SXrtit t4«lto uoehnoL Sewita«« «• »ach -HUrtaaen ^rtnmoL Ziühteilt* 1,80 A. monat« 5* 5,65 A Dorau« unb tn allen Annoncen. Bureaus. Platz, und Daten, •erf dirtften otzneBerbinbllch. teil. Wenamte Mn «battlo- eeaenlttt wertxw atutz gegen •ntgelt nt* ausgenommen. Montag, den 1. März 1930. - Abend Ausgabe. 34. Jahrgang. WmWtWiWn Sm Dienstag soll in der preußischen Landesversammlung daS Gesetz über die VermögenSauseinandersctzung zwischen Preußen und den Hohenzollern zur ersten Lesung kommen. kS steht jetzt schon fest, daß kein Sozialdemokrat für dieses Gesetz stimmen wird, und es ist zu erwarten, daß stch dem Vor - bild der Sozialdemokraten ein Teil der bürgerlichen Abgeord - neten anschließen wird, der groß genug ist, um die Gesetz- werdung dieses Entwurfes zu verhindern. Die preußische Regierung, vertreten durch den Justiz- minister Am Zehnhoff und den Finanzminister Gcnosien Dr. S ü d e k u m, hat geglaubt, vorbehaltlich der Zustimmung der Landesversammlung, diesen Vergleich abschließen zu müssen, da bei der gegebenen Rechtslage tatsächlich alle Trümpfö in der Hand des ehemaligen Königshauses sind, das, auf seine privatlichen Eigentumsansprüche gestützt, mit groß - herrlicher Rtieiie geben kann, was es will, und bchaltcn kann, was ihm gefällt. Auf diese Weise ist der Vertragsentwurf zustande ge - kommen. Seinen Inhalt kann man zusammenfasiend so kenn - zeichnen: Das ehemalige Königshaus verzichtet auf diejenigen Teile seines Vermögens, die sozusagen zum Betriebskapital einer Herrschcrfamilie gehören und nach der Absetzung eigent - lich nicht mehr recht verwendbar sind. Dazu gehören vor allem jene Baulichkeiten und Einrichtungen, die nichts ein - bringen, sondern nur etwas kosten. Auf der andern Seite be - halten die Hohenzollern so ziemlich alle Grundstücke, die sie entweder selbst bewohnen können, oder die sie vermieten können oder die landwirtschaftliche Nutzung bringen. Der Vergleich zählt unter 39 verschiedenen Punkten derartige Grundstücke auf, ihre Zahl läßt sich jedoch nicht bestimmen, da vielfach unter einem Punkt zahlreiche Grundstücke zusammengefaßt sind. So unter Punkt 12 sämtliche Wohnhäuser in Berlin, die Eigentum der Hohenzollern sind, unter 22 ebenso alle Häu - ser in Potsdam. In Berlin soll das alte Palais neben der Bibliothek, das Schloß Bellevue und das früher dem Prinzen Karl gehörende Palais in der Wilhelmstraße Eigentum der Familie bleiben, so daß diese in der Reichshauptstadr eine förmliche Hofhaltung unterhalten kann. Der Wert der Häuser und Grundstücke, die die Hohen- zollernfamilie behalten will, läßt sich sehr schwer schätzen. Aber wenn man bedenkt, daß die Grundstücke Berlin, Wilhelm- straße 72/73 (Königliches Hausministerium) allein auf 40 Mil - lionen Mark bewertet worden sind, so kommt man dazu, den Wert des Gesamtvermögens, das die Hohenzolleni für sich be - halten wollen, auf Milliarden zu schätzen. Die Zivilliste, oder wie sie korrekt heißt die Kronfidei- kommißrente, hört natürlich auf, dafür hat aber der Staat Pensionen, Wartegelder, Erziehungsbeihilfen usw. der Hof- bcamten zu bezahlen. Für die Schlösser und sonstigen Grund - stücke, die die Familie dem Staat überläßt, zahlt dieser die Summe von 100 Millionen Rtark, die allerdings nicht bar auf den Tisch gelegt, sondern auf di« ju zahlenden Steuern ver - rechnet werden sollen. Dieser sd in seinen Hauptzügen gekennzeichnete Vergleich wäre für die Hohenzollernfamilie ein famoses Geschäft. Die Anwälte der Krone stellen natürlich große Rechnungen auf, um zu beweisen, daß das, was der Staat von den Hohenzollern