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Buckchondlunn  <"r0(\eld)08. 
6ud)brurtetet<ttontor: 
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Ur.  Ä«0. 
Sonntag,  den  8.  Juni  1919. 
flmelgen  Die  jebngeftialtnH 
Petit, ette  76  A.  Anzüglich 
33'/,  »3t.  retterungszn- 
schlag.  LrbeitSmirkt.  Ver» 
mietnngs-  unb  ramilten- 
an,eigen  70^,  Anzeigen 
Annahme  yehlandftraße  11 
im  «rdge-chcb  (bis  7  Uhr 
abenbS  für  den  folgenden 
Jag),  ht  den  Mlialen  <bt« 
s  Uhr)  u.  in  allen  Annoncen« 
Bureaus.  Platz-  und  Laien» 
vorschrtiten  ohneveibindlich- 
tetl.  Reklamen  tm  redaktio -
nellen  Leti  werden  auch  gegen 
dntgelt  nicht  ausgenommen. 
33.  Jalsrgang. 
Uerhastung  der  fra»)östschen  So;ialiftenf«hrrr  verlangt. 
Al 
Wenn  nach  dem  altjüdischen  Festkalender  der  fünfzigste 
Tag  nach  dem  Darbringen  der  Erstlingsgarben  als  Freudcn- 
und  Opfcrtag  gefeiert  rouröe,  und  nach  dem  christlichen  Mythus 
der  fünfzigste  Tag  als  der  Tag  der  Ausgießung  des  Geistes 
über  die  Apostel  des  Nazarcnerevangcliums  gestiftet  wurde,  so 
könnte  man  fast  beide  symbolische  Deutungen  für  unseren 
Pfingstpartcitag  anwenden.  Ein  jubelndes  Erntedankfest  wird 
der  Weimarer  Tag  allerdings  nicht  sein.  Denn  nach  den 
ersten  Garben  der  Revolution  sind  viele  andere,  wohl  die  aller -
meisten,  nichl  in  die  Scheuer  gelangt.  Und  ob  der  heilige  Geist 
des  revolutionären,  aufbauendcn  Sozialismus  restlos  über  die 
Weimarer  Delegierten  kommen  wird  —  den  wir  nötiger  denn 
je  gebrauchen  —,  wer  könnte  das  zur  Stunde  sagen.  Und  der 
Weimarer  Geist  besonders  soll  ja  für  Deutschland  wunder -
tätig  fein.  Ueber  die  deutsche  Nationalversammlung  ist  er  trotz 
Friedrich  Eberts  heißem  Gebet  am  6.  Februar  leider  noch 
nicht  gekommen.  Wir  haben  also  ein  Recht,  mit  pessimistischem 
Ballast  nach  Weimar  zu  reisen.  Schon  türmen  sich  die 
Schwierigkeiten  vor  den  Delegierten  auf.  Auch  die  Natio -
nalversammlung  soll  gleichzeitig  tagen:  die  Ver -
sailler  Entscheidung  wird  erwartet.  So  blickt 
das  deutsche  Volk  in  seiner  Gesamtheit,  und  die  Arbeitenden 
und  der  Sozialismus  im  besonderen,  mit  leidenschaftlicher 
Spannung  nach  dem  deutschen  Athen.  Es  ist  nicht  unwahr -
scheinlich,  daß  die  Teilnehmer  dieses  Parteitages  h  i  st  o  r  i  s  ch  e 
Tage  von  schwerster  Bedeutung  erleben.  Was 
von  Versailles  kommt,  wird  ein  schlechter  Friede,  oder 
noch  schlimmeres:  neuer  Krieg,  neue  Reaktion  und 
noch  schlechterer  Friede  sein.  Es  ist  denkbar,  daß 
diese  Doppeltagung  für  beide  Parlamente  zur  Schicksalstagung 
wird,  und  daß  der  sozialdemokratische  Parteitag  berufen  sein 
kann,  in  dieser  oder  jener  Form  auf  die  Beschlüsse  der  Natio -
nalversammlung  Einfluß  zu  gewinnen. 
Jedenfalls  ist  diese  erste  Volltagung  nach  Krieg  und  Revo -
lution  für  Volk,  Arbeiterschaft  und  Partei  «von  allergrößter 
Bedeutung.  Sie  geht  über  den  Rahmen  cinfr  Parteigencral- 
versammlung  weit  hinaus.  Der  Parteitag  soll  zum  Sozialis -
mus,  wie  zur  Revolution  und  zur  zukünftigen  Stellung  unseres 
Volkes  im  Kreise  der  anderen  Völker  Beschlüsse  fassen  und  Be -
kenntnisse  oblegen,  die  geschichtliche  Folgen  haben  müssen.  Das 
zeitliche  Zusammentreffen  mit  der  Erwartung  über  die  Ver -
sailler  Entscheidung  kann  dazu  beitragen,  daß  die  große 
innere  AusspracheübcrdieHaltungdcrPartei 
i.n  der  Revolution  in  den  Hintergrund  gedrängt  oder 
schließlich  ganz  vertagt  wird.  Aber  wenn  wir  auch  bei  einer 
gekürzten  Tagesordnung  über  den  inneren  Zustand  unserer 
Porlel  veryanoeln  müssen,  überall  wird  sich  die  zwingende 
Notwendigkeit  zeigen,  das  Verhältnis  der  Sozialdemokratie 
als  Organisation  sowohl,  wie  als  geistige  Bewegung  in  Ein -
klang  mit  der  Größe  dieser  revolutionären  Epoche  zu  bringen. 
