbaten  aufgehoben  unb 
bie  ber  Kommanbanten  im  verstärkten  Maße  anerkannt  wird. 
Daß  diese  Kommandeure  heute  noch  der  sozialistisch-demokra -
tischen  Regierung  verpflichtet  sind,  beweist  gar  nichts  dafür, 
daß  dieses  Verhältnis  immer  so  bleiben  soll.  Leute  vom 
Schlage  Boekmann  denken  gar  nicht  daran,  Sozialisten  ober 
Demokraten  zu  werben.  Sie  leihen  jetzt  ihre'  militärischen 
Talente  ber  Regierung,  bamit  sie  ben  Terror  und  bie  Anarchie 
vom  Lanbe  fernhalten  kann.  Ist  ihnen  das  geglückt  und  ist 
die  indifferente  Armee  fest  in  ihrer  Hand,  wer  garantiert  uns 
bann,  baß  sie  bicses  Instrument  nun  nicht  ben  Parteien 
ihrer  innerenUeberzeugung,  ihrerstillen  Sehn -
süchte  z  u  r  Verfügung  stellen?  Daß  in  jenen  Krei -
sen  solche  Sehnsüchte  vorhanden  sind,  kann  nicht  bestritten 
werden.  Und  daß  es  in  jenen  Kreisen  noch  genug  Männer 
von  Mut  und  Cbarakter  gibt,  die  das  Wagnis  riskieren,  wenn 
die  militärische  Vorbedingung  gegeben  ist,  steht  ebenfalls  fest. 
Würde  der  deutsche  Sozialismus  sich  nicht  Den  rollen  Luxus  der 
Selbstzerfleischung  leisten,  dann  könnte  diese  Gefahr  natürlich 
leichter  auch  bei  einem  Söldnerheer  pariert  werden.  Ganz 
sicher  aber  kann  sie  nur  dann  beseitigt  werden,  wenn  wir 
neuen  Deutschen  uns  einen  solchen  Militarismus,  ber  uner -
träglich  unb  unvereinbar  ist  mit  unserer  gan -
zen  revolutionären  Erneuerung,  nicht  g  e  - 
fallen  lassen.  Deshalb  hätten  wir  auch  gewünscht,  daß 
sich  bie  Regierung  und  die  Nationalversammlung  gerade  zu 
diesem  schwerwiegenden  Punkt  geäußert  hätten.  Das  Söldner -
heer,  das  uns  die  Entente  aufzwingen  will,  wird  für  die 
deutsche  Demokratie  und  Freiheit  eine  Gefährdung  lein,  die 
uns  höchstwahrscheinlich  nach  Schließung  des  äußeren  Friedens 
den  Unfrieden  im  Innern  bringen  wird.  Unsere  Friedens -
delegation  sollte  ben  westlichen  Demokratien  auch  biese  Ge -
wissensfrage  vorlegen.  Ob  es  geschehen  wird,  barüber  wissen 
wir  ebensowenig  etwas,  wie  über  manche  anbere  Schicksals -
fragen,  die  unsere  FriebenSdelegierten  in  Versailles  stellen 
sollen.  Etwas  mehr  Schicksalsprogramm  hätte  bie  Weimarer 
Versammlung  unseren  Friebensmännern  schon  mit  auf  den 
Weg  geben  können.  Unb  dazu  geb  orte  auch  Der  feste  Willens- 
ausdruck,  das  Söldnerheer  aözulehrzen. 
politische  Nachrichten. 
„Gröszle  Ordnung"  in  Budapest. 
