• *»b««119«e» «rschklnt tlflUd) Moetnial, eonntag« u. nach Hetertogen unt etnmaL ««zngavrriS: »Schenll. g 115 monütl. IO A vorau«zahlbar tret in5 yau», »reu, band 'endung uionatUd) 12 A. Reda ttton: stqlandstraß« 11, 1. Tisch, verantwarlltcher Redakteur: Walthertvictor, Hamburg. <$rp ebU ton: g«blanbflraB«ii,erbflef(f)08. tvuchhanbtung: Lrdgefchoß. Buchdrucheret-lkontor: gehtandstraße 11, i. Stock. Einzelnummer morgens 20 4, abends sowie Sonu- und Festtags 30 4 LamburgerKcho ÄMfeteett Mt ettgefpattene Vetttjette 3,20 A, zuzüglich 50 Prozent Teuerungb. ,uschlag. Arbeit-markt u. Samiliettmi,eigen 2,40 A. Anzeigen-Annahme Fehlandslrabe li im Erd» geichod (bi# 7 Uhr abei »5 für den folgenden Stag), in den Filialen (bl« s Uhr, und tu allen Annoncen- Bureau«. Platz» und Daten» Vorschriften ohneBerbindlich» tett. Rellamen Im rebattto» neuen leit werben auch gegen chntgeU nicht ausgenommen. Kr. 387. Freitag, den 20. August 1920. - Abend Ausgabe. 34. Jahrgang. Verkehrsstreik und Allgemein- > inteceste. I z Au und für sich und von prwatwirtschaftlichen Gesichts - punkten aus betrachtet, ist ein Streik eine Angelegenheit, die die Allgemeinheit wenig kümmert; er ist ein Streit, der sich zwischen Kapital und Arbeit abspielt, eine Auseinander - setzung, in die sich ein Dritter nicht hineinzumischen hat. Die Arbeiter eines Betriebes oder eines Betriebszweiges verweigern üuS diesem oder jenem Grunde dem Arbeitgeber ihre Arbeits - kraft, um ihn durch eine wirtschaftliche Schädigung ihrem Willen gefügig zu machen, sie wollen ihn durch Stillegung des Betriebes zwingen, ihre Forderungen zu erfüllen. Dazu haben sie nach moderner Auffassung das volle Recht; denn da der Grundsatz des freien Kaufens und Verkaufens auf dem Ar - beitsmarkt herrscht, ist niemand verpflichtet, seine Arbeitskraft dem Unternehmer zu verkaufen, wenn er nicht will. Darum haben auch unsere Gerichte das Streikrecht für eine be - rechtigte Waffe im Klassenkampfe erklärt, und das Reichsgericht hat schon vor Jahren ausdrücklich sestgestellt, daß der imrch einen Streik geschädigte Unternehmer diese Schädigung mit in den Kauf nehmen müsse, da sie ja der Zweck des Streiks sei und da ohne eine wirtschaftliche Schädigung des Bestreikten der Streik keinen Sinn habe. Die Streikenden können für die durch den Streik entstehenden unangenehmen Folgen weder zivilrechtlich noch strafrechtlich zu Verantwortung gezogen werden, falls sie sich im Rahmen der gesetzlichen Be - stimmungen halten. Dadurch ist also das Streik - recht der Arbeiter und Ange stellten grund - sätzlich anerkannt. So richtig und allgemein gültig dies auch ist, so gewinnt der Streik doch ein anderes Gesicht, wenn man ihn aus der Sphäre des Privatrcchts in die des Sozial - rechts hebt, wenn man ihn vom Standpunkt des Allgemeininteresses wertet. Zwischen Streik und Streik ist nämlich ein himmel.reitec Uncerschiev, und es ist ein Fehler, wenn "man alle Streiks über einen Kamm schert. Es gibt nämlich Streiks, die sich lediglich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abspielen, ohne daß Cie Allgemeinheit da - von berührt wird, es gibt aber auch Streiks, durch die die Allgemeinheit in Mitleidenschaft gezogen, manchmal sogar aufs schwerste geschädigt wird. Wo es sich um persönliche, entbehrliche Bedürfnisse handelt, ist der Streik eine private Angelegenheit — zum Beispiel, wenn die Barbiere oder die Zigarrenmacher streiken —, wo aber allgemeine, unentbehrliche Bedürfnisse in Frage kommen — zum Beispiel, wenn die Bäcker, Bergarbeiter oder Gasarbeiter streiken —, gewinnt der Streik allgemeines Interesse, er wird zu einer öffentlichen Angelegenheit und muß vom sozialrechtlichen Standpunkt aus betrachtet und