erneu* „et cdte- Rl4>choß. >äud)btu(fet«t-Äontor: fitblanbluae« 11. >. Stock. ,-fr. *r:. ChutlBttwmer morgen- 20 4 abend- sowie kann- «nd Festtag- 80 4. flttlrigra Me «ÜRcfpattnu »ettudu 8,80 A. mäglirt) 50 Prozent Teuerimgi» zulchlag. tUrbetltmarkt u. Tsomtlienauzeigen 8,40 X. Anzeigen-dnnokme ßdjlanbftraB« 11 hn ttzrb- geschotz (bi« 7 Uhr obenb« für den lolgrnbcn lag), tn den Filialen (bt« J Uhr, und tn ollen Annoncen« Buttaue. Blae- und Säten« »orschrtstrn ohncverbtndltch. 1dl. Reklamen tm redaktio - nellen Z«ti werden auch gegen Entgelt nicht ausgenommen. Mr. SSI. Sonnabend, den 14. Mai 1931 - Adend-Ausgade. 35. Jahrgang. Illnsionen - falsche Taktik. Eine historische Gelegenheit ist wieder einmal verpatzt. Das Verlangen der Unterzeichnung des neuen Diktats ging von den beiden sozialdemokratischen Parteien aus. Sie mutzten infolge- dessen auch in der Regierung, die für di« Folgezeit die Politik der Nusführung des Vertrages durchzuführen hat, ihren ganzen Ein« stutz geltend machen können. Die nächsten innerpolitischen Kämpfe werden ja um die Verteilung der Lasten au? diesem Diktat geführt. Ihr Angelpunkt wird sein, auf westen Schultern die Lasten gelegt werden. Di« einzige Möglichkeit, diese Entscheidungen durchaus im Sinne der minderbemittelten Masten der Bevölkerung der Arbeiter, Angestellten, kleinen und mittleren Beamten, auch der kleinen Rentner zu beeinflussen. Wär« das Zusammenarbeiten dieser sozialistischen Parteien ge - wesen. Dieser Moment ist verpatzt durch die Ablehnung der USP., in die Regierung einzutreten, und diese Ablehnung ist deswegen erfolgt, weil die USP. keine KoalitionSpolitik machen will. In einer Artikelserie „ißon Krise zu Krise" am 10. Mai in der Ber- liner „Freiheit" unternimmt es Arthur Crispien, di« theoretische und taktische Begründung für diesen politischen Entschluß zu geben. Ohne unS auf die polemischen Auseinandersetzungen, die der „Vorwärts" ausgenommen hat, zu beziehen, wird es nötig sein, die theoretische Voraussetzung für die Haltung der USP. zu unter- suchen. Wir sind ja immerhin heute schon so weit gekommen, daß eine solche Auseinandersetzung möglich ist Der Kernsah der drei Artikel ist in folgendem zu suchen: „Die bürgerliche Regierung hat keine Wahl, sie mutz di« Jntereflen der kapitalistischen Gesell - schaft gegenüber den Jnteresten des Proletariats rücksichtslos ver - treten. Sie ist von der Bourgeoisie vorgeschickt, um den Kapitalis- mu5 gegen den Sozialismus zu verteidigen. Der Untergang des Kapitalismus ist >edoch besiegelt — und damit der Untergang jeder bürgerlichen Regierung. Sicherlich kämpft jede Regierung in irgendeinem der bürgerlichen, das heißt kapita - listischen Staaten, je nach der Entwicklungsreife der Wirtschaft und der Menschen, verschiedenen Stand der Verhältnisse bedingt, einen VerteidigungSkämpf gegen das Vordringen der Sozialismus. Die Voraussetzung jebeef,, die Crispien dem Schluste unterstellt, nämlich „der Untergang de» Kapitalismus ist jedoch besiegelt", ist «ine irrige, sofern man die nächsten Jahrzehnte inS Auge faßt ES ist ein Fehlschluß, wie jene Fehlschlüsse, die Marx und Engels das Ende der kapitalistischen Gesellschaft zunächst an den Ausgang des fünften JaknzehntS des vorigen Jahrhunderts und später in dem Ausgang der achtziger Jahre sehen ließen. Solange die Illusion, daß der Kapitalismus als Wirt schäft s- tt n b Gesellschaftssystem am Ende seiner Kräfte sei, besteht, und die politische Taktik auf diese unmittelbar bevorstehende Götterdämmerung eingestellt ist, werden wir nicht zur Einheit und damit auch nicht zur entscheidenden Beein» jlussung der Dinge kommen. Die beiden linksstehenden Parteien, sowohl die USP. sls auch bi« Kommunisten, pflegen sich bei den Kämpfen gegen uns immer traf Marx und Engels zu berufen. Sie suchen die Berechtigung ihres AbweichenS von der politischen Kampseinheit damit