Tie  „Wiener  Arbeiterzeitung",  bcS  einzig«  Wiener  Mart, 
ba3  eigene  Berichte  aus  Budapest  bringt,  teilt  mit,  daß  in  der 
Stadt  größte  Ordnung  herrsche.  Plünderungen  sind  nicht 
vorgekommen.  Das  polizeiliche  E-inschreiten  betraf  nur  neben -
sächliche  Zwischenfälle.  Tie  Regierung  bat  bisher  drei  Dekrete 
erlassen:  Standrecht  auf  Plünderung  und  bewaff -
neten  Wider  st  and  gegen  bie  Räteregierung, 
Verbot  des  Waffentragens  für  alle  außer  der 
A  r  b  e  i  te  r  -  G  a  r  de,  dem  Militär  unb  den  Fabrik -
wachen.  Übertretungen  werden  vom  Revolutionstridnnal  be -
straft.  Auf  den  Banken  dürfen  nur  für  die  Auszahlung  von 
Löhnen  unb  Gehältern,  sowie  kleinere  Beträge  für  den  momen -
tanen  Lobensunterhalt  auSgezcchlt  werden.  Die  Zeitungen  sind 
ohne  Zensur  am  Sonnabend  Morgen,  Mittag  unb  Abend  er -
schienen.  lieber  die  Zensurfragen  wird  ein  Presse-Direktorium 
entscheiden,  das  <ru5  Vertretern  der  Regierung  unter  Hinzuzie- 
bung  der  Interessenten  eingesetzt  wird.  Sowohl  in  Budapest  tote 
auch  in  der  Provinz,  wo  überall  die  Avbeiterräte  die  Herrschaft 
übernommen  haben,  ist  von  irgend  einem  Widerstand  des  Bür- 
gerturns  nicht  das  geringste  zu  spüren.  Der  kommunistische 
Führer  und  Volkskommissar  für  AeußereS,  Bela  Kun,  ist  ein 
Berufsjournalist.  Er  war  Leutnant  unb  wurde  bei  ber  ersten 
Einnahme  von  Przemisl  von  ben  Russen  gefangen.  Nach  Aus- 
bruch  der  russischen  Revolution  wurde  er  von  AerenSki  zum  Lhef 
des  Prapaganda-BureauS  für  Geiangerte  ernannt.  Im  »netteren 
Verlaus  der  Dinge  arbeitete  er,  wie  bereits  mitgeteilt,  für  Lenin 
und  organisierte  bann  dw  erste  KriegSgefangenen-Legion.  Mit 
einem  ebenfalls  kriegsgefangenen  sozialistischen  ungarischen 
Dichter  grünbete  er  eine  magyarische  bolschewistische  Zeitung. 
Für  55  Millionen  Dollar  Lebensmittel  sofort  lieferbar. 
Der  Vorsitzende  der  britischen  Kommission  in  Spa  teilt«  am 
23.  März  in  einer  Note  mit,  oatz  in  AuSfübrung  des  Brüsseler  Ab- 
kommens  für  35  Millionen  Dollar  NabrimaSmittel  nuS  ben  ameri- 
konischen  Quellen  und  für  rund  20  Millionen  Dollar  aus  den  bri -
tischen  Quellen  zu  sofortiger  Lieferung  bereit  feien.  Tie  deutsche 
Regierung  werde  um  Mitteilung  gebeten,  wann  die  im  Brüsseler 
Abkommen  als  Bezahlung  hierfür  vorgesehenen  11  Millionen 
Pfund  Sterling  Gold  in  Brüssel  eintreffen. 
Do  di«  Überführung  d«S  Goldes  nach  Brüssel,  wie  der. En -
tente  bereits  mitgeteilt  würd«,  am  28.  März  erfolgen  wird,  dürft« 
mit  dem  Beginn  der  Lieferung  ber  obenerwähnten  Lebensmittel 
in  kurzer  Zeit  zu  rechnen  sein. 
Die  militärische  La^e  der  Bolschewiki. 
DTB.  Wien,  24.  März.  Der  Minister  des  Aeuhern  Tschit -
scherin  richtete  an  ben  Volkskommissar  für  Auswärtiges  in  Buda -
pest  auS  Moskau  einen  Funkspruch,  worin  ausführlich  bie  gegen- 
-tärttge  Lag«  der  russiscben  Sowjetrepublik  unb  ihrer  Truppen 
sowie  deren  Erfolge,  namentlich  im  Silben  der  Ukraine,  geschildert 
mirb.  TaS  jetzige  System  der  Entente,  heißt  es  weiter,  besteht 
bjriti,  nicht  b*e  eigenen  Soldaten  gegen  uns  zu  schicken,  sondern 
a.tberc  ins  Feuer  zu  treiben.  Deutschland.  daS  sich  ihrem  Willen 
fügt,  hübet«  unter  Hindenburg  ein«  neue  Arme«  als  linken  Flügel 
gegen  nnS  während  die  polnischen  Armeen  im  Zentrum  und  die 
ukrainischen  Poiljuratruppen  den  rechten  Flügel  der  Jnvasions- 
aiincv  i’uben.  Während  unsere  Truppen  im  Dongebiet  und  im 
(Mebrl  von  UralSk  Orenburg  siegreich  vorrücken,  nähert  sich  der 
deutsche  linke  Flügel  Ponewitsch,  di«  lettischen  roten  Truppen  be -
drohend,  baf.  polnisch-  Zentrum  aber  bewegt  sich  gegen  W'lna 
unb  Minsk  unb  nahm  Baranowitichi.  Diese  gleichzeitig«  Offen- 
fiue  ist  offenbar  bie  Ausführung  eine»  wohlbereiteten  Plane«,  wo -
hinter  die  Entente  steckt.  Unsere  Lage  im  Westen  ist  daher  fdiwie. 
tifl.  am  schwierigsten  aber  die  unserer  lettischen  und  litauischen 
Verbündeten.  Da  nun  bie  ukrainischen  SowietStruppen  sich  Ga- 
,'zien  nähern,  wo  e»  schon  gäbet,  sinb  wir  dadurch  unseren  un- 
gau(dum  Verbündeten  nahe,  der  im  Rucken  unserer  Feind«  steht. 