behandelt werden. Hier kann das Streikrecht, an und für sich das Grundrecht der Arbeitnehmer, zu eine.m Streikunrecht werden, weil es unter Umständen große Schädi - gungen im Gefolge hat und das gesamte Wirtschaftsleben aufs schwerste erschüttert. Wenn man den Maßstab des Sozialis - mus anssegt, der da besagt, daß das Allgemeinwohl höher stehen muß als das Interesse des einzelnen Menschen oder der einzel - nen Gruppe, so läßt sich nicht einsehen, daß die Allgemeinheit die Kosten tragen und die größten Unannehmlichkeiten auf sich nehmen soll, weil die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines Unternehmens sich nicht einigen können. Solche Streiks sind privatrechtlich "durchaus berechtigt, so - zialrechtlich aber müssen sie als unberechtigt bezeichnet werden. Das ist eine Tatsache, die unbe - streitbar ist, das ist eine bittere Wahrheit, an der nicht gedreht und gedeutelt werden kann und darf. Der gegenwärtige Verkehrs streik m Hamburg ist hierfür ein Beispiel. Die Verkehrsarbeiter befinden sich in Differenzen mit der Betriebsleitung, sie stellen Forderungen, die die Betriebsleitung und das Arbeitgebertum nicht bewilli - gen kann oder will. Da keine Einigung erzielt wird, wird der Betrieb eingestellt, der Verkehr liegt still. Die Aktionäre wer - den dadurch kaum berührt, denn ihre Dividenden sind ihnen gesichert und sie haben andere Verkehrsmittel (Autos und Droschken) zur Verfügung; die Betriebsleitung erklärt, daß sie durch die Einstellung des Verkehrs größere Ersparnisse mache, als wenn die Wagen laufen; aber die große Masse des Publikums muß die weiten Wege zu Fuß zurücklegen, sie trägt die Unkosten des Streiks. Die am Streik Beteiligten stehen Gewehr bei Fuß einander gegenüber, vielleicht wochenlang, denn „es geht hart auf hart", aber wir Großstadtmenschen sind die Leidtragenden und haben den Schaden davon. Das ist ein durchaus unhaltbarer Zustand, das sind Dinge, die dem gesunden Menschenverstand, dem sozialen Empfinden und dem Rechtsbewußtsein direkt ins Gesicht schlagen. Wer möchte be - streiten, daß ein solcher Verkehrsstreik ein Unding ist, daß alle Mittel und Wege ergriffen werden müssen, um ihn zu verhüten oder schnellstens zu beendigen? Es darf eben zu keinem Ver - kehrsstreik kommen heutzutage — das ist eine Forderung, die jeder vernünftige Mensch unterstützen wird. Daß wir in Ham - burg einen Verkehrsstreik haben, ist ein Beweis dafür, daß es entweder an dem guten Willen oder an der nötigen Fähig - keit gefehlt hat, die Differenzen aus der Welt zu scyaffen. Auf welcher Seite die Schuld oder der größere Teil der Schuld liegt, soll hier nicht untersucht werden, weil es nicht unsere Ab - sicht ist, die Gegensätze zu verschärfen oder gar Del ins Feuer zu gießen; es genügt, wenn wir sagen, daß große Fehler ge - macht worden sind, die nun das Publikum ausbaden muß. Offenbar ist die tiefere Ursache des Streiks darin zu suchen, daß die Verhandlungen int kapitalistischen Geiste und vom rein privatwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus geführt worden sind. Die Arbeiter und Angestellten erklärten, daß sie mit ihrem bisherigen Einkommen nicht mehr auskommen könnten, die Vertreter des Betriebes erklärten, daß sie die höheren Löhne und Gehälter nicht bewilligen könnten, weil der Betrieb ohnehin schon unrentabel arbeite. Beide Teile haben unseres Erachtens den Beweis für ihre Behauptung erbracht. Die Kosten für den Lebensunterhalt sind so hoch, daß die bisherigen Löhne und Gehälter auf die Dauer nicht ausreichend erscheinen, ander - seits befindet sich der Betrieb in einer Zwickmühle; denn bei niedrigen Fahrpreisen können die Unkosten nicht gedeckt wer - den, und eine Erhöhung der