wae „vamanrit ««•!»•" «l.tietm idflitd) »wetmal, eonntan« n. nach Feiertag«» nur einmal, «rzua-vrei«, wöchentt. 2 85 X, monalL 10 * voraus,ahlbar tret In« Hau». W eb ot tlo n! Reblanbnraße ii, i. Stoch, «eraniwnrllicher Mebatteun Paul «nabahit, «Ilona. idrv eb tt ton: F«hlanbstraßeli,«krbgelchoß, Buchhandlung: «rbgeschoß. Buchdrucker et-lkontor: Fehlandfirabe il, 1. Stock. KamduMrEcho «■»riete btt ellgetvattta» wüeit» 50 H testet Ztetrneg«* »uichlag. «rbeitßmatkt x. Fkamilienan,eigen 2,40 X, «nötige e>«neet eit Fehlanbstratze 11 tm erb» gelchoß (bis 7 Uhr abcnb* sät den felgenben Sag), t» ben Filialen (bt* > llhri' mb tat allen Htnoaetn. Bureau«. Platz« und Dalenoorichrifien ohne BerdlndUchleit. Ur. 395. Dienstag, den 88. Juni 1981 - Adend Ansgade. 35. Jahrgang. 305 5Wlol SOeiMw. Die „Baseler Nachrichten" wollen aus ganz zuverlässiger Quelle erfahren haben, daß Frankreich seinen Standpunkt in der oberschlesischen Frage endgültig geändert habe. England bestehe darauf, nur Pleß und Rybnik könnten an Polen fallen, daS ganze Industriegebiet aber müsse man Deutschland lasten. Frank - reich habe nachgegeben und Sforzas Vorschläge seien damit erledigt. Bestätigt sich diese Nachricht, so wird dem Hangen und Bangen in schwebender Pein, in dem sich die oberschlesische Bevölkerung und mit chr das an ihrem Schicksal den lebhaftesten Anteil nehmende deutsche Volk nun schon so lange Zeit befindet, in einer Weise ein Ende gemacht, die zwar dem Deutschen Reich durch die Losreißung, eines Stückes der wirtschaftlich so außer - ordentlich wichtigen Provinz immer noch schweres Unrecht zu - fügt, als schicdlich-friedliche Lösung aber der Fortdauer der gegen - wärtigen Zustänve entschieden vorzuziehen wäre. Vorausgesetzt allewings, daß damit auch wirklich eine Verständigung zwischen Teutschen unv Polen erzielt wäre, und nicht nur ein Geschäft zwischen den Alliierten seinen vorläufigen Abschluß gefunden hätte. Die beiden, hart an der galizischen Grenze gelegenen Kreise Pleß und Rybnik sind in der Tat die einzigen Gebiete in Ober - schlesien, die wirklich überwiegende polnische Mehrheiten aufzuweisen haben. Es haben nämlich nach der kürzlich ver - öffentlichten amtlichen Feststellung der Interalliierten Kom - mission abgestimmt: im flretl deutsch Polnisch Beuthen 74 565 78 122 Rosel 36 274 12218 Glciwitz 52 353 86 19“> Grofe-Strehlitz.... 22 415 23 086 Hmbendurg 45 192 43 261 Kattowitz 75 666 70019 KöiugShüttt 31 864 10 761 Rreuzburg........ 43 484 1 783 Leobichütz 65 176 257 Lublinitz 15 473 18 6 9 Ober-Glogau 33 080 4 423 Oppeln 76 986 25 833 P!-fe 18 675 53 371 Ralibor 49 343 20 755 Rosenberg 23 857 11 150 Rybnik 27 919 62 367 Tarnowitz 17 076 27 518 Zusammen 709 346 479 747 Außer Pleß und Rybnik hatten sonach nur noch zwei Kreise polnische Mehrheiten (Tarnowitz und Groß-Strehlitz), aber von erheblich geringerem Umfange. Alles übrige ist ausgesprochen deutsch, wie denn auch das Gesamtergebnis an dem vorwiegend deutschen Charakter der Provinz gar keinen Zweifel läßt. Wenn die polnischen Minoritäten gleichwohl in einzelnen Kreisen, wie Kattowitz, Lublinitz, Beuchen und Hindenburg, recht bedeutend sind, so kann daraus nur der Schluß hergeleitet werden, daß eine politische Zerreißung dieser wirtschaftlich aufs engste verbundenen Gebiete weder im Lebensinterefse des einen noch des andern Volksteiles liegen würde. Da die oberschlesische Kohle ebenso wie das oberschlesische Erz hauptsächlich Absatz in Deutschland finden, mit dem das oberschlesische Industriegebiet auch durch die vorteilhaftesten Verkehrswege verbunden ist, wäre es geradezu ein Verbrechen nicht nur an Deutschland, sondern auch an Ober- schlesien und seiner Gesamtbevölkerung, der deutschen wie der polnischen, wenn ihm durch die Abtretung des Industriegebietes an Polen die Lebensader abgeschnitten würde. Nochmals muß also betont werden, daß, wenn die Entscheidung über das Schicksal Oberschlesiens in dem oben gemeldeten Sinne getroffen sein sollte, die deutsche Politik in Oberschlesien darauf eingestellt werden muß, mit Polen selbst eine Aera der Verständigung über die möglichst schonende BehaMung der beiderseitigen Interessen, insbesondere auch des Schutzes der nationalen Minoritäten, an- zvstreben. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedarf es noch sehr gründlicher Reformen sowohl im Verwaltungsdienst wie in der Leitung unserer auswärtigen Angelegenheiten. Es sind in Ober - schlesien als Vertreter des Auswärtigen Amte- Leute am Werke, die dazu durchaus ungeeignet sind. Wir haben schon öfters darauf hingewiesen, daß die einmal notwendigen Verhandlungen schneller gediehen wären, wenn sämtliche Parteien weniger das Prestige als die Politik der realen Tatsachen und der Vernunft in den" Vordergrund der Beratungen gestellt hätten. Heute zeigt sich immer mehr, daß die Voranstellung der sogenannten Würde und Ehre, wie sie leider von gewisser Seite beliebt wurde, der dcutschgesinnten Bevölkerung Oberschlesiens nur zum Schaden gereichte. Die notwendige öffentliche Auseinandersetzung, die infolge dieser Tatsachen in der Presse bereit» eingesetzt hat und sich zu einem Kampf gegen einzelne Persönlichkeiten entwickelt, wurde durch das Interview des Genossen Jouhaux im „Vorwärts" ins Rollen gebracht. Wir bedauern, daß der französische Arbeiter - führer vergessen hat, auch die Haltung der polnischen Putschisten gebührend zu kennzeichnen, müssen aber trotzdem anerkennen, daß Die Leute aus dem vreisatale. Ein Roman in drei Teilen, von Mustav Schröer. [1] Vorgeschichte. Hof Tröge stand auf der linken Seite de» DreisataleS und Hof Zorge ihm gegenüber auf der rechten. Zwischen ihnen schäumte die Dreisa. Die kam aus den Waldschluchten am Ilgen« köpfe Wenn ihr der Sommer die 5kraft genommen, dann raunte sie wie eine, die hinterhältig auf die Stunde wartet, da sie wieder ihren Gelüsten leben kann. Schwoll sie nach grauen Regentagen, in denen die Tropfen gleichmäßig in langen Strähnen nieder« gegangen waren, dann klang ihre Stimme wie langgezogene, hallende Trompetenstöße. War aber im Gebirge ein wildes Wetter über die Berghäupter gerast, oder war tm Frühjahr der Schnee von heute zu morgen geschmolzen, dann jauchzte sie. Das war ihr das Rechte, heidi, heido, kopfüber, krach gegen den Block, daß er taumelte, Gischt auf den Lippen, schlagende Arme und Ge« brüll. Die wilde Dreisa hatte sich ein tiefes Bett gerissen, und da« trennte, eine natürliche Grenzmark, die Ltegenschaften der zwei Höfe, die an den Lehnen empor kletterten, Wtesen, wo dte Hänge steiler waren, und Ackerland, wo sie sich flacher breiteten. Die Wälder standen wie Mauern auf iftn Simsen der Tal« wände und griffen droben mit beiden Handen in da» Land Hof Tröge und Hof Zorge waren verlorene Posten vor dem Gebirge Das Dreisatal schnitt, eine krause Rinne, tief hinein, und von' rechts und links sprangen zahllose schmalere Rinnen aus Walddnnkel ein. Das ganze Gebirge war ein einziger dichter Raoelwald ohne zusammenhängende S'edelungen. Auf schmalen Wiesenstreifen an rinnenden Wasiern wohnten die Kohler, etliche mit Weib und Kind, andere allein. DaS Wild schritt auf verschwiegenen Pfaden durch den Forst. Die Hirsibe fegten ihre Geweihe an den Baumen, daß die bluteten, und d,e Rehe ästen auf Hängen und Niederungen, über die in Sommertagen eine bunte Pracht ausgerüstet war. D«r Wind fing sich in den Schluchten und bellte gegen die seine Aeußerungen gegen die deutsche Vertretung in Oppeln und deren Auffassung bis auf wenige Einzelheiten berechtigt sind. Es ist Tatsache, daßdieHaltungderdeutschenVertreter in Oppeln die eigene Sache auf da? schwerste bedrohte. Nur ist es nicht richtig, wenn Jouhaux