Gegen  bie  anitürmenben  Deutschen  unb  Polen  werden  neue  «rarte 
gufammengcjogen.  Dar  Erscheinen  eines  Verbündeten  in  Mittel -
europa  ist  sehr  wertvoll. 
(Anmerkung  des  WolffbureauS:  Dir  hiesig«  zuständige  stelle 
bemerkt,  daß  «4  nicht  di«  deutschen,  sondern  di«  Truppen  der  letti -
schen  und  litauischen  Regierung  sind,  wovor  bie  Bolschewiki  zurück- 
weichen.) 
Tie  Frage  der  Nichlunterzeichnung. 
("Eigener  Drcchtbericht  deS  .Hamburger  Echo'.) 
Au«  Paris  wird  gemeldet:  Bon  offizieller  Seite  wird  fest- 
gestellt,  daß  in  englischen  politischen  Kreisen  di«  Möglichkeit  nicht 
bestritten  werde,  daß  Deutschland  zu  harte  FriedenSbedingungen 
nicht  unterzeichnen  werde.  Die  Gefalhr  bestehe  tatsächlich,  daß 
Deutschland  sich  völlig  passiv  verhalten  werde  mit  ber  Angabe, 
man  möge  mit  ihm  nach  Belieben  verfahren. 
Die  .Freiheit"  erklärt  bereits,  daß  «ine  Nichtuntevzetchming 
der  Fri^enSbedingungen  ein  nationalistischer  Exzeß  fein  würde. 
Das  .B.  T."  hofft,  daß  die»  noch  nicht  die  Haltung  der  unab -
hängigen  Partei  bedeute,  da  gerade  die  Nichtunterzeichnung  eine» 
Gewaltfrieden»  die  Bahn  frei  Halten  würde  für  bie  Bülkerver- 
slöhnung.  •  . 
Ludkndorf  „zufällig"  dabei. ' 
Zu  der  monarchistischen  Demonstration  In 
Berlin  weist  der  .Vorwärts"  darauf  hin,  daß  die  zufällig« 
Amve-ruHeit  Ludendorffs  auf  dem  Wege  der  Demonstranten  seh« 
merkwürdig  sei.  Aus  gekränkter  Eitelkeit  und  aussichtsloser 
Rechthaberei  fahre  Ludendorff  unb  seine  2  lique 
fort,  sich  an  dem  Land«  ingewtff«nlof«t  Weise  z  u 
versündigen.  T«n  Herren  tonne  nur  geraten  werden,  sich 
nicht  mausig  zu  machen.  Der  gestrige  Vorgang  sei  um  io  skan -
dalöser,  ols  wir  uns  in  Berlin  unter  dem  Belagerungszustand 
befinden,  der  doch  sicher  nicht  zu  bem  Zweck  verhängt  worben  fei, 
um  monarchistischen  unb  militaristischen  Treibereien  di«  Straße 
frei  zu  geben. 
Kleine  politisch«  Mitteilungen. 
Aus  dem  Augsburger  Parteitag  bet  bayerischen  Unabhängigen 
wurde  ein  Antrag  gegen  den  Eintritt  in  bie  Regierung  abgelehnt 
unv  ein«  Entschließung  mit  47  gegen  23  Stimmen  angenommen, 
die  ben  Eintritt  in  bie  Regierung  unter  bet  Voraussetzung  gut« 
beißt,  daß  bie  Gegenwartsforderungen  be5  bekannten  bayerischen 
sozialistischen  Aktionsprogramm»  bie  Richtlinien  für  die  Regie -
rung  fein  würden. 
Gestern  fand  in  Frankfurt  a.  TL  eine  von  Tausenden  aller 
Parteien  besuchte  Protestversammlung  gegen  die  LoStrermung  de» 
Sa  ar  gebiet»  statt.  Es  wurde  einstimmig  eine  Entschließung  an -
genommen,  bie  bie  Regierung  unb  bi«  Nationalversammlung  auf- 
fordert,  eine  langar  bauernde  Besetzung  ebenso  wie  eine  offene 
Snner-on  des  Saargebiets  zurückzuueiien. 