Fahrpreise würde die Zahl der Fahrgäste zweifellos wesentlich vermindern. Was ist da zu tun — das ist die Frage, das ist der Angelpunkt, um den sich der Streit dreht. Rein kapitalistisch angesehen, gibt es hier keinen Ausweg, die Interessengegensätze lassen sich nicht aus- gleichen, nur eine Kraftpk^be vermag zu entscheiden, wer es am längsten aushalten kann und wer schließlich zu Kreuze kriechen muß. Mit dieser Lösung der Frage ist aber der Allgemeinheit nicht gedient, man kann ihr nicht zumuten, daß sie ruhig zusehen soll, bis der Kampf entschieden ist. Das Allgemeinintere;s e fordert dringend eine andere Lösung und darum auch eine andere Be - handlung der Streitfrage, es verlangt, daß der Verkehrs st reik nicht von kapitalistischen, sondern von sozialistischen Gesichtspunkten aus behandelt werden muß. Nicht das Interesse der Arbeitnehmer darf allein entscheiden, auch nicht das kapita - listische Interesse der Arbeitgcberschaft darf entscheidend sein, von einer höheren Warte aus muß man an die Sache heran - treten. Rein kapitalistisch betrachtet, kommt cs auf die Rentabilität eines Unternehmens an, auf das Verhältnis zwischen Ein - nahmen und Ausgaben, legt man aber den Maßstab des So - zialismus an, so tritt die Frage in den Vordergrund, in welchem Verhältnis ein Unternehmen zur Allgemeinheit steht, wie es auf das Gemeinwohl wirkt. Von diesem Gesichtspunkt aus kommt es nicht darauf an, vaß ein Unternehmen Ueberschusse abwirft, sondern daß es die Bedürfnisse der Staatsbürger be - friedigt. Soziale Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser, Gerichte, Gefängnisse usw.) sollen soziale Zwecke verfolgen ohne Rücksicht auf Rentabilität, wenn letztere natürlich auch nicht ganz außer acht gelassen werden darf, die Bedarfsdeckung der Allgemeinheit und die Förderung des Allgemeinwohls muß ihr oberstes Gesetz sein. Zweifellos ist unser Verkehrswesen eine solche soziale Einrichtung : es verfolgt den Zweck, die Men - schen von dem einen Orte zum andern zu beförvern. Wenn bei der Erfüllung dieser Aufgaben Gewinne herausspringen, oder wenn sich Einnahmen und Ausgaben das Gleichgewicht halten, so ist das selbstverständlich sehr erfreulich, wenn aber die Ver - hältnisse derartig sind, daß sich dies nicht ermöglichen läßt, so muß eine Unterbilanz eben im Interesse der Allgemeinheit mit in den Kauf genommen werden. So wie die Sache heute liegt, erfordern alle öffentlichen Einrichtungen Zuschüsse, und so muß auch bei der Aufrechterhaltung des Verkehrs der Staat ein- greifen, wenn alle andern Mittel, eine Rentabilität zu erzielen, versagen. In unserm speziellen Falle heißt das also: Wenn Hochbahn und Straßenbahn sich nicht ren - tieren können, so muß die Gesamtheit, in diesemFallealsoderStaat,Helfendeins Prin - zen, weil es ein Unrecht wäre, von den Angestellten und Ar - beitern zu fordern, daß sie auf Kosten ihrer Lebenshaltung ihre Tätigkeit verrichten sollen, und rocil es ein unbilliges Verla oeri wäre, daß das Publikum die aus einer Stillegung des Ver - kehrs entspringenden Nachteile und Unannehmlichkeiten ruhig in den Kauf nehmen soll. Im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung dreht es sich also darum, daß der Hoch- und Straßenbahnbetrieb möglichst schnell wieder ausgenommen wird. Können die Angestellten und Arbeiter den Nachweis erbringen, daß ihre Forderungen oder ein Teil ihrer Forderungen berechtigt sind, so müssen diese be - Der Sternsteinhof. Eine Dorfgeschichte von Ludwig Anzengruber. (80] Was dem -Men Sternfteinhofsr die Zunge löste, war aber nicht etwa erwachender Gerechtigkeitssinn, der sich dagegen setzt. Unschuldige mit Schuldigen leiden zu lassen, wer das gedacht hätte, der kannte den