Aus  den  zahlreichen  Anträgen  spricht  ein  zum  Teil  leidenschaft -
liches  Drängen  nach  Klärung,  nach  einer  Befreiung  von  Zwei -
feln  an  der  Kraft  des  Sozialismus.  Es  ist  ein  großes  For -
dern  nach  Rechenschaft,  das  sich  Massen  und  Führer  geben 
wollen,  geben  müssen.  Das  gewaltige  Wachstum 
unserer  Organisation  in  der  Revolution  ist  für  die  Partei 
z  ii  g  l  e  i  ch  a  u  ch  c  i  n  e  E  r  s  chü  t  t  c  r  u  n  g  g  e  w  e  s  e  n.  Es  sind 
nicht  nur  nummerierte  Rlitglieder  zu  hunderttauscnden  aus -
genommen,  sondern  es  sind  hoch  schlagen  de  Hoff -
nungen  der  Armen  auf  die  neue  sozialistische 
Struktur  der  Welt  gewesen,  die  unsere  Organisation 
erfüllte.  Man  lese  nur  die  Stichproben  über  den  Mit- 
gliedcrzuwachö  im  Bericht  des  Vorstandes:  Im  Bezirk  West -
liches  Westfalen  betrug  am  Jahresschluß  die  Mitglicderzahl 
5  2  6  1  1  gegen  12  9  0  2  bei  Abschluß  des  vorigen  Berichts -
jahres.  Im  Bezirk  Pommern  26  685  gegen  1256.  Der  Be -
zirk  Dresden  berichtet  über  39  103  Mitglieder  gegen  12  037 
nm  Schlüsse  des  vorigen  Jahres.  15  020  gegen  1479  im  Vor -
jahre  werden  aus  dem  Bezirk  Kassel  gemeldet. 
Das  ist  nur  ein  kleiner  Auszug.  Ihm  entspricht  vor  allem 
die  Zahl  der  in  die  Reichs-  und  Kommunalparlamente  ge -
schickten  Vertrauensmänner  und  Frauen.  Von  den  letzteren 
zählt  die  Partei  gegenwärtig  in  den  Bundesstaaten  und  im 
Reichsparlament  allein  5'4  Verterterinnen.  In  der  National -
versammlung  sitzen  165  Sozialdemokraten  neben  22  11.'  S.  P. 
Ju  den  Einzeilandtagen  713  Vertreter  gegen  231  im  Jahre 
1913.  Der  Hunger  nach  sozialistischer  Literatur  ist  fast  gleich 
geworden  dem  anderen,  rein  physischen  Hunger.  24  neue 
Partei  blätter  wuchsen  durch  die  Revolution  rasch 
empor,  und  trotzdem  schreien  die  Genossen  überall  im  Lande 
rach  neuen  sozialistischen  Tagesblättern.  Dieser  elementare 
Schwung  drängt  selbstverständlich  zu  Taten  auf  der  ganzen 
Linie. 
Und  gerade  über  die  s  o  z  i  a  l  i  st  i  s  ch  e  T  a  t  wird  der  Par -
teitag  mit  sich  selbst  ins  Reine  kommen  müssen.  Hier  wird 
das  Schlagwort  von  den  wirklichen  Dingen  getrennt  werden 
müssen,  aber  es  wird  auch  das  Tasten  und  das  mangelnde 
Selbstvertrauen  aufgegeben  werden  nassen,  und  es  wird  vor 
allem  wieder  mehr  Offensivgeist  in  den  ganzen 
Kampf  h  i  n  e  i  n  k  o  m  m  e  n  müssen.  In  dem  Augenblick, 
wo  die  Nationalwahlen  uns  den  kleinen  Berg  Stimmzettel 
brachten,  ist  der  große  Schreck  über  uns  gekommen  und  hat 
unsere  alte  Angriffslust  gelähmt  und  und  täglich  mehr  in  die 
Deffensive  gedrängt.  Auf  dem  Boden  der  Demo -
kratie  hat  der  Kapitalismus  seine"  Truppen 
und  vor  allem  seine  Intelligenzen  gegen  u  n6 
P.t  führt.  Das  können  wir  als  Demokraten  freilich  nicht 
hindern.  Aber  die  Strategie  verlangt,  daß  man  das  nuninic-- 
rifche  Mindergewicht  durch  das  Schwergewicht  der 
sozialistischen  Initiative,  und  zwar  der  rück -
sichtslose  st  e  n  Initiative  ersetzt.  Daran  hat  es 
ohne  Zweifel  oft  genug  gefehlt.  Gerade  in  den  letzten  Wochen 
mehr  denn  je.  ?ad  waren  Fehler,  über  die  wir  draußen  er -
schraken,  und  von  denen  andere  lebten.  Das  ist  unsere  Krank- 
hcit  geworden,  die  gerade  jetzt  unter  allen  Umständen  wieder 
geheilt  werden  muß.  Der  Parteitag  soll  Helfer  und  Arzt 
werden.  Und  nicht  nur  für  die  engere  Partei  allein.  Tan- 
sinde  und  abertausende  Genossen  hoffen,  daß  das  rechte  Wort 
und  der  rechte  Weg  auch  über  künstlich  aufgerichtete  Partei- 
grenzen  hinweg  zur  Gesundung  des  kranken  Ge- 
sanitkürpers  gefunden  wird.  Es  ist  die  Sehn -
sucht  nach  dem  guten  Geist  des  Proletariats, 
bcs  echten  Brudertums,  die  diesen  Weimarer  Partei- 
iag  begleiten  und  ihm  jede  Stunde  fühlbar  sein  wird.  Mag 
dieser  Geist  zum  Pfingstgeist,  zum  Erfüllungsgeist  des  hoffen -
de«  Proletariats  werden. 