zu be - gründen, daß die Zeit herbeigekommen ist. in der die zur Klasse organisierte Arbeiterschaft unmittelbar die Machtmittel über - nehmen könne, um sich selbst al» Klaffe aufzuheben. Demgegen- Lber muß doch immer wieder darauf hingewiesen werden, daß wir noch lange nicht am Ende der kapitalistischen Entwicklung stehen. Gerade wenn man, wie Marx, die kapitalistische Wirtschaft, da» heißt di« in Rücksicht auf den Gewinn unternommene Gäter- «rzeugung und Verteilung als über die Welt sich erstreckend entnimmt, bann siebt man, wie irrig e» ist, sich von dem Verlauf bet deutschen Verhältnisse allein bei ber Beurteilung bei Frage leiten zu lassen, y Betrachten wir tn wenigen Sätzen, toi» die Entwicklung des toesteuroväischen Kapitalismus, da» heißt des modernen, vor sich gegangen ist. In die vorhandene ursprüngliche Akkumulation des Geldes strömt das Gold. Silber und sonstige Edelware ein, die durch die Entdeckung der neuen Seewege für di« europäische Gesellchaft erlangbar sind. Mittels dieser, wiederum ohne Arbeit, ungeeigneten Wertmassen wird, von Spanien ausgehend, das ganze Europa kapitalistisch aufgebaut. Dieser Prozeß dauert, wenn wir daS zuletzt eingetreten« Land, Deutschland, betrauten, bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhundert». Neben dieser Entwicklung, die die inneren Verhältnisse ber europäischen Staaten umwälzt, geht von den entwickelteren unter ihnen gleichzeitig da» Bestreben, sich über die SanbeSgranzen auszudehnen, baS seinen klassischen Ausdruck im kommunistischen Manifest sinket. Daß dieses weit seiner Zeit vorauseilende Schriftstück entstehen konnte, ist dem Umstande zu verdanken, daß Marx in dem eigentlichen kapitalistischen, auf die Warenproduktion auch im Innern ein- gestellten Land, England lebte, aber heute können wir rückschauend übersehen, daß die Verfasser des Manifeste» für die europäischen FestlandSverhaltnisse eine Entwicklung annahmen, die noch heute nicht einmal erreicht ist. Die Verfasser, unsere Altmeister, sind in ihrem Urteil beeinflußt von der brnnal» herrschenden Krise. Und weil diese Krise in dem damals klassischen Land« des Kapita- kismus die ungeheure Wirkung auslöst, deswegen sehen sie diese Dinge vorausahnend für daS ganz« Europa, trotzdem damals g. B. Deutschland, von andern ganz zu schweigen, noch durchaus auf dem Standpunkte ber einfachen WarenprobuktionS- unb -zirkulation im Inneren steht. Die kapitalistisch« Entwicklung von dieser Zeit her, wird zu einem guten Teil von dem Hebet» greifen de» von England übertragenen modernen Jndustriesystems auf Deutschland getragen. Gerade daS gab der Entwicklung der letzten Jahrzehnte die ungeheure Kraft, daß sie nicht nur nach hu feen neue Märkte eroberte, sondern daß sie die angeichloffenen Länder in ihrem Inneren vollständig auf di« kapitalistische Produktionsweise einstellt«. Dieser Prozeß ist heute noch nicht Abgeschlossen. Die Handelskrisen und damit Verkehrsstockung, Elend und Rot waren typisch für die Gesellschaft geworden. Don den Utopisten bis zu Marx und durch die ganzen klassischen Oekonomen, gehen die Betrachtungen über di« Krisen. Die. die da» Kom - munistische Manifest zur unmittelbaren Veranlassung hatte, war fine besonder» umfangreiche und schwere. Aber auch sie ist über - wunden worden. Einmal durch daS kalifornische Bold, jam sichern durch die vermehrte innere Erschließung der an den Räubern schon erfaßten europäischen unb anderen Länder. Gerade hier zeigt sich die Bestätigung des Satzes: „Wodurch überwindet di« Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch di« erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; andererseits durch die Eroberung neuer Märkte, und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie aEjeitigere und gewaltigere Krisen borbereitet unb die Mittel, den Krisen vorzubeugen, ver - mindert." Im Anschluß an die große Krise 