bekommen soll, für 100 Millionen Mark so gut wie geschenkt sei. Schon die in den Schlöffern besindlichen Gemälde allein seien mehr wert und so weiter. Praktisch liegt die Sache natür - lich so,' daß eine vornehme Familie solche Kunstgegenstände neimals zu bar Geld macht, so wenig wie eS der Staat tun wird. Die Kunstwerke wären heute so gut wi« unverkäuflich, wenn sie nicht von Ausländern erworben werden würden. Die Hohenzollern könnten aber niemals, ohne den Rest chres An - hangs zu verlieren, Kunstgegenstände, die nach dem allgemeinen RcchtSgefühl der ganzen Nation gehören, auf eigene Rechnung nach Amerika verkaufen. Das Zustandekommen dieses Vergleichs ist so gut wie aus - geschlossen, und es erhebt sich die Frage, was weiter. Die Hohenzollernfamilie kann sich bockbeinig stellen und es auf einen Prozeß ankommen lassen, der zwar für ste ein unge - heurer Skandal wäre, nach der gegebenen Lage des Buchstaben - rechts aber schlleßlich zu ihrem Vorteil enden müßte. Es bleibt daher tatsächlich nur der Ausweg eines Reichs - gesetzes auf Grund des Artikels 153 der Reichsverfassung, wonach Enteignungen auch ohne angemessene Entschädigung und unter Ausschluß des ordentlichen Gerichtsweges erfolgen können, wenn ein besonderes Reichsgesetz das bestimmt. Ein solches besonderes Reichsgesetz muß jetzt geschaffen werden, dann geht das bisherige Vermögen der Hohenzollern einfach in den Staatsbesitz Über und der Staat selbst bestimmt die Höhe der Entschädigung, die er dafür zu leisten gewillt ist. Nach der gegebenen Rechtslage muß der Staat von den Hohen- zolleru nehmen, was er bekommt. Durch ein Reichsgesetz taun die Lage in ihr Gegenteil verkehrt werden: Die Hohenzollern müssen bann nehmen, was sie vom Staate bekommen. Auf einem andern Wege ist eine würdige und anständige Lösung dieser sich immer mehr zum Skandal auswachsenden Ange - legenheit nicht möglich, und c6 ist zu erwarten, daß auch die bürgerlichen Koalitionsparteien dem sozialdemokratischen Standpunkt beitreten werden, um den ganzen Handel so rasch und schmerzlos wie möglich aus der Welt zu schaffen. e Berlin, 29. Februar. In einem außerordenüichen Cer- baudstag der sozialdemokratischen Bezirks - organisation Groß-Berlin, an dem auch Minister- Präsident Hirsch, Kultusminister Haenisch und ReichSernährungs- minister Schmidt teilnahmen, wurde einstimmig eine Ent - schließung gefaßt, in der auf daS Schärfste gegen die der preußischen LandeSversaminlung zugegangene Vorlage über die Abfindung deS ehemaligen Königs von Preußen protestiert und verlangt wird, daß durch ReichSgeseh das gesamte Grundvermögen der Krone für den Staat enteignet wird. Falls die Vorlage von den bürgerlichen Parteien beschlossen werden sollte, sei das Ausscheiden der Sozialdemokratie aus der preußischen Regierung die selbstverständlichste Konsequenz. Zrankreich in einer Streikkrise. Di« verblüffende Aehnlichkeit der Erscheinungen, die der Krieg in allen Ländern gezeitigt hat, tritt gegenwärtig wieder besonders auffällig in der Streikbewegung auf den französischen Ersen» bahnen hervor. Es ist, als ob die von Rußland im Verkauf der Revoli^onSbewegung nach Deutschland herübergeschlagene Woge der großen VerkehrSstveikS jetzt erst tn Frankreich zu wirken be - ginnt, nachdem ste in Rußland und auch in Deutschland bereite ihre Kraft eingebüßt hat. Daß diese Streikbewegung in Frank - reich genau so tote in Rußland und Deutschland um politischer Ziele willen entfacht worden ist, nämlich zur Verwirklichung bol - schewistischer Ideen, wird in den Pariser Meldungen ausdrücklich