Alten schlecht; dessen Inkonsequenz entfloh keiner so lauteren Quelle, sondern — mit Bedauern sei es ge - sagt, — einem weiten, übervollem Becken menschlicher Schivach- heit. Wohl widersprach es ganz und gar seinem anfänglichen Vorsatz«, hübsch beiseite zu stechen und ruhig zuzusehen, wie die jungen Leute abwirtschafteten, daß er nun dem einen Teile ratenld beisprang und dadurch die Fehler deS anderen auSglich, ober nach wie vor blieb er gegen Toni unfreundlich dessen Dank und Annäherung er schroff zurückwieS; daS hätte dem jungen Dauern allerdings nicht schver aufgelegen, doch als er sich's recht bequem zu machen dachte und die Bäuerin zu direkten An - fragen an den Vater veranlaßte, da sagte er: „Di, Du irrst wohl, das und das weih der Toni sicher, er hat mir darüber nichts venlautem lassen." So muhte denn jeder Angelegenheit halber vorab der Bauer sein« Not klagen und eingestehen, dah er nicht au Steisse, und dann die Bäuerin ihres Mannes „Uebernehinen" bedauern und Abhilfe erbitten, das war es, ivorauf der alte Stennir«inhofer bestand, dieses Demütigen rmd Betteln schmeichelte seiner Eitelkeit! Allerdings waren die jungen Sternsteinhoferleut' keine g» meinen Rolfüchsg, sondern von einer edleren Gattung, etwa blaue, und es kostete sie einige Uobenvindnng, sich zu solchen gefügigen und schiniogenden Schlichett zu verstehen, als sie aber merkten, dah der alte Rabe auf andere Weise nicht zu bewegen war, den Schnabel aufzusperrsn witb den Käse fallen zu lassen, ergaben sie sich darein und taten ihm seinen Willen, um den chrigen durchzusetzen. Unter solchen Umständen, alles ihm zukommend-it Respekte« sicher, eilte es dem Alten gar nicht, seine Ausnahn? unter Dach »u bringen, doch als eitest noch einem Jahre auf dem Stetnistein- hof ein Kleines zu erwarten stand, da lieh er sich die Beschleu - nigung des Baues sehr angeleigen sein, brachte Stunden auf dem Arbeitsplätze zu und schalt und eiferte mit den Werkleuten, denn jobalb das Kind oben einzog, wollte er herunterztchcn; „an Kindergeschrei fand' er im sein'rn Alter mehr kein' Gefallen," sagte er. 17. Mit einbreche-nder Nacht war der Wagen über die Brücke ge - donnert und durch daS Dorf gerast, man konnte nicht schnell genug den Kopf nach dem Fenster wenden, vorüber war er. Vor dem Wirtshaufe hatte der Witt gestanden, in dem Fuhr» manne einen Knecht vom Sternsteinhofe erkannt und, in mäch - tigen Sätzen nebenher renneetd, ihn angerufen. „Wohin, Wastl?" „In d' Stadt?" „Was eilt?" „Der Bäu'rin — ’n Doktor!" Worauf die Wirtin die Hände zusantni enge schlagen. „Unsre liebe Frau steh' der armen Seel' bei!" Mit frühem Morgen kehrte der Way«:: wiederund als er oben im Gehöft an hielt, stürzte der junge Bauer stieren Blicker und wirren Hauptes herbei, den kleinen, vierschrötigen Mann, der abstieg, beim Arme fassend. „Helft's. helft'?, Herr Doktor, ich kann den Jammer nimmer länger cmschau'n!" Der Arzt gelangte, mehr hinangedrängt und geschoben, als selbst steigend, die Treppe hinauf. Drei Viertelstunden später tag oben in der dunklen Stube, beten verhangene Fenster Licht und Luft ausschlossen, ein gar schwache?, zartes, gelbfüchttges Kind und ein sieches Weib. Als der Doktor sich flefhig mit deut buntfeidenen Taschen - tuche die Stirne trocknend, vom jungen Bauer geleitet, die Stiege herabkam, wollte eine Magd die folgenden Reden erlauscht halten. „Herr," sagte der Bauer, „das wär' denn, als hätt' ich kein Weib." „Euch dewon zu verständigen," sagte der Arzh .Jtxtr meine Pflicht. Ob Ihr sie überhaupt noch lange behalten werdet, wetth ich nicht, wenn Ihr sie aber bald los sein wollt, braucht Ihr bloh meinen Rat zu überhören." Da erblickte der Bauer die Dirne, sie ward von ihm