1848 setzte eine nie dagewesen« Hochkonjunktur ein. Auch in bezug auf bi« Fortführung der Revolution hat Marx damals in seinen Briefen über die englische Politik die Schlüsse gezogen, die sich in dem klassischen Satz verkörpern: „Daß jede Revolution, die nicht auf England übergreift, von England im Mutterleibe ausgehungert wird." Es hat die Revolution 1848 ausgehungert unb die von 1918 wird ausgehungert werden. Diese beiden Erscheinungsformen kehren in der späteren Zeit immer wieder. Immer sind Krisen gekommen und immer sind fee durch die gleichen Mittel, allerdings auf immer größerer Stufenleiter, überwunden worden. Gerade die von uns erlebten Phasen de» Imperialismus in allen großen europäischen Ländern und die von ihnen inszenierten außereuropäischen Kriege sind Mittel zur lleberwindung temporärer Krisen gewesen. Nach solchen sehen wir die Ueberwindung durch die weitere Ausdehnung deS Systems. Di« halbkultivierten Länder des Orient», die mit alter Kultur versehenen in Asien unb die nur an den Rändern erschlossenen Staaten Südamerika» find die Objekte dieser Ent - wicklung. „Sie zwingt alle Stationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen." Dieser Prozeß dauert aber noch an. Im Gegenteill Man kann der Meinung sein, daß die kapitalistische Erschließung, durch den Krieg gefördert, in ein ganz neue» Stadium treten wird. AvseitS der kapitalistischen Entwicklung liegt das ungeheure Innere de» europäischen Rußlands, bas gesamte asiatische Rutz- lanfc, Eh:na, Lie. von Japan in Besitz genommenen Korea, Sachalin, das gesamte Afrika, das riesige Südamerika, da» für europäische Größenverhäiltniffe mächtige Mexiko ureb ander«. IIL Was toir in den letzten Jahren schaudernd erlebt Hatzen, ist nichts weiter als die Ueberwindung der bisher größten Krise, die die kapitalissische Gesellschaft gesehen Hatz die alle soge - nannten Kulturstaaten, mit ihren Kolonien, in ihren Bereich gezogen hat. Gerade der Krieg bödeutet die „erzwungene Ver - nichtung einer Masse von Produtztivkräften". Umb was wir jetzt sehen, ftnb die Versuch« ber Schaffung neuer Märkte. DaS Hineinzi«hen der ganzen Weilt in die westeuropäische wirtschaft - liche AuSeinaichersetzung, die Ueberfükhrung der Menschen auf die europäischen Kriegsschauplätze, das Jndendienststellen der Wirtschaften zurückgebliebener Länder in tue Erzeugung für den Krieg heißt nichts weiter, al» das all diesen europäische Be - dürfnisse aufgeztwungeu werden. Niemand braucht sich been Glauben Hinzugetzen, daß die auf diese Weise in die westeuropäische Zivilisation Hineingezogenen sich die so erweckten Bedürfnisse wieder abgewöhnen. Die Folge wird vielmehr die sein, daß sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat diese Methode bei sich einzuführen bestrebt sein werben. Da» bedingt, wie in allen bisherigen ähnlichen Verhältnissen, die Erweckung europäischer Bedürfnisse. ES bedingt weiter da» Streben, diese durch eigene Erzeugung zu befriedigen. ES bedingt also bie Erschließung neuer Markte. Politisch bedingt e» eine Er - starrung nationaler Gedanken bet bisher ganz zurück - gebliebenen Völkern. Und da sie durch den europäischen An- schauungS>unterricht auch handgreiflich die Methoden zur Durch - führung solcher ^Ispirationen" kennen gelernt haben, toidb davon eine weitere Belebung zunächst der diesbezüglichen Indu - strie unb das Streben ausgehen, fernerhin auch diese durch eigene Erzeugung zu decken. Was aber für uns eine bet wich - tigsten Erkenntnisse ist, ist ine, daß daS europäische Rußlan>d jetzt erst für den westeuropäischen'unb den eigenen KapitaliSmu» erschlossen wird. Auf di« Verhältnisse der bisherigen österreichischen, slawischen Säriber unb der Balkan staaten braucht in diesem Zusammen - hang noch gar nicht einmal hingewiesen werden, da sie kleinere Teile der Welt bedeuten unb für unsere Begriffe schon an