w»e tahiHte«»" «toetni tagUd) zweimal, Senntag* u. nach Feiertagen Mir einmal. BezngSvreiD- »iöchmtl. 2,35 x, monatl. 10 * rorau»,ahlbar frei In* Hau*. Redaktion: g*lanbfiraBe ii, i. Stock, »erantwortlicher Redakteur: Paul «ugdahn, Nltona. Vfrv ed lt Ion: Fehlandfiraien.Srdgefchoß. iSuchhandlung: Erdgeschoß. Buchdrucker el-Kontor: Fehlandstraße ii, i. Stock. Kr. 376. Eivjklvummer morgeuS 20 4 avevds sowie Loo«« mrd Kestlag« 80 4 Kl Anzeigen M« iffgefpeUete VelltzcUe 2,20 zuzüglich 50 Prozent ZeuerungS« zuichiag. Arbeit-markt u. lkamllleuau,eigen 2,40 X. An,eigen,Annahme Sehlandstraße ii im «rd. geichoß (bi# 7 Uhr abend# für den folgenden Tag), tu den Filialen (bt* s Uhr» und ta allen Annoncen» Bureau*. Platz- und Datenoorfchristen ohne Berbindlichtett. Freitag, den 17. Juni 1931 - Morgen Ausgabe. 35. Jahrgang. Moskau und die DKW. „Tas rachitische Kiud mit dem Wasserkopf." Unser Berliner Bureau übermittelt uns folgenden inter- effarten Bericht: »Wir lauten in den Besitz eines Protokolls über eine Sitzung des Exekutivkomitees der dritten Internationale in Moskau, die dort am 9. und 10. März getagt hat. Für di« deutsche BKPD. suchte der ReichStagSabgeordnete Kurt Geher deren Politik zu rechtfertigen. Radek putzte seinen jungen Mann Geher wie folgt herunter: E. K. Radek: Geyer habe „offiziellen Optimismus gepredigt. Es sei doch gar keine Vereinigung da", das beweise allein die Existenz der KAPD., vereinigt sei nur die linke USPD, mit dem Spartalus. Diese kombinierte KPD. zeige „Tendenzen, die bekämpfenSwert seien". Die KAPD. sei unter der Losung entstauben, datz „Deutschland überreif zur Revolution sei". Die KAPD. sei „besser als die Thegrie ihrer gepumpten Theo - retiker", die in zwei Broschüren der KAPD. die theoretische Grundlage gegeben hätten, in denen sie dreimal „Propaganda" schreiben, in denen sich aber kein einziger Vorschleig zur Aktion befände. Die KAPD. wollte „jeden Tag losschlagen, sie sei bei der Aktion immer die erste" aber sie stelle nur die Unzufrieden, bett kleiner Minderheiten bat". Noch Ijabc die Revoltution in Deutschland keine „einheitliche schlagkräftige Partei" gebildet. Die BKPD. sei keine solche. Er habe die Presse der VKPD. immer mit dem Gefühl der größten Unzufriedenheit, ja mit dem Gefühl der Schande gelesen, es fehle ihr da« ganze argani. satorische Geschick. Bei den ReichStagSreden der kommunistischen Parlamentarier seien die eigenen Berichterstatter eingeschlafen und über die unzulängliche Berichterstattung hätten sich die Par - lamentarier und Berichterstatter gegenseitig beschimpft. Nun sage die Fraktion selbst, daß die Arbeiterschaft Deutschlands nicht auf Reden reagiere. Die Fraktionhabe nicht ein- mal eine politische Leitung, halte keine Sitzungen ab, sie »setze sich selbst unter die Glasglocke". Die illegale Organisation sei erst im allerer st en Entstehen begriffen. (Beispiel.) Mit „spontanen Ereignissen" sei in Deutsch - land nicht zu rechnen. Was wäre die VKPD. mit ihren 22 Zeitungen und ihrer halbenMilliongegendieneun Millionen der Gewerkschaften? Daher sei die Kernfrage: Wie unterwühlen wir die Gewerkschaftsbureau- trutic? Das sei möglich durch Teilaktionen, entweder mit oder ohne Gewerkschaften. Scheidemann repräsentiere heute in der Tat noch die Mehrheit der deutscheu Arbeiterklaffe. Er sei noch nicht genügend kompromittiert, und der deutsche Arbeiter, dem ein Stückchen Brot lieber als Liebknecht sei, ginge immer noch mit dem, der ihm ein Stückchen Brot verspreche. Die KAPD. 'ei gut als Gegengewicht gegen den Opportunismus der VKPD.