Einer  SReutertnelbung  au  3  Kairo  vom  17.  März  zufolge, 
wurden  Eingeborene,  die  versuchten,  die  Dahnen  unb  Telegraphen 
zu  zerstören,  von  Flugzeugen  mit  Maschinen gewehrfeuer  bekämpft 
unb  zerstreut.  Fn  den  Provinzen  ist  e»  viel  ruhiger,geworden,  da 
das  Militär  neuerdings  Maßregeln  ergriiien  fart,  4im  bet  Loge 
Herr  zu  werden.  Der  Betrieb  auf  bet  Hauptbahn  strecke  ist  teil -
weise  wieder  ausgenommen  worden. 
VklWWkbkM 
MMM  MesoetfowW 
(Telephonischer  Bericht.) 
9.  Sitzung. 
Berlin.  24.  März  19IA 
Am  Regierungsrifch:  Hirsch,  Haenisch,  Braun  unb  andere. 
Eitgegcmgen  ist  Der  iiotetai. 
Tie  Beratung  ber  förmlichen  Anfragen  ber  Deutschrttttivnaien 
unb  Deutschdemokraten,  betreffend  Unteilbarkeit  unb  Unversehrt, 
heit  des  preußischen  Staate»,  unb  betreffend  Loslösung  der 
Rheinlande,  in  Verbindung  mit  ben  dazu  gestellten  Anträgen 
wird  fortgesetzt. 
Dr.  Hest  (Z.):  Die  Frag«  der  westdeutschen  Republik  ist  weder 
ehre  Partei-  noch  eine  Fraktionssache  gewesen.  Die  betreffende 
Resolution  ist  in  einer  sehr  großen  Versammlung  rheinischer  Ab -
geordneter  aller  Parteien  einstimmig  gefaßt  worden.  Ist  es  nun 
gerecht,  Ihre  ganz«  zur  Schau  getragene  Entrüstung  auf  das  Zen -
trum  zu  übertragen?  Haben  nicht  zahlreiche  andere  Teilungs -
projekte  in  Preußen  seit  Monaten  in  der  Cust  gelegen  und  ist  nicht 
von  Batocki  zuerst  bamit  hervorgetreten ?  Hat  nicht  Reichsminister 
Dr.  Preuß  ber~  Geb-ntken  einer  Aufteilung  Preußens  in  die 
deutsche  Verfassung  hineinschreiben  wollen?  Hai  nicht  der  Antrag 
Meerfeld  in  Weimar  das  verlangt,  wo»  Wir  im  Rheinland  beab -
sichtigt  haben,  und  bat  nicht  Dr.  Freund  zu  gegeben,  daß  eine 
andere  Einteilung  Preußens  denkbar  ist?  Dir  haben  selbstver -
ständlich  keine  Luit,  als  stngmatisirrte  Hochverräter  in  Deutschland 
herumzulaufen.  Haben  nicht  vielmehr  jene  Kreis«  eine  viel 
innigere  Berührung  mit  hocdverrärertfchen  Tendenzen,  die  durch 
ihre  revolutionären  Umtriebe  das  Vaterland  wehrlos  an  dem 
Feind  auSgelicfert  haben?  (Unruh-  links.)  Die  politische  Schaum- 
schlägerei  Dom  Son  nabend  läßt  jtHe  meine  Erfahrungen  meilen -
weit  hinter  sich.  Herr  Stöcker  wart  tm5  vor,  wir  arbeiteten  der 
Entente  in  die  Hände,  ein  Vertreter  derjenigen  Partei,  die  seit 
Monaten  mit  russischem  Rubeln  das  tyutfdhe  Varerland  ruiniert 
Einen  solchen  Vorwurf,  gegen  uns  außerü.ilb  bcS  Haufe»  erhoben, 
würde  ich  eine  schamlos«  Heuchelei  genannt  haben,  jdt  billige 
allerdings  nickt  alles.  waS  meine  Freunde  in  Köln  getan  hoben, 
aber  untere  treue  deutsche  Gesinnung  darf  nicht  a »getastet  werden. 
UnterstaatSsekrelär  Dr.  Freund  i  Der  Ton  der  Berhanblungen 
ist  seit  Sonnabend  nicht  freundlicher  geworben.  Ich  habe  dazu 
keinen  Anlaß  gegeben.  (Chorus«  beim  Zentrum.)  Es  ist  sehr 
zweifelhaft,  ob  bie  Hessen-Nassauer  unb  Westfalen  itt  ähnlicher 
Weile  von  Preußen  wegstreben,  wie  angebl'ch  bie  Rheinländer. 