da» kapitalistische System angeschiossen sind. Auch hier werben durch bie Bildung von nationalen Staaten und da» Hineintragen de» europäischen Wirtschaftssystems in das Innere dieser Länder und die Bestretzungen, 'bie Gewinne aus diesem Prcyeß den eigenen Leuten zuzuführen, für die kapitalistischen Staaten zu- nmhst neu« LusdehnungS Möglichkeiten geschaffen. Aber Meiben wir bei Rußland. Trotz allen Geretdes vorn Gegenteil, müssen wir unS tzarützer klar sein, daß die gesamte Sowjet- Herrschaft zu nicht» anderem gedient hat, als Rußland für da» kapitalistische System reif z u machen. DaS, toa» Deutschland traf der ganzen Breite in die kapita - listische Gesellschaft hineinzuziehen imstande war, war die rest - lose Mobilisierung des Grund unb Aoden». Erst durch diese „Reform" wurde da» Innere bc? Laube» in da» System hinein- gezogen. Die Sewsetregierrrng hat den Zarischen Besitz, bett Großgrundbesitz unb endlich den im „Mir" gebundenen russischen Boden mobilisiert Unb erst jetzt wird der russisch« Bauer au» eigenem Antrieb, au« „gesundem Egoismus" ein Tröger be« .Kapitalismus. Jetzt erst wird ber bisher durch den zaristischeix Steuerdruck erzwungene Prcgeß, in bie Weltwirtschaft einzu- treten, ureigene Triebkraft für den einzelnen bäuerischen Be- fetzer. Jetzt erst kann er die Früchte feine» Streben» selbst ein- stecken. Jetzt erst lohnt e» sich für ihn, die wo ander» üklichen Methoden der Dodenbewirtschaftung bei sich einzuführen. Und erst damit wird der von den westlichen Staaten an bie Ränder «rafgeklebte Kapitalismus auf da» ganze Land in» Inner« über - greifen. In -der gleichen Richtung wirkt die neuerliche Gesetz - gebung, txe den Handel freigibt. Trotz aller schönen Redens - arten, mit denen die Sckwjetregierung ihre Helfersdienste für den Kapitalismus schmackhaft zu machen versuchtz wird biete Erkenntnis allen oufbärnanern. In gleicher Richtung, nur auf viel größerer Stufenleiter, wirken die Konzessionen, bie man an amerikanische und andere Kapitalisten gegeben hat. Wenn man sich nur überlegt, daß bie Vanderlip-Abmachungen aufSBillicnen Goldmark Wert geschäht werben, kann man sich einen Begriff davon machen, welche neuen Ausdehnungsmöglichkeiten geschaffen sind. Mittels dieser gekennzeichneten Ausdehnung ist für den Kapita- llSmtuS der Ausweg au« seinen jetzigen Schwierigkeiten gegeben. Es wird nur ein« verhältnismäßig lstrze Zeit dauern und wir werden staunend erleben, tote der Kapitalismus diese seine bisher größte Krise überwinden wirb. Er wird in allen diesen neuerschlossenen Ländern „die große Industrie unb die Lohnarbeit" einsühren. IV. Allerdings ist der deutsch« KapitaliSmu» al» Jmperiasi»- mu», al» selbständige», treibendes Gemeinwesen zunächst für eine Reihe von Jahren auSgeschieden. Die in ber deutschen Wirtschaft erzeugten Mehrwerte und Profite werden dazu bienen, die Unkosten in ben anderen Ländern zu vermindern. Anderseits wird durch diese neue Ausdehnung die gesamte deutsche Wirtschaft wie ein« Kolonialwirtschaft in den Dienst be» AuSdehnungsbrange? der au» bem Weltkrieg gestärkt feer- borgegangenen übrigen Imperien dienen. War die deutsche Wirtschaft von 40 bi« 90 des vorigen Jahrhunderts ein Marit für di« englische und französische Fertigwarenfahrikation, so wird sie jetzt ein Mittel, um mit ihren erzwungenen niedrigen Preisen die Ausdehnung des kapitalistischen Wirtschaftssystems auf die anderen Länder zu ermöglichen. Damit ist keineswegs ausgeschlossen, baß hie st» an sftocite Stelle gerückt« deutsche Wirtschaft nicht doch noch bie Möglichkeit findet, in Südeuropa, mit Rußland und ben Balkanstaaten eigene Geschäfte zu machen. Nur mit dem «inen Unterschieb gegenüber der Entwicklung der letzten Jahrzehnte, daß die so gemachten Gewinn« nicht der deutschen Wirtschaft selbst Hirnen, sondern in gleicher Art wirken, wie die deut - schen Schutzzölle. Sie erleichtern den