-Führer. Cie bekämpfe man am besten durch Steigerung der Aktivität der VKPD. NachrechtsseiderKampfviel schwerer. tievi selbst habe heute noch keine Ahnung von der Schwer« der Differenz zwischen sich und der Exekutive. Er wisse selbst am wenigsten, daß er Opportunist fei. Nach ihm läge die Differenz in der „falschen Einschätzung eines Menschen durch den anderen". Man spräche immer gegen Moskau, wenn man glaube, datz "Moskau linker stehe als Berlin" und „man Angst habe, datz die Massen sich hinter Moskau stellten". Es käme darauf an, in Deutschland eine gute Parteileitung z u bilde n." Levi wurde damals schon als heilloser Opportunist von Radek abgetan. In die gleiche Verdammnis kamen Säumig, Geyer und Klara Zetkin. Radek schloß mit den Worten: »Die Exekutive wisse wohl, was gespielt werde, aber sie habe nicht genügend Recht, um noch energischer einzugreifen. Heute schon sehe c8 so aus, als ob Deutsch, land statt einer gesunden kommunistischen Partei ein „rachitisches Kind mit einem Wasserkopf" bekäme." Der Vertreter der ^APD., Goldstein, äußerte sich über die VKPD.: Es ging mit der VKPD. rasendbergab. Der National- bolschewiSmuS zeige sich nun gar in der VKPD. und Klara Zetkin spreche im Namen der Fraktion von der »nationalen Zukunft des deutschen Volkes". Ja, die VKPD. for- dert jdst ein Bündnis zwischen dem bürgerlichen Deutschland und dem Miletarischen Rußland. Wie der Parlamentaris - mus der VKPD., so sei auch ihre Gewerkschaftspolitik bau. krott. Als man die rote Gewerksehaftsinternationale grün- betc.jDonte man die Spaltung der Gewerkschaften (Radek: „In der Tendenz!"). Aber man hatte nicht den Mut, von der Spal - tung der Gewerkschaften zu sprechen. Keine Gewerkschaft sei bisher erobert, im Gegenteil, die Kommunisten würden aus - geschlossen. Bei den Teilaktionen handle er sich darum, die Massen zur Aktion zu bringen. Man müsse die Konterrevolution provozieren. Ihr das Gesetz des Handelns vorschreiben. Aber wie könne eine Partei, die sich ganz auf den Wahlkampf eingestellt habe, so etwa? tun. Die VKPD. habe in der Eisenbahnerbewegung ebenso versagt wie bei dem letzten ökonomischen Streik. Man müsse die „Orgesch zum Lor schlagen bringen," vielleicht durch das Mittel der Steuerverweigerung oder den Boykott Bayerns (Geyer), dann geben die Bayern uns kein Brot. Der große Häuptling Sinowjew gab seine allerhöchste Auffassung über die Politik der deutschen VKPD. in folgenden Aeußerungen kund: „Was die allgemeine Taktik der BKPD. ank". langt, so sei Radeks Kritik an ihrem Parlameniaris- muS durchaus richtig. Sie seien darüber sehr enttäuscht gewesen, denn der Ton der Parlamentarier der VKPD. sei „g u t sozialdemokratisch"; er habe nach seiner DeutMandreise eine Broschüre „12 Tage in Deutschland" geschrieben, deren Neber- setzung und deutsche Ausgabe die deutschen Genüssen verhindert hätten, und zwar deswegre', weil Dißmann darin „der Iotu - rn c r b e Noske" genannt werbe. Der „Fehler" der B K P D. beim B e c l i n e r Elek- I r t i i t ä t s st r e i k sei eb nsills uitgehei'er.ich. Desgleichen ihre Stellung zur Arbeitslosenfrage, wo Koenen die ?!rbeitslosen al# „Lunipenprsletarie ■ ' bcze i hn t Hal e. Da# sei durchau# falsch. Der offene Brief sei eine „künstliche Taktik" gewesen und sei der Erfolg mebr ein literarische# Hirngespinst cif eine „Massenbewegung". Weint man die Außenpolitik der VKPD. als Nationalbvlscheivismus tituliere, so sei bas nicht richtig, aber es sei „oppoltunisttscher ParlampntariSmnS". Jetzt habe man einen Wendepunkt in der dritten Internationale. Man habe bereits viel zu viel Elemente in die dritte Internationale a n f g c n o in m c n. " Inzwischen sind ja Levi und einige andere „Elemente" au# der drittelt Internationale hinailSgeflogen. Einige Htinder- tausend deutsche Arbeiter sind von selbst gegangen. Vielleicht