•llbuli  Sonmaiin  USP.^t  D-e  Woche  fängt  gut  an.  Heute 
sollte  die  Regierung  gebildet  werben  burch  Zentrum,  Sozialdemo -
kraten  tmb  Deutschdemokraten.  Wir  haben  eben  ein  Beispiel  von 
dieser  Ewigkeit  gesehen.  Wir  sind  die  lackenden  Vierten.  Tie 
Kapitalisten  haben  Geld  für  die  schamlose  Ausbeutung  der  west -
deutschen  Revublik  gegeben,  um  der  Vermögensabgabe  zu  ent -
gehen.  (Lärm  im  Zentrum;  Zuruf:  Beweisell  Die  LostrennttngS- 
bestrebungen  für  eine  rheinische  Republich  laufen  ganz  einfach  auf 
den  rheinischen  Kirchenstaat  hinaus.  Deswegen  wird  auch  die 
niederträchtig«  Hetz«  gegen  mich  ins  Werk  gesetzt  wegen  beä  auf 
Trennung  von  Kirche  unb  Staat  gerichteten  Erlasse»,  obwohl  ich 
nicht  be:  Schuldige  bin,  sondern  da»  ganze  Kultusministerium. 
(Vizepräsident  Dr.  Frenzel:  Herr  Abgeordneter,  ich  nehme  an, 
daß  ^tbr  Vorwurf  ber  Neidertracht  nickt  gegen  ein  Mitglied  diese» 
Hause»  gerichtet  ist)  I  bewahre!  Wie  sann  ein  Abgeordneter 
niederträchtig  sein!  (Heiterkeit.)  Zch  stelle  feit,  daß  der  ange -
griffene  Erlaß  einstimmig  von  fämttidx-n  Beiräten  und  bethen 
Ministern  erlassen  worben  ist  Al»  Minister  habe  ich  in  ber 
Trennungsfrage  nach  Ceritänbigung  gesucht  und  im  besonderen  an 
eine  entgegenkommende  finanzielle  Regelung  der  Angelegenheit 
gedacht.  AI«  PorteimaTn  aber  werd«  tck  Dafür  eintreten,  daß  an -
gesichts  ber  ungeheuren  Notlach:  unseres  aus  vielen  Wunden  blu -
tenden  Volke»  Die  vielen  Millionen  für  bie  Kirche  gestrichen  wer -
den.  (Unruhe  im  Zentrum.).  Was  Sw  (zum  Zentrum)  im  Rhem- 
lande  wollen,  ist  nicht»  anderes,  als  die  Befestigung  Fbrer  Herr- 
fchaft.  Man  muß  aber  wissen,  daß  die  ungeheuerhdx  Verhetzung 
durck  Flugblätter,  in  Denen  unter  anderem  behauptet  wird,  wir 
wollten  die  Pflegerinnen  aus  den  Lazaretten  herauSreißen,  vor. 
einer  Seite  kommt,  die  sich  christlich  nennt.  Sie  werden  habet  durch 
den  Gedanken  geleitet,  daß  m  diesem  Hause  eine  sozialistisch 
Mehrheit  märe,  wenn  nicht  her  unselige  Bruderzwist  bestaube.  Ick 
glaube,  baß  die  Arbeiter  über  die  Köpfe  ihrer  Führer  h-nweg  zur 
Einigung  kommen  und  dann  wirb  e»  ja  anders  auSsehon.  Durch 
die  Hoffnung,  daß  da»  künftige  Preußen  ganz  klerlkal-koniervand 
fein  werbe,  wird  da»  Volk  einen  dicken  Strich  machen.  Di«  Revo -
lution  ist  nicht  tot  si«  ist  marschbereit.  Da»  Volk  wird  bis  »um 
letzten  Blutstropfen  seine  Freiheit,  feine  sozialtstnche  greiheit  ver- 
!L  ‘b.  Tannenberg  (Deutsch-Hannoderaner):  Für  un»  Deutsch- 
Hannoveraner  besteht  jetzt  zwischen  der  alten  unb  bei  neuen  preu -
ßischen  Regierung  kein  Unterschieb,  weder  bie  eine  noch  di«  andere 
hat  sich  unserer  angenommen.  Wir  haben  stets  baygen  protestiert, 
baß  unser  Laub  preußisch  ist  Die  neue  Regierung  will  un»  unser 
Recht  nicht  geben,  darum  ist  sie  für  un«  dasselbe  wie  die  alte.  Die 
Polen,  Dänen  unb  Elsässer  bcrlafien  ben  heutigen  Bund  und 
leine  Interpellation  ändert  etwa«  am  diesen  Tatsachen.  Da»  nt 
ba»  Fazit  der  BiSmarckschen  Gewaltpolitik.  Für  da»  Selbst- 
besttmmungSrecbt  Hannover»  haben  sich  auch  Deutsch« 
nationale,  Polksparteiler  unb  demokratische  Führer  aus -
gesprochen.  Tie  deutsche  Volkspartei  bat  sich  in  bet  Wadlaaitaiiov 
ganz  auf  unsere  Seite  gestellt.  Bei  ben  MehrbeitSssztaliiten  ist 
bet  .Vorwärts"  in  ber  gleichen  Richtung  mit  gutem  Beispiel 
Dorangeganaen.  Auch  Protestor  Vogel  hat  sich  ihm  angeschlojien. 