kapita - listischen Mächten der andere» Länder den Konkurrenzkampf. Diese selbst haben, soviel Werte sie »mH vernichtet haben, doch während des Krieges Sarans gesehen, in ihren Ländern neu« Produktionsinstrumente, für deren Produkte sie Absatz suchen müssen, zu schaffen. Sie werden also bie „Exploitation", bie Ausbeutung ber anderen Nationen a*uf größerer Stufen - leiter fortsehen. Damit wird das jetzt schon deurlrch ^erkennbare Streben verbunden fein, bie einzelnen Imperien gegen - einander abtzuschließen, lieber die Kämpfe, die zwischen diesen kommen werden, draüchen wir uns die Köpse nicht zu zer - brechen, da un» al» Gesarnkwirtschaft, daS Gesetz bei Handelns von ben anderen für die nächsten Jahrzehnte vorgeschrieben wird. z- Mik diesen Au »sichten ist auch für unsere innere Politik ber Entwicklungsgang vorgeschrieben. Sind wir uns darüber klar, daß die kapitalistische Gesellschaft noch eine Reihe von Jahren Lebensfähigkeiten tat. müssen wir un« auch darüber Bar sein, baß daS Ende der Gesellschaft ümb damit bie Voraussetzung für ben Sieg ber Arbeiterschaft nicht gegeben ist. Damit ist aber für die Taktik ebenfalls gesagt, daß wir von unserem Streben auch nicht einen Schritt abgehen. E« gilt jetzt, in den ent - wickelten westeuropäischen Ländern dafür zu sorgen, daß diese Entwicklung im Sinne ber sozialen Ziele au?» gewertet tojrb. Können wir nicht die gesamte kapiralistische Gesellschaft sozialistisch umgestaften, „so müssen wir in unseren Sänbern der ^Bourgeoisie nach und nach alle» Kapital zu ent» reißen, alle Produktionsinstrumente Mnächst in bie Härche be» Staates" zu bringen versuchen. Soll diese» Streben von Erfolg begleitet sein, so ist not- wendig, daß sich die deutsche Arbeiterschaft von der Illusion be - freit, baß bai kapitalistische Stiftern a tn Ende feine? Wirken» sei, daß wir daraus keine Hosinung auf die Erfüllung des Endziel» ir. nächster Zeit zu setzen haben. Nicht zu Ende ist bie kapitalistische Gesellschaft, sondern sie bat neue LehenSmöglichkeiten geschaffen. Fort mit dieser Illusion, die un» nicht zur Einigung kommen läßt unb un » fortgesetzt , u falschen taktischen Maßnahmen zwingt. Ad. Biedermann. Ktreilks -egen den Sowjetdrspotlsmus. O. E. (Drahtbernht.> Helsingfor«, 18. Mai. Der Brotmangel in Petersburg hat von neuem De- monstrationS streik» ber arbeitet in den größeren Betrieben Herr arge rufen. Menschewiki und Sozialrevolutionäre agitieren mit dem Argument, daß bie Politik der Sowjetregievung zusammengebrochen sei, nachbem sie da? Land ruiniert habe. In der Sitzung be» Petersburger Sowjets vom 9. Mai wurde bie Forderung erhoben, ben fortgesetzten Ar- beiterbemoftrn honen ein Ende zu setzern Die „KraSnaja Gaseta" fordert strenge Maßregeln gegen bie Streikenden. Am Sonntag, 8. Mai, hat eine gewaltige religiöse Demonstration stattgefunden. Zehntausenbe von Demonstranten zogen durch die Straßen, verlangten von ben Passanten, baß sie bie Häupter ent - blößten, und stießen Drohungen gegen bie Kom - missare au». Einige Rotarmisten, bie die Mütze nicht ab - nehmen wollten, wurden verprügelt. Wie bie Petersburger LSSccmxba" vom 10. b. SR. meldet, verhielt sich die Miliz gegenüber diesen Vorgängen untätig. Das Blatt greift bie Bourgeoisie, unb besonder» bie Sotojetangestellten, bie an ber Demon - stration teilnahmen, heftig an. Dix Zeitungskommentare zeigen, baß die Regierung auf eine derartige Demon - stratio« gegenwärtig nicht gefaßt gewesen war. 1 Hamburg als Gefahr für Schwedens Handel. „Rtza Dagligt Allehouoa" vom L Mai schreibt auf Grund von Umfragen in Reeder- und Lausmann»kreisen die Fühlbarkeit der deutschen Konkurrenz: »Der Deutsche verfährt methodisch wie in allen Dingen; daö Ziel ist klar unb deutlich: Hamburg soll wieder, wie vor 20 und 80 Jahren, ber Mittelpunkt be» schwedischen Handel» werden. Die deutschen Reedereien haben sich bereit» daran