hervorgehoben, die im übrigen natürlich beschwichtigend wirken sollen. Paris, 29. Februar. Ministerpräsident Millerand hat heute vormittag Pressevertretern erklärt, daß atrf den Linien der Eisenbahngescllschaft P. L. M. sich mit Ausnahme von Lyon eine Entsvannung bemerkbar mache. Auf der Ost - bahn seien alle größeren Züge abgefahren. Auf der Nardbahn sei die Lage eine normale, mit Ausnahme xiner gewissen Streik - welle, die sich in Amiens zeige. Bon den Sublimen fei nichts Besonderes zu melden mit Ausnahme von Bordeaux, wo sich eine AusstandÄiewegung zeige. Auf den Orleans- und StaatSbahn- linien hätte der Ferndienst sichergestellt werden können. Im allgemeinen könne man sagen, daß 24 Stunden nach der BuS- ftandSerklärung nur eine teilweise Einstellung des Betriebes zu verzeichnen sei. Der Ministerpräsident machte ferner noch darauf aufmerksam, daß der gegenwärtige Eisen - bahnerstreik nichts mit wirtschaftlichen Forderungen zu tun hab«, die erst nach dem ausgebrocheiten Konflikt gestellt worden seien. Der Streik habe auch nichts mir der Frage zu tun, ob ein neues VerwaltunHSshstem der Eisenbahnen in die Erscheinung treten solle. Freiwillige Helfer hätten sich der Regierung in großer Zahl zur Verfügung gestellt. Millerand erklärte zum Schluß noch auf eine Anfrage, daß tatsächlich einige Haftbefehl« er - gangen seien. Paris, 29. Februar. Infolge de» EisenbahnerstreikS fhrb eine Anzahl Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Vom L März an werden tm großen und ganzen alle Eins chränkungen aus der KriegSzeit wieder vrovisorisch in Kraft treten. So wird Kohle nur denjenigen bewilligt tverden, die keine andere Heizungsmöglichkeit haben. Ti« 6afe$, Restau - rants und Hotels müssen um 10 Uhr schließen, die Theater, Konzerthallen und kinentatographischen Theater um 11 Uhr. Wie .Petit Parifien" meldet, wird die Regierung alle Maß - regeln ergreifen, die das Besetz ihr an die Hand gibt, um den Folgen der Krise zu begegnen. DaS Blatt glaubt, daß deshalb die Mobilisierungsorder für drei Klassen der Eisen - bahner der Paris—Lyon—Mediterrannee gegeben werde. Der Gewerkschaftssekretär M i d o l habe seine Kameraden aufgefordert, der MobilisierungSorder nicht Folge zu geben. Aus diesem Grunde sei vom Ministerrat beschlossen worden, daß das- Gericht einzuschreiten hätte. Da« Komitee der Arbeiter der Transport - gesellschaften, daS die Gewerkschaften der Angestellten bet Untcr- gillndbahn, Straßenbahn und Automobilomnibusse v.-rtritt und zu dem auch die Kutscher und Chauffeure gehören, beschloß, die Strsikbewegung der Eisenbahner zu unterstützen und sich lebet Requirierung und Mobilisierung zu widersetzen. Nach dem .Matin" ersuchte daS Pariser Komitee der P o st - Telegraphen- und Telephonange st eilten die ihm angeschloffenen Mitglieder, sich nicht rnitden Streikenden in Widerspruch zu setzen und sich bereit zu halten, etwa notwendig werdende Solidarität zu üben. Havas meldet: In Bourges stellten die Eisenbahnarbelter die Arbeit ein. — In Perpignan streiten die Straßenbahner. — In Marseille stellte sich bis vormittags 10 Uhr kein mobilisierter Eisenbahner. Nur wenige Eisenbahnzüge ver - kehrten. Die Regierung traf umfassende Maßnahnren zum Schutze der Eisenbahnen. Heute werden einige Truppenkontin- gente in Paris einrücken. Alle Linien werden militärisch bewacht. Betlunonn und öle Won des Banllns MHI. Der frühere Reichskanzler von Bethmann-Hollweg veröffentlicht ht der .Deutschen Allgemeinen Zeitung' einen Bei - trag zn den Erörterungen über die Friedensmöglich, leiten im Frühjahr 1917. Der