bringt die völlige Zerfahrenheit der kommunistischen Politik, die in vorstehenden Dokumenten wieder einmal von ihren Führern selbst beleuchtet wird, auch noch andere zur Vernunft." I Einigung in Oberschiesten? Kommunistische Erhebungen? Wie die Blätter aus Oberschlesien melden, wurden di« Ver - handlungen zwischen dem englischen General Renntier und dem Führer der deutschen Selbstschutzes, General Höfer, heute fortgesetzt. — Laut „Vossischer Zeitung" sei i m wesent - lichen eine Einigung ezielt. ES sei anzunehmen, daß auch der Zwölfer-Ausschuß, mit dem namentlich das englisch« Mitglied der Interalliierten Kommission, Sir Harald Stuart, verhandelt, sich mit den Versicherungen, die bei dieser Gelegenheit gegeben wurden, vorläufig einverstanden erklärt. Das sozial, demokratische Mitglied des deutschen Zwölfer-AuSschusie» in Ober- schlesien, CyruS, äußert sich in den »Oppelner Nachrichten" über eine Verständigung mit der Interalliierten Kommission dahin, daß das Verlangen der Kommission, Annaberg zu räumen und durch italienische Truppen besetzen zu lassen, vielleicht doch bei Bietung anderer Garantien angenom - men werden könnte, da der Berg als militärischer Stütz - punkt nicht mehr in Betracht komme. Cyrus fordert als Garantie, daß die Insurgenten wenigstens als erste Etappe Gleiwitz und Hindenburg räumen und hofft, daß auf der gekennzeichneten Grundlage eine Einigung zwischen dem Zwölfer- Ausschuß und der Interalliierten Kommission möglich ist. * Blättermeldungen aus Beuthen zufolge bildete sich im Kreise Pletz in der nächsten Nähe des Hauptquartiers Korfantys eine rote Armee. Der Abteilungskommandant Korfantys ist abgesetzt. Die bolschewistischen Jnsurgentenabteilungen erpressen von den Jndustrieverwaltungen und der Kaufmannschaft Beträge bis zu 200 000 31. Auf mehreren Gruben iin Zentralindustrie- rebier weht seit heute die rote Fahne. Einzelne Industrie» direktionen wurden unter die Diktatur der Arbetter gestellt. Korfanty verlegte dar Hauptquartier nach Blotznitz, Kreis Groß» Strehlih. Die polnischen Kommunisten, die sich gegen Korfanty er - hoben haben und die bolschewistischen Aufständischen, die sich das oberschlesische Chaos zunutze machen, treten spät auf, so daß kaum anzunehmen ist, daß sich ihre Erhebung lange hin - ziehen wird. Vom ersten Tage des Korfantyschen imperia - listischen Poleneinfalles an log die Kommunistenpreffe dieses durchaus nationalistische Polenunternehmen in einen kommu - nistischen Ausstand um. Das dauerte solange, bis die Oppelner VKPD. öffentlich ihre deutschen Genossen Lügen strafte und sich an die Seite der überfallenen Schlesier stellte. Heute geht das noch weiter. Die Kommunistenpresse veröffentlichte gestern einen Aufruf des Zentralkomitees der VKPD. Oberschlesiens in Gleiwitz, in dem in bewegtesten Wor - ten gegen den nationalistischen Jnsurgentenaufstand Stellung genommen wird. Es heißt da: „Der Diktator Korfanty er - läßt unerhörte Blutbefehle über die Todesstrafe für eine Aufforderung zum Streik und für sogenannten „Verrat" und organisiert überall Standgerichte, deren Todesurteil nach drei Stunden auf der Stelle vollstreckt wird. Die Miß - handlungen der Arbeiter spotten jeder Be - schreibung." Strotzt auch der Aufruf sonst von un - logischen Schlußfolgenmgen, verdreht er auch dadurch, daß er den deutschen Selbstschutz mit den Korfantybanden in einen Topf wirft, die ganze Sachlage so, wie es die schon lange von der Berliner Zentrale gewollte Taktik erfordert, so ist er doch interessant als Zeitdokument und Beweis für die Zusammen - hänge der augenblicklichen Empörung kommunistischer Put - schisten mit dem allgemeinen Geschehen in Oberschlesien. Treffen die