Der  braunschweigische  Landtag  hat  einstimmig  erklärt,  Braun -
schweig  solle  sich  an  ein  von  Preußen  zu  befreiende»  Hannover 
anschließen,  und  auch  her  Präsident  bet  deutschen  Republik,  Herr 
Ebert  Aller  höchstselbst  (Heiterkeit)  hat  am  12.  Oktober  1918  aus- 
gesprochen:  Wit  wollen,  daß  die  deutschen  Stämme  ihr  Schicksal 
selbst  entscheiden.  Die  neue  Regierung  beginnt,  die  Wege  der  alten 
zu  wandeln.  St«"hat  im  Februar  einen  vertraulichen  Erlaß  er -
gehen  lassen,  bet  sich  gegen  die  deutsch-hannoversch«  Agitation 
richtet,  ihre  Versammlungen  zu  verhindern  sucht  unb  ganz  im 
Sinne  bet  alten  Repttlienzeit  bie  Presse  zu  ihrer  Bekämpfung 
heranzieht. 
Ministerpräsident  Hirsch:  Der  Vorredner  hat  ben  Geist  der 
neuen  Zeit  noch  nicht  begriffen.  Er  mutz  uns  gestattet  werden, 
wie  eS  der  Regierungserlaß  vorsieht,  die  Massen  darüber  aufzu -
klären.  wi«  notwendig  die  Einigkeit  Preußens  ist.  Wir  haben 
keine  Reotilienpresse.  Wir  stehen  ber  Bildung  einer  Deutsch- 
hannoverschen  Republik  gleichermaßen  ablehnend  gegenüber,  wie 
ber  Lostrennung  der  Rheinlande.  Für  dynastische  Interessen  fehlt 
uns  daS  Verständnis.  Durch  ein  selbständiges  Niedersachsen,  da» 
Preußen  in  zwei  Stücke  teilen  würd«,  würde  Preußen  schwer  ge -
trosten.  Wir  müssen  urrt  gegen  di«  heutsch-hannoverfcke  Absicht 
näht  nur  im  Interesse  Preußen»  wehren,  sondern  auch  um  eine 
Stärkung  unserer  Feinde  zu  vermeiden.  Fn  diesem  Augenblick 
haben  wir  zusammenzusteben  und  dürfen  keine  Sonderwünsche 
befriedigen.  Eine  Volksabstimmung  würde  vermutlich  mit  einet 
großen  Mehrheit  für  da»  Verbleiben  Hannover»  bei  Preußen  ab» 
schließen.  (Zuruf  bei  ben  Welfen:  Nehmen  Sie  doch  eine  Abstim -
mung  vor,  mehr  verlangen  wir  ja  nicht.)  Dazu  haben  wir  gar 
keine  Veranlassung.  Wir  sind  Überzeugt  day  gerade  die  ur -
deutschen  Stämme  her  Niebersachien  und  Preußen  sich  in  einem 
geordneten  freiheitlichen  Staate  wohlfühlen  werden. 
Stendel  (DBP.):  Da»  Zentrum  hat  erklären  lassen,  daß  e» 
sich  an  der  einmütigen  Kundgebung  gegen  die  Lostrennung  bet 
Rheinland«  nicht  beteiligen  will.  Ich  kann  mit  nicht  denken,  daß 
da»  Zentrum  sich  von  so  kleinlichen  Beweggründen  leiten  läßt  wie 
den,  daß  et  sich  über  die  Ausführungen  einiger  Redner  geärgert 
habe.  Da»  ist  eine  Ausrede.  Da»  alle  Hannover  war  ein  Amt»« 
und  Adeisstaat,  wie  es  kaum  je  selbst  Preußen  gewesen  ist.  Die 
von  den  Teutsch-Hannoveranern  entfaltete  Agitation  hat  einen 
stark  metallischen  Beigeschmack.  Wie  leicht  man  500  000  Unter -
schriften  unter  eine  Petition  bekommen  kann,  wird  auch  Herrn 
v.  Tannenberg  nicht  verborgen  sein.  Wir  wollen  nicht  in  bie 
Kleinstaaterei  zurückfallen.  Da»  der  .vorwärts"  und  Herr 
Vogel  früher  verlautbart  haben,  kann  weder  für  die  jetzig«  Mehr -
heit  der  sozialdemokratischen  Partei  noch  für  die  jetzige  Regierung 
verbindlich  fein.  Aus  daS  Experiment  einer  Volksabstimmung 
kann  in  dieser  Zeit  politisch?!  Hochspannung  nicht  eingegangen 
werden.  Di«  Welsen  und  ihre  Agitation  waren  schon  tot  als  ihnen 
bet  Kultuserlatz  bei  Herrn  Aböls  Hoffmann  zu  neuem  Leben 
verhalf.  Dieser  Erlatz  hat  un»  sogar  bie  sözialdemokratischen 
Frauen  in  Massen  zugetrieben. 