§iebrrstimmung  in  Paris. 
(Eigener  Drahtbericht  des  »Hamb.  Echo'.) 
L  ii  r  r  a  ch  iBaden),  7.  Juni.  Die  gesamte  Pariser  Presse 
steht  ausschließlich  unter  dem  Eindruck  deS  Ltreiks, 
hinter  dem  Versailles  völlig  in  den  Hintergrund  tritt.  Tie 
regierungstreuen  Blätter  sind  v»n  größter  Be -
sorgnis  erfüllt.  Das  „Jounal  des  DebatS"  sagt:  Wenn 
die  deutsche  Negierung  für  einige  Tage,  aufrichtig  oder  nicht,  auf 
dem  Entschluß,  nicht  zu  unterschreiben,  besteht,  so  geschieht 
es  deswegen,  weil  sie  auf  bolschewistische  Un -
ruhen  in  den  Ententeländern  rechnet.  Tie  Streik -
leiter  behaupten,  für  den  Frieden  zu  arbeiten,  aber  die  Bewegung 
bildet  gerade  das  einzige  Hindernis  für  die  unmittelbare  Unter -
zeichnung.  Ter  „TempS"  sagt,  Frankreich  befinde  f  i  ch 
am  Borabend  der  Ausrufung  der  Diktatur  des 
Proletariats.  In  der  „Action  francaije"  bezeichnet 
L.  Daudet  als  daS  Ziel  der  sozialistischen  Führer,  den  Teutschen 
zu  einem  guten  und  damit  Frankreich  zu  einem  schlechten  Frieden 
zu  verhelfen,  um  so  dem  Sowjetismus  eine  günstige  Stellung  zu 
verschaffen.  Das  Blatt  verlangt  die  Berhaftung 
der  sozialistischen  Führer  und  fordert  die  Re -
gierung  zu  raschem  Handeln  auf.  Dieser  Stimmung 
schließt  sich  der  Sozialist  Herve  an,  bet  in  der  „Sietske"  an  die 
Arbeiter  die  Frage  richtet,  ob  sie  denn  gänzlich  verrückt 
geworden  seien.  Er  schreibt:  Wir  rufen  den  Pariser  Ar -
beitern  und  Angestellten  zu:  EsistnichtRevoluti»n,auf 
die  Brockdorff  hofft,  sondern  Pflichtvergessen -
heit  und  Schande,  zu  der  Euch  schlechte  Führer 
leiten  1 
Die  sozialistische  Presse  setzt  ihren  Feldzug  mutig  fort.  Die 
„France  libre'  verhält  sich  gemäßigt  und  begnügt  sich  damit,  auf 
die  Ursachen  der  heutigen  Bewegung  hinzuweisen,  die  auf  da? 
langsame  Arbeiten  der  Konferenz,  auf  die  Enttäuschung  Über  den 
Friedensvertrag,  die  unerträgliche  Teuerung  der  Lebens -
rnittel,  die  Aussicht  auf  gerade  die  Arbeiterklasse  belastende 
Steuern  und  die  Abneigung  der  Regierung  gege^  die  Sozialisten 
zurückzuführen  ist.  Im  „Journal  du  Peuple"  veröffentlicht 
Henry  Fabre  einen  Artikel  mit  der  Ueberschrift:  „Werden 
sie  gehen?",  nämlich  die  Regierenden,  und  er  schreibt:  ,D  i  e 
Stunde  ist  ernst,  ebenso  wie  im  August  1914. 
Dar  Proletariat  erhebt  sich  heute  nicht,  um  diese  oder  jene 
materielle  Verbesserung  zu  erlangen,  sondern  um  den 
festen  Willen  kund  zu  tun,  in  der  gesamten 
Gesellschaft  die  notwendige  radikale  Um -
formung  zu  erwirken.  Es  ist  ein  neuer  Geist,  der  sich 
damit  offenbart.  Und  in  der  „Humanite"  betont  Cochin: 
Millionen  und  Millionen  Proletarier  zählen 
heute  auf  Veränderung  des  Eigentums,  auf' 
dieses  Ziel  marschieren  wir  von  jetzt  an  rasch  durch  Unruhen  und 
Krisen  hindurch,  die  die  Bürger  mit  Schrecken  er -
füllen. 
'  In  den  Wandelgängen  der  Kammer  bildet  der  Streik  das 
einzige  Gesprächsthema,  vor  dem  alle  politischen 
Fragen  zurücktreten.  Unter  den  bürgerlichen  Deputierten  ist  man 
Übereinstimmend  der  festen  Ansicht,  daß  die  Arbeiterbewe -
gung  politische  Ziele  verfolgt  und  scheut  sich  nicht, 
den  Streik  als  von  bolschewistischen  Händen  finanziert  hinzustellen. 
In  Offizierskreisen  soll  nach  der  „Artion  francaiS"  mehr 
Ruhe  und  Optimismus  herrschen  als  im  Palais  Bourbon.  Be -
sonder?  soll  keinerlei  Unruhe  gezeigt  werden.  Aber,  fragt  sich 
die  „Action  francaiS",  und  das  nicht  mit  Unrecht:  JstdaSnicht 
gewollter  Optimismus? 