Hauptpunkt, der sich auf tt. Bethmann-Hollwegs Anschauungen stützt, daß solche Friedens - möglichkeiten tatsächlich Vorlagen, bildete eine Unterredung, die er am 26. Juni mit dem päpstlichen Nunttu» P a e e 11 i hatte. Bethmann sagte u. a.: Mit dem Auftrag, dem Kaiser int Großen Hauptquartier den Brief des Papste- zu überbringen, suchte mich Pacelli am 26. Juni in Berlin auf. Der Nuntius legte mir bet dieser Gelegenheit eine Reihe bestimmt gefaßter Fragen übet unsere KriegSziele und Friedensbedingungen vor. An» bet Art der Fragestellung gewann ich später den bestätigten Eindruck, daß eS sich um etwas anderes als unverbindliche Konversation über Friedensmöglichkeiten handle, daß der Nuntius sich vielmehr des genau formulierten Auftrages entledigte. Ich beantwortete einzelne Fragen des NunttuS dahin, daß ton zu Rüftungs- beschränkungen im Falle der Allseitigkeit durchaus '«reit seien, daß wir grundsätzlich den internationalen Schiedsgerichten zu- sttmmten. Bezüglich Belgien» erwiderte ich, daß wir seine volle Unabhängigkeit wieder herstellen würden, doch dürste Bclgten nicht politisch, militärisch und finanziell unter die Herr- schäft England- ober Frankreichs geraten; mit Frankreich werde sich unter der Form gewisser gegenseitiger Grenzberichtigungen ein Weg zur Einigung bezüglich Slsaß-LothringenS finden lassen. Am 29. Juni wurde der Nuntius im Großen Haupt - quartier vom Kaiser empfangen. Der Kaiser erkannte bei der Unterredung die besondere Eignung, insbesondere die Interessen der katholischen Kirche al« FriedenSvermittlerin an. Die Mög - lichkeit, ernsthaft über den Frieden zu reden, .dürfte nicht durch die Sozialdemokratie, sondern müsse durch den Papst herbeigeführt' werden. Dies, schließt Bethmann, war der Verlaus, den die Sendung deS Nuntius nahm. Wenige Tage darauf wurde ich zum Rück - tritt genötigt. Arts den weiteten Verlauf der Dinge hatte ich deshalb keinen Einfluß mehr. • In den Kreisen der ehemals Verantwortlichen ist bckannkkich schon seit langem das große .Reinewaschen' an der Tages - ordnung. Bethmann» große politische Sünde ist e» stet» ge» wesen, daß et, auch wenn er einmal eine Situation von der richttgen Seite ansah, e4 dann doch regelmäßig an der notwendi - gen Energie gegenüber den Reaktionären fehlen ließ. Und so dürfte er sich nicht darüber wundern, daß er sich eines Tage» nicht mehr halten konnte. In der Schilderung Bethmann» ist auch noch die Wiedergabe der Aeußerung des Kaiser» interessant, wonach dieser tm Falle einer FriedenSvermittlung die Hilfe de» Papste» der der Sozialdemokratie entschieden vor - gezogen hätte. Wilhelm IL fürchtete offenbar für die Interessen .derer von Gottes Gnaden', wenn ein durch sozialistischen Einfluß herbeigeführter Frieden zustande käme. Man weiß heute, daß Wilhelm IL .alte feine Spekulationen nicht» genützt habe». Vas Loch km westen. Äener deutscher Protest. Wegen des Loch» im Westen ist nunmehr ein erneuter deutscher Protest durch die Deutsche FriedenSdelegatiou an die Gesamtheit bet alliierten unb assoziierten Regierungen in Form einer dringlichen Note gerichtet worden. ES wird darin auf die Tatsache hingewiesen, daß infolge deS unbeaufsich - tigten Warenverkehr» über die westliche Grenze Deutschlands un - nötige Waren in großen Mengen gegen Zahlung in Mark nach Deutschland eingeführt werden, während die unentbehrlich - sten Bedürfnisse Deutschlands an Leben-mitteln unb Kleibung mangel» Devisen nicht gedeckt werden können. Durch die damit verbundene Zerrüttung unserer Valuta wird nicht allein Deutschland, sonder^ ti werden sehr