die Auffassung des deutschen Bevollmächtigten, Graf Praschma, al« charakteristisch für die allgemeine Ansicht der deutschen Politiker in Oberschlefien be - zeichnet. Unser in Oberschlesien weilender Mitarbeiter hatte am Sonntag Gelegenheit, in einer langen Aussprache mit dem deutschen Bevollmächtigten dessen Ansichten kennen zu lernen, und konnte feststellen, daß die von Jouhaux als charakteristisch bezeichnete Auffassung auf Mißverständnissen beruhen muß, da Praschma erfreulicherweise im wesentlichen die Ansichten der sozialdemokratischen Vertreter in Oberschlesien teilt und auch jeden Appell an die Gewalt ablehnt. Diese Klarstellung ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß auch Graf Praschma an den Verhältnissen, wie sie sich durch die Prestigepolitik entwickeln onnten, nichts ändern kann. Dem Druck der Reaktion, wie sie ich in den Vertretern des Auswärtigen Amte- in Berlin und n Oppeln verkörpert, ist er nicht gewachsen. Wir müssen den »eutschen Bevollmächtigten in Oppeln lediglich als das aus- ührende Organ jener Leute betrachten, die gewohnt sind, Prestigepolitik zu treiben, statt mit Tatsachen zu rechnen und danach zu handeln. Einer dieser Herren, der, trotzdem der Weg der Verhandlungen die einzige Rettung war, gegen alle Ver - handlungen ankämpfte, war der Legationsrat von Moltke, der erste und maßgebendste Mitarbeiter des Grafen Praschma. Moltke ist der Mann, der sogar teilweise über den Kopf des ver - antwortlichen deutschen Bevollmächtigten handelte und bei dem die notwendigen Maßnahmen vorwiegend oder ausschließlich nach parteipolitischen Motiven eingestellt werden. Seine Bestrebungen wurden und werden gestützt durch die deutschnationalen Parteipolitiker des Auswärtigen Amtes in Berlin. Aber nicht allein diese Tatsache, sondern auch das Versagen jeder Organi - sation und jeder einheitlichen Leitung, die gerade dem deutschen Bevollmächtigten hätte obliegen müssen, ist letzten Endes auch ein Grund, der zur AbhilfeandereMänner notwendig macht. Der Wirtschaft, die zurzeit in Oppeln herrscht, muß jedenfalls zur Verhütung weiterer Schäden schnellstens ein Damm gesetzt werden. Wir hatten geglaubt, daß mit dem Wechsel der auswärtigen Reichspolitik auch eint Reorganisation im Aus - wärtigen Amt eintreten würde. Die Verzögerung dieser notwendigen Maßnahme macht sich jetzt vor allen Dingen in Oberschlesien geltend. Es ist jetzt ein dringende« Bedürfnis, daß andere Männer die Vertretung Deutschlands in Oberschlesien übernehmen und daß entsprechend der Stärke der sozialdemo - kratischen Partei im östlichen Industriegebiet auch Sozial - demokraten an dieser Vertretung beteiligt find. Jedenfalls kann die oberschlesische Arbeiterschaft dem jetzt in Oppeln vor - herrschenden System nicht mehr länger das Vertrauen schenken. Wohin es uns geführt hat, sehen wir. Und läßt man es weiter bestehen, so droht die Gefahr noch weit größerer Schaden. i Mnigimg mit UM? Tie sächsische« Genosse« für eiae Arßettsgemeinschast. Unsere Parteiorganisation in Ehernnitz hat zum bevor - stehenden Landesparteitag für Sachsen einen Antrag gestellt, der Besprechungen mit der USP. über die sofortige Bil - dung einer politischen Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel einer späteren organisatorischen Wiedervereinigung verlangt. Der Kampf in der Presse und bei den Wahlen fei auf das äußerste beiderseits einzuschränken. Alle Kräfte seien gemein - sam gegen den Feind rechts und links zurückzuhalten. * • Das Vorgehen der sächsischen Genossen ist ein außerordent - lich begrüßens - und nachahmenswertes, und man kann ihrem Plan im Interesse des Sozialismus nur das allerbeste Gelingen wünschen. Sachsen ist prädestiniert dazu, auf dem Wege der Wiedervereinigung des sozialistischen Proletariats voranzugehen, zumal beide Parteien gemeinsam die Landesregierung