an ge - rufen und muhte eine Flasche SB ein, Schinken und Brot für den Doktor nach der Laube schaffen. Die Gefräßigkeit, mit welcher daS kleine, runde Männchen darüber herfiel, und dessen schmatzen, des Stehagen war für die ixrmaligc GernütSftimmun.g Tonis ein so widerspruchsvoller Aitblick, daß er sich hastig mit der An - deutung, „oben Nachsehen zu müssen", hinweg begab,^was sicher auch dem Dokter sehr gelegen kam, der, allein gekassetn, sofort jede bei leidige Miene ablegte und unter dem Kauen einem hohen Grade von Wohlbetfinden tn urnartiMiertert Lautem Luft machte. willigt werden, das Geld mag Herkommen, woher es will; ist es nicht möglich, aus anderem Wege einen Ausgleich zu schassen zwischen Einnahmen und Ausgaben, etwa durch eine Herab - setzung der Dividenden für die Aktionäre oder durch ander - weitige Ersparnisse, so muß der Staat, trotz der mißlichen finanzielle Verhältnisse, auch hier in den sauren Apfel beißen und Zuschüsse leisten. Deshalb sind erneute Verhandlungen nötig, die aber getragen sein müssen von sozialem Empfinden und vom Geiste der Versöhnung, ixinüt sie das wünschenswerte Ergebnis haben. Es muß über kurz oder lang doch zu Ver - handlungen kommen, denn der Streik kann ja nicht ewig dauern, und da läßt sich nicht einsehen, warum wir erst warten wollen, bis die wirtschaftlichen und sonstigen Schädigungen unerträg - lich geworden sind. Ein Verkehrsstreik ist nun einmal ein Unding, und es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht Mittel und Wege gäbe, ihn aus der Welt zu schaffen. Es ist ein wahrer Hohn, daß die Hoch- ud Straßenbahner müssig herumstehen, daß die Aktionäre ihre Dividenden ruhig in die Tasche,stecken und daß sie, um ein Heinewort zu gebrauchen, aus ihrem Auto blicken „vornehm auf den großen Haufen derer, die zu Fuße laufen". Das Publikum hat keine Lust mehr, unter der Hartköpfigkeit und dem Starrsinn der Be - teiligten zu leiden, cs verlangt deshalb dringend, daß eine Eini - gung herbeigeführt wird. Der Standpunkt „hart gegen hart" hat heutzutage seine Geltung verloren, in der heutigen schweren Zeit kommt es darauf an, die Gegensätze auszugleichen, damit unser wirtschaftliches Leben nicht noch mehr herunterkommt, wie es ohnehin schon der Fall ist. DenLuxusdeSStreiks kann sich das deutsche Volk nicht mehr erlauben, und darum erheben wir den Ruf: „Mögen die Konsuln dafür sorgen, daß die Allgemeinheit keinen Schaden leidet!" F. L. Die Lage in Gbersthleflen. Wie tüe „Sozialistische Korrespondenz" erfährt, wird die Situation in Kattowitz vorn Staatssekretär für öffentliche Ord - nung nach wie vor als sehr gespannt und äußer st bedroh - lich angesehen. Es ist auch heute noch nicht möglich, schreibt die „Teutsche Allg. Fig.", die Frage, wem an den Vorgängen in Kattowitz die Schuld aufzubürden ist, einwandfrei festzustellen. Die Untersuchung wird von deutscher Seite rücksichiSlos geführt werden. Die Vorgänge der letzten Tage haben gewiß das Blut der Oberschlesier doppelt in Wallung gebracht. Trotzdem müssen sie Selbstbeherrschung bewahren. Sie werden volles Verständnis ihrer Lage im ganzen deutschen Reiche finden. Gerade deshalb aber darf man ihnen gegenüber auch die Hoffnung aussprechen, daß das, was in diesen Tagen Bedauerliches geschah, nicht w eiter- gefühtt wird zu neuen Konflikten, die ihre Lage und die deS Reiches aufs neue erschweren. • Der „Vorwärts" berichtet aus Oppeln, daß der französische General Sattel) das Theater und den Ring besetzen liefe und Patrouillen durch die Straßen schickte, die rücksichtslos von der SBaffe Gebrauch machten. Infolge der Absperrung des Rings sammelten sich Tausende von Menschen an und eS kam gestern nachmittag wiederholt zu