beträchtlich auch die Länder geschädigt, denen Deutschland Lei - stungen auS dem FriedenSverttag schuldet. Die Leistungsfähig - keit DeuffchlandS wird mit dem Sinken der deutschen Währung, mit der Unmöglichkeit, durch genügende Ernährung und Beklei - dung die Arbeitskraft der Bevölkerung zu heben, immer geringer. Solche Güter, deren Deutschland dringend bedarf, werden aukge- führt, dagegen zum großen Teil entbehrliche Waren eingeführt, während die deutsche Regierung verhindert wird, da- gegen einzuschreiten. Bei dem Besuch des Reichskanzlers im westlichen Industriegebiet wiederholten sich die Klagen immer wieder aufs neue, daß eS bei dem Sinken der deutschen Währung nicht gelingt, Lebensmittel und Kleidung zu erträglichen Preisen in» Land ju bringen, um die Leistungsfähigkeit der arbeitenden Bevölkerung zu steigern. • Die Note läßt dahingestellt, ob die Auf - hebung der betreffenden deutschen Vorschriften berechtigt toar. aber jedenfalls finde stch t m Frieden»vertrag kein« Bestimmung, die die Aufrechterhaltung diese» folgenschweren Zustande» rechtfertigen könne. Die deutsche Regierung erfiärt stch wiederholt bereit den wirtschaftlichen Bedürfnissen Frankreich» und Belgien» gerecht zu werden und mit diesen Ländern über die wertmäßig begrenzten Freilisten zn verhandeln, die von der deutschen Einfuhr ausge - nommen fein sollen. Die Note bittet dringend, einen baldige» Beschluß der alliierten unb assoziierten Möchte zu geben, too« burch die Verfügung der Truppenbefehlshaber über die Auf - hebung bar Ein- und Ausfuhrbestimmungen außer Kraft gesetzt werden. politisthe Nachrichten. Krssönznnss des Gesetzes über Knegkivcibrechkn. Der Nationalversammlung ist ein Gesetzent - wurf zur Ergänzung de» Gesetze» über die Verfolgung der ÄriegSverbrecheu vom 18. Dezember zugegaiige». Danach hat der IDberreich-anwalt, wenn er feinen genü,senden Anlaß zur Erhebung der öfftntlichen Klage sieht, die Akten de» Reichsgerichts mit dem Antrag auf die Einstellung deS Ver - fahrens vorzulegen. Der Ettaffenat hat einen zustimmenden Beschluß tatsächlich, rechtlich zu begründen: lehnt der Strafsenat den Antrag ab, so hat et Erhebung der öffentlichen Klage aiizu- orbnen. Die Gewährung der Straffreiheit, Verjährung ugd Strafverfolgung des früheren Verfahren», stehen dem Verfahrcic auf Grund des Gesetzes vom 18. Dezember nicht entgegen. Bei früherem Freispruch verordnet der Sttafsenat auf den Antrag de» Cberreid)»atroalt» die Wiederaufnahme de» Verfahren», fall.- der Beschuldigte hinreichend verdächtig ist. Ebenso, wein, eine Strafe verhängt mürbe, die zur Schwere der Tat im offenbaren Mißverhältnis steht. Die Wiederaufnahme der verfvlgung tritt ein, falls bet Beschuldigte hinreichend verdächtig, auch bann, wenn das frühere Verfahren durch einen nicht mehr anfechtbaren Be fchluß beendet wurde. Reine endgültige Stellungnahme des ZentrnmS znr Erjbergerfrage. Der Vorstand der Zentturn-partei, der sich, wie be - reit» gemeldet, eingehend mit der Erzberger-Ktife be - schäftigt hat, beschloß nach einem uns heute zugegangemm Tele - gramm noch nicht endgültig zu dieser Sache.Stellung zu nehmen. Die entscheidende Stellungnahme soll erst er - folgen, wenn die tatsächlichen Feststellungen de? Gerichtsurteil» und die Ergebnisse de» Verfahren» vor der Steuerbehörde dov- liegen. Beendigung der verfaffnngsveratung in Prag. In der Sonnabendsitzung der ffchechisch-flowakischen Nattvnal- berfammlung wurde die Debatte über die ® e t f af f n n g be - en i> et. Der Hauplkampf wurde um die tfchecho-slowakische epradK geführt, wobei dte