bilden und die Landtagsfraktionen sich zu einem sachlichen Zusammenarbeiten gezwungen gesehen und es mit Erfolg durchgeführt haben. Die politische Situa - tion Deutschlands erfordert aber heute mehr denn je ein zusammengefaßtes, einige» Han dein der klassenbewußten Arbeiterschaft, nm einerseits der immer mächtiger werdenden Reaktion ein Paroli zu bieten, anderseits die Organisationen des Proletariats vor der Vernichtung durch bolschewistische Machenschaften zu schützen. Eine politische Arbeitsgemeinschaft, wie sie jetzt in Sachsen geplant ist, liegt auch im Reich durchaus im Bereiche der Möglichkeit, und der Gedanke daran sollte stets im Auge behalten werden. Nötig dazu aber ist, daß sich die Unabhän - gigen von den Staatsnotwendigkeiten überzeugen lassen und unfruchtbare Opposition überall so aufgeben, wie sie daS an den Stellen begrüßenswert taten, wo sie die Verantwortung mit übernehmen mußten. » Wandlungen in Kowsetrnßland. Die Haltung LenivS vvd die Stimmung der vevölkernng. Der Petersburger Korrespondent des Lst-Expreß entwirft folgende Schilderung der gegenwärtigen Lage in Rußland und der Wirkungen, die die neue Sowjetpolitik auf die Bevölkerung • auSgeübt Hai: Die Beendigung des Bürgerkriege« macht sich in | der allgemeinen Sage deutlich bemerkbar. Die Sowjetregierung macht Zugeständnisse, die Bevölkerung beginnt wieder Boden unter den Füßen zu fühlen, und glaubt nun daran, daß die Aen - derungen möglich seien. Sehr interessant ist es, jetzi zu beob - achten, wie das politische Selbstbewußtsein der Be- bölkerung allmählich erwacht. Das Weitere hängt nicht so sehr von diesen oder jenen Ereignissen ab, wie bedeutungs - voll sie immer sein mögen, sondern von jenen neuen Stimmungen, jener Selbstorganisation verschiedener Gruppen, und hauptsächlich der Arbeiter, die in letzter Zeit so intensiv eingesetzt hat. Natür - lich bildet der Lebensmittelmangel ein empfindliches Hindernis, und dennoch zeitigt das Bewußtsein, daß „Aenderungen" möglich, daß „die Zeit des Experimensierens" abgeschlossen sei, neue Stim - mungen. Wenn man auch den Bolschewisten selbst kein Ver - trauen schenkt, so herrscht doch die Zuversicht, daß auch die Bol - schewisten ihre früheren Kampfziele aufzugeben vermögen. Augenblicklich gilt die ganze Aufmerksamkeit der Beseitigung der in letzter Zeit beobachteten Zersplitterung de» Petersburger Proletariats. Dabei geht dieser Prozeß der Sammlung außer - halb der kommunistischen Partei vor sich, innerhalb der Gewerk- schäften und teils unter dem Einfluß solcher Parteimänner, sogar aus den Reihen der Kommunisten, welche in den letzten Jahren in den Hintergrund gedrängt waren. Zu solchen Männern gehört u. a. Rjasanow. Jedenfalls vollzieht sich dieser neue Prozeß sehr langsam, wie überhaupt alles in Rußland, er hat jedoch be - reits begannen. Neue Strömungen machen sich auch bei der ehe - maligen Intelligenz geltend. Die Bauernschaft verharrt vorläufig noch in ihrer alten Feindseligkeit gegenüber der Stadt, und e« läßt sich zurzeit noch nichts Sicheres über die Stimmung der Bauern sagen. Die Regierung selbst ist großen Schwankungen ausgesetzt. Maxim Gorki, der unlängst nach Moskau ge - fahren war, wo er eine persönliche Unterredung mit Lenin hatte, ist der Ansicht, daß die Parteizwistigkeiten Lenin hindern wür - den, fein neues Programm zu verwirklichen. Gorki ist jedoch in gereizter Stimmung aus Moskau zurückgekehrt, da er dort Miß. Helligkeiten mit Tschitscherin hatte. Dies mutz in Betracht ge - zogen werden. Der Einfluß Lenin» ist so stark, daß eS sogar ge - lungen ist die Machtvollkommenheit Dserschinskis zu schmälern. Deshalb muß angenommen werden, daß Gorki die Position Lenins zu pessimistisch beurteilt Eines ist gewiß: das Erwachen der Bevölkerung hat bereits begonnen. ES wird immer deutlicher, daß diese» Erwachen nicht