Am  Freitag  wird  C  ach  in  in  der  Kammer  über  die  aus -
wärtige  Politik  sprechen.  In  der  „Victoire"  fäll:  H  e  r  v  k  • 
dem  streikenden  Proletariat  in  den  Rücken, 
worüber  einige  bürgerliche  Blätter  ihr  Erstaunen  nicht  vcrbergew 
In  der  sozialistischen  und  radikalen  Presse  mehren  sich  die  Angriffe 
auf  Clemenceau.  Terry  bezeichnet  Clemenceau  alS  einen  Politiker 
mit  alter  Schuld  und  Fabre  slbreibt  im  „Populaire",  daß  daS 
Volk  genug  Kraft  habe,  um  den  Widerstand  derjenigen  zu  brechen, 
die  sich  gegen  das  Volk  verbunden  haben. 
Warnung  vor  politischen  Forderungen. 
In  einem  Aufruf  bet  „Confederation  generale  du  travaille" 
werden  die  Arbeiter  ermahnt,  die  politischen  Forderungen  nicht  in 
den  augenblicklichen  Streik  hineinzutragen,  sondern  die  inter -
nationale  Verständigung  mit  Italien  und 
England  wegen  der  gemeinsamen  großen 
Aktion  abzuwarten.  Die  Regierung  und  daS  Parlament 
werden  vor  der  Anwendung  von  Gewaltmaßregeln 
gewarnt.  Die  Pariser  Eisenbahner  haben  eine  Tagesordnung 
angenommen,  in  der  erklärt  wird,  daß  die  gegenrevolu -
tionäre  Aktion  der  Regierung  lange  genug 
gedauert  habe.  Die  russischen,  ungarischen  und  deutscken 
Revolutionäre  täten  nichts  anderes,  al?  daS  auch  von  den  Fran -
zosen  verteidigte  Prinzip  der  Erpropriation  der  Kapitalisten  zu 
fordern.  DaS  Verhalten  der  Soldaten  und  Matrosen,  welche  ihre 
Mithilfe  für  die  Regierung  verweigert  hätten,  wird  gebilligt,  und 
cs  wird  erklärt,  man  fei  für  eine  sofortige  Aktion, 
den  Verkehr  aller  Truppen  und  Mun  !  t  iw  n  »- 
züge,  mit  Ausnahme  der  Urlauberzüge,  ein« 
zu  st  ellen,  um  die  Untcrnehmungender  Regierung 
gegen  die  revolutio^nären  Völker  und  gegen 
die  desertierenden  Soldaten  zu  Verbindern. 
Der  Streik  der  Grubenarbeiter  in  Nordfrankreich  ist  beendet, 
dagegen  fordern  die  Angestellten  der  Pariser  Untergrundbahn  die 
Verstaatlichung. 
Das  Antistreikgesetz. 
Aus  der  bekannten  Wissellschen  Denkichrift,  die  zunächst  zur 
vertraulichen  Lektüre  für  des  Minister  Kabineliskollegen  be -
stimmt  war,  veröffentlichte  die  „Freiheit"  dieser  Tage  den  Ent- 
Wurf  eines  „Gesetze?  zur  Sicherung  de?  Wirische,st?lebens"  Das 
Gesetz  hat  folgenden  Wortlaut: 
§  1.  Ilm  das  Recht  auf  Arbeit  gegen  unzulässige  Ein -
griffe  zu  sickern,  soll  die  Einstellung  der  Arbeit  im  Wege  des 
Streiks  nur  stattfinden,  nachdem 
a)  ein  Schlichtungsverfahren  vor  dem  zur  Schlich -
tung  von  Arbeitsstreitigkeiten  zuständigen  Einigungsamt 
oder  Schlichtungsansschuß  durchgcführt  ist,  und  demnachit 
b)  die  Arbeitnehmer  in  einer  von  den  Arbeiter-  oder  An- 
gestelltenausschüffen  der  lx'treffenden  Betriebe  herbciznfiih- 
renben  geheimen  Abstimmung  mit  einer  Mehr -
heit  von  INindesten?  drei  Vierteln  ihrer  Ge -
samtzahl  sich  fiir  die  Arbeiiceinstellnng  erklärt  haben. 
S  L.  Die  Aussperrung  von  Arbeitnehmern  durch  den 
Arktz'itgek>cr  ist  nur  nach  Durchführung  des  in  §  1  unter  » 
bezeichneten  Schlichtungsverfahrens  zulässig.  Das  gleiche  gilt 
von  der  Stillegung  des  Betriebes,  soiveit  sie  nicht  durch 
höhere  Ckivalt  ober  die  Einleitung  des  Konkursverfahren?  ver -
ursacht  luhb. 
is  3.  Unbeschadet  der  Vorschriften  des  §  10  und  des  21 
Absatz  2  der  Verordnung  vom  23.  Dezember  1918  (R.-V  Bl. 
S.  1456)  kann  die  Landeszeirtralbeborde  den  toteren  Verwal -
tungsbehörden  die  Befugnis  Übertrager^  rn  wichtigen  Fällen 
zur  Turchfübpnng  des  in  den  vorstehenden  Bedingungen  vor -
gesehenen  SchlichtungsverfcchrenS  besondere  Schlich -
tungsstellen  einzusetzen,  in  denen  Vertreter  der  Arbeit -
geber  und  Arbeitnehmer  in  gleicher  Zahl  als  Beisitzer  mitzu -
wirken  haben. 