Zusammenstößen. Mehrere Per - sonen sind getötet und verwundet worden. An die Vertreter der Behörden und der Gewerkschaften hielt der General eine säbel - rasselnde Drohrede und wollte sich nachher auf irgendwelche Er - klärungen der Vertreter nicht einlassen. Es gelang aber schließ - lich doch, eine Besprechung herbeizuführen, in der jedoch an der Tonart wenig geändert wurde. vom östlichen Rriegssthanplatz. Der polnisch-srauzösljchc o'cgcnstojz vor SSarscha«. Havas zufolge dauern die Erfolge deS polnischen Heeres auf dem rechten Flügel an. Tie Truppen deS Generals P i I s u d S k i bedrohen die russischen Kolonnen, die auf Warschau marschierten. Die französischen Offiziere spielen bei der polnischen Offensive eine wichtige Rolle. Der Beschluß des englischen Oberkommissariats für Danzig, kein Kriegsmaterial für Polen zu verladen, wird von der französischen Presse kritisiert. Sie weist darauf hin, daß England während des Krieges aus den neutralen Ländern Kriegsmaterial bezogen habe. Keine französischen Truppentransporte durch Süd- Deutschland. In München erklärte Reichsverkehrsminister Groener, die Gerüchte von französischen Truppentransporten durch Süddeutschland nach Polen seien Schwindel. Die Gegenoffensive Wrangels in Lüdrutzlaud. Die „Times" melden aus Konstanfinopel, daß General Wrangel eine Verstärkung von 30000 Monn er - halten habe und daß auch die Donkosaken zur Hilse kamen. Es sei ihm gelungen, die Eisenbahnverbindung zwischen den Kuban- kosaken und der Hauptarmee der Bolschewisten zu unterbrechen. Politische Nachrichten. Die Orgeschgesahr in Ostprentzen. ((Eigener Dvähibettcht.) Au4 Ostpreußen kommen allerhand Meldungen Über die Or- gefch-Gefahr. Es wird behauptet, daß Lockspitzel auf einen offenen Konflikt hintreibem. Sie propagandieren natio- nal-bolschewistische Experimente u-ni> fordern in zerlumpten Matrosenunrfovmen zur Bildung der Raterepuhlik auf. Die „Königsberger Hattnvngsche Zeitung" fragt: Woher nehmen die Orgefch und die Selbstschutzverbände die Millionen? Forstrat Dr. E s ch e r' ch protestiert in einem Telegramm an den Reichspräsidenten gegen das Verbot der Orgefch in Preußen, welches nur aus UnlenntniS oder Mißachtung der Ziele und des Wesens ferner Organisation getroffen fern könne. In Ueber« einstimmung mit der rechts stehenden Presse beruft er sich auf die Reichsverfassung, die allen Deutschen das Recht gebe, sich zu strafrechtlich nicht verbotenen Zwecken zusammenzuschließen. Die Bildung bewaffneter Organisationen i ft durch das Straf - gesetz ausdrücklich verboten. Was würde die rechtsstehende Presse sagen, wenn die Kommunisten das gleiche Recht in An - spruch nehmen würden? Die kappisten wieder obenauf. Wie der „Vorwärts" berichtet, hat der reaktionäre ©erteral v. Broun, der Chef des Personalamts im Reichswehrmini» fterium, dem Untersuchungsausschuß für die Kapp-Tage unter Hinweis auf einen Beschluß, der sich aus die Amnestie stützt, aufgehoben. Der sozialdemokratische Zivilreforent dieses Ausschusses, Genosse Scherer, hat gegen dieses Vor - gehen einen Protest eingelegt, der bis heute unbeantwortet ge - blieben ist Der „Vorwärts" weist daraus hin, daß Offiziere, gegen die der Ausschuß auf Dienstenthebung erkannt hatte, von dem Personalamt in verantwortliche Stellen der Reichswehr hineingesetzt wurden. Weiter wird behauptet daß die Offiziere, die infolge einer Reihe günstiger Umstände sich hevauSzuschwin- destr vormochtem, gegen ihre Ankläger aus der Truppe eine große VergeltungSoktion einzuleiten beabsichtigten. (Nach altem, was voraufgegangen war, darf man sich über diese Entwicklung kaum noch wundern.) Erlkichtkrunge« in der vaustoffbewirtfchnftnug. Durch Beckanntm-rchung des