tscheckstschen Sozialisten folgenden Abänderungrantrag stellten: Die tschecho-slowakische Sprache tft die Staats- und die offizielle Sprache der Republlk. — Dieser Antrag wurde als § 1 des Sprachengesehe» bei der Abstimmung angenommen. § 2 wurde nach der Regierungsvorlage an genommen, die bestimmt, daß die Verpflichtung der Staat beamten und -angcstcllten, die tschecho-slowakische Sprache zu b herrschen, durch eine besondere Regierungsverordnung geregelt wird. Die Verfassungövorlage wurde glatt erledigt. Der ungarische Reichsverweser. DaS ungarische Parlament hat, wie uns gedrahti t wird, den Oberkommandierenden v. Hacthv zum Reichsverweser gewählt. Dak ist der Siegel unter den vollzogenen reaktionären Umsturz. Da» unglückliche Land wird immer fester in die Netze der Reaktion verstrickt. Ein Zustcknd, der ohne die noraufgegangeue wahnwitzige .Rätedilta- tut" nicht denkbar gewesen tväre. Verhängung deS Kriegszustandes über Irland. Der Vizekönig von Irland, Lord French, hat een Kriegszustand über ganz Irland verhängt. Zahlreickie Sinnfciner wurden von der englischen Militärpartej verhaftet. In Dublin und Mork ist es zu neuen schweren Au», schreitungen gekommen. Die revolutionäre Bewegung in Italien. Nach Meldungen Berliner Blätter auS Lugano besetzten in der Provinz Turin die streikenden Arbeiter zwei Textll- fabriten, hißten rote Fahnen und organisierten die Arbeit auf eigene Rechnung. Der italienische KonsumvereinSverband er- klarte sich bereit, daS Unternehmen zu finanzieren. — In Mai- land beschlossen 2000 Automobilarbeiter, ihre Fabrik zu besetzen. In allen Hauptorten der TertiliNdustrie finden Massen »er- s a m m l u n g e u statt, um die Bewegung für die Besitz- ergreifung d e r Fabriken auf ganz Italien auSzu- dehnen. — Die Führer de« L a n d a r b e i t e r jt r e t f S tn der Provinz Ferrara erüärten, daß man nicht zu fürchten brauche, die Ernte werde durch den Streik vernichtet werden. ES fei bereits alles vorbereitet, um die landwirffchaftlichen Arbeiten auf Rech - nung der Arbeitergenossenschaft fortzufetzen. Der Schandfleck. @hte Dorfgeschichte von Ludwig SnzengrnvSL I8t] Der wolkenlose Himmel und die klare Lust be» Frühmorgens versprachen einen schönen Tag. Der Grasboden umschloß auch einige Ackergründe, die betreut fein wollten, nach diesen zog ixt» Gesinde des Grasboden-Bauers aus, und er selbst, nachdem er denen, welche die Arbeit zu leiten hatten, einige Weisungen zu- gerufen, stand nun inmitten beS Hofe» unb sah den Agehenden Da wurde es vom Wohnhause her laut, Bürger! sprang au8 bet Tür und lief durch den Garten. Magdalene folgte ihr nach unb lachte: »Schau, was Du rennen magst mit Deinen klein' ©teljerln.“ Bürgert riß die JJauntür auf. .Guten Morg'n, Vater. Grüß' Dich Gott! Guck', da koinrnt auch die Leni, mein' gute Leni, mein' schöne Leni. IS sie nit schön?' sagte sie, als wäre Ke darauf stolz. Der Bauer und Magdalene lächelten. Nur als die Kleine neckte: „Na, so sag’ doch, Vater!' Und bet Bauer schmunzelnd erwiderte: „Sauber is 's schon,' da er - rötete Magdalene. „Geh'ii wir heut' auch über die Wiesen, damit Du das An - wesen kennen lernst," sagte Burgerl, dann schmiegte sie sich an Magdalene unb flüsterte: „Ich führ' Dich nur, wo wir all'n auS’n lugen find, baß ich Dich allein hab'." Der Bauer sah mit freundlich aufleuchtenden Augen nach Magdalene. „Ist ein Schmeichelkatz', das? Was?" .Aber eh' hol' ich mit mein’ Gartenhut," rief Bürger!. »Möcht'st auch ein’ haben, Leni? Ich gab’ Dir gern den von meiner Mutter selig. Darf ich, Vater?" Der Bauer nickte. Das Kind lief