§  4.  Turch  Vereinbarung  zwischen  dem  Arbeitgeber  und 
dem  Arbeiter-  und  Angestelltenausschuß  ober,  sofern  mehrere 
Betriebe  der  gleichen  Fachgruppe  innerhalb  deS  gleichen  Wirt- 
schastSgebie:e-  in  Betracht  kommen,  durch  die  ArbeitSgemein- 
fchaft  der  beteiligten  Fachgruvpe,  kann  eine  andere  als  die 
nach  den  vorstehenden  Bestimmungen  zuständige  Schlich -
tungsstelle  mit  der  Durchführung  des  Schlichtungsverfah -
rens  betraut  werden. 
§  5.  Wer  unter  Verletzung  der  Vorschriften  des  §  1 
ö-fentlich  ober  durch  Mitteilungen,  die  für  einen  größeren  Per- 
ionenkrs:-  benimmt  sind,  zum  Streik  auffordert  oder 
anreiz:,  oder  tret  be:  der  Einleitung  oder  Durchführung 
eines  solchen  Streiks  als  Führer  oder  Leiter  mit -
wirkt,  wird  mit  Gefängnis  nicht  unter  drei 
Monaten  bestraft.  Tie  gleiche  Strecke  trifft  denjenigen, 
der  in  der  in  Absatz  1  bezeichneten  Weife  dazu  aufsordert  oder 
anreizt,  andere  an  der  Aufnahme  der  Arbeit  zu  hindern.  Tas 
gleiche  gilt  von  demjenigen,  der  unter  Verletzung  der  Vor -
schriften  deS  §  2  zur  Aussperrung  von  Arbeitern  oder  zur  Still -
legung  dej  Betriebes  schreitet. 
8  8.  Der  öffentlich  oder  durch  Mitteilungen,  die  für  einen 
chtößeren  Personenkrets  bestimmt  find,  andere  zu  Handlungen 
auffordert,  die  bezwecken,  die  Leiter  von  wirts<baftlichen  Be -
trieben  in  der  rechtmäßigen  AusübungihreS  Dien- 
st  es  zu  hindern,  wird  mit  Gefängnis  nicht  unter  drei 
Monaten  bestraft. 
§  7.  Tie  Polizeibehörden  find  befugt,  die  in  ?  5  Absatz  1 
und  2  und  in  §  6  bezeichneten  Personen  unbeschadet  der  Straf -
verfolgung  feit  zunehmen  und  für  bie  Dauer  der 
Streikgefahr  in  Gewahrsam  zu  halten. 
§  8.  Tie  Lani  eszentralbebörden  find  befugt,  AuSführungS- 
bestirnuntngen  zu  die'em  Gesetz  zu  erlassen. 
§  9.  Dieses  Gesetz  tritt  mit  seiner  Verkündung  in  Kraft. 
Auch  über  diesen  Gesetzentwurf  toastet  daS  Unheil  und  es 
ist  selbstverständlich,  daß  eS  so  nicht  verabschiedet  werden  kann. 
Es  mag  genügen,  wenn  wir  zur  Charakterisierung  dieses  Gesetzes 
aus  der  Wissellicken  „Planwirtschaft"  die  folgende  Beurteilung 
aus  dem  bürgerlichen  „Berliner  Tageblatt"  hierhersetzen. 
.....  Die  Vorschläge  deS  ReichStorrtschaftSministeriumS 
dürfen  dabei  au :  eine  besondere  Originalität  nicht  An -
spruch  erbeben.  Schon  sei:  langen  Jabren  haben  die  Sozialisten 
in  Neuseeland  und  in  einigen  Bundesstaaten  Australiens  dieses 
Zwangsschiedsgerichtsverfahren  in  Lohn-  und  sonstigen  Är- 
beiterfragen  mit  Erfolg  verwirklicht.  Die  im  Gesetzentwurf 
vorgesehenen  Strafbestimmungen  erscheinen  in -
dessen  zu  hart  und  vor  allem  zukautschuk -
artig  und  geben  der  Polizei  z  u  weitgehende 
Präventivrechte. 
Eine  solche  Beurteilung  von  dieser  Stelle  ist  bitter  genug. 
ES  erübrigt  sich,  mehr  dazu  zu  sagen. 
politisthe  Nachrichten. 
vom  tntSoflrura  vosskl. 
DTD.  Haag,  7.  Juni.  DaS  Korrespondenzburecn:  er'äbrt, 
daß  dem  Cberk-atnant  Vogel,  da  er  ohne  ordnungsgemäßen  Pah 
über  die  niederländische  Grenze  gekommen  ist  und  daher  als  eine 
Gefahr  für  die  öffentliche  Sicherheit  angesehen  wird,  ein  für 
solche  Zwecke  eingerichtetes  Ausländ  erläget^  als  Aufenthaltsort 
angewiesen  ist.  Von  seinem  Rechte,  das  Ersuchen  um  Zurück- 
beförderung  nach  seiner  Heimat  zu  'tellen,  bat  Oberleut -
nant  Vogel  bisher  nicht  Gebrauch  gemacht.  Die 
niederländische  Regierung  hat,  soweit  bekannt  ist,  bisher  noch 
kein  AuSlteferungSer  suchen  vonseiten  der  deut, 
schet,  Regierung  erhalten.  Die  Behandlung  eines  etwaigen 
Auslieferungsersuchens  wird  von  den  Tatsachen  abbänaen,  auf 
die  sich  das  Ersuchen  gründet. 