ReichswirffchastSministers vom 16. August sind, tote die „P. P. N." erfahren, für die Zemontbc- Wirtschaftung insofern Erleichterungen geschaffen worden, als die für dem Bezug von Zement Vorgeschrivbenen Bezugs» oder Freigabescheine bis auf weiteres in Wegfall kommen. DaS gleiche ist im Einverständnis mit dem RcichSarbeitsminister für Kalk unfc Ziegel angeordnet worden. Eine Ausnahme von dieser Rege - lung gilt für die süddeutschen Länder, wo besondere Bestimmun - gen Platz greifen. Die erwähnten Erleichterungen, die den seit längerer Zeit aus Industrie- und Verbraucherpreisen geäußerten Wünschen entsprechen, ionmien jetzt zur Durchführung gelangen, da infolge der seit einiger Zeit ein getretenen Absatzstockung und der gleichzeitigen Produktionssieigerueig der Bedarf an Baustoffen für absehbare Zeit gedeckt erscheint. Es kann auch vor dieser Maßnahme in Verbindung nrit dem inzwischen erfolgten Preis- avbau für Zement eine Belebung deS BaumariteS erhofft werden. Französische Militärjnstiz im Eaargebiet. HavaS meldet aus Markirch: DaS KriegSgettcht ©aalt« brücken verurteilte'drei Povgetoffiziere Saarbrückens zu drei Monaten Gefängnis und 300 <.* Buße, weil sie der Proklamierung des Belagerungszustandes Hindernisse in dem Weg tagten. Das Kriegsgericht in Mainz verurteilte wegen Propa - ganda zugunsten Deutschlands im Saargebtet drei Deutsche zu 20 Jahren Gefängnis und Ausenihaldsverbot, einen Preußen zu 10 Jahren Gefängnis und Ausenthaltsverbot, vier andere zu einem Jahr Gefängnis und 10 000 Buße. Das deutsche Eigentum iu Portugal. Die Verwaltungsbehörde für da? feindliche Eigentum in Liffccboir hat unter dem 4. August dieses Jahres verfügt, daß alle deutschen Kaufleute die Rückgabe rhrer kaufmännischen und privaten Archive her fangen könnten, die sich zurzeit im öffent - lichen Depot befinden. Nach Ablauf von 30 Tagen vom Datum der Veröffentlichung ab wird zum Verkauf der nicht zurückder» langten Archive geschritten werden. Los von Pole«! In den deuffch gebliebenen Teilen Ostpreußens werden Dankesfeste gefeiert, bei denen der Hoffnung Ausdruck gegeben wird, daß die losgelösten deutschen Gebiete ihrem Wunsche ge- mäß wieder zu Deutschland zurückkehren. Die Polen haben letzt - hin in einem Ort des abgetretenen Gebiete? etwa 150 Deutsche verhaftet, schwer mißhandelt und nachher ab transportiert Man weiß nicht wohin. Vier von ihnen wurden gegen Kaution frei- gelassen. DaS Städtchen Birnbaum an der deutsch-polnischen Grenze, daS sonst 5000 Einwohner hat, beherbergt jetzt 1 5 000 Flüchtlinge. Ein Pfund Butter kostet 120 polnische Mark. Drei Tage darnach war die Taufe. Sie sollte in aller stille verlaufen, denn die Sternsteinhostbäuerin lag so kraftlos dahin, als ob sie sich des Lebens oder Sterbens besonne, und bei jedem aufdringlichen Laut durchtteselte es sie vom Kopse bis zu den Füßen. Als der junge Bauer, von nur wenigen Gästen geleitet, mit bet Patin, einer der reichsten Bäuerinnen in der Umgegend, und der Hebmutter, welche in einem reichen Taufzeuge ein winziges, mifefarbigeS Dürrn wen trug, die Stufen zur Kircke hinaufftieg, lehnte an der Mauerbrüstung. dem Portale gegenüber, das Weib des HervgottlmacherS mit dem herben, pausbäckigen Bübe-n auf dem Arme. Er starrte Helenen ins Gesicht, sie sah mit leicht gerunzelten Brauen nach ihm, auch da? Kind blickte ihn so großäugig und ernst an, da senkte ei den Kopf und fein Blick glitt an der kräftigen Gestalt des WeibeS herunter. Die Taufzeugen traten in die Kirche, die heilige Handlung begann. Nachdem die reiche Bäuerin namens des Täuflings ver - sprochen, alles zu glauben, was die Kirche zu glauben vorschreibt, und dem Teufel iinib feinen Werken zu entsagen, erhielt das kleine