die Form eines Aufttander annehmen wird, sondern eines langandauernden EvolutionSprozeffes. Der Korrespondent des Ost-Expreß hatte eine Unterredung mit einer Persönlichkeit, die kürzlich Lenin gesprochen hatte. Auf die Frage: „Wie werden Sie sich au« der gegenwärtigen schweren Sage berauSfinben?' erwiderte Senin mit voller Ueberzeugung: „Seien Sie versichert, wir werden uns ans dieser Sage weit besser heraus, sinden al» aus allen früheren Situationen. Alle Zugeständnisse, die das Leben fordert, werden wir machen. Um Rußland vor der unvermeidlichen Reaktion zu retten, werden wir nicht in die Fußtapfen der ftgnzöfifchen Revolution treten." • vom Songretz der 3. Juternatiousle. Aus gutunterrichteter Ouelle erfährt der Korrespondent des Ost-Expreß, daß die Reibungen innerhalb der russischen kommu - nistischen Partei zwar bedeutend seien, jedoch sei — was die anOeröiautenocA Meldungen De« Wolftvureaus direkt widerlegen — eine Spaltung kaum wahrscheinlich. Die Mei - nungsverschiedenheiten betreffen das Verhältnis zur Weltrevolution. Die linksradikalen Kommunisten be - stehen auf der Notwendigkeit, alle Kräfte auf die Revolutionie- rung des Weltproletariats zu konzentrieren und die Frage deS Wiederaufbaues Rußlands zurückzustellen. Die gemäßigteren kommunissischen Elemente betonen, daß e« erforderlich sei, sich in Sowjetrußland möglichst zu befestigen, um so eine uneinnehmbare Festung für die Zeit der künftigen Kämpfe zu errichten. Die Politik bet Zugeständnisse wird von der Mehrzahl der Kommunisten gebilligt, cselbst die Ltnksradi- kalen halten eS für unzweckmäßig, gegen die eigenen Genossen um rein russische Probleme zu kämpfen. Da die Partei arm an sachkundigen Vorkämpfern ist, werden wohl beide Richtungen be - strebt sein, die inneren Zwistigkeiten zu überwinden und ein - ander Zugeständnisse zu machen, um die nötigen Männer auf den verantwortlichen Posten zu erhalten Ungeachtet der vorhandenen Reibungen wird die praktische Arbeit gegenwärtig von beiden Seiten mit unverminderter Energie fortgesetzt. Bayerische Zustande in Pommern. AuS Pommern wird uns von zuverlässiger Sette ge - schrieben: „Hier tn Pümmern bilden sich allmählich genau solche Ver - hältnisse heraus wie in Bayern. Gestern abend war in Neu- stetttn jungvölkische Sonnenwendfeier, wozu die Schulkinder mit ihren Lehrern au8 der Umgegend zugezogen waren. Ein deirtschnationaler Abgeordneter aus Hamburg und ein General a. D. aus Stettin hielten die Festreden. Abends war Zapfenstreich und Umzug, woran die „parteilose" Reichswehr teilnahm, und zwar mit klingendem Spiel. Die Fenster der Kaserne waren mit Lichtern hell beleuchtet. Es fehlten nur noch ein paar Morde nach baye - rischer Art und wir stehen mit Bayern auf einer Stufe." Pommern ist bereits in der Zeit nach dem Kapp-Putsch als besonderer Hort der Reaktion hervorgetreten. Wenn sich jetzt wieder derartige Zustände anspinnen, wird eS höchste Zeit für die Regierung, einmal gründlich durchzugreifen. Kor dem Ende des englische« Ktreik^? Um ei«e Regieruugsbeihilfe. Reuter meldet, die gestrige Konferenz der Bergwerksbesitzer und Kohlenarbeiter vertagte sich 8,80 Uhr. Die Delegierten trafen um 10 Uhr mit Lloyd George zusammen zur Be - sprechung der Regierungssubvention. Zuständigerseits wird er. klärt, daß hinsichtlich de» UebereinkommenS mit bet Regierung über die Subvention ein vorläufiges Uebereinkom- me n erzielt fei, demzufolge d i e 3 r bei t am 4. Juli wieder ausgenommen werden solle. Die Konferenz mit Lloyd George vertagte sich mitternachts, da keime SBereinbarung übet die Beisteuer der Regierung zu den Be r g a t be i t e 11 ö hn en erreicht werden konnte. Lloyd George erklärte, er müsse zunächst mit dem Kabinett beraten. Di« Konferenz zeigte, daß di« Bergwerksbesitzet und Kohlen- arbeitet sich über die Söhne während der Zeit des