Nachrichten darüber, daß es zwischen dem deutschen Selbstschutz und den Interalliierten zu einer Einigung ge - kommen ist, zu, finden endlich die Engländer die Entschluß - kraft, die Polen zur Raison zu bringen und den Verträgen Geltung zu verschaffen, dann wird auch der bolschewistische Spuk in Oberschlesien bald sein Ende finden. Dettlschland und Dänemark. Der „Nieuwe Rotterdamsche Courant" bringt ein Gespräch seines Vertreters mit bein dänischen Ministerpräsibeuien Scaoenius. In diesem Gespräch erklärte der Minister: Die Richtung unserer Politik ist und bleibt eine sorgfältig abgewogene Neutralität. Bezüglich Norbschleswig stehen wir nur auf der Grundlage de# Bertrage# von Versailles. Ich gebe zu, daß ich mir eine günstige Lösung vorstellen könnte, aber wir streben nicht nach der Revision einer entschiedenen Sache. Wir sind nur auf dem Wege einer freundlichen Rege - lung der zahlreichen Schwierigkeiten und Fragen, bi« sich aus bem Vertrag ergeben. Auch bie Teutschen werden zugeben müssen, daß wir nicht mehr erreicht haben, als uns nach "allen Rechtsbegriffen zusteht. Die Volksabstimmung hat da# am deutlichsten bewiesen. Ich glaube, zu meiner Freude konstatieren zu können, daß das deutsche Volk au# diesem Grunde keinen Haß gegen uns hegt. Wir brauchen unserm Nachbarn nicht nach den Augen zu sehen; aber ausgedehnte Beziehungen mit ihm sind für unS von großem Wert. Für kleine Länder ist jede Feindschaft eine Gefahr. Wa# nützt es, wenn man mächtige Beschützer hat. Keine Mächtegruppierung bietet so dauerhafte Garantien, daß sie für alle Teile Sicherheit gegen die Rache eines starken Nachbarn bedeuten sann. Diese Auslegung genügt bereits, um Dänemark abzuhalten, sich im Kielwasser einer bestimmten Macht ober Mächtegruppierung mitschleppen zu lassen. Wenn es wahr wäre, daß wir das Gebiet, das wir zurück- bekommen haben, nur unter dem Schutz der gegenwärtigen Entente halten können, bann müßte ich bedauern, daß wir es zurückbekommen haben: denn früher oder später mühte das zu unserem Untergang führen. Aber ich bin überzeugt, daß unfe-e Beziehungen zu unserem südlichen Nachbar keine Gefahr f u r unsere Existenz mit sich bringen und daß dieser nicht daran denke, uns das Leben schwer zu machen. Die Abstimmung der englische« Kergarbetter. Wie die Blätter melden, bedeute das bisherige Ergebnis der Adstinillmnq der Bergarbeiter eine Ueberrafefiung. Die Mehr - heit der Arbeiter sprach sich bisher gegen bi* Annahme ber neuen Angebote derBergwerksbesitzer auS Dem »Daily Telegraph" zufolge ist eS wahrscheinlich, batz die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu flunfien bei Streiks sich ergaben werde. TaS Endergebnis wird nicht vor heute abend oder morgen früh bekaimtaeqeben werden. Der amerikanische Senat gegen -eu Frieben. Wie die „Chicago Tuibune" aus Washington meldet, wurde die Resolution Porter, die im Repräsentantenhaus ant letzten Montag angenommen worden ist, wir voiauS zu leben war, botet Senat abgelehnl. Ueber bie Reioluiion wird jetzt in gemeinsamer Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat beraten. Im 'JkidjiMagc kommt am heutigen Mittag bie Interpel - lation über ben M orb an Garet! zur Verhandlung. Im englischen Unterhaus« wurde gestern mitgeteilt, daß die durchschnittlichen moimtlidjen Kosten für bie britischen Truppen in Cberfdjlefieii 77 000 Ptuud betragen. Der türkische Großwesir Tewfik Pascha bildete folgende# Mini - sterium: AeußcreS Marschall Izzet Pascha, Inneres und Unter- richt vertretuntöweise Marschall Ali Riza Pascha, Marine Mar - schall Salih Pascha, Handel und ßanbtoirtfdiaft Sela Bey, Finanzen provisorisch Hassern Kiazina Bey. MWe m Die Meinung in Her AlleiMewWnslW? Deutscher