Hieraus  wirb  ein  Schlußantrag  angenommen  unb  nach  deni 
Schlußwort  bee  Abgeordneten  stiunge  (SD.)  zur  Abstimmung 
geschritten.  Der  von  sämtlichen  Parteien  eingebrachte  Antrag 
Gräf,  der  gegen  die  Einverleibung  rheinischer  LandeSteile  nach 
Frankreich  oder  Belgien  Einspruch  erhebt  und  den  Gedanken 
eine»  westlichen  Pufferstaates  zurückweist,  gelangt  einstimmig  zur 
Annahme.  Der  zweite  Antrag  Gräf,  der  einen  entichtedenen 
Protest  insbesondere  gegen  die  Errichtung  einer  westdeutsche« 
Republik  enthält,  wird  gegen  die  stimmen  de»  Zentrum»,  welche» 
sich  bet  Abstimmung  enthalt,  angenommen. 
Nächst«  Sitzung  Tien  »lag  1  Uhr:  Der  Ministerpräsident  uhee 
he  Beratung  der  StaatSregierung  und  erste  Lesung  bei  Notetais. 
Sckkirh  nach  Uhr. 
AMU  MMK 
Erste  Sitzung. 
Montag,  24.  Mär^  abend»  6%  Uhr. 
Auf  der  Tagesordnung  stehen:'  1.  Konstituierung  de« 
Bürgerschaft.  2.  Erlaß  eine»  Gesetzes  über  bie 
vorläufige  Staatsgewalt. 
Das  älteste  Mitglied  ber  neuen  Bürgerschaft,  Frl.  Helene 
Lange,  übernimmt,  nach  pcrrtomentari'chern  Brauch,  den  Vorsitz 
und  beruft  zu  Schriftführern  di«  Herren  Blum«  unb  Schap  «  r. 
Darauf  nimmt  Frl.  Lange  das  Wort  zu  folgender  Ein« 
führn ng:  .Die  Arbeit  dieser  Versammlung  soll  dem  Neubau 
gellen.  Au»  verhängnisvollster  Bedrohung  der  äußeren  Grund -
lagen,  auf  denen  da»  stolze  und  blühende  Leben  Hamburg»  be -
ruhte,  au»  einer  gewaltigen  innerpoltiischen  Erschütterung  herauf, 
bie  immer  noch  ringende  Ueberzeugungen  und  Leidenschaiten  in 
Atem  hätt,  sollen  wir  hier  «in«  Verfassung  schaffen,  eine  bauer- 
hatte,  feste  ivrundlag«  unsere»  StaatslevenS,  von  der  bi<  über -
zeugende  und  überwindende  Kraft  politischer  Gerechtigkeit  und 
lojialen  Geiste»  auSgeht. 
Wir  geben  auch  in  diesem  Hauf«  Kämpfen  entgegen.  Jede 
Partei  bringt  für  ihr«  Arbeit  den  Bestand  ihrer  Ueberzeugungen 
mit.  und  die  Erschütterung,  in  der  wir  leben,  enthalt  in  sich 
weiter«  Keime  notwendiger  Meinungsverschiedenheiten.  Aber  es 
gibt  über  diesen  Gegensätzen  Einheiten.  S  i  e  müssen  wir  suchen. 
DaS  ist  erstens  bie  Erhaltung  bee  w  i  r  t;  ch  a  f  I  l  i  ch«  n 
Bob«  nS,  auf  bem  uniert  Mitbürger  aller  Schichten,  alle 
Männer.  Frauen  und  Kinder  dieser  Staates  leben.  Dir  haben 
die  Verpflichtung,  ihnen  die  Heimat  als  ein«  Stätte  zu  erhalten, 
bie  ihnen  Arbeit,  Entfaltung  ihrer  Kräfte  und  durch  sie  e:n 
lebenswertes  Dasein  bietet  Unser«  Wähler  unb  Wählerinnen, 
weither  Partei  und  Klaffe  sie  auch  angehören,  wollen  alt  Ham- 
bürget  am  Wiederaufbau  Deutschlands  ihren  Anteil  haben.  DaS 
Ist  unser  aller  gemeinsam«  Verpflichtung,  und  ich  bi«  überzeugt, 
daß  hier  —  in  der  Beratung  über  di«  SebtnSbebmgungen  dieser 
Stadt  —  ein«  wtitgehenbe,  vielleickr  eine  unbedingt«  Einheit  bet 
Arbeit  unter  un»  bestehen  wird.  . 