durch den Garten in das Wohnhaus zurück. Die beiden standen sich nun allein gegenüber. Nach einer Weile sagte bet Bauer, indem er dabei zur Seite sag: „Wirst schlecht geschlafen haben?" .Viel nit.” .Denk' mir'S." .Aber das Wenig' dafür recht gut.' Der Bauer blickte fragend auf. dann senkte er wieder den ftcQt texie. -so aiel unruhig ist'» halt-" .Weißt, Bauer," sagte Magdalene, >aß Dir Dein'm Kind sein Unglück nit von der Jung' will, daS begreif ich recht wohl und daß Du wissen willst, woran Du mit mir bist, versteh ich auch; laß uns also nit lang' herumreden. Gestern, im ersten Schreck, war mit, als müßt' ich flüchten, auf und davon, tote» mich aber gejammert hat und die klein Armerln da übet mein Hals gelegen fein, da hätt' ich nimmer da» Herz dazu gehabt, jetzt bleib* ich Dir schon bei dem Dirndel, so lang’» Dir taugen mag." .Da» ist recht schön von Dit. Weiter sagte bet Bauet nickt», unb doch blickte SRagbatene ttertounbert auf, wie da» so zu tiefst heraufgeholt klang au» der mächtigen Brust des starken Mannes, der vor ihr stand. Jetzt, da er das Kind durch den Garten kommen sah, hob er die Rechte, wie um darauf aufmerksam zu machen, und einen Schritt zurücktreteiid, sagte er: .ES schickt sich wohl noch, daß nh Dir daS eine und das andere sag’.' Nun lief Burgerl hinzu, einen Strohhut auf dem kraus- haarigen Köpfchen, den zweiten, den ste in der Hand schwenkte, mußte sich Magdalene von chr auffetzen lassen. „Selb’ unter dem verdrückten Strohdeckel guckst noch lieb hervor," lachte ste, „hab’ schon gedacht, ich hätt' mein Spatz, tote ich Dich recht mit ihm verunzier'. Nun komm', komm’ nur mit“ Sie faßte sie an bet Hand und führte sie durch das rück - wärtige Hoftor, auf dem Wege, den früher das Gesinde ein - geschlagen hatte, hinaus auf die sonnigen Wiesen. Aus schmalen Fußsteigen, neben den nickenden Halmen, auck quer über manche Fläche gingen sie dahin, „benn 'm schüttern Graswuchs," meinte Bürger!, „hilft's Schonen nit auf und ’n fetten bringen paar Fußtritt nit «m Magdalene merkte, baß die Kleine, ttotz des anscheinend ziellosen Herumstreifen», eine bestimmte Richtung einhielt. Vor den beiden Mädchen liefen zwei langgestreckte Schatten einher. Magdalene wie? danach. .Wenn die zwei schwatzen Mander! da klein geworden fein, wird dte Sonn’ wohl recht - schaffen herbrennen. Schad t Dft's denn nit, wenn Du in der Hitz’ gehst?" „Ich frag’ nit nach dem bisserl Hitz'," sagte Burgerl, .wenn ich gleich kein Mohr bin, wovon bet Lehrer sagt, sie täten bei uns zu Land frieren." > „Geh', hätt' der Lehrer wohl gar mit ein' solchem g red te .Ei mein, wie käm' der Alte dazu, daß er ein Mohren kennt, außer den beim Krämer aufn Schild, wo b'runtcr steht Jtabal unb Zigarren"? Au» fein’ Büchern hat er 1 6 halt, wie alle», wa» er uns aufsagen ober nieberschreiben laßt. Gab' matz di« Büchet ’m Heiner, unserm Großknecht, der lest, daß eS tote geredet ist, er könnt' leicht schitthalten an de» Alten Stell', mär’ aber schab', denn bet könnt' ihm’s nit gleich tun auf’m Feld.' .No, tote ich merk'," lachte Magdalene, .bist Du Dein'm Lehrer nit wenig aufsässig. Ja, sag’ 'mal, ist denn Heus kein' Schul’? Am End' gehst Du stürzen*) und ich hatt' da mit.' .Schul' i» wohl," sagte die Kleine mit trotzigem Lächeln, .aber ich besuch keine, feit ich krank bin. Ho-t'S ia gleich der Hite mein’m Vater nahg’legt, daß ich die dummen Fiatzen zur Uujcit lachen mach' oder fürchten, unb seit bet Zeit kommt er zu unS aufn Hof 'gen Abend, wenn er sich schon mit alle andern abgemüb’t hat unb lehrt mich, was et denen. Sonntag nachmittags