Tie  Lage  in  München. 
WTB.  München,?.  Juni.  Die  Abendblätter  melden:  Die 
Auflösung  der  Münchener  Garnison  ist  so  gut  wie  durchgeführt. 
Tie  Kasernen  sind  teilweise  in  trtotknem  Zustand.  Ter  Sparta« 
kistenführcr  Zeller  berief  sich  bet  der  Vernehmung  darauf,  daß 
die  Entstehung  der  ersten  Räterepublik  im  wesentlichen  auf  die 
Mehrbeit  sozialisten  zurückgehe.  Die  Unabhängigen 
hätten  nur  widerwillig  mitgetan.  Mit  der  planlosen  Verhaftung 
der  Geiseln  war  er  nicht  einverstanden.  Der  angedrohte  Aus- 
stand  der  Münchener  Gemeindebeamten  und  -arbeitet  scheint  nach 
der  „Münchener  Post"  abgewendet  zu  fein,  da  die  Zulagenfrage 
güUich  geregelt  werden  soll. 
Belagerungszustand  über  Remscheid. 
Ueber  Remscheid  und  Lennep  wurde  der  verschärfte  Belage -
rungszustand  verhängt.  R  egt  erungS  truppen  des  Generalkom -
mandos  Münster,  welche  in  Automobilen  in  bie  Stadt  Remscheid 
einrückten,  verhafteten  5  Führer  der  Kommunisten  und  Unabhän -
gigen,  darunter  da»  MitKied  der  Nationalversammlung  Braß. 
Die  Verhafteten  wurden  roegtran?port:At.  Gleichzeitig  traten 
die  Industriearbeiter,  Straßenbahner  und  Buchdrucker  in 
den  Ausstand. 
Der  Proteststreik  gegen  den  Belagerun^zuftand  in  Duisburg 
umfaß:  etwa  50  000  Arbeitet.  Sämtliche  Betriebe  in  Duisburg, 
Ruhrort  und  Meidetich  liegen  still. 
Reue  Llreikdewrgnllg  im  Duisburger  Revier. 
WTB.  Duisburg,  7  Juni.  Der  Proteststreik  gegen  den 
Belagerungszustand  bat  fick  weiter  stark  ausgedehnt  und  droht  zu 
einem  allgemeinen  Ausstand  zu  werden.  Dtc  meisten  Industrie -
arbeiter,  ein  Teil  der  Bergleute  und  alle  Straßenbahner  sind 
daran  beteiligt,  auch  bie  Beamten  und  Angestellten  eines  Werke? 
haben  sich  ihm  angcschloffen.  Am  6.  Juni  nachmittags  hat  eine 
Besprechung  zwischen  ben  Vertretern  bet  Stadtverwaltung,  des 
Generalkommandos  unb  dem  Reichskommissar  Severing  mit  den 
Slrbeiterbcrtretem  ftattgefunben,  um  die  Aufhebung  des  Belage- 
rung-zustande»  zu  fordern. 
Elreikabstimmllng  in  Magdeburg. 
WTB.  Magdeburg,  7.  Juni.  Die  Arbeiterschaft  der 
Magdeburger  Metallindustrie  war  in  eine  Lohnbewegung  ein- 
getreten  unb  forderte  Erhöhung  des  StundenlohueS  um  60  .Z.  Der 
Spruch  des  SchlichtuiigSanSschusseS,  der  der  Erhöhung  de?  Stun -
den  lohne?  um  20  zusprach,  wurde  nicht  anerkannt,  aber  die 
heutige  Abstimmung  in  den  Betrieben  ergab  8000  für  und  14  500 
gegen  den  AuSsland.  Da  biefer  nach  ben  Verbandssatzungen  nur 
mit  s,.  Mehrheit  l<eschlosscn  werden  sann,  ist  damit  der  AuS- 
stand  abgelehnt.  
Tiroler  Protest. 
WTB.  Innsbruck,  7.  Juni.  Meldung  des  Wiener 
Telegr-  und  Kotresponbenzbuteaus.  Eine  massenhaft  gesuchte  all- 
gemeine  Wählerversammiung  ber  beutfcb.freibcit'icben  Partei 
Tirols  nahm  eine  Entschließung  an  gegen  die  FriedenSbedingun- 
gen,  durch  welche  auch  Rordtirol  zu  einem  lebensunfähigen  Ge- 
bilde  und  einem  Spielball  romanischer  Hinterlist  gemacht  würde. 
Die  Entschließung  verwirft  jede  Preisgabe  deutschen  Bodens  unb 
bie  ©djeibung  Deutsch- Oesterreich?  vom  Mntterlanbe  Deutschland 
unb  fordert  Verteidigung  alles  deutschen  Wesen?  und  Bodens  biS 
zum  äußersten.  
Schlacht  zwischen  gegenrevolutionäre»  vanern  und 
ungarischen  Rätetrnpprn. 