Reichstag. (Telephonischer Bericht.) Berlin, 15. Juni 1921. Der Reichstag sah in seiner Dauersitzung am Donnerstag von Anfang bis zu Ende ein vollbesetztes Haus und fällte die Entscheidung über die Getreidewirtschaft. In zahlreichen, zum Teil namentlichen Abstimmungen, mußten die Fraktionen Farbe bekennen, wie sie zur Brotversorgung des Volker stehen. Dabei zeigte sich mehr und mehr, daß sich den sozialistischen Parteien ein bürgerlicher Block gegenüber» stellte, wenn auch bei einer Abstimmung die Teutschnationalen au» taktischen Gründen mit den sozialistischen Parteien gingen. Sie stimmten mit uns den § 1 de» Gesetzes nieder, weil ihnen die 3 Millionen Tonnen Brotgetreide, die der Gesetzentwurf ersassen will, noch zuviel sind. Wir stimmten mit den beiden andern sozialisttschen Parteien gegen ben § 1, weil wir 4,5 Millionen Tonnen Brotgetreide zu erträglichen Preisen für die Bevölkerung sichern wollten. Da sowohl dieser sozia - listische Antrag wie der § 1 de# Regierungsentwurfes abge» lehnt wurden, klaffte nun durch die ganze Lesung an Stelle der Paragraphen eine breite Lücke. Während der stundenlangen Er - örterungen suchten die bürgerlichen Parteien nach einem Aus - weg, um dar Gesetz zu retten. , Aus bet Debatte ist die Mitteilung de# ReichSernährungS- minifters Dr. Hermes hervorzuheben, daß die Brotpreis - erhöhung erst zu Beginn de» neuen Wirtschafte- jähre», also gegen den Herbst hin, eintreten und keinesfalls Über 50 % betragen soll. Alle Versuche der Sozialdemokraten und der Unabhängigen, dem Gesetz noch einige Verbesserungen beizubringen, s ch e i t e r • t e n an dem Widerstand der bürgerlichen Parteien. Al» bann schließlich auch die Resolution des Ausschusses abgelehnt wurde, die den Schutz de» Reallohnes der Arbeiter und den Schutz gegen bie weitere Verelendung bet Rentenempfänger sortierte, wenn bie enorme Teuerung kommt, eine Resolution, bie ferner bie Gewinne bei ber Annäherung an ben Weltmarktpreis für bie Allgemeinheit ver - langt, sank da» Interesse an ber Annahme des Gesetzes für die Arbeitermaffen auf Null. In der dritten Lesung gab der bürgerliche Block dem § 1 des Gesetzes folgend* Fassung: Für den Bedarf der versorgungs - berechtigten Bevölkerung sind in bem Wirtschaftsjahr 1921/22 au» dem Jnlande 2)4 Millionen Tonnen Getreide im Wege der Um - lage aufzubringen. — Ter Bürgerblock gab diesem Beschluß auch sofort bie richtige Auslegung, indem er folgende Entschließung ber deutschnationalen Fraktion annahm: Der Reichstag wolle beschließen, die Reichsregierung zu ersuchen, die geeigneten Maßnahmen zu er - greifen, bamii alsbald bet freie Verkehr für Brot - getreide, Gerste und Hafer intändischer Ernte eingeführt wird. Da» ist in der Tat bie Folge bei Gesetzes, bas am Donners - tag die bürgerliche ReichStagsmehrheit geschlossen gegen bie ebenso geschloffene Front der drei sozialistischen Parteien angenommen Hai: Binnen wenigen Wochen werden die Massen bet Verbraucher zu spüren bekommen, war an biesem Donnerstag im Reichstag geschehen ist. Niemand glaubt daran, daß die 2)4 Millionen Tonnen wirklich erfaßt und wenigstens ein Teil des Brotgetreides zu erträglichen Preisen ver - arbeitet werden kann. Das ganze Umlageverfahren ist nur noch eine Kulisse für die freie Wirtschaft. Sie letzten Sicherungsmaßnahmen gegen den Brotwucher sind gefallen. Annäherung an den Weltmarktpreis und damit ein Gewinn von rund 5 Milliarden Mark für die deutsche Landwirtschaft, zugleich aber wachsende Verelendung ber auf festen Lohn Angestellten sind aus bent heutigen Beschluß zu befürchten. Auch polittsch bars man an diesem Tag nicht vorübergehen. Die bürgerlich -sozrali st i sch* Regierungskoalition ist bei dem ersten wichtigen WirtschaftSgesetz weit auseinander geraten. Das ist wahrlich keine Festigung der ohnehin von vielen Gefahren bedrohten Regierung. Wie wird eS bei dem Kampf um bie Steuern, wie soll es bei der Her - anziehung bet Goldwerte werden? Diele Fragen drän - gen sich heute manchem noch stärker auf, als in ben vergangenen Wochen. D i e Parteiwird guttun,für alles gerüstet zu sein. * (Telephonischer Bericht.) 