gemacht, all mählich die Ausfuhrgüter, welche wir über See entsenden, von unS zu übernehmen. Zu dem Zweck lassen sie, entweder in Klein - tonnage ober durch schwedische Küstenschiffe, feie Waren nach Ham - burg bringen und fee dort dann in chre Liniendampfer umtoben. Dabei stellen die Deutschen derartige Frachtsätze auf, daß fee trotz der Umladekosten noch bie Konkurrenz unterbieten. Das zieht eine weitere Verschiebung in unseren Handels - verhältnissen nach sich: die schwedischen Kaufleute laufen und ver - kaufen wieder in Hamburg — nachdem wir mehr al» drei Jahr - zehnte lang auf» Eifrigste unb mit erfreulichem Erfolg darauf hingearbeitet haben, unsere Geschäfte möglichst ausnahmslos direkt mit den Produktions- bezw. Absatzzentren abzuschließen- Wenn wir der drohenden Gefahr jetzt nicht mit festem Blick in bie Lugen sehen, so werden wir binnen kurzem um die Früchte ber mühsamen, vielversprechenden Anstrengungen langer Jahre be - trogen sein: unsere aufblühenden Ueberseelinien werden „kaput- lonfurriert". Rasche Hilfe und kräftiges Einschreiten ist not, solange eS mxfe Zeit ist Unter den staatlichen Maßnahmen gegen die drohende Gefahr stehen wohl an erster Stelle bie Prämientarife für Aus - fuhrwaren auf schwedischen Eisenbahnen. Nach dem Vorbild ge - rade Deutschland», da» auf diese Weise vor dem Weltkrieg feinem Handel die Wege geebnet hat, sollten toir gewisse sehr niedrig« Frachtsätze für Exportwarenbesörderung auf schwedischen Eisen - bahnen und schwedischen Schiften einführen; für Güter aber, die. früher ober später auf ausländische Schifte umgeladen werden soll diese Erleichterung nicht gewährt werden. Bedenken wir: unsere ganze Unabhängigen, unser ganzes Gedechen in Handel und LuSfuhrinbustrie beruht auf der ener - gischen Beibehaltung der Heberseeoetbinbungtn, bie wir in jahre - langem Schaffen so glücklich auflgtbaut haben, daß wir bei ent - sprechendem Vorgehen dem gesamten Ein- und AusfuhrbedürfnrS mit ausschließlich schwedischer Tonnage nachkommen können-" • Die gafel ber Arbeitslosen in Schweden stieg in ben letzten Monaten bedeutend. Sie wirb jetzt auf 60 000 geschätzt, Di« zur Letampfung der Arbeitslosigkeit von ber Regierung ein« gesetzt« Kommission glaubt für die Hälfte ber Arbeitslosen Be- jchäftigung fuiben zu können. See ersucht bie Regierung, zur Unterstützung ber anbern Hälfte vom L Mai dieser Jahre» bi» Jahresschluß 40 Millionen Kronen zur Verfügung zu stellen. USP. erklärt. Da» Zewkrcckkomitee der USPD, veröffentlicht in der „Fress- feeit“ ein« Kundgebung zur politischen Lage, in bet bai deutsche Proletariat aufg«fordert wird, seine ganz^ geschlossene Macht einzusehen für da» ehrliche Bemühen Deutschlands die wirtschaftlichen Bedingungen des Entente-Ultimatum» zu erfüllen und für die re ft lo» durchzuführende Entwaffnung unb für bie Aburteilung der Kriegsbeschuligten besorgt zu fein. Als dringende Maßnahme zur Erfüllung der wirftchastlichen Be - dingungen wird eine direkte, weitgehende Heranziehung der Ge - winne von Industrie, Handel und Großgrundbesitz gefordert. Kann man diesen Forderungen vorbehaltlo» zusttmmen, so muß man doch fragen, wo die Logik der USP. bleibt wenn weiter - hin bie Erklärung ihre» Vorstand«» sich dahin ausspricht die So - zialdemokratie habe Schuld am Nichtzustandekommen einer rein sozialistischen Regierung Ein« rein sozialistische Re - gierung mit dem Rückhalt am ADGG. unb der AfA, heißt es nämlieb weitex, hätte so festen Boden unter den Füßen gehabt toi« keine andere Regierung in Deutschland. Mit entschlossenen und wirksamen Maßnabmen hn Sinne des Sozialismus hätte sie sehr schnell da» gesamte Proletariat für sich gewinnen können. Jetzt sei da» Resultat in Deutschland, daß die RechtSsozialisteu in hoffMngSloser Minderheit seien und daß bet kapitalistische Einfluß noch weiter verstärkt werden solle. Daß bie USP. au» der Situation