Geschöpf — e? war ein Mädchen — zu Ehren der Patin deren Namen Juliana. Als der Zug die Kirche verließ, ging der junge Sternstein - hofer »«geneigt, wie wenn er vor sich auf dem Boden nack etwas suchte, er wußte, daß Helene noch da war, er fühlte eS, daß sie ihn beobachtete, er hätte cS auch gewußt und gefühlt, ohne die Fußspitze ihres rechten FußeS zu sehon, die spielend Keine Siesel wegschnellte. Bier Wochen mochten seit dieser Begegnung vergangen fein, der zweiten in den anderthalb Jahren seit Tonis Heimkehr, da kam eines Abends, ziemlich spät, die alte ZinShofer noch herüber» gelaufen und lud Helenen mit wichtig tuenden Gesten und heim - lichem flugenwinken ein, in die alte Hütte hinüber zu kommen. Der jungen Kleebinderin war solch verstecktes und verhehlen - des Gebärden zuwider; sie fuhr die Alte mürisch an, doch gleich am Ort auszusagen, waö er gäbe, aber da diese rasch hinaus- huschte, so folgte sie ihr verdrossen nach. AIS die beiden drüben eintraten, safe bet junge Sternstein- Hofer auf der Gewandtruhe, den Rücken an die Wand gelehnt, mit herabhängenden Armen und drehte langsam, tote müde, den Kopf nach der Türe. Helene blieb an der Schwelle stehen, sie streckte den vollen, xuttben Arm gegen ihn aus und schüttelte mit der Hand. Schon hatte sie mit bet Rechten die Klinke erfaßt, um weg - eilend die Türe ins Schloß zu drücken, da stemmte sie plötzlich die Linke gegen die Hüfte und fragte in scharfem, grollendem Tone: „Was willst denn Du eigentlich da?" „Nix," antwortete der junge Bauer, „gar nix. Dein H'tüber» rufen hab' ich nit verlangt, und hätt'« auch nit glitten, wenn ich b'rum g'touht hätt', das war ein Einfall von Deiner Mutter, zu der bin ich glommen, mein Jammer und Elend klag'rr und mich auSzureden b'rüber, wie anders all'? hätt' werden können. Dös wird mir doch verlaubt fein? und ihr verüble nur nit ihr Mitleid für mich." „Dir kommt nur heim, waS Du an mir gesündigt," sagte Helene, damit trat sie hinaus, man hörte das Getrappel einiger eilender Schritte und dann das Scharren her Sohlen auf der Stein stufe vor der Türe des Nachbarhauses. kommen sah. Fortsetiuia folgt Es war den Leuten einleuchtend, daß es dem jungen Stern- steinhofer hart aufliegen müsse, an Stelle einer rührigen leb - frischen Bäuerin mit einem Schlage ein« nichtsnutze, serbelnde lkränkelnde) auf dem Anwesen zu haben, und die Klügeren, die nicht jeden nach sich selbst beurteilten, behaupteten auch, sie batten e? Vorhersagen können, tote et sein Unglück aufnehmen würde. Gram und Herzleid halten manchen an kurzem Faden fest am Orte, und so einer arbeitet bann oft doppelt so viel tote sonst, um bcS Leidwesens Herr zu werden, oder das wird der feine, bann sitzt er untätig dahin und verstumpft im fortwährenden Anblicke deS Jammers; einen andern jagen sie zum Haus hinaus, daß er tote im Nebel herumläuft, nur vom Heim Wegtrachtenb, oder gar in allen WirtSstuben zuspricht und im Trünke Vergessen sucht. Daß der Toni den Sternsteinhof mit dem Rücken ansehen werbe, bas wollten eben die Klügeren vorausgesehen haben, jene aber, die immer anders täten als ein anderer getan hat, oder tut, die ihm das Ueberarbeiten und daS .Heruniknotzen" in der Kran- fenftube — ein’S sein Schab' und kein's der Bäuerin Nutz' — übel - genommen haben würden, sie sanden eS nun gar nicht schön, daß er auslief und daS arme Weib vereinsamen lasse, es war in ihren Lugen nicht zu entschuldigen, aber doch begreiflich. Nut über eine? schütelten bald die Bedachtsamen wie die Uebelnehmerischen die Köpfe, über den häufigen Zuspruch des jungen Bauern bei der alten ZinShofer. ES vergingen wenige Abende, wo man hn nicht nach der Hütte bet Alten gehen ober des Wege» von derselben