115. Sitzung. Donnerstag, 16. Juni, nachmittags 2 Uhr. Das Haus versagt ohne AuSsprawc nach ben Anträgen des Geschäftsordnungsausschusses die Gcnehinigung zur Strafverfolgung ber Abgeordneten Ern st (USP.), Remele (5t), Reich (K.) und Mittwoch (UTP.) Im Hammelsprung wird mit 187 gegen 108 Stimmen der drei sozialistischen Parteien ein Antrag Hoffmann (ft.) abgelehnt, den Abgeordneten Wendelin Thomas (ft.), der wegen Hoch - verrat» eine zweijährige Gefängnisstrafe verbüßt, sofort aus der Gefangenenanstatt Landsberg in Bayern zu entlaßen. (Zurufe bei den Komm.) Die vewirlschaftunq des Getreides. Da die allgemeine AuSsvrache geschlossen ist, wirb sogleich übet § 1 bei Gesetzentwürfe» abgestimmt. Abgelehnt werden die Anträge Müller-Franken (SS.) und Dr. Herz (USP.) auf Beibehaltung ber bisherigen Form der Bewirtschaftung bei Getreides. Ueber einen Antrag D Xt f ch e (DVP.), die Zwangs - wirtschaft aufzuheben und die freie Wirtschaft einzu- führen, wird namentlich abgeitimmt und der Antrag mit 178 gegen 1 56 Stimmen der beiden Rechtsparteien, der Demo- traten und der Bayerischen Volkspartei abgelehnt. Abgelehnt werden sozialdemokrattsche Anträge, die Umlage auf 4)4 Millionen Tonnen festzusehen. Angenommen in namentlicher Abstimmung wird mit 214 gegen 126 Stimmen eine Antrag Böhme (DTP.), Dusche (DVP.), SPurlage (Z.), die Hohe der Umlage auf 2 X A Millionen Tonnen festzusetzen. Abgelehnt w'rd ein Antrag Hergt (DVP), als Termin der Ablieferungsfrist für das erste Viertel der Umlage den 15. November sestzuietzen, anstatt des 15. Oktober. Ter Antrag Müller-Franken (SD.), und Dr. Hertz (USP.), wonach die von der Umlage nicht er - faßten ©ftreibemengen an die Reichsgetreidestelle zu einem vom Reichstag festgesetzten Höchstpreis abgcliefert werden sollen, wird abgelehnt. — In der Gesamtabstimmung wird im Hammel- sxrung der § 1 mit 189 gegen 145 Stimmen des Zentrum», der Deutschen Voltspartei und der Icmotratcn abgelehnt. Präsident Silbe: Durch diese Abstimmung ist dem Gesetz die Seele genommen. Geschäftsordnungsmäßig müssen wir aber die weiteren Paragraphen beraten, da der Reichsernährungsminister nicht beabsichtigt, die Vorlage zurückzuziehen. (Hört, hört! und Heiterkeit). Die Beratung wird beim $ 2 fortgesetzt. Dr. Heim (Bayer. VP.i: Die Zwangswirtschaft ist heute das Verderblichste, wa» c» gibt. Sowjettußlanb hat schon beim Friedens - schluß mit Polen mit der Offensive gegen da» kopitalistische Europa Halt gemach: und weiter hat Sowjetrußlanb mit ber Freigabe der Getreidewirtschaft kapituliert vor den 85 Prozent Dauern. (Zurus links: „Da» ist nicht wahr!") Was ich behaupte steht in feinem Orgcschorgan, sondern in der .Freiheit". Da# Umlageäcrfahreu al# System hat alle Nachteile der Zwangswirtschaft. Wenn wir unter den jetzigen günstigen Verhältnissen nicht zur freien Wirt - schäft übergehen, so wird ber Uebergang später voraussichtlich teurer kommen. Reichsernährungsminister Dr. Herme»: Die Zwangswirtschaft ist allerdings produktionSfeindlich. Daraus kann man aber nicht ben Schluß ziehen, daß sofort zur freien Wirtschaft übergegangen wer- den muß. Wie müssen auch darauf Rücksicht nehmen, daß die Be - lastung der Verbraucher noch gerade erträglich bleibt. Uebrigen» bin ich der Landwirtschaft