WTB.  Wiener  R  e  u  st  a  d  t,  7.  Juni.  Meldung  deS  Wie -
ner  Telegr.»  und  Kotrespondenzbueravs:  Gestern  haben  sich  bei 
Oedenbnrg  in  ber  Gegend  zwischen  Zinkendorf  und  Kollethos  un -
gefähr  4000  bewaffnete  Bauern  angesammelt,  um  einen 
gegenrevolutionären  Putsch  auf  bie  Räteregke- 
rung  in  Oedenbnrg  auSzuführen.  Im  Anmärsche" 
auf  Cebenburg  stellte  fiu  en  die  inzwischen  alarmierte  Ceben» 
burger  Garnison,  Infam  ie  mit  Maschinengewehren  und  Ar -
tillerie,  bei  Zinkendorf  entgegen,  w  o  e  S  zu  einer  blutigen 
Schlacht  gekommen  ist.  Die  gegegenrebolutio- 
nären  Bauern  wurden  zurückgeschlagen  und  in 
Kollerhof  von  den  Rotgardisten  eingeschlossen. 
Nach  kurzer  Belagerung  wurde  Kollerhof,  welches  heute  in  Flam -
men  steht,  von  den  Truppen  der  Räteregierung  in  Sturm  ge -
nommen  und  ein  entsetzliche?  Blutbad  angerichtet, 
lieber  das  ganze  Cebenburger  Komitat  wurde  der  Belagerungs -
zustand  verhängt  und  die  Militärdiktatur  verkündet. 
General  Mangin  bleibt  nevtral. 
Gckneral  Mangin  hat  an  den  Bürgermeister  von  Mainz  eine 
Erklärung  gerichtet,  wonach  die  Frontarmee  in  Sachen  der  Rhein -
republik  absolute  Neutralität  üben  »werde  Lediglich  gegen  Kund -
gebungen,  bie  die  öffentliche  Ruhe  und  Ordnung  stören  könnten, 
wird  eingeschritten  werden. 
Zur  Eröffnung  der  Kölner  Universttät. 
Zur  Teilnahme  an  der  Eröffnung  der  Rötner  Universität 
wollte  eine  Anzahl  preußischer  Regi  er  ungsv  er  tretet  nach  Köln 
reifen.  Es  wurde  jedoch  nur  dem  Kultusminister  Haenisch  die 
Einreise  gestattet,  während  sogar  ber  Wohlfahrtsminifter  Steger» 
wald.  ber  in  Köln  zu  Hause  ist,  die  Bewilligung  nicht  er -
halten  hat.  
Kleine  politische  Mitteilungen. 
Tie  „Regierung  der  Rheinrepublik"  bringt  in  ihrem  Ver -
einsorgan,  dem  „Mainzer  Neuesten  Anzeigen"  eine  Phantasie -
meldung  von  einer  Wieder  au  fr  ichtung  der  Universttät  Mainz. 
In  Kaiserslautern  kam  es  zu  einem  blutigem  Ab -
schluß  des  ProteftstreiktageS.  Eine  ftanzösifche  Patrouille  trieb 
eine  Gruppe  junger  Leute  auseinander  und  feuerte  in  sie  hinein. 
Zwei  Personen  wurden  getötet,  zwei  weitere  verletzt. 
In  Höchfi  haben  bie  Franzosen  drei  Arbeiter  als  Anstifter 
des  Streiks  verhaftet.  Einer,  der  gestern  wieder  frei  gelassen  ist, 
war  am  ganzen  Körper  blau  geschlagen.  Die  beiden  andern 
wurden  derartig  mit  Gummifchläuchen  und  Reitpeitschen  miß -
handelt,  daß  man  ihr  Schreien  auf  der  Straße  hörte. 
As  sssim  öer  BMMODOle. 
Im  Zentrum  der  deutschen  kapitalistischen  Organisationen 
sitzt  die  Deutsche  Bank.  Einer  ihrer  Direktoren  war  Herr  Prof. 
Dr.  Karl  Helfftrich.  Bald  nach  Ausbruch  des  Krieges  wurde  er 
Staatssekretär  bet  Reichsfinanzen.  Er  verwarf  die  englische 
Methode  der  Finanzierung  des  Kriege?  auf  der  Grundlage  direkter 
Steuern  unb  führte  im  Interesse  des  Großkapitals  konsequent 
die  entgegengesetzte  durch,  ben  Kriegslieferanten  so  hohe  Preise 
zu  gewähren,  daß  sie  aus  ihrem  Profit  beliebige  Summen  von 
Ktlegsanleibg,  zeichnen  tonnten,  mit  bet  die  Lieferungen  bezahlt 
wurden.  Tie  Kriegsanleihe  wurde  von  vornherein  konsolidiert, 
das  heißt  langfristig  festverzinslich  gemacht.  DaS  feindliche  Aus -
land  sollte  dann,  wie  Helfterich  dem  jubelnden  Reichslag  im  vor -
zeitigen  Siegesrausch  verkündete,  die  Sklavenkette  der  Zinsen  nach 
sich  schleppen,  um  dadurch  di«  Konkurrenzfähigkeit  seiner  Pro -
duktion  auf  Menschenalter  hinaus  zu  lähmen. 