für sich heranSholen will, toa» sie vermag ist verständlich unb fei ihr gegönnt Wozu aber tut sie eS, indem sie eine Politik propagiert die ihre frühere Phrase von der -Diktatur be» Proletariat»" wieder feeranzieht Wie denken sich denn Dittmann und Crispien die Möglichkeit einer rein sozialistischen Regie - rung im Augenblick ander» al? durch Bet» fasfungSbruch k Solange nicht praktisch auf dem Bode« ber Republik stehende Vorschläge gemacht werden, sondern inner - lich haltlose Phrasen, solange bleiben bie Erklärungen ber USP. unfruchtbar« Redensarten. Kasparek auS bet Hast entlassen. Der ehemalige Lankwat bau Sangerhausen, der Unabhängige Kasparek, ist am Mittwoch au» der Haft entlassen worden. Die Verhaftung war unter ber Hn» fliege deS Hochverrat» erfolgt, hen Kasparek in seiner Eigenschaft als Landrat begangen haben sollte. Die Hasst- entbossung zeigt, daß die Anklage schon in der Voruntersuchung zusammengebrochen ist Trotzdem hat die deutschnatio - nale Presse feit Wochen über Kasparek in einem Sinn ge - schrieben, al» ob er des Hochverrats bereit» überführt sei. Marti« Kalander. Roman von Gottfried Kelle», —— rrr—■ > pT] ' Salander sah aber wohl, daß e» nicht eigentlich daS „trunkene Elend" war, da» ihn befallen, Ute man landesüblich da» Weinen ber Betrunken«» nennt, sondern die plötzliche Erinnerung an ein unglückliche» Dasein, welche den widerstandsarmer, Altrat übermaßnt hatte. Er redete ihm daher freundlich zu, sich zu fetzen und zu erholen. „Bereite un» jetzt einen guten schwarzen Kaffee," sagte er zur Gattin, „nachher wind un» die andere Flasche um so besser ‘»nunben; denn die muß Herr Kleinpeter noch trinken helfenI" Frau Salander besorgte den Kaffee auf da» beste und ließ es nicht an einem Gläschen alten Kirschgeistes fehlen. So dauerte e» nicht lange, bi» die Gedrücktheit be» neuen Gastfrcundcs abermals wich und da» Feld der froheren Laune überließ, welche das unverhoffte Wohlergehen nicht durch chre Abwesenheit verabsäumen wollte. Kleinpeter wurde wieder so gesprächig und offenherzig, daß er mit beruhigten Sinnen selbst auf ben Ursprung be» krampfhaften Tranenvergießen» zurück- kam; ein Wort gab das andere und da er vielleicht zum erstenmal einer teilnehmenden Aufmerksamkeit begegnete, erzählte er un - befangen und aufrichtig, wie es sich mit ihm verhalt«. In Zeit einer Stunde wußten Martin unb Marie Salander so ziemlich seine Geschichte, nach Maßgabe ihre» Derständnisie». Der alte Großrat Kleinpeter war ein geringer Fabrikant von vaumwolltüchern gewesen, mit einigem Vermögen da» vom Vater überkommene Geschäft vorsichttg unb gemächlich fort» betreibend ohne stark vorwärts-, aber auch oho« zurückzugehen. AI» ein umgänglicher unb beliebter Mann setzte er mehr Wert auf bie Anforderungen de» gesellschaftlicben unb bürgerlichen Verkehr», al» auf den Erwerb von Reichtümern. Ein eitle», leichtsinniges Weib, da» er geheiratet, trieb ihn noch dazu an; denn sie setzte da« unschuldige Wnfefeen, dessen er sich erfreut«, auf ihre alleinig« Rechnung und spreizte sich in demselben rote ein Pfau. Alle», wa» et tat, war ihre Tugend, toa» an rbtn jgefiel, ihr persönlicher Vorzug, toa» ihm widerfuhr, ihr Ver - dienst E» wat i h r Marrn, von dem man sprach unb mit bem sie großtat, unb weiter nicht», und überall wollte sie dabei fein, wo er feinging; auch fuhr sie allein im Lande herum, so oft fee konnte, sich sehen zu laffen und zu prahlen.