gerade in der Preisfestsetzung entgegen- gekommen. Die Brotversorgung kann nur in ber bisherigen Form durchgeführt werden. Bei einigem guten Willen kann bie Landwirtschaft bie Umlage durchaus er - füllen. Mit ber alten Zwangswirtschaft noch eine bis zwei Mil- Honen Tonnen herauszubringen unb dann das Getreide freizu - geben, wäre ungerecht. — Der Minister wendet sich bann gegen die Behauptung des Abgeordneten Dr. Hertz über die angebliche Aus - fuhr großer Mengen von Hülsenfruchten au» Ostpreußen: Aus- geführt ist ber tausendste Teil von bem, was bet Ab - geordnete Hertz behauptet hat. (Lebhaftes Hört, hörtl und Bewegung.) Das letzte vom Abgeordneten Hertz verlesene Schreiben ist übrigens noch nickt einmal abgeschickt, sondern zurück- gehalten worben. (Erneute# Hört, hörtl) Dr. Hertz (USP.): Es handelt sich nicht nur um Hülsen - früchte, sondern auch um Getreide unb Getreibeerzeugnisse. Reichsernährungsminister Dr. HermeS: Im Mai ist über - haupt kein Getreide ausgeführt. (Abg. Hertz: Hier steht dar Gegenteil!) Wenn Herr Dr. Hertz schlüssigere Beweise beibringt al» bie amtlichen, mag er mir sie borlegen. Dr. Heim (Bayer. BP.): Wenn man ben freien Handel zu- läßt, wirb die Lanbwirtsckaft schon das Nötige leisten. Dr. Andre (Z.): Bei der Zulassung deS freien Handels muß der GetreidepreiS sich in wenigen Tagen bem Weltmarktpreis an- gleichen. Tann würde der Brotpreis sich verdreifachen. Eine Kata - strophe sann man nicht verantworten. Reichsernährungsminister Dr. Hermes: Unser# Reser - ven an Brotgetreide genügen nickt für ben Ueber* gang zur freien Wirtschaft. Die Verbilligungsaktion für das Auslandsgetreide kann, ebenso wie die Zwangswirtschaft, nur langsam und vorsichtig abgebaut werden. SimonS-Franken (USP.): Das Umlageverfahren kann nicht verhindern, daß dieselben Katastrophen eintreten, wie bei bet freien Wirtschaft. Einige Konsumvereine, nicht alle, haben nur darum die freie Wirtschaft gefordert, weil sie durch die Bäcker die SckleichhandelSware führen konnten, benachteiligt wurden. Die §§ 2 unb 3 werben angenommen. Ein beutschnationaler Antrag, zu § 4 Fachleute zu bringet! wird abgelehnt § 9 bestimmt, baß bie VerwaltungSabfeilung au» einem Direktorium unb einem Kuratorium besteht. Abgelehnt wird ein deutschnationaler Antrag, wonach unter den ständiget, Mitgliedern des Direktorium# selbst drei Landwirte sein müssen. Angenommen wird ein Antrag der Regierungsparteien, wonach dem Kuratorium auch Vertreter be» Gewerkschaftsringes und bc» deutschen SBeamtenbunbe» angehören sollen. Abgelehnt wird eine Reihe von Anträgen auf Hinzuziehung einer Reihe anderer Organisationen sowie bei Handels, der Müllerei unb deS Bäcker- handwerks zur Geschäftsabteilung. Ein Antrag ber Deutsch- nationalen auf Streichung des § 21, wonach bei nicht rechtzeitiger Lieferung die Kommunalverbänbe bas Recht auf Enteignung de# Getreide» haben, wirb abgelehnt. Dr. Vachmann (DVP.i beantragt, bem § 47 einen Absatz hin - zuzusetzen, in bem bie zum Schutze bet ßaefrtierforgu. g erlass:- nen Strafbestimmungen aufgehoben werden. Dr. Hertz (USP.) Eine allgemeine Ainuestte für Vergeh a gegen die Vorschriften über die Haferversorgung erscheint in hohem Grade bsdenklich Im übrigen ist die Begnadigung Sack: der Länder. Schmidt-Köpenick (SD ehnt den Antrag aus Oe :■. en Gründen ab. Nach weiterer Debatte wird bet Antrag abgelegne Nach § 50 bestimmt bie Reickstegietung mit Zustimn . . : bei Reichsrates und einem vom Reichstag gewählten Aussckn . von 28 Mitgliedern die Preise, die den Erzeugern für das Umlageber- fahren zu zahlen sind. SimonS-Frcmken (USP.) verlangt, daß ber Reichstag ben Ge - lte ibepreis festsetzt. Ist e# richtig, daß schon vor der