wirtschaftlichen Niederganges sowie über dak Verhältnis zwischen Gewinn und Löhnen, wenn ein wirtschaftlicher Wiederaufschwung erfolgt, einigten. DaS Abkommen soll bis Dezember 1922 gelten. Wenn die Regierung eine Beisteuer gewährt, werden die Führet der Bergarbeiter die Annahme deS Abkommen» empfehlen. D i e Lage ist indes noch ungewiß, da die Führet eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht anordnen können, bevor sie sich nicht mit den Bergarbeitern besprochen haben. Kabinettskrise in Italien. Das Ministerium Giolitti zurückgetretrv. AuS Rom wird gemeldet: In der Nachmittagssitzung der Kammer teilte Giolitti mit, daß er infolge der gestrigen Abstimmung und bet dabei et> zielten Mehrheit, deren polittscher Wert durch die während be» Debatte gemachten Vorbehalte noch vermindert (herbe, bet Ansicht fei, daß diese der Regierung die zur Lösung der gegenwärtigen ernsten Fragen notwendige Stärke nicht gebe. Daß Ministerium überreichte deshalb dem König bat Rücks trittSgef udj, der sich ein« Entscheidung Vorbehalten Hache. Die Regierung werde zwecks Erledigung der laufenden Geschäfte auf dem Posten bleiben. Der Rücktritt her italienischen Regierung hat seinen Rulgano von bet heftigen Kritik genommen, die an der Außenpolitik in der Sammer geübt wurde. Soweit diese Kritik von bürget» lieber Seite auSging, richtete fie sich aber nicht etwa dagegen, daß Italien einen großen Teal Ob erschlesien» zu Polen schlagen will, sondern gegen das Entgegenkommen der italienischen Außenpolitik an Südslawien, insbesondere gegen die Abtretung des Hafens von BaroS. ES ist auch dieser 5'cfrn nach der Auf, lösung der Legionärenmiliz in Fiume von Faszisten besetzt worden. Wie es den Kapp-Knlschiste« geht. Wie bet „Vorwärts" meldet, hat nach dem Kapp-Putsch Minister Heine die Säuberung deS Ministeriums von Kappisten im allgemeinen seinen Nachfolgern überlassen müssen. Nur de« Personalrefetenteu Landrat Schellen entfernte Heine noch persönlich, weil Schellen da? persönliche Vertrauen deS Ministers in der schwersten Weise getäuscht hatte. Diesen Mann hat nun die Regierung Stegerwald zu ihrem Gesandten tn München ernannt} Bot einigen Tagen erklärte bet Reichsj uftizminister Schiffet im Reichstag auf eine Anfrage, daß bet Haftbefehl gegen ben fiappminifter v. Iagow auf Grund eines ätzt- lieben KrankheitSzeugnisseS nicht vollstreckt werde. Run schreibt Jagow bet .Kreuzzeitung" aus Potsdam, daß er seit dem 18. März 1920 keinen Tag krank gewesen sei. Uerständliche Folge«. Die Zeitschrift „Die Frau hn Staat" berichtet, daß ht Ame - rika wieder große Summen für die Speisung notleiden - der. Studenten gesammelt worden find. Die Spendet haben es aber zur Bedingung gemacht, daß kein Pfennig davon an deutsche Studenten komme. Dies geschieht nicht etwa au» Feindschaft —, sind eS doch meist dieselben Kreise, die auch hinter der Cuäferfperfung der deutschen Schulkinder stehen—, sondern die Spender hat eS mit Empörung erfüllt, daß Männer wie Einstein, Nicolai, Friedrich Wil - helm Förster von der deutschen Studentenschaft in der unwürdigsten Weist behandelt worden sind. Oberschlessen und Sanktionen. Nach der „Deutschen ÄHge- meinen Zeitung" werden tm Auswärtigen Ausschuß be» Reichs- tage«, der heute zusammen tritt, die Interpellationen über Ober- schlesien und die Sanktionen von der Regierung be - antwortet. Die deutschen Sachvetständisen Gugzenheimet und Bergmann trafen am Montag in Paris ein. Die Verhandlungen, die Diens - tag beginnen, betreffen ebenso wie die Wiesbadener Besvrechun- gen bet Minister Rathenau itnb Loucheur in erster Wnie Fragen der Preisfestsetzung und Finanzierimg. Die Einnahmen der Rttchspost betrugen rm Rechnungsjahr bis zum 31. März über 414 Milliarden gegen einen Voranschlag von 4 Milliarden, genauer 4,587 Milliarden gegen 4,075 Milliar - den. Gegen