Inzwischen  *jog  der  Krieg  sich  endlos  in  die  Sänge.  Die 
Schuldenlast  wuchs  ins  Unermeßliche.  Es  wurde  allmählich  klar, 
daß  Deuft'chland,  trotz  seiner  Siege,  selber  an  die  Verzinsung 
seiner  ungeheuren  Anleihen  werde  denken  müssen.  Neue  Steuer -
quellen  mußten  angebofirt  werden.  Eine  so  scharfe  Steigerung 
ber  direkten  Steuern  wie  in  England  würde  den  Interessen  des 
Kapital?  widersprochen  haben.  Deshalb  wurde  im  Rate  der 
kapitalistischen  Drahtzieher  beschlossen,  ein  neues  System  indirekter 
Steuern  auszubauen.  Helfferich  übernahm  das  Reichsamt  des 
Innern  und  begann,  die  deutsche  Wirtschaft  in  Form  einer  Reihe 
von  Privatmonopolen  zu  organisieren.  DaS  Leitmotiv  war,  durch 
Auftechterhaltung  der  Ausschaltung  der  Konkurrenz  die  Kriegs- 
Profitrate  zur  dauernden  Norm  und  dadurch  die  Produktion 
recht  steuerkräftig  zu  machen,  auf  Kosten  der  Perbraucher. 
Privatmonopole  find  Pflanzen,  die  nur  im  Dunkeln  gebeiden. 
Das  Tageslicht  können  sie  nicht  vertragen,  weil  ihr  Anblick  so 
häßlich  ist,  daß  "bie  Menschheit  gleich  schreien  würbe:  reißt  sie 
au?,  werft  fie  fort,  verbrennt  fiel  Es  ist  baber  Existenzbedingung 
von  Privatmonopolen,  daß  die  Oeffenilichkeit  bon  ihnen  nichts  er -
fährt,  oder  wenigstens  nichts,  was  ibncn  leicht  gefährlich  werben 
könnte.  Are  Morphologie  muß  geheim  bleiben.  Deshalb  gibt 
man  bem  Kind  irgend  einen  harmlosen  Namen,  hängt  möglichst 
viele  lichtabsperrende  Mäntelchen  herum  unb  sorgt  dafür,  daß 
außer  einigen  leitenden  Beamten,  denen  vielleicht  gute  Posten 
winken,  niemand  etwa»  davon  erfährt,  als  die  interessierten 
Kapitalisten  selbst.  Der  Plan  war  auf  bie  Voraussetzung  ge -
gründet,  daß  die  Reaktion  die  Oberhand  behalten  würde.  Und 
in  ber  Tat,  er  ist  so  gebaut  unb  so  gut  gelungen,  daß  von  ben 
zahlreichen  Privatmonopolen,  die  unter  Helfferich  unb  seines -
gleichen  vom  Reichsamt  des  Innern  und  später  vom  ReichSwirt- 
schafiSamt  ins  Leben  gerufen  wurden,  der  Oeffentlichkeit  bisher 
fast  nichts  bekannt  geworben  ist  Man  braucht  sich  nicht  zu 
wundern,  baß  hieran  auch  bie  Revolution  bisher  noch  nichts  ge- 
ändert  hat.  In  ben  Aemtern  fitzen  fast  überall  noch  bieiesben 
Geheimräte  unb  Vertrauensmänner  des  Kapitol:  bie  kurz 
vorher  ba?  Ding  gedeichselt  hatten.  Ein  Narr.  g^aot,  sie 
würden  ihre  eigenen  Kinder  fressen. 
Anfang  April  gerieten  einige  Akten  des  Warenverein?  der 
Hamburger  Börse  zufällig  in  unsere  Hände.  Sie  trugen  bie 
Unterschrift  be?  Synb-kus  ber  Handelskammer,  Dr.  Mathies,  der 
in  einer  geheimen  Sitzung  des  Warenvereins  die  Feststellung 
machte,  die  Firma  Arnold  Otto  Meyer  habe  vom  ReichSwirtschafts- 
amt  ein  tatsächliche?  Privatmonopol  auf  ben  Pfefferimport  er« 
halten.  Unsere  Enthüllung  dieses  Tatbestandes  hat  den  Präses 
ber  Handelskammer  unb  Teilhaber  ber  Firma  Meyer,  Herrn 
F.  H.  Wittboefst,  veranlaßt,  gegen  uns  einen  Strafantrag  zu 
stellen,  der  inzwi'chen  von  der  Staatsanwaltschaft  ausgenommen 
wurde.  Die  Voruntersuchung  gegen  uns  ist  jetzt  im  Gange.  Der 
Strafantrag  gründet  sich  hauptsächlich  daraus,  bag  da?  Vorhanden -
sein  eines  Privatmonopols  bestritten  wird.  Es  ckeht  demnach  bie 
Behauptung  des  Syndikus  ber  Handelskammer  gegen  die  Be- 
bauptung  ihre?  Prüfe?.  Die  Strafkammer  wird  also  selbst  zu 
prüfen  haben,  wie  sich  die  Sache  verhält,  und  der  Prozeß  wird 
Gelegenheit  bieten,  sie  gründlich  aufzuklären. 
Inzwischen  aber  hält  das  ReichSwirffchaftSami  e?  für  er -
forderlich  und  zweckmäßig,  in  dieses  schwebende  Verfahren  ein- 
zugreifcn,  indem  eS  durch  daS  halbamtliche  WTB.  den  folgenden 
erstaunlichen  UkaS  verbreiten  läßt: 
„Eine  rechtzeitige  Voreindeckung  von  Pfeffer  schien  seinerzeit 
ratsam,  ba  Pfeffer  für  die  Wurstfabrikativn  unbedingt  nötig  ist 
und  bie  Preise  im  Produktionslanbe  niedrig  waren.  Es  wurde 
deshalb  in  Uebereinstimmung  mit  den  hinzugezogenen  Sachver -
ständigen  beschloßen,  den  dringendsten  Bedarf  be?  ersten  Friedens-