Aber  e»  ist  noch  ein«  ander«  Einheit  da.  Sir  liegt  in  bet 
demokratischen  Grundlage  dieser  Versammlung  —  da»  Dort  in 
feinem  ursprünglichen  staatsrechtlichen,  nicht  im  parteipolitiichsn 
Sinne  genommen.  Dir  Abgeordnete,  gemahlt  durch  ein  reitlo» 
demokratisches  Wahlrecht,  hoben  die  Verpflichtung,  eine 
r«  stlo»  demokratische  Grundlage  de»  neuen 
Staate»  z  u  schaffen.  Im  Diderein  ander  der  Rlaijen- 
intereffen  und  der  Einzelinteressen,  da»  gleichwohl  zur  Gemein -
schaft  'der  Gesetzgebung  und  Verwaltung  vereinigt  werden  'oll. 
gibt  «»  keinen  anderen  Weg,  a!»  den  der  unbedingten  G  r  - 
redjtigfeit,  her  demokratischen  Gleichberechtigung,  eie  tonn 
allein  unter  leitender  Gedanke  fein,  sonst  müßt«  alle»,  was  wir 
bitt  schassen,  lcknell  wieder  yrfadew.  Vorrecht«,  durch  Gewalt 
gestützt  ober  durch  Gewalt  erkämpft  und  behauptet  —  e»  .otntnt 
iin  Wesen  auf  eine»  hinaus  —  können  in  dem  Derk,  da»  wk 
schaffen,  keine  Stätte  haben.  Ober  wir  liefern  da»  Leben  unseres 
Staate»  Kämpfen  ohn«  Sinn  und  ohne  Ende  au*. 
Dir  bedürfen  zu  unterem  Werk  «ine»  Doppelten:  'ix 
nüchternen,  u  n  v  e  r  b  l«  n  d  e  te  n  Sriafiung  der  Tatsacheu. 
bi«  dietes  Volk  ber  Wasserkante  immer  ausgcte'mne!  hat,  der 
phrasenlosen,  besonnenen  Sachlichkeit  des  Urteil?  über  bte  Ver -
hältnisse.  mit  Denen  wir  zu  rechnen  haben.  .  :e  Politik  eine» 
deutschen  Bundesstaates,  her  nicht  einer  wie  alle  anderen  ist.  ton« 
dem  da»  weltwirtschaftliche  Ausialltor  des  Reick«»,  in  eine 
hundertfach  verantwortliche-  Aufgabe.  Sie  mutz  nn  Experiment 
doppelt  vorsichtig,  im  Rechnen  mit  ben  Tatsachen  doppelt  Hug  und 
begonnen  sein.  ,  _  , 
Wir  bedürfen  aber  auch  zu  unserer  Arbeit  De»  Bcrtrauei», 
des  Glauben«  an  die  guten  Kräfte  und  den  guten  Willen  unittet 
-5ev8lferun<t,  de»  Glaubens  daran,  daß  Dessert»  al»  das  Vec- 
gangtne  zu  schassen  möglich  ist  datz  aus  den  Trümmern  eine 
neue  Ordnung  ber  Dinge  erstehen  kann,  unter  bereu  Geltung 
die  Menschen  n±  in  Arbeit  und  Erholung  wohlfEeii. 
Möchte  bi«  Versammlung  von  dieser  Nüchterniuit  oeu  Tat -
sachen  ataenübet  unb  von  diesem  Glauben  an  di«  gu.en  Kräfte 
erfüllt  unb  geleitet  sein. 
Wir  Frauen  —  ich  beprüge  die  Kolleginnen,  Die  mit  mir  hier 
3«m  erstenmal  an  ber  Entscheidung  über  ihre  Heimat  teiliiehmen 
loDen  —  wir  Frauen  bringen  diesen  Glauben  un)  diesen  OptiiinS- 
mu6  mit.  Sonst  wären  wir  nicht  hier.  Wer  ein  Leben  lang  Tür 
Riete  gekämpft  Hai,  die  bi»  zu  allerletzt  in  unerreichbarer  Zu- 
Jitnfl  zu  liegen  schienen,  der  bringt  au»  Diesen  Rümpfen  v-r 
Fuverjrcht  mit  za  Dem,  matz  man  noch  nicht  steht.  D»«ie  «