^ Zu Hau» aber machte sie «fern da» Sehen sauer durch die verächtliche Art, mit der fee fein tim unb Lassen unb ihn selbst zu behandeln sich förmlich die Mühe gab, damit er ja nicht gegen sie aufzukommen sich unterstehe. Auch sonst lebte er schlecht in seinem Hause, weil ihr olle» zu viel war, was einer Sorgfalt gleichsah. Zwei heran- wachsenbe Söhn« schlugen in ihre Art. AI» Kleinpeter, dem just fern Besserer hn Siebte stand, zum Ifätgliebe be» Großen Rate» unb ball» zum AmtSstatiHalter ge - wählt würbe, stieg der Hochmut der Frau auf den höchsten ffiipfeL Die Titel schienen nur für sie da zu sein und e» war niemandem zu Baten, sie nicht mit dem einen ober anderen anzureden. Und während sie dem ärmsten Mann e» mißgönnte unb ihn beinahe haßte, weil er doch der Inhaber der Titel war, benutzte sie die- selben wiederum, da» damit verbundene Ansehen zum Schuiden- machen unb anderen Mißbräuchen auSzubeuten. Hierin fand fee baCb genügende Aushilfe, al» die Söhne die Verwaltung der bescheidenen Fabrik übernahmen, die der Vater ihnen überliefe, um sich ausschließlich fernem Amte zu widmen unb Frieben zu haben. Darin täuschte er sich arg. Di« Söhne waren seit dem Verlassen der Schulen nicht vom Fleck zu bringen gewesen, um etwa» von ber Welt zu sehen unb zu lernen, woran auch der Vater schuld war, der sie nickt dazu gezwungen unb sie zu Hause berumlungern liefe, wo fee fick nur tüe ®emül»roheit unb ungeschliffenen Sitten der Mutter und einer Anzahl von Gesellen gleichen Schlage» zum Vorbild nahmen. Anstatt da» Geschäft ordnungsgemäß zu sichren, vernachlässigten fee da »selbe und gerieten in die ärgste Wechselreiterei, ohne daß etwa» verdient wurde. Da zogen sie dann stet» ben Vater Statt - halter mit hinein, der sich verbürgen oder geradezu seinen Sternen auf die Papiere sehen mußte; und auch die Frau Statthalter unb Giwßrättn entblödete sich nicht, ihm mit Sckulbvapieren zum Unterschreiben zu kommen. Die von Am mitunterzeichneten Wechsel unb Cbligi waren lange Zett immer untetyubriugcn, kehrten nach weltläufigen Wanderschaften zu chm allein zurück unb Da» alle» ging unter stetem Zank und Streit vor sich, da Mutter und Söhne sich immer gröber und unverschämter gegen ihn betrugen, al» ob er ein schlechter Hausvater wäre. Die» Elend zu vertuschen und ben Lärm, der täglich auSzubreehen drohte, zum Schweigen zu bringen, mußte er um seiner Aemter willen immer nadbaeben. Er hatte seine Amtsstube mit einem Schlafzimmercheu in ein kleines Nebengebäude verlegt, um Ruhe zu ftnden. Allein da» Weib ließ sich da» nicht anfechten. Sie kam während der Audienzen, di« er hielt, oder der Verhöre, die er leitete, durch die Amtsstube gelaufen mit brutalem Auf- und Zuschlägen der Türen, wenn sie nickt zu Wart kommen konnte. Sogar den Schreiber, den Polizeisoldaten unb den Amtsboten des Statthalter» suchte fee mit einer ganz einfältigen Falschheit und Untreue zu geheimen Gegnern be» Manne» zu machen, der doch in all seiner Schwäch« bie einzige Stütze be« Hause» blieb bis zum Zusammenbruche. Und niemanden gab e», der ihn klagen gehört. Ach, er wußte gut, warum er schwieg; denn niemand würde geglaubt haben, daß ein Mensch, welcher im eigenen Haus« so elend dastand, da» Wohl des Lande» beraten und fremde Leute zu regieren sich unter - stehen könnte. Wie aber alle» Menschliche ein Ende nimmt, ging es auch hier dem Feierabend so vielen Unrechte» und Leide» entgegen. Die Arbeiter waren wegen rückständiger Löhne schon au» der Fabrik roeggeblieben und anderwärts angestellt worden. Trotzdem hatten die Söhne noch bedeutende Ankäufe von Garn gemacht, diese» aber sofort versetzt, unb al» der Zahlungstermin nahte, besaßen fee weder Garn, noch Tuch, noch Geld unb liefen Gefahr, be» betrügerischen Bankrotts verdächtig zu werden. Mit,dieser schönen Enthüllung überfielen sie ' den Vater, al» die fälligen Wechsel borgeroiefen wurden, in der Morgenfrühe, natürlich wieder im Tone de» Vorwürfe», daß er sie in ein so erbärmliches Fabriklein hineingesetzt habe. Und nl» er hilflos dastand unb fragte, wo er um Gotte» willen auch Meld hernehmen sollte, da ja alle» verpfändet und überschuldet sei, verwiesen sie ihn frech auf die von ihm bezogenen Steuergelder, die bequem bereit lägen und für ben Augenblick ohne Gefahr in Anspruch genommen «erden dürften. Der Vater wurde blafe ' „