neuen Ernt« eine Erhöhung de# Brotgetreides eintreten soll? iMinistet Hermes verneint die#: „Eine Erhöhung wird frühestens zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahres eintreten. Unter keinen Umständen wirb sie mehr als 50 % betragen.") (Hört, hört!) Gunow (DVP.) fordert Rücksichtnahme auf Ostpreußen. Dr. Hertz (USP.): Unter ben Festckesoldeien herrscht große Erbttterung. Würde jetzt in kurzer Zeit eine zweimalige Er - höhung des Brotpreises erfolgen, bann wäre niemand imftanb«, ber Erregung der verelendeten Massen Herr jk werden. Minister Hermes sagt Rücksichtnahme auf Ostpreußen zu. § 50 bleibt unverändert; ebenso der Rest de» Gesetzes in zweiter Lesung. Eingegangen find vier Entschließungen. Ein* Entschliessung des Ausschusses fordert gesetzliche Vorkehrungen für den Schutz des Reallohnes; eine Entschließung Müller-rJankeii verlangt einen Gesetzentwurf, der allen Beamten unb Angestellten ein Mehr - et n k o m m e n in der Höhe sichert, bie der Steige - rung der Kosten der Lebenshaltung entspricht. Eine oeutschnationale Entschließung verlangt ben freien Verkehr für Brotgetreide, Haier unb Gerst«. Eine Entschließung Tusche (DVP.), Böhme (DDP.i ersucht die Reichsregierung, bie Lohn- unb Gehaltsempfänger, ebenso bie Kleinrentner, vor einem Sinken ihres Realeinkommens zu schützen. Der AuSschutzantrag wird mit 206 gegen 136 Stimmen abgelehnt. Der Antrag Dusche-Böhme wirb angenommen, ebenso die beutschnationale Entschließung; dagegen wird die Entschließung Müller-Franken (SD.) abgelehnt. Um 7)4 Uhr schlägt Vizepräsident Dr. Bell Vertagung bis 8 Uhr vor zur Vornahme ber dritten Lesung. Gegen den Wider- sprach ber Kommunisten folgt da» Haus bem Vorschlag des Präpoenten. — Schluß 7% Uhr. Bezüglich der dritten Lesung und der Sntfdjeibung über bt« Getreibebewirtschaftung verweisen wir unsere Leser auf ben Vor - bericht. Preußischer Landtag. (Telephonischer Bericht.) 29. Bericht. Berlin, 16. Juni, mittag» 12 Uhr. Die zweite Beratung des Justizetals wird fortgesetzt. ...... Stacnbel (DVP.): Den Erklärungen des Juitizmrninero inm - itten mir im ganzen zu. Man darf aber nickt lediglich die Inter - essen des Schuldner» in den Vordergrund stellen. Wir sind für die Angliederung der neu zu schaffenden Arbeitsgerichte an bt* Amtsgerichte. Eine weitere Ausdehnung ber o«n< bergerichte t st nicht ertoü n sch t. Wir wünschen ferner bie Zulassung ber Frauen zu in Schöffen- unb Geschworenen ant. Auch bic Laien sollen im weitesten Maße zum Richtcraint htnzu« gezogen werden. Die Hetze gegen bie Justiz lebiglich um be* Parteihabers willen halten wir für bie verwerflichste Erscheinung Kann aber bas Ansehen ber Justiz gewahrt werden, wenn fogdt ein Kultusminister Haenisch nach ber Verkünbigung des Urteil# im Marburger Stnbentenprozeß von elenden Mördern spricht, E# ist empörend, wenn ein preußischer Minister Severing in öffentlicher Versammlung in Bielefeld erklärt hat, ihm seien noch nie borniertere Menschen borgctoinmen, wie die preußischen Rich - ter. (Unruhe links.) Wenn man einen Beweis für da» Vor - handensein ber Klassenjustiz erbringen will, bars man nicht, wie es Herr Heilmann getan hat, ganz verschiebenartige Verhalt- Nisse, wie sie in Ostpreußen unb Hannover vorliegen, gleichstellen. Zwar bars bai Streikrecht nicht angetaftet werden. Aber wer arbeiten will, darf daran nicht gewaltsam gehindert werden. Ein» bedingte Begnadigung halten wir für verfehlt. Di* sozialdemo - kratischen und fomniuniitüdien Anträge lehnen wir ab. Justizminister Am Zehnhoff gibt eine auf der Tribüne unver - ständliche Erklärung ab, au# der hervorzugehen scheint, daß für Referendare 3)4 Millionen zur Verfügung gestellt werden sollen.