geh’ ich in b Christenlehr' zur Kirch’, auS der haben'» mich doch noch nit hin - aus geschafft." Eine gute Weile schritten die beiden Mädchen schweigeno ndbeneinanber hei. Plötzlick tief Bürgel lustig: .Da sind wir. Jetzt komm', Senil" Sie lief auf einen Hügel zu, auf welchem eint knorrige Eiche stand, welche die Krone eingebüßt hatte, dafür wuchsen die Hefte am Stumpfe um so mehr in die Breite. .Gibt Dir der wohl genug Schatten?" fragte Burgei nach dem Baume weisend. .Und nun schau' Dick einmal um, da hast den ganzen Grasboden vor Dir liegen." Beide Arme von sich streckend, drehte sie sich herum. „Hat er eigentlich nit zu viel, der Vater? Guck’ nur, ’S ganze Dorf entlang und beibfeit’ d rüber hinaus, so weit 's Buschwerk davor und dahinter an der Straß' lauft, dann bi# ganze Zeil', die ’s da zur Seit' sich streckt, bis wo ti bat Eck' macht, in dem Du die winzigen Manderla sich trmtun siehst, unser G’find', und von da bis an den Föhrenwald.' .Der g’hört nimmer dazu?" „Er g’hört dazu und es führt die Straße durch, die der Vater auf fein’ Grund' in Stand halt'." / „Es muß ja ganz schön fein tm Walb da drüben?' Burgei toanbte scheu den Blick von der Gegend ab. „Ich geh' nit hin," murmelte sie. Sie setzte sich auf den weichen Rasen zu Füßen des Baumes.. „Nun lönut’fi Dich aber auch schon g’nug umgesehn haben, jetzt komm' her, setz’ Dick da zu mir in Schatten ■•) stürzen gehn, jdjuljiür^n — hinter die Schute gehe«. und erzähl' Du einmal' Utto al» Magdalene an ihrer Seite saß, begann die Kleine sie zu fragen, woher sie fei, wie es wohl in Langendorf und auf dem Gehöfte bet Eltern auSsähe, nach diesen und nach Geschwistern unb zuletzt fragte sie: .Hast Du dort auch einen Schatz?' Miigdalene schrak zusammen, bann schoß ihr das Blut in# Gesicht, ste sah daS Mädchen mit einem zornigen Blicke an unb sagte: „Nein." ES klang hart und rauh. .Leni," rief Burgerl, .sei mir nit dös' Ich hab nur g dacht, weil Du so lieb bist ... . aber freilich wohl, es war dumm, denn, gelt ja, tos an man ehr’ gern hat, lauft man nit so weit vom Ort wie Du?' Magdalena empfand es tote ein Unrecht, daß sie sich iiuer die Frage eines .Kindes gegen dieses erzürnt hatte. „Bürgers, sagte sie leise und drückte mit ihrer Rechten die Händchen, welche die Kleine gefaltet im Schoß« liegen hatte, .frag nit WaS weißt Du? IS eh' gut, je langer ein» nir davon weiß und je weniger eS nachher erfahren muß. Viol Wissen macht da leicht Herzweh.' So saß sie, ihre Rechte lag über den Händen deS Kinder- und mit der Linken raufte sie langsam einen Halm um den andern aus. Nach einer geraumen Weile sagte Burgerl: „Geh’n wir, Leni. ES ist Zeit.' . ewtfciuna tolew Hof doch nit?” Burgerl nickte. Sie erhoben sich und gingen. Burgerl schlug denselben Weg ein, auf welchem iie gekommen waren. Magdalene hatte vom Hügel aus bemerkt, daß der Hof in viel kürzerer Zeit zu er- reichen fein mußte, wenn man sich der Straße nach hielt," die vorn Föhreiiwalde herkam unb die Wiesengrünbe näher unb näher dem Torfe zucückend, durchschnitt; die Kleine war derselben in einem weiten Bogen ausgewichen. Als daher jetzt, nach einer guten Strecke, dieser Fahrweg in Sicht kam, wollte Magdalene darauf zuschreiteii. „Warum gehn wir nit auf der Straße?" fragte sie. „Es i3 ja wett näher." Burgerl ioandte den Kopf zur Seite »nd streckte beide Hande abtvehreud van sich. „Da geh’ ich nit," rief sie. ,Ha, was schreckt Dich denn dort?" fragte Magdalene. Da sah sie in einiger Entfernung, hart an der Straße, eine niedere Mauer, über welche Grabsteine und .Kreuze ragten. „Der ,rreit-