di« Einnahmen des Vorjahres, die 2,181 Milliarden betrugen, haben sie sich mehr als vervoppelt. In Japan herrscht große Erregung wegen der außenpoli - tischen Vorgänge. Die Regierung hat die Zensur ver - schärft und da» Erscheinen eines aruerikanischen Blatte» und mehrerer anderer ausländischer Zeitungen in Tokio verboten, weil sie Nachrichten über die Erneuerung deS englisch.japantschen Bündnisse» veröffentlicht haben. Felsen. An ©ommerabenbeit ging ein Wehen durch die Wälder wie Harfenklang, und in Winternächten saßen sich die Eisjung- fraucn auf silbernen Sesseln gegenüber und erzählten Mären. Ein schmaler Pfad führte au3 dem tiefer gelegenen Sande herauf in daS Dreisatal.. Die Höfe ihrerseits hatten sich etliche Wege nach den Feldern und Wiesen gebahnt. Niedrig und breit und altersgebräunt sahen die Holzhäuser au» ihren klaren Fensteraugen in da» große Schweigen, und der Wanderer, der fremd und zur Nachtzeit da? Tal erreichte, wunderte sich, daß ihn von den Hängen her Lichter grüßten. Er hatte längst oermeint, allein zu sein, da er die letzte größere Siedelung gute zwei Stunden hinter sich gelassen. Es war in der Zeit, in der die Eisenbahnen anfingen, leb - hafter durch die Lande zu rollen. Der Herbst rüttelte an ben Bäumen, Sonne und Frost tupften ihre Zeichen gelb und rot auf die Blätter, und der Wind stieß kalt über die Hänge. Auf einem Acker, der zum Zorgehofe gehörte, pflügte ein halbwüchsiger Junge. Er war von gedrungenem Bau, hatte einen runden, dicken Kopf, kluge, braune Augen, und das Haar stand kurz und straft auf dem Scheitel. „Hüh," rief er den Gäulen zu. Die setzten sich gemächlich in Bewegung, zogen an, der Pflug wühlte, und die Schollen legten sich braun und glänzend auf die Seite. Wenn bet Pflug da» Feld überquert, standen die Pferde; denn sie fußten, daß ihr Lenker nun eine kurze Ruhepause ein» treten liefe. Der setzte sich einen Augenblick auf den Pflug, zog ein Büchlein aus der Tasche, schlug eS auf, da wo er das Zeichen eingelegt hatte, Überla» eine Stelle zwei-, dreimal, klappte da? Buch zu und wendete die Pferde. Die Breite hinüber wiederholte er dann, was er gelesen. So kam ein wunderliches Durcheinander heraus. „Irret euch nicht; Gott läßt. . . Hüh doch! . . . Gott laßt sich nicht spotten; denn waS der Mensch, . . . Lotte, bist du denn ganz verrückt, — Wüste! Hü! . . . denn WaS der Mensch säet, daS wird er ernten.“ So drei-, viermal, dann war er drüben, die Pferde hielten wieder, und Bernhard Zorge tat wie vorhin. Er bereitete sich zur Aufnahme inS Lehrerseminar vor, ging jede Woche dreimal den zwei Stunden weiten Weg hinab ins Dorf zu Lehrer Weigelt und empfing von dem, was er ihm zu geben vermochte, rechnete, lernte allerlei von Erdteilen und Ländern, schrieb Aufsätze und ließ sich unterweisen tm Glauben. So nannte es Lehrer Weigelt: Unterweisung tm Glauben, und drei Stunden lang hatten sie sich hinter den Spruch gekniet, der nach deS Lehrer? Meinung das Wesen des Glaubens verdeutlichte wie kein zweites Wort. „Es ist aber der Glaube . . ." Da» müsse man auseinander halten: gewisse Zuversicht beS, da? man hoffe und nicht zweifeln an dem, das man nicht sieht, aber es münde beide» auf dasselbe hinaus, sei wie eine große Sichtkrone, in deren Schein man da» Unbegreifliche stellen müsse. Dann sei nicht» mehr unklar oder auch unwahrscheinlich; denn wo das Ver - stehen aufhöre, da nehme einen der Glaube gleichsam an der Hand, etliche kühne Flügelschläge, und man sei darüber hinaus. Der Mann redete mit heißem Eifer; sein langer, weißer Bart zitterte, und die Sippen zogen die Suft einwärts, als schlürften sie. Die lebhaften, grauen Augen blitzten über den starken Tränensäcken, er legte eine feine, schmale Hand auf das Bibelbuch, saß da, hehr wie Gottvater selber und sagte: „Junge, Du hast einen Beruf erwählt, der Dir zwar viel Enttäuschungen, aber doch auch das Schönste bringen wird, das da» Beben zu geben hat. Sieh: einhundertachtzig Taler habe ich, dazu den Dezem und die Stolgebühren, ein Dach über dem Kopfe, durch das es regnet und drei Morgen Land. Das ist alles und ist im Grunde wenig mehr als ein Bettel, aber wenn ich noch einmal zu wählen hätte und alle» wüßte, was ich heute weiß, ich würde doch wieder — Schulmeister. Du wirst e$ einmal leichter haben; denn Du wirst al« Deine? Vater» Einziger Mammon genug mitkriegen. ES hätte gut und gerne dazu gereicht, daß Du studiertest, aber Du willst Lehrer werden. Recht, Junge, es ist so groß, wie irgendein anderes, nur nicht so reich an Ehren und Lohn. Die Ehren wirst Du drüben kriegen," er wies mit dem Finger in die uvergebende Sonne, „und den Lohn gibt Dir Dein Herz. — Gott befohlen, grüß' den Vater und die Mutter." Bernhard Zorge ging heim, im Sommer gegrüßt von reifendem Segen, im Frühjahre getragen von Verheißungen, die auf lauen Winde ritten, im Herbste umweht von müden Abschiedssängen. Kommenden Winter sollte der Junge so Ende November ganz zu Lehrer Weigelt ziehen und bei ihm bleiben bis Ende Februar. Da war die Aufnahmeprüfung ins Seminar. Weihnachten gedachte er für drei oder vier Tage ins Vaterhaus zurückzukehreu; dann sollte er sich wieder hinter die Bücher setzen. Lehrer Weigelt wollte hernach im Februar mit seinem Zögling zur Priifung fahren. Bernhard Zorge prüfte sich auf dem Heimwege mit nie er- lahmendem Eifer selber. Er sah einen langen Tisch vor sich. daran an die acht bi» zehn Herren saßen, die grimmig drein, schauten und ihre Blicke bis in die Seele des Prüflings bohrten. „Zorge, sagen Sie unS doch eben, wo steht da» Evangelium beS Sonntags Jubilate? — Schwapp, da war eS. — Erzählen Sie unS ein wenig über die Rechtfertigungslehre be6 Augustiner». — Bernhard Zorge schnurrte. — Gut. Da wir einmal bei der Erb - sünde sind: Welche» find die Teile de» Sakramente» von der heiligen Taufe? — In Religion haben Sie bestanden. Darauf rückte sich ein anderer die Brille zurecht: Rechnen. — Das grotze Einmaleins und EinSineinS bis zur Fünfundzwanzig konnte Bernhard Zorge im Schlafe. Wenn ihn die Mutter früh um halb drei am Arme gerührt hätte: „Bernhard, wieviel ist wohl achtzehn mal dreiundzwanzig,“ bann hätte er ohne Besinnen ge - antwortet: „Vierhundertundvierzehn,“ hätte sich auf bte pnbere Seite gedreht und weitergeschlafen. So priOe er sich in allen Fächern, stellte sich die verzwicktesten Aufgaben, die geradezu Fallen waren, und hatte habet nur den einen Verdruß, daß er die Antwort immer mit der Frage zugleich vor sich auftauchen sah. Er war in allem gut beschlagen, am besten aber in der Glaubenslehre. Etliche hundert Sprüche, alle Evangelien und Episteln der Sonn- und Feiertage, etwa hundert Kirchenlieder. Sein Gedächtnis war wie eine ungeheure Kommode mit un - zähligen Fächern. In denen herrschte eine gute Ordnung, und der Herr der Kommode griff nie fehl, zog nie einen verkehrten Schub auf. Das scheinbar Schwierigste war ihm Spiel. Wa» weißt du voni Wesen Gottes? Schub auf. Erstes Gebot, Selbst- zeugen». Spruch, Liedervers, Beweis au» der heiligen Geschichte. Alles fein gebündelt, eins auf dem andern. Wenn man daS erste Gebot wegnahm, bann kam darunter der Spruch, unter dem der Liedervers und so weiter. Da» legte er sauber wieder aufein - ander wie Zettel, rechts heraus, daß zuletzt die Beispiele oben barauflagen, brehte e» um, wenn er fertig war, schlang ben gaben wieder um das SSütlbel, schob den Schub zu, die Feber schnappte, alle» lag wieder sauber geordnet bi» zum nächsten Gebrauche. Bernhard Zorge hatte über das Wesen GotteS gesprochen, ver - stand, an jedem Orte, zu jeder Zeit, vor jedem Menschen wieder davon zu reden. Es lag alle